.
.

.

Grundtypen von Riba


Wie bereits erwähnt, ist der Verkauf bzw. der Austausch der Riba-Güter nur dann scharii’ah-konform und zulässig, wenn bestimmte Regeln berücksichtigt werden.
Bei der Nicht-Beachtung dieser Regeln fällt der Verkauf bzw. der Austausch dieser Riba-Güter unter den scharii’ah-widrigen Riba-Typus, bei dem zwei Riba-Grundtypen, Ribal-fadl und Riban-nasii-a, unterschieden werden.

Ribal-fadl ربا الفضل “der Differenzialzins”

Al-fadl bedeutet linguistisch “der Unterschied bzw. die Differenz”.

Der Vertrag von Ribal-fadl bezeichnet fachspezifisch:
“ein Veräußerungsgeschäft (Bay’), bei dem eine Differenz zwischen beiden Äquivalenten (Kaufobjekt und Kaufpreis) vorliegt”.

Eine andere präzisere Definition des Vertrags von Ribal-fadl lautet:
“Er ist ein Vertrag über eine Austausaktion bestimmter gattungsgleicher Äquivalente mit einer Differenz”.

Bei der Austauschaktion von Riba-Gütern untereinander bleiben die Verarbeitung und die Qualität dieser Güter komplett außer Betracht.
Die Nicht-Berücksichtigung der Qualität beim Austausch der Riba-Güter untereinander ergibt sich aus dem allgemein formulierten Wortlaut des o. g. Hadiith: “وَزْنًا بِوَزْنٍ مِثْلًا بِمِثْلٍ, gleiches Gewicht gegen gleiches Gewicht – genau gleich”. In einem weiteren Hadiith von Abu-sa’iid Al-chudriy heißt es:

‏جَاءَ بِلَالٌ إِلَى النَّبِيِّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ بِتَمْرٍ بَرْنِيٍّ َقَالَ لَهُ النَّبِيُّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ مِنْ أَيْنَ هَذَا قَالَ بِلَالٌ كَانَ عِنْدَنَا تَمْرٌ رَدِيٌّ فَبِعْتُ مِنْهُ صَاعَيْنِ بِصَاعٍ لِنُطْعِمَ النَّبِيَّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏فَقَالَ النَّبِيُّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ عِنْدَ ذَلِكَ أَوَّهْ أَوَّهْ عَيْنُ الرِّبَا عَيْنُ الرِّبَا لَا تَفْعَلْ وَلَكِنْ إِذَا أَرَدْتَ أَنْ تَشْتَرِيَ فَبِعْ التَّمْرَ بِبَيْعٍ آخَرَ ثُمَّ اشْتَرِهِ.

Bilaal brachte dem Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) Barniy-Datteln 1. Der Prophet (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) fragte ihn: “Woher hast du es?” Bilaal antwortete: “Wir hatten Datteln von minderer Qualität, dann tauschte ich zwei Saa’ davon gegen ein Saa’ von diesen aus, damit wir dem Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) etwas zum Essen anzubieten.” Der Prophet (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte daraufhin: “Oh nein, oh nein; das ist Ar-riba selbst, das ist Ar-riba selbst; tue es nicht! Wenn du etwas kaufen willst, dann verkaufe zuerst deine Datteln und kaufe danach diese. (B und M)

Riban-nasii-a ربا النسيئة “der Stundungszins”

An-nasii-a wird linguistisch von an-nasii’ النسيئ abgeleitet und bedeutet “Aufschub, Verschiebung, Verzögerung und Verzug”.

Unter einem Vertrag mit Riban-nasii-a (‘aqdur-riba) verstehen die Fiqh-Gelehrten fachspezifisch “einen Vertrag über bestimmte Äquivalente (Kaufobjekt und Kaufpreis) mit Zahlungsaufschub beider oder eines der beiden“.

Es wird ebenfalls definiert als:
ein Veräußerungsgeschäft verbunden mit Stundung und mit Aufschlag bei einem der Äquivalente als Gegenleistung für die Stundung“.
Nach der o. g. Definition von Riban-nasii-a spielt es keine Rolle, ob die beiden Äquivalente derselben Gattung angehören oder im gleichen Verhältnis vorliegen.

Die Fiqh-Gelehrten der Hanbalitischen Fiqh-Schule definieren diese Art vom Riba-Vertrag als:
jeden Austausch zweier Äquivalente, welche den Einschränkungen von Ribal-fadl unterliegen, wobei keines von ihnen ein Zahlungsmittel ist“.
Diese Definition schließt ebenfalls den Darlehensvertrag ein, mit dem ein Nutzen bezweckt wird.

Beispiele für Riban-nasii-a:

– Man kauft eine Tonne Weizen gegen eine Tonne Weizen gleicher oder anderer Sorte mit der Bedingung, dass der Weizen nach zwei Monaten ausgehändigt werden.

– Man kauft 1.000 Euro gegen 1.600 Schweizer Franken mit der Bedingung, dass die 1.600 Schweizer Franken nach zwei Monaten bezahlt werden.

– Man kauft 1.000 Euro in Form von zwei 500-Scheinen gegen 1.000 Euro in Münzen mit der Bedingung, dass die 1.000 Euro (in Münzen) nach zwei Monaten bezahlt werden.

– Man erhält 1.000 Euro (in Form eines Kredits) mit der Bedingung, dass diese 1.000 Euro nach einem Jahr mit einem Aufschlag von 100 Euro (1.100 €) zurückgezahlt werden.

Exkurs 1

Zulässigkeit des Ratenkaufes

Der Erwerb eines Kaufobjektes mittels Ratenzahlung ist zulässig und scharii’ah-konform, wenn man dabei berücksichtigt, dass die Austauschäquivalente nicht zu den Riba-Gütern gehören und dem Käufer im abge-schlossenen Vertrag nicht zwei Zahlungsoptionen angeboten werden, damit der Vertrag nicht unter die verbotene Verkaufsform “Vereinbarung unterschiedlicher Verkaufstypen in einem einzigen Kauf- bzw. Verkaufsvertrag” fällt und damit ungültig wird.
Wenn beide Vertragsparteien sich bei einer Vertragsverhandlung und vor dem Abschluss des Kaufvertrags auf einen im Vergleich zu einer Barzahlung höheren Kaufpreis einigen, dessen Zahlung in Raten erfolgt, dann gelten diese Vereinbarung und der danach geschlossene Kaufvertrag als zulässig und scharii’ah-konform.
Diese vor dem Vertragsschluss vereinbarte und zulässige Ratenzahlungsoption darf nicht mit der verbotenen und scharii’ah-widrigen Riba-Zahlung verwechselt werden, auch wenn für den Laien auf den ersten Blick eine gewisse Ähnlichkeit gegeben scheint.
Wie bereits erwähnt, wird bei einer Form von Riban-nasii-a ein Aufschlag auf den Kaufpreis vereinbart, den der Verkäufer aufgrund der zeitlichen Aufschiebung
erhält. Je länger dieser Zeitaufschub andauert, desto höher werden dieser Aufschlag und ebenso der Kaufpreis.
Bei der Ratenzahlung erfolgt die Vereinbarung des Aufpreises wegen der verzögerten Zahlung bei der Preisverhandlung und vor dem Vertragsabschluss. So schließt der Käufer zuerst den Kaufvertrag mit dem bereits verhandelten Kaufpreis, der sich danach nicht mehr verändert und von der wirklichen Zahlung der vereinbarten Raten nicht mehr abhängen wird. Der Käufer schuldet dem Verkäufer danach nur diesen bereits vereinbarten Kaufpreis, unabhängig davon, ob er seine Schuld rechtzeitig zurückzahlt oder nicht. Diese Schuld wird mit der Zeit nicht höher, im Gegensatz zum verbotenen Riba-Kauf.
Damit ist eine derart vereinbarte Ratenzahlung scharii’ah-konform und besitzt keinen Riba-Charakter.

Exkurs 2

Entscheidung des Internationalen Islamischen Fiqh-Rats (International Islamic Fiqh Academy) der Organisation der Islamischen Konferenz (Organization of The Islamic Conference/ OIC) bezüglich des Ratenkaufs

Auf der 6. Vollversammlung des Internationalen Fiqh-Rates in Jeddah/ Königreich Saudi Arabien in der Zeit von 17.08.1410/14.03.1990 bis 23.08.1410/20.03.1990 wurde bezüglich des Ratenkaufs folgende Entscheidung Nr. 51 (2/6) gefällt 2:

أولاً: تجوز الزيادة في الثمن المؤجل عن الثمن الحال، كما يجوز ذكر ثمن المبيع نقداً، وثمنه بالأقساط لمدد معلومة، ولا يصح البيع إلا إذا جزم العاقدان بالنقد أو التأجيل. فإن وقع البيع مع التردد بين النقد والتأجيل بأن لم يحصل الاتفاق الجازم على ثمن واحد محدد فهو غير جائز شرعاً.
ثانيـاً: لا يجوز شرعاً، في بيع الأجل، التنصيص في العقد على فوائد التقسيط، مفصولة عن الثمن الحال، بحيث ترتبط بالأجل، سواء اتفق العاقدان على نسبة الفائدة أم ربطاها بالفائدة السائدة.
ثالثـاً: إذا تأخر المشتري المدين في دفع الأقساط عن الموعد المحدد فلا يجوز إلزامه أي زيادة على الدين بشرط سابق أو بدون شرط، لأن ذلك ربا محرم.
رابعـاً: يحرم على المدين المليء أن يماطل في أداء ما حل من الأقساط، ومع ذلك لا يجوز شرعاً اشتراط التعويض في حالة التأخر عن الأداء.
خامساً: يجوز شرعاً أن يشترط البائع بالأجل حلول الأقساط قبل مواعيدها، عند تأخر المدين عن أداء بعضها، ما دام المدين قد رضي بهذا الشرط عند التعاقد.
سادساً: لا يحق للبائع الاحتفاظ بملكية المبيع بعد البيع، ولكن يجوز للبائع أن يشترط على المشتري رهن المبيع عنده لضمان حقه في استيفاء الأقساط المؤجلة.

Erstens: Es ist erlaubt, dass der Kaufpreis beim Ratenkauf höher ist als der Kaufpreis beim Barkauf. Es ist ebenfalls erlaubt, den Kaufpreis für den Barkauf und den Kaufpreis für den Ratenkauf für bekannte Fristen zu erwähnen. Der Kaufvertrag ist nur dann gültig, wenn beide Vertragsparteien sich zum Barkauf oder zum Ratenkauf entschließen. Sollte der Kaufvertrag zwischen dem Barkauf und dem Ratenkauf schwanken, so dass keine Entschlossenheit zu einem einzigen bestimmten Kaufpreis vorliegt, dann ist er scharii’ah-widrig.

Zweitens: Es ist nach der Scharii’ah unzulässig, beim Ratenkauf die Ratenzinsen getrennt vom vereinbarten Kaufpreis im Kaufvertragstext anzugeben, so dass diese von der Frist abhängen, unabhängig davon, ob beide Vertragsparteien sich über den Zinssatz einigen oder diese mit dem gängigen Zinssatz verbinden.

Drittens: Sollte sich der Ratenkäufer, der Schuldner, bei der Abbezahlung der Raten während der festgelegten Frist verspäten, dann darf er nicht dazu verpflichtet werden, einen Aufschlag auf die Schuld (Raten) mit oder ohne einer Bedingung zu entrichten, weil dies eine verbotene Riba-Zahlung darstellt.

Viertens: Der Schuldner, der seine Schulden bezahlen kann, darf sich nicht bei der Bezahlung der fälligen Raten verzögern. Trotzdem ist es nach der Scharii’ah nicht erlaubt, eine Bedingung zu vereinbaren, einen Schadensersatz für den Verzug zu verlangen.

Fünftens: Es ist scharii’ah-konform, wenn der Ratenverkäufer eine Bedingung aufstellt, dass die übrigen Raten vor ihrer Fälligkeit zu entrichten sind, wenn der Schuldner (Ratenkäufer) sich bei der Bezahlung mancher dieser Raten verspätet, vorausgesetzt, dass der Schuldner dieser Bedingung beim Vertragsschluss zugestimmt hat.

Sechstens: Der Ratenverkäufer darf das Eigentum des Kaufobjekts nach dem Ratenkauf nicht behalten. Der Ratenverkäufer darf jedoch den Ratenkäufer dazu verpflichten, ihm das Kaufobjekt als Pfand zur Verfügung zu stellen, um eine Sicherheit bezüglich der Entrichtung der offenen Raten zu haben.

Bemerkung:

Auf der 7. Vollversammlung des Internationalen Fiqh-Rates der OIC in Jeddah (07.11.1412/09.05.1992 bis 12.11.1412/14.05.1992) wurde der Ratenkauf mit der Entscheidung Nr. 64 (2/7) mit seinen Modalitäten bestätigt.


Notes:

  1. Barniy-Datteln sind eine hervorragende Sorte von Datteln.
  2. Zeitschrift des Internationalen Islamischen Fiqh-Rates der OIC, 6. Nr., 1. Band, Seite 193