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Samaniden


Den nachhaltigsten Einfluss auf die Entwicklung des Iran nahmen jedoch die Samaniden, welche von 892-999 in Transoxanien (heutiges Turkmenistan, Usbekistan) und Chorasan herrschten. Ihre Hauptstadt hatten sie in Buchara, was heute usbekisch (turksprachig), in der damaligen Zeit aber Einflussgebiet des iranischen Kulturbereichs war. Nachhaltig deshalb, weil sich hier die sog. “iranische Renaissance” vollzog. Da diese sich im sprachlich-literarischen Bereich abspielte, hat sie im Gegensatz zu kurzlebigen Dynastien unmittelbare Auswirkungen bis heute gezeitigt. Es ist durchaus symbolträchtig, dass von der glanzvollen Baugeschichte der Samaniden allein ein einziges Denkmal überdauert hat: Das Mausoleum des Staatsgründers in Buchara. Überdauert aber haben sie durch die Einleitung von kulturellen Entwicklungen, die sich in späterer Zeit und unter anderen Umständen quasi nach dem gleichen Muster reproduziert haben.

Die Kennzeichen dieser persischen “Wiedergeburt” und ihrer Weiterführung in den folgenden Jahrhunderten sind:

  • Das Neupersische, eine im Vergleich zum früheren Mittelpersischen vereinfachte Sprachform, wird seit dem 3. Jh /9. Jh. zum Träger einer sunnitisch-islamischen Kultur. Die Sprache wird mit arabischen Buchstaben geschrieben. Um die Wiedergabe spezifisch persischer Laute, welche im Arabischen nicht existieren, zu ermöglichen, wurden einige Buchstaben adaptiert. Dafür setzten sich vier Zeichen durch: ‏پ‎ für p, für tsch, ‏گ‎ für g, ژ für j 1. Alle weiteren Verschriftlichungen islamischer Sprachen im Osten (Turksprachen, indische Islamsprachen) übernahmen dies und bauten das Grundmuster weiter aus.
  • Es entstand eine eigene literarische Tradition, die zwar durchaus auf vorislamischen Stoff zurückgegriffen hat, dies jedoch nicht als Gegensatz zur islamischen Weltanschauung begriff. So z. B. im berühmten, mehr als 50.000 Verse umfassenden Epos Asch-schaahnaamah (“Buch der Könige”) von Abul-qaasim Al-firdausiy (gest. 411/1020), das heute gerne als persisches Nationalepos gedeutet wird.
  • Nach der Samaniden-Herrschaft blieb das nunmehr entwickelte literarische Persisch im Osten mit dem Arabischen zusammen selbstständig bestehen und beeinflusst alle Dynastien und Kulturen, die sich im Osten herausbilden, bis in die Neuzeit. Damit zeigte die iranische Renaissance, dass der Islam nicht ausschließlich mit dem Arabischen verbunden sein muss und der Islam nicht als arabische Nationalreligion verstanden werden darf. Es kann auch eine Islamisierung anderer Sprachen und Kulturen erfolgen. Dass damit das Arabische keinesfalls als Sprache der ‘Ibaadah und der Scharii’ah-Wissenschaften verdrängt werden sollte, versteht sich von selbst.
  • Ab dem 12. Jahrhundert kam es zur Entwicklung der Sufi-Poesie. Im Osten der islamischen Welt wurde dafür anfangs das Persische verwendet (später die es nachahmenden indischen und türkischen Sprachen), während das Arabische auf die traditionellen Scharii’ah-Wissenschaften beschränkt blieb.
  • Die Islamisierung der Turkstämme, welche im Nordosten des iranischen Kulturkreises gelebt haben, geschah über persische Vermittlung. Daher verwendeten die ersten größeren Turkdynastien wie selbstredend die persische Sprache als Hof- und Literatursprache.
    Die Seldschuken trugen es bis nach Anatolien, wo z. B. Dschalaalud-diin Ar-ruumi (gest. 634/1273; selbst ein Flüchtling aus Balch, persisch-sprachigem Gebiet in Afghanistan) seine große mystische Dichtung verfasste. Als sie in einigen Dynastien (Karachaniden, Osmanen) eine Aufwertung verschiedener Turksprachen zu Literatursprachen unternahmen, geschah dies selbstverständlich unter direkter Nachahmung persischer Vorbilder (Versmaße der Dichtung, Literaturgattungen, literarische Topoi, Wortschatz …).
  • Die Moghulen, welche als Turkdynastie vom 16.-19. Jh. Indien regierten, förderten das Persische als Kultursprache in ihrem gewaltigen Herrschaftsgebiet, so dass die dortigen literarischen Leistungen allein aufgrund der Menge die Produktion im damaligen Iran überragten. Bis zur britischen Kolonialisierung Indiens war die persische Sprache die Sprache der Verwaltung, bis sie 1837 vom Urdu abgelöst wurde.
  • Auch Urdu, wie alle anderen islamischen Sprachen des indischen Subkontinents und Afghanistans, ist ohne Persisch in seiner heutigen Form nicht denkbar. Während die grammatischen Grundlagen auf lokale indische Umgangssprachen zurückgehen, ist der Wortschatz zum überwiegenden Teil persisch und über persische Vermittlung übernommenes Arabisch (deren Konsonanten weitgehend nach persischer Aussprache artikuliert werden). 2, ebenso dichtete sein Sohn und Nachfolger Sultaan Suleyman (reg. 1520-66) auf Persisch. Dementsprechend braucht es nicht zu verwundern, dass selbst im osmanischen Bosnien manche Gelehrte persische Werke verfassten und damit drei- oder viersprachig (neben Arabisch, Türkisch, Bosnisch) literarisch tätig waren.
  • Der dezidierte Mischcharakter von Sprachen und Kulturen war den Muslimen durchaus bewusst, wurde aber keinesfalls als Verrat an der eigenen Kultur begriffen, wie es später der Nationalismus propagierte. Man ging vielmehr davon aus, dass kulturelle Errungenschaften, genauso wie Sprachen, Fachterminologien und literarische Vorbilder kein Privatbesitz einer ethnischen Gruppe seien, son-dern übernommen, nachgeahmt und ausgebaut werden sollten, wo immer dies für die Übermittlung islamischer Werte und Kulturideale geeignet schien.

Notes:

  1. Stimmhaft wie im franz. Jalousie, Garage.
  2. In Osmanischer Zeit war nicht nur das Osmanische eine ausgenommene Mischsprache (türkische Grammatik mit arabisch-persischem Wortschatz), auch wurde das Persische, welches als Erkennungszeichen verfeinerter Kultur und Innerlichkeit galt, sogar von Sultaanen gepflegt. So verfasste z. B. Sultaan Selim I. (reg. 1512-20) einen persischsprachigen Diwaan unter dem Dichternamen Selimi 3Interessant ist, dass sein großer Gegenspieler, der gleichfalls türkischstämmige [turkmenische] Herr­scher des Iran Schaah Ismaa’iil, selbst in azerbaidschanischem Türkisch schrieb. Der Herrscher über Persien schreibt also Türkisch, der Herrscher über die türkischen Gebiete Persisch: ein Zeichen dafür, dass damals Sprachen als überregionales Phänomen teils abgekoppelt von den tatsächlichen ethnischen Verhältnissen gesehen wurden. Genauso wie in Europa jahrhunderte lang Latein und Griechisch von Gelehrten als internationale Verständigungsmittel gesehen wurden und kaum mit ihren Herkunfts-ländern Italien und Griechenland identifiziert wurden.