.
.

.

Deutsche Quraan-Übersetzungen


( 1)

Eine Translation darf nicht nur als einfacher Sprachtransfer bzw. als Transkodierung von Wörtern verstanden werden, sondern sie ist ein komplexer Vorgang transkulturellen Handelns, bei dem der Übersetzer den kontextuellen Zusammenhang des Ausgangs- und Zieltextes sowie die fachspezifischen, kulturellen und sprachlichen Bedingungen berücksichtigt.
Dass dies nicht immer so gehandhabt wird, zeigt sich deutlich an der Geschichte der Quraan-Übersetzung im europäischen Raum. Sie ist geprägt von historischen Umständen und herrschendem Zeitgeist: über mehrere Jahrhunderte (12.-18.Jhd.) bewusst verfälschend und extrem islamfeindlich, ab dem 18. Jhd. abwertend, dann poetisch und heute zum Teil um Sachlichkeit bemüht. Ziel vieler Übersetzer war nicht das Stillen von Wissensdurst oder gar Forschungsdrang, sondern Widerlegung und Diskreditierung des Islam. Dies zeigt sich deutlich an den wertenden Titeln der Übersetzungen:

– Alchoran, Das ist des Mahometischen Gesatzbuchs und türckischen Aberglaubens Ynnhalt und Ablänung (Dionysius)

– Contra Alchoranum et sectam Machometicam libri quinque (Fünf Bücher gegen den Koran und die mohammedanische Sekte) (Rijkel/ Ryckel bzw. van Leeuven)

– Vollständiges Türckisches GesetzBuch, Oder des Ertz-betriegers Mahomets Alkoran (Lange)

– Mahomets Lebensbeschreibung/und sein verfluchtes Gesetzbuch oder Alkoran (Lange)

– Alcoranus Mahometicus, Das ist: Der Türcken Alcoran/Religion und Aberglauben (Schweigger)

Auch die Titelbilder und Bildunterschriften wie “Mahumed der fallsche Prophet” unterstrichen diese gewollte Verunglimpfung des Islam. Die Übersetzer bekundeten ihre feindselige Einstellung auch im Vorwort und ihren Kommentaren, so schrieb Schweigger z. B.: “Ich halte aber dafür/ dass dieser Tittel oder attributum eines fliegenden Briefs/der Vorreslästerlichen/Türckischen/Mahometischen/Saracenischen oder Agarenischen/ Ismaelitischen Religion von Billigkeit wegen zugemessen werden soll/ nemblich dem verfluchten Alcoran. Das Wort Alcoran heist ein Lesen oder Legend/ die Araberr nennens Alfurcan, das ist/der unterscheid oder die unterschiedliche Lehr/welche vom Geseß und Evangelio zusammen gesambler und geflicker ist.
Nach der europäischen Aufklärung veränderte sich diese feindselige Polemik nur wenig. Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) wurde nicht mehr als “der Antichrist” verunglimpft, sondern nur noch als “falscher Prophet, Betrüger, der allerärgste Bösewicht” beschimpft. Der Quraan wurde weiterhin als “sein verfluchtes Gesetzbuch, falsche Offenbahrung, Luegenbuch, Fabelbuch” geschmäht, sowie der Islam als “Mahomedanischer Aberglaube” (Lange, Nerreter, Arnold, Megerlin) verteufelt. Erstmals verzichtete Boysen (1773) in seiner Vorrede auf Beschimpfungen des Propheten und des Quraan und gab als Motiv seiner Übersetzung nicht die Widerlegung des Quraan an.
Vor dem 18. Jahrhundert hatten die deutschen Übersetzer zudem keinen Bezug zum arabischen Original, keinerlei fachliche islamwissenschaftliche Qualifikation und keine Kenntnis des Arabischen. Sie haben lediglich eine Übersetzung von einer Übersetzung von einer zum großen Teil verfälschten Übersetzung angefertigt. Dass ihre Texte danach weder dem Sinn noch dem Inhalt des Mushaf entsprachen, ist nicht verwunderlich. Durch unsachliche Kommentare, tendenziöse Auswahl der Textteile, wertende Hinzufügungen und bewusst falsche Übertragungen wurden diese ohnehin schlechten Übersetzungen dann bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Doch das gewünschte Ziel wurde damit erreicht: nämlich Diffamierung des Islam und des Propheten, Verbreitung von Falschinformationen, Aufbau von Vorurteilen und Verankerung eines Feindbildes Islam im kollektiven Bewusstsein zur Verteidigung des Christentums.

Diese Art der tendenziösen Darstellung fremder Kulturen und Religionen ist in Europa bis dato Realität. Die Geisteshaltung in den Fachbereichen der so genannten Islamwissenschaften an den europäischen Universitäten und besonders bei der Quraan-Übersetzung bedarf immer noch einer grundlegenden Korrektur. Während man früher bemüht war, ein Bild vom Islam zu zeichnen, das dem europäischen Kirchengeist entsprach, versucht man heute ein Islambild zu konstruieren, das mit dem europäischen Zeitgeist des Säkularismus und Laizismus konform ist. In Europa ist es bis heute nicht gelungen, dem Islam objektiv wissenschaftlich losgelöst von Ideologien, Tendenzen und Feindbildern zu begegnen. Dieses Defizit gilt auch im Hinblick auf die Quraan-Übersetzung. Die meisten Übersetzer verfügen auch heute noch über keine islamologische Qualifikation. Sie sind weder Fachleute in den für eine sachliche Übersetzung relevanten Disziplinen wie Quraan-Wissenschaft, ‘Aqiidah und Usuulul-fiqh, noch berücksichtigen sie die Fachterminologie. Die beharrliche Ignoranz dieser Fachbereiche rechtfertigen sie mit dem Argument, dass sie keine Theologie, sondern Religionswissenschaft betreiben. Dieser Vorwand belegt ihre unwissenschaftliche Grundhaltung, da hier das europäische Verständnis christlicher Theologie auf den Islam projiziert wird. Zudem bestätigt dies die komplexe Unkenntnis über den Unterschied zwischen christlicher Theologie und den wissenschaftlichen Disziplinen des Islam.

Notes:

  1. Aus Platzmangel werden in diesem Exkurs nicht alle Quellen angegeben. Die Erkenntnisse darin be­ruhen auf eigener ausführlicher Internetrecherche und auf verschiedensten Veröffentlichungen von Hartmut Bobzin, Katharina Mommsen, Hatice Arslan Sözüdogru, usw.