1143 (537 nach der Hidschrah)
Die erste Übersetzung ins Lateinische mit dem Titel “Lex Mahumet pseudoprophete: Das Gesetz des falschen Propheten Mohammed” wurde im Kontext des 1. Kreuzzugs 1143 von Robert von Ketton (1110-1160) im Auftrag des Abtes von Cluny Petrus Venerabilis zur Widerlegung des Islam verfasst. Diese Übersetzung hatte große Mängel, wich teilweise stark vom Original ab, war polemisch und mit feindseligen Kommentaren des Übersetzers versehen. Selbst spätere Übersetzer kritisierten, dass Ketton: “immer geneigt war einen harmlosen Text zu überhöhen oder zu übertreiben, um ihm einen schmutzigen, widerlichen, bösen oder unzüchtigen, ausschweifende Spitze zu geben oder eine unwahrscheinliche, aber unangenehme Interpretation der Bedeutung gegenüber einer wahrscheinlichen, aber normalen und ehrbaren zu bevorzugen.” 1
Trotz dieser bekannten Mängel diente dieses Werk mehr als 600 Jahre als Quelle für Übersetzungen in andere europäische Sprachen (deutsch, niederländisch, italienisch).
1543 (950 nach der Hidschrah)
Im 16. Jahrhundert nahm das Interesse an Übersetzungen des Quraan zu. Da Europa sich durch die Ausbreitung des Osmanischen Reiches bedroht fühlte, wollte man Argumente gegen den “Alchoran” haben, um damit das christliche Abendland zu stärken. Zur Zeit der Reformation, im Jahre 1543 wurde die Ketton-Übersetzung auf Empfehlung von Martin Luther (1483-1546) erstmals in Basel gedruckt, um wie Luther meinte, dem Islam zu schaden: “Mich hat das bewogen, das man dem Mahmet oder Turcken nichts verdrieslicheres thun, noch mehr schaden zu fugen kann (mehr denn mit allen waffen), denn das man yhren alcoran bey den Christen an den tag bringe, darinnen sie sehen mugen, wie gar ein verflucht, schendlich, verzweivelt buch es sey, voller lugen, fabeln und aller grewel, welche die Turcken bergen und schmucken und zu warzeichen ungern sehen, das man den alcoran ynn andere sprache verdolmetscht« 2
1542 veröffentlichte Luther eine eigene “Verlegung 3 des Alcoran”. Als Quelle diente eine polemische Schrift des Missionars Ricoldo, die er aus dem Lateinischen verkürzt übersetzte. Auch in anderen Schriften polemisierte Luther gegen den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) und den Islam: (..) also da der “Mahometh” durch den Lügengeist besessen und der Teufel durch seinen “Alkoran” die Seelen ermordet, den Christenglauben zerstört hatte, und mit dem Schwert die Liebe zu morden angreift. Und also ist der “türkische Glaube” nicht mit predigen und wunderwerk, sondern mit dem Schwert und Morden so weit gekommen. 4
Bemerkung:
Als Reaktion auf die schlechte, unvollständige und tendenziöse Ketton-Übersetzung und aufgrund seiner Erfahrungen mit den Muslimen wollte der spanische Theologe Juan Alfonso de Segovia (Johannes von Segovia) (1395-1459), eine objektive Auseinandersetzung mit dem Islam starten. Hierfür erstellte er gemeinsam mit einem Muslim eine möglichst wortgetreue dreisprachige Übersetzung. Der muslimische Gemeindevorsteher seiner Stadt Segovia ‘Iisa Gidelli übersetzte vom Arabischen ins Spanische und er selbst vom Spanischen ins Lateinische. Er vermachte diese Übersetzung mit anderen Werken seiner Universität in Salamanca. Während andere Werke bis heute erhalten sind, verliert sich hier die Spur dieser Quraan-Übersetzung. Lediglich das Vorwort ist erhalten geblieben, weil von Segovia dieses getrennt von der Übersetzung an den Vatikan schickte. 2009 entdeckten Reinhold Glei (Uni Bochum) und Ulli Roth (Freiburg) wenige Aayaat (5:110-115) dieser Übersetzung als Randnote in seiner Abhandlung “Über den geistigen Kreuzzug gegen den Islam” und veröffentlichten einen Artikel darüber. Es ist denkbar, dass diese Übersetzung nach seinem Tod absichtlich vernichtet wurde, weil sie nicht dem Zeitgeist entsprach.
Bemerkenswert ist, dass die nachfolgenden Quraan-Übersetzungen in Europa weiterhin dem Geist der Ketton-Übersetzung treu blieben und diese dialogorientierte Übersetzung total ignoriert wurde.
1616 (1025 nach der Hidschrah)
Die erste deutschsprachige Übersetzung mit 267 Seiten wurde von dem Theologen Salomon Schweigger (1551-1622) verfasst. Ihr Titel lautet:
Alcoranus Mahometicus, Das ist: Der Türcken Alcoran/Religion und Aberglauben. Auß welchem zu vernemen/Wann unnd woher ihr falscher Prophet Machomet seinen ursprung oder anfang genommen/mit was gelegenheit derselb diß sein Fabelwerk/lächerlcihe und närzische Lehrgedichtet und erfunden/Auch von seinen Träumen und verführischem Menschentand/Benebens von der Türcken Gebett/Allmosen/Fasten/sampt andern Gottesdiensten und ceremonien, erstlich auß der Arabischen in die Italianische: Jetzt aber inn die Teutsche Sprach gebracht. Durch hern Salomon Schweiggern/Predigern zu unser Frauen Kirchen inn Nürnberg/sampt dessen bengefügten Vorrede/inn drenen unterschiedlichen Theilen/und angehengtem ordentlichem Register inn den Druck gegeben.
Vier Auflagen dieser Übersetzung wurden gedruckt 1616, 1623, 1659 und 1664. Ihre Quelle war die italienische Übersetzung von Andrea Arrivabene aus dem Jahre 1547, die auf der lateinischen Version der Baseler Ausgabe von Ketton basierte. Ihre Qualität entsprach ihrer schlechten Vorlage und ist eine Übersetzung einer Übersetzung mit den entsprechenden Fehlern und Mängeln.
1688 (1099 nach der Hidschrah)
Unter dem Titel “Vollständiges Türckisches Gesetz-Buch oder Des Ertz-Betrügers Mahomets Alkoran. Welcher vorhin nimmer vollkommen heraußgegegeben/ noch im Truck außgefertigt worden. Auss der arabischen in die frantzösische Sprach übergesetzet Durch Herrn Du Ryer, auß dieser aber in die Niederländische Durch H. J. Glasemaker. Und jetzo Zum allerersten mahl in die Hochteutsche Sprache versetzet Durch Johan Lange, Medicinae Candidatum.” hat Eberhard Werner Happel (1647-1690) diese Quraan-Übersetzung in seinem Werk “Thesaurus Exotico-rum. Oder eine mit Außländischen Raritäten und Geschichten Wohlver-sehene Schatz-Kammer” 1688 in Hamburg herausgegeben.
Diese Übersetzung von Johan Lange (gest. nach 1696) war, wie ihr Titel offenbart, sehr mangelhaft und enthielt viele falsche Formulierungen, was selbst Megerlin später kritisch anmerkte.
Bemerkung:
1694 wurde erstmals in Deutschland eine arabische Auflage des Mus–haf in Hamburg gedruckt und von Hauptpastor Abraham Hinckelmann (1652-1695) mit dem Titel “Al-Coranus S. Lex islamitica Muhammedis, filii Abdallae Pseudoprophetae” herausgegeben. Selbst bei diesem Druck war es Hinckelmann wie den Übersetzern seiner Zeit wichtig, Allaahs Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) zu beleidigen. Die erste gedruckte Mus–haf-Ausgabe in Europa wurde bereits 150 Jahre vorher 944/ 1537 in Venedig verlegt. Auch in der lateinischen Übersetzung von Pater Ludovico Marracci von 1698 war das arabische Original enthalten.
1703 (1115 nach der Hidschrah)
In diesem Jahr folgte in Nürnberg die Übersetzung des lutherischen Theologen David Nerreter bzw. Nerretter (1649-1726) mit dem Titel “Neu eröffnete Mahomatanische Moschea/worinn nach Anleitung der VI. Abtheilung von unterschiedlichen Gottes-Diensten der Welt/Alexander Rossens/erstlich der Mahometanischen Religion Anfang/Ausbreitung/ Secten/Regierungen/mancherley Gebräuche/und vermuthlicher Untergang/ fürs andre/Der völlige Alkoran/nach der besten Edition Ludovici Marraccii, verteutscht/und kürzlich widerlegt wird“.
Ihre Quelle war eine zweite lateinische Übersetzung aus dem Arabischen die Ludovico Marracci im Jahre 1109/1698 erstellte.
Diese Übersetzung war wegen der besseren Quelle genauer, aber ihre Intention und die Kommentare waren weiterhin feindselig. In seiner Widmung bezeichnete Nerreter den Propheten Muhammad als Betrüger und behauptete, dass der Erfolg des Islam auf Abweichungen der Christen von ihrer Religion begründet sei, sowie darauf, dass die Menschen der “Pracht/äußerlichen Schein (..) der Mahometanischen Religion” folgen. Zum Teil unter Zuhilfenahme von Bibelstellen wurden in den Anmerkungen die Lehren des Quraan zurückgewiesen und bewußt in ein schlechtes Licht gestellt.
1746 (1159 nach der Hidschrah)
In diesem Jahr übertrug Theodor Arnold (1683-1771) George Sales englische Quraan-Übersetzung von 1734 ins Deutsche unter dem Titel:
“Der Koran, Oder insgemein so genannte Alcoran des Mohammeds, Unmittelbahr aus dem Arabischen Original in das Englische übersetzt, und mit beygefügten, aus den bewährtesten Commentatoribus genommenen Erklärungs-Noten, Wie auch einer Vorläufigen Einleitung versehen von George Sale, Gent. (Latein. Zitat aus Evang.) Aufs treulichste wieder ins Teutsche verdollmetschet Von Theodor Arnold.”
Diese Übersetzung mit 693 Seiten war die erste vollständige deutschsprachige Quraan-Übersetzung. Sie gab zwar ungefähr die Bedeutung ihrer Vorlage wieder, war aber nicht besonders genau. Ein wesentlicher Unterschied zu früheren Übersetzungen waren die weniger feindseligen Kommentare gegenüber dem Propheten und dem Islam. Diese Übersetzung verwendete Goethe für seinen West-östlichen Diwan und schrieb zum Thema Quraan-Übersetzung: “Wir wünschten, daß einmal eine andere unter morgenländischem Himmel von einem Deutschen verfertiget würde, der mit allem Dichter- und Prophetengefühl in seinem Zelt den Koran läse und Ahndungsgeist genug hätte, das ganze zu umfassen. Denn was ist auch jetzo Sale für uns?”
1772 (1186 nach der Hidschrah)
Die erste deutsche Übersetzung direkt aus dem Arabischen mit 876 Seiten wurde 1772 von David Friedrich Megerlin (1699-1778) erstellt mit dem Titel “Die türkische Bibel, oder des Korans allererste teutsche Uebersetzung aus der Arabischen Urschrift selbst verfertiget.” mit dem Titelbild eines türkisch aussehenden Mannes mit Bart und Turban und der Bildunterschrift “Mahumed, der falsche Prophet“.
In seiner Einleitung betont Megerlin, dass er durch die Kenntnis dieses Lügenbuches (Fabelbuches) dieser “aberglaubigen Religion” bald ein Ende machen möchte, dem (..) falschen Propheten, dem Mahomedanischen Aberglauben, und seiner falschen Offenbahrung, dem Koran, (..) schon ein Ende machen, und dem herrlichen Reich Jesu eine Thuer bald eroefnen wird: daß der Islam, der sich faelschlich eine Friedens-Religion nennen
will, dem Evangelio, als dem Wort des wahren Friedens, Platz mache.” Megerlin greift hier wie frühere Übersetzer den Propheten und den Islam heftig an und erklärt explizit seine Absicht zur Verbreitung der christlichen Religion.
1773 (1187 nach der Hidschrah)
In diesem Jahr erschien in Halle eine Übersetzung von Friedrich Eberhard Boysen (1720-1800) mit 687 Seiten mit dem Titel “Der Koran, oder Das Gesetz für die Muselmänner, durch Muhammed den Sohn Abdall“, die Samuel Friedrich Günther Wahl 1828 überarbeitete. In der Vorrede zeigt Boysen ein objektiveres Verständnis von dem Gesandten und dem Quraan. Er betont als erster den poetischen Stil des Quraan. Seine Übersetzung ist teilweise sehr frei, enthält jedoch keine Beschimpfungen und nur vereinzelt Anmerkungen. Sie wurde 1774 und 1775 ebenfalls verlegt.
1798 (1213 nach der Hidschrah)
Johann Christian Wilhelm Augusti (1772-1841) verfasste erstmals eine Auswahlübersetzung in Versform unter dem Titel “Der kleine Koran, oder Übersetzung der wichtigsten und lehreichesten Stücke des Koran’s”, um die poetische Wirkung des Originals zu erhalten.
1840 (1256 nach der Hidschrah)
Die Übersetzung des Rabbiners Ludwig Ullmann (1804-1843) wurde bereits früh als mangelhaft bewertet und musste revidiert werden, weil sie Falschübertragungen des arabischen Textes enthielt. Sie enthält zudem eigenwillige (teilweise rassistische) Interpretationen, Ullman gibt seine persönliche Meinung über den Quraan in einem abwertenden Ton wieder und bleibt bei der Übersetzung nicht sachlich. Theodor Nöldeke bezeichnete sie deshalb als “jämmerliche Schülerarbeit“.
Sie ist in der Überarbeitung von Leo Winter 1959 im Goldmann Verlag erschienen und gehört trotz ihrer bekannten Mängel immer noch zu den meistverkauften Übersetzungen.
1888 (1305 nach der Hidschrah)
Friedrich Rückert (1788-1866) verfasste die bisher beste poetische jedoch unvollständige Quraan-Übersetzung, die erstmals 1888 gedruckt wurde und 1995 von Hartmut Bobzin herausgegeben wurde. Rückert war (ebenso wie Goethe) ein Schüler von Josef Freiherr von Hammer-Purgstall (1774-1856), der ab 1810 seine poetisch übersetzten Auszüge vom Quraan in der Zeitschrift der Österreichischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichte.
Im 20. Jahrhundert folgten weitere Übersetzungen: 1901 von Max Henning (1861-1927), 1916 von Lazarus Goldschmidt (1871-1950), 1939 Ahmadiyya, 1966 von Rudi Paret (1901-1983), 1983-1998 vom SKD-Verlag, 1986 von Muhammad Ahmad Rassoul, 1987 von Adel Khoury und Muhammad Salim Abdullah, 1996 von Ahmad von Denffer, 1999 von Moustafa Maher (Al-Azhar), 2000 und 2009 von Amir M. A. Zaidan, 2002 von Abdullah Frank Bubenheim, 2003 von Hans Zirker, 2009 von Ahmad Milad Karimi, 2010 von Hartmut Bobzin, usw.
In diesem Buch wurden in verschiedenen Kapiteln 5 die Übersetzungen von Henning (DITIB, Hofmann), Paret, SKD, Rassoul, von Denffer, und Bubenheim punktuell vergleichend dargestellt. Analysiert wurden einige wenige Aayaat bzw. Begriffe im Lichte wichtigster Disziplinen der hier dargestellten Quraan-Wissenschaft, vor allem der Semantik und deren Untergruppen, asbaabun-nuzuul, der Fachterminologie und der ‘Aqiidah.
Wie die wenigen hier analysierten Beispiele zeigen, berücksichtigen die meisten Übersetzer unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit bei der Übertragung des Quraan-Textes ins Deutsche weder die fachspezifischen Regeln der Semantik von ‘Uluumul-quraan, noch von Usuulul-fiqh, noch der ‘Aqiidah, noch die Terminologie. Diese Vorgehensweise ist wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen und würde in anderen Fachbereichen heutzutage als Skandal bezeichnet.
Die Folge dieser Ignoranz der islamischen Fachwissenschaften bei der Quraan-Übersetzung sind Texte, die bereits bestehenden Vorurteile untermauern, Zerrbilder produzieren und als Quelle für Diffamierung und Diskriminierung dienen. Auch wenn nicht allen Übersetzern eine unlautere Absicht unterstellt werden soll, so bleibt die moralische und wissenschaftliche Verantwortung des Übersetzers, seine eigenen Grenzen zu erkennen, sich nicht selbst zu überschätzen und nicht auf einem Fachgebiet tätig zu werden, für das ihm die fachspezifische Qualifikation fehlt.
Notes:
- N. Daniel, Islam and the West, the making of an image, Edinburgh 1960, Index, Ketton ↩
- Luther an den Rat der Stadt Basel 27.10.1542; auch Ehmann, Luther, Türken und Islam Seite 423 ↩
- ”Verlegung des Alcoran” bedeutet hier ”Widerlegung des Koran”. ↩
- Vom kriege widder die Türken, Luther 1529 ↩
- Siehe Kapitel 2 S. 54-55, Kapitel 5 S.108-121, S.157, und S.165, und Kapitel 8 S.217 ↩