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Pflichtteile des rituellen Gebets (arkaanus-salaah أركان الصلاة, Muss-Handlungen)


Folgende Handlungen sind für die gültige Verrichtung des rituellen Pflichtgebets unerlässlich. Einige Gelehrte definieren manche der unten genannten Pflichtteile als Gebetsvorbedingung bzw. -voraussetzung (schart شرط, Pl. schuruut شروط). In beiden Definitionen, als Pflichtteil oder Vorbedingung, annulliert die Unterlassung einer dieser Handlungen das rituelle Gebet.

(Bemerkung: ist nichts anderes erwähnt, erfolgt die Rezitation der Texte leise flüsternd; dabei rezitiert man flüsternd mit fast unhörbarer Stimme und bewegt dabei seine Lippen).

  • Die Absicht (an-niyyah النية)
    Zu Beginn des rituellen Gebets fasst man die Absicht, ein bestimmtes rituelles Gebet zu verrichten. Die Absicht muss nicht durch Worte ausgesprochen werden, sie kann auch in Gedanken gefasst werden. Grundlage hierfür ist der Hadiith, nach dem die Taten nur nach den Absichten beurteilt werden. Nach Imaam Abu-haniifah und Imaam Ahmad ist die Niyyah eine Gebetsbedingung.
  • Sprechen von “al-laahu akbar الله أكبر” zu Beginn des Gebets
    Nach Imaam Abu-haniifah ist diese Handlung eine Gebetsbedingung und dass man “al-laahu akbar الله أكبر” sagt, ist nur eine Waadschib-Handlung. Diese Handlung heißt “takbiiratul-ihraam تكبيرة الإحرام“.
  • Das Stehen (al-qiyaam القيام) in den Pflichtgebeten für jeden, der dazu in der Lage ist.
    Sunnah-Gebete können im Sitzen gebetet werden. Dafür ist jedoch nur der halbe Lohn des Stehenden vorgesehen.
  • Rezitation der Suurah “Al-faatihah الفاتحة
    Diese erste Suurah des Quraan muss in jeder Gebetseinheit (Rak’ah ركعة) rezitiert werden. Man rezitiert sie so laut, dass man sich dabei hört. Nach Imaam Abu-haniifah ist die Rezitation von mindestens einer Aayah aus dem Quraan ein Pflichtteil (Rukn), aber die Rezitation von Al-faatihah an sich ist nur eine Waadschib– und in den letzten zwei Gebetseinheiten bei Pflichtgebeten mit vier Rak’ah nur eine Sunnah-Handlung. Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

لَا صَلَاةَ لِمَنْ لَمْ يَقْرَأْ بِفَاتِحَةِ الْكِتَابِ.

“Kein rituelles Gebet gilt für denjenigen als erfüllt, der Al-faatihah nicht rezitiert.” (B, M, A, T, I, N)

Suratul-faatihah:

bismil-laahir-rah-maanir-rahiim

بِسۡمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ ١

al-hamdulil-laahi rab-bil عaalamiin

ٱلۡحَمۡدُ لِلَّهِ رَبِّ ٱلۡعَٰلَمِينَ ٢

ar-rah-maanir-rahiim

ٱلرَّحۡمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ ٣

maaliki yaumid-diin

مَٰلِكِ يَوۡمِ ٱلدِّينِ ٤

iy-yaaka naعbudu wa iy-yaakanas-taعiin

إِيَّاكَ نَعۡبُدُ وَإِيَّاكَ نَسۡتَعِينُ ٥

ih-dinassiraatal-mus-taqiim

ٱهۡدِنَا ٱلصِّرَٰطَ ٱلۡمُسۡتَقِيمَ ٦

siraatal-ladhiina anعamta عalaihimghairil-maghduubi عalaihimwaladdaal-liin

صِرَٰطَ ٱلَّذِينَ أَنۡعَمۡتَ عَلَيۡهِمۡ غَيۡرِ ٱلۡمَغۡضُوبِ عَلَيۡهِمۡ وَلَا ٱلضَّآلِّينَ ٧

 

(1) Mit dem Namen Allaahs, Des Gnadenden, Des Allgnädigen, (rezitiere ich) 1.

(2) Alles Lob 2 gebührt Allaah, Dem Herrn der Schöpfung,

(3) Dem Gnadenden, Dem Allgnädigen,

(4) Dem Herrscher am Tage der Abrechnung 3.

(5) Dich allein beten wir an 4, und Dich allein bitten wir um Hilfe!

(6) Führe uns auf den geraden Weg,

(7) auf den Weg derer, die Du angenommen hast, nicht derer, über die Du erbost bist, und nicht derer, die abgeirrt sind! 5

Neue Muslime, die Al-faatihah noch nicht auf Arabisch rezitieren können, können nach Imaam Abu-haniifah ihre Bedeutung in ihrer Sprache wiedergeben, wobei dies als ein Bittgebet und nicht als Ersatz für Al-faatihah betrachtet wird.
Andere Gelehrte sehen in der Rezitation von Al-faatihah in einer anderen Sprache außer Arabisch einen Grund zur Annullierung des Gebets. Man soll nach ihrer Ansicht andere kleinere Quraanverse rezitieren anstelle von Al-faatihah, und wenn sie dies nicht können, sollen sie Allaah lobpreisen und anrufen mit z. B. “Allaah, Allaah” und solange wiederholen, wie es zur Rezitation von Al-faatihah normalerweise notwendig ist.

  • Die Verbeugung (ar-rukuu’ الركوع) Man beugt seinen Körper soweit nach vorn, bis der Rücken in waagerechter Position parallel zum Boden ist und stützt dabei die Hände auf die Knie. Man soll seinen Körper in dieser Stellung zur Ruhe kommen lassen (itmi’naan إطمئنان) und sich erst danach wieder aufrichten. Itmi’naan ist ein Pflichtteil in allen Arkaan nach Imaam Maalik und eine Waadschib-Handlung nach Imaam Abu-haniifah.
  • Das Aufrichten des Körpers nach der Verbeugung (ar-raf’ الرفع)
    Auch in dieser Stellung soll der Körper erst zur Ruhe kommen, dann erfolgt die nächste Stellung.
    Nach Imaam Abu-haniifah ist diese Handlung nur eine Waadschib-Handlung.
  • Die Niederwerfung (as-sudschuud السجود)
    Sie wird zweimal in jeder Gebetseinheit mit einem Sitzen dazwischen durchgeführt. Bei sudschuud müssen Gesicht (mit Nase und Stirn), Hände, Knie und Zehen den festen Boden berühren. Der Körper muss in dieser Stellung auch zur Ruhe kommen.
  • Das letzte Sitzen (al-qu’uudul-achiir القعود الأخير)
    Bei diesem Sitzen wird der at-taschah-hud التشهد rezitiert. Die Rezitation von at-taschah-hud (die verbale Bezeugung) ist eine Waadschib-Handlung nach Imaam Abu-haniifah:

التَّحِيَّاتُ لِلَّهِ وَالصَّلَوَاتُ وَالطَّيِّبَاتُ. السَّلَامُ عَلَيْكَ أَيُّهَا النَّبِيُّ وَرَحْمَةُ اللَّهِ وَبَرَكَاتُهُ. السَّلَامُ عَلَيْنَا وَعَلَى عِبَادِ اللَّهِ الصَّالِحِينَ. أَشْهَدُ أَنْ لَا إِلَهَ إِلَّا اللَّهُ وَأَشْهَدُ أَنَّ مُحَمَّدًا عَبْدُهُ وَرَسُولُهُ.

at-tahiy-yaatu lil-laahi wassalaawaatu wattay-yibaat. as-salaamu ‘alaika ay-yuhan-nabiy-yu wa rahmatul-laahi wa barakaatuh. as-salaamu ‘alaina wa ‘ala ‘ibaadil-laahissaalihiin. asch-hadu anla ilaaha il-lal-laah. wa asch-hadu an-na muham-madan ‘abduhu wa-rasuuluh.

“Die Grüße sind Allaahs, auch die Gebete und alles Gute. Friede sei mit dir o Prophet, sowie die Gnade Allaahs und Sein Segen. Friede sei mit uns und den gottgefällig gut handelnden Anbetern Allaahs. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Allaah gibt, und ich bezeuge, dass Muhammad Sein Diener und Gesandter ist.” (B)

Nach Imaam Maalik ist At-taschah-hud Sunnah- und keine PflichtHandlung. Imaam Abu-haniifah definiert ihn als Waadschib-Handlung, d. h. mit der Unterlassung von At-taschah-hud sündigt man, ohne dass sein rituelles Gebet annulliert wird.
Nach Imaam Asch-schaafi’iy ist es ein Pflichtteil des rituellen Gebets, für den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) salawaat-Bittgebete zu sprechen, wie “assalaawaatul-ibraahiimiy-yah الصلوات الإبراهيمية, die Bittgebete für die Gesandten Muhammad und Ibraahiim”:

اللَّهُمَّ صَلِّ عَلَى مُحَمَّدٍ وَعَلَى آلِ مُحَمَّدٍ كَمَا صَلَّيْتَ عَلَى آلِ إِبْرَاهِيمَ وَبَارِكْ عَلَى مُحَمَّدٍ وَعَلَى آلِ مُحَمَّدٍ كَمَا بَارَكْتَ عَلَى آلِ إِبْرَاهِيمَ فِي الْعَالَمِينَ إِنَّكَ حَمِيدٌ مَجِيدٌ.

al-laahum-ma sal-li ‘ala muham-madin wa ‘ala aali muham-madin kama sal-laita ‘ala aali ibraahiim. wa baarik ‘ala muham-madin wa ‘ala aali muham-madin kama baarakta ‘ala aali ibraahiima fil-‘aalamiina in-naka haamiidun madschiid.

“Allaah! Gewähre Muhammad und seiner Familie Deine Gnade, wie Du Deine Gnade Ibraahiim und der Familie Ibraahiims gewährt hast, und gewähre Muhammad und seiner Familie Deine Barakah, wie Du Ibraahiim und der Familie Ibraahiims unter den Geschöpfen Deine Barakah gewährt hast. Du bist der Gepriesene, der absolut Erhabene!” (B)

Man muss jedoch mindestens “al-laahum-ma sal-li ‘ala muham-mad اللَّهُمَّ صَلِّ عَلَى مُحَمَّد” sagen.

  • Der Gruß (as-salaam السلام)
    Dies ist die letzte Handlung, mit der man das rituelle Gebet beendet.
    Man wendet den Kopf nach rechts und sagt:

السَّلَامُ عَلَيْكُمْ وَرَحْمَةُ اللَّهِ.

as-salaamu ‘alaikum wa rahmatul-laah

“Allaahs Friede und Gnade seien mit euch!”

Nach Imaam Abu-haniifah ist diese Handlung nur Waadschib, d. h., dass ihre Unterlassung das Gebet nicht annulliert. Danach kann man das rituelle Gebet mit jeder Handlung beenden, die mit den Gebets-Handlungen nicht zusammenhängt (z. B. man steht auf und geht).

  • Die Einhaltung der vorher erwähnten Reihenfolge
    Die Berücksichtigung dieser Handlung ist nach Imaam Abu-haniifah eine Bedingung für die Gültigkeit der Pflichtteile/Arkaan.

 

Notes:

  1. Nach den Regeln der arabischen Grammatik wäre bismil-laah ohne Verbindung mit einem adäquaten Verbal- bzw. Nominalsatz sinnlos. Deshalb muss das Ausgelassene bei der Deutung je nach Zusammenhang rekonstruiert werden. Am Beginn einer Suurah ist dies entweder ein Verb wie „lesen, anfangen, beginnen, rezitieren“ oder ein Nominalsatz wie „der Beginn bzw. die Rezitation seiend mit“. Die Übersetzung von „bismil-laah“ mit „im Namen Allaahs“ ist islamologisch höchst problematisch, da eine Handlung, hier die Rezitation, weder „in Allaahs Auftrag“ noch „in Allaahs Vertretung“ erfolgt, wie der Ausdruck „im Namen“ suggeriert. Die Präposition b in bismil-laah deutet nach Meinung aller Quran-Exegeten auf „Begleitung bzw. Bitten um Unterstützung“ hin, so bedeutet bismil-laah: „ich rezitiere begleitet mit Allaahs Namen“ oder „ich fange an und bitte um Unterstützung mit Allaahs Namen“.
  2. Die Bestimmtheit durch den Artikel weist entweder auf die eigentliche Bedeutung des Begriffs Hamd (wörtlich: verbales Lob durch anerkennende Worte) oder auf alles mit ihm Zusammen­hängende „das ganze Lob gebührt Allaah“ hin.
  3. Ursprünglich: „am Tage des Diin“, siehe Glossar.
  4. Ursprünglich: „iy-yaaka na’budu: für Dich allein vollziehen wir ’Ibaadah“, ’Ibaadah linguistisch „Untertan- bzw. Untergeben-Sein“. Fachspezifisch ist es „Erfüllung der Gelöbnisse, Achtung der Grenzen, Zufriedenheit mit dem Vorhandenen und Üben in Geduld für das Fehlende“, siehe Glossar und Fußnote unter (2:21).
  5. Andere Übersetzung des Bedeutungsinhalts könnte lauten: „Leite uns recht auf den geradlinigen Weg, (7) den Weg derer, denen Du Wohlergehen gewährt hast, doch weder derer, denen gezürnt wurde, noch derer, die abgeirrt sind“.