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Java (Jawa)


West-Java

In West-Jawa stieß um 1550 das hindu-javanische Fürstentum von Sunda mit dem Sultanat von Banten im Westen und dem von Demak im Osten zusammen. Dieser Gegensatz blieb bis etwa zum Jahr 1620 bestehen, in dem die Fürsten von Sunda – wahrscheinlich durch Einfluss der Sultaane von Mataram – den Islam annahmen. Auf die einfache Bevölkerung und ihre Haltung zum Islam hatte die Herrschaft von Banten aber größeren Einfluss als die von Demak. So prägten bereits seit ca. 1600 viele Sitten und Gebräuche aus Banten den Lebensalltag vieler Bewohner West-Javas, die wiederum die Sundanesen beeinflussten, welche noch unter der Herrschaft der hindu-javanischen Sunda-Könige standen.

Nord-Zentral-Java

Die Art, wie der Islam sich in Nord-Zentral-Java durchsetzte und die Menschen prägte, war grundsätzlich anders als im Rest Javas. Durch die Entscheidung der ortsansässigen Fürsten, den Islam nicht nur anzunehmen, sondern das gesamte Herrschaftssystem darauf abzustellen, gewannen die aus Hadramaut stammenden Sayyids der Ba-‘alawi-Linie eine ideale Position, um den Islam auch in der Mittelschicht der Bevölkerung bekanntzumachen. Sie heirateten in einheimische Fürstenfamilien ein und prägten solcherart eigene Dynastien, die sich in ihrer Macht- und Legitimationsherleitung nicht mehr auf das hindu-javanische Erbe bezogen (und nicht beziehen mussten). So erhielt das so entstehende Sultanat von Demak einen viel aktiveren Charakter, als die übrigen Reiche auf Java hatten und haben konnten.

Dieses Sultanat von Demak entstand 1475. Gegründet wurde es von Raden Patah (ca. 1470-1504), der durch Heirat mit den meisten der 9 Walis 1 von Java verwandt war. Im Gegensatz zu anderen eher neutralen Fürstenhäusern förderte Demak sowohl in seinem Herrschaftsbereich als auch in benachbarten Gebieten, für den Islam zu werben, und setzte seinen zweiten Focus auf den Kampf gegen das schwächer werdende Reich von Majapahit, das nach wie vor um 1470 einen Großteil Zentral- und Ostjavas besetzt hielt. Die Anfänge von Demak waren eher bescheiden, aber das Zentrum des Staates lag in der Stadt Gresik, die sich bald zu einem Knotenpunkt von muslimischen Kaufleuten, Gelehrten, Mystikern und Sayyids entwickelte. Von Demak aus wurde auch die Auseinandersetzung gegen den beginnenden Einfluss der VOC vorangetrieben, und tatsächlich stach Demak durch zwei Eigenschaften heraus: die hindu-javanische Hoftradition wurde – zugunsten der arabisch-malaiischen Hofhaltung – aufgegeben, und die Herrscher von Demak bemühten sich, den Islam auf eine gesicherte Grundlage zu stellen, indem auch islamische Unterrichtsstätten und Moscheen errichtet wurden. In den meisten javanischen Gebieten Zentraljavas wurden die Menschen erst nach und nach – durch Einzelpersonen, welche die Gebiete durchwanderten – mit allgemeinen islamischen Ideen bekannt, aber vor dem 17. Jh. keineswegs vertraut.

Daher bildeten sich in Zentraljava viele Mischformen von Adat, Tasawwuf und hindu-javanischen Hoftraditionen (samt deren Adaption in der Mittelschicht der Städte), und nur wenige Fixpunkte wie das tägliche Gebet, Moscheen und Speisegebote zeigten islamische Identität an. Im zentralen Süden Javas verdrängte schließlich das Sultanat von Demak das Reich von Majapahit. 1500 mussten sich die letzten Fürsten von Majapahit – nach dem Untergang des eigentlichen Königshauses – nach Bali zurückziehen, was dann bis zum heutigen Tag die letzte hindu-javanische Bastion innerhalb einer islamisierten javanischen Kultur blieb.

Süd-Zentral-Java

Von ca. 1570 an bekannten sich die Herrscher von Mataram zum Islam, und forderten dies auch von den Untertanen. Die Sultaane von Mataram weigerten sich etwa, Nachbarreichen wie Sunda gegen Piraten oder die Holländer zu Hilfe zu kommen, wenn diese Nachbarn sich nicht zum Islam bekennen wollten. Aber es ist bezeichnend, dass Bali als Fürstentum nach dem Sieg Matarams bestehen gelassen wurde – ein typischer Weg der malaiischen Kultur, wo Gegensätze im Rahmen einer Gesamtharmonie akzeptiert werden und aggressive Grundstimmung verpönt ist.

Mataram aber setzte sich gegen seine Rivalen auch militärisch durch: ursprünglich um 1570 unter dem Gründer Kyai Gedhe Panembahan (1558-1584) war Mataram noch von dem Fürstentum von Pajang abhängig, das bis ca. 1545 wiederum dem Sultanat von Demak tributpflichtig gewesen war. Zugleich war das Fürstentum von Surabaya der größte Rivale Matarams.

Das Reich wuchs, breitete sich in Süd- und Zentraljava aus und setzte sich zunächst gegen Pajang durch. Einer der bedeutendsten Herrscher, nicht nur Matarams sondern Javas, war Sultaan Agung (1613–1646). Dieser Herrscher vereinigte nach vielen Schlachten und Feldzügen, aber auch durch geschickte politische Verbindungen ganz Ost- und Zentral-Java unter seiner Herrschaft, mit zwei bedeutenden Ausnahmen: West-Java, das unter dem Sultanat von Banten stand, und eine kleine Küstenregion um Batavia herum, das von den Holländern kontrolliert wurde. Sein bedeutendster Erfolg war die Einnahme des Fürstentums von Surabaya 1625, wodurch kein ernsthafter Rivale mehr bestand.

Amangkurat I. (1646–1677), der Sohn Sultaan Agungs, war ein fähiger aber skrupelloser Herrscher; so pflegte er Widersacher in Nachbarreichen durch Sabotage ihrer Häfen oder Ermordung ihrer Regenten zu schwächen. Als Folge davon beschlossen um 1675 einige dieser Nachbarregenten, dem jüngeren Bruder von Amangkurat zur Herrschaft zu verhelfen; gleichzeitig brachen in vielen Provinzen Matarams offene Revolten aus. Wegen dieser Verschwörung musste Amangkurat I. 1677 die Hauptstadt verlassen und an die von Mataram kontrollierte Küste fliehen; dort starb er im selben Jahr, nachdem er offiziell seinen Sohn, Amangkurat II, als Nachfolger bestimmt hatte. Da Amangkurat II. (1677–1703) weder über Truppen, noch über genug Geld verfügte, um neue Streitkräfte anzuwerben, machte er der VOC bedeutende Handelszugeständnisse, und die VOC war mit einem stabilen Mataram, was ihr verschuldet war, durchaus einverstanden. Daher unternahm die VOC im Auftrag von Amangkurat II. einen Feldzug gegen dessen Widersacher, indem sie hauptsächlich Söldner aus Makassar und Ambon sowie einige schwer ausgerüstete europäische Soldaten einsetzte. Dieser Stellvertreterkrieg dauerte von 1678-1681 und endete für Amangkurat II. und die VOC erfolgreich, brachte den Herrscher Matarams nun aber unter die Kontrolle der VOC.

 

Zwar wollte Amangkurat II. sich dem europäischen Einfluss wieder entziehen, vermochte das aber wegen der Verschuldung nicht mehr. Stattdessen verlagerte er seine Hauptstadt nach Kartasura, da er vielen einflussreichen Regenten in Mataram misstraute, und verbündete sich verdeckt mit anderen Sultanaten wie dem von Cirebon und Johor, und unterstützte heimlich viele Aufständische, die sich gegen die Holländer in ihren Gebieten erhoben hatten. Letztlich wagte aber die VOC bis 1689 auch keine Schritte gegen Amangkurat II, da ihre eigene Lage in Batavia zu dieser Zeit instabil war und sie keinen neuen Krieg in Java riskieren wollte. Die Herrschaft von Amangkurat III. (1703–1708) war überschattet von Intrigen und Gegenintrigen, die zur Schwächung Matarams führten: die VOC ermutigte den Onkel Amangkurats III., Pangeran Puger, seinem Neffen einer Verschwörung gegen die mit der VOC verbündeten Herrscher zu beschuldigen und ihn zum Abdanken aufzufordern. Doch Amangkurat war mütterlicherseits mit dem Herrscher von Surabaya, Jangrana II, verbunden und schloss sich mit ihm und anderen gegen seinen Onkel zusammen. Dieser aber operierte neben der VOC auch mit dem Herrscher von Madura, Panembahan Cakraningrat II., der zu den besten Verbündeten der VOC zählte. So kam es zum ersten javanischen Nachfolgekrieg, an dessen Ende Amangkurat III. von den Holländern gefangen und mit seiner gesamten Familie nach Ceylon ins Exil geschickt, seine Verbündeten wie Jangrana II. ermordet wurde und 1708 sein Onkel Pangeran Puger als Pakubuwana I. den Thron von Mataram bestieg.

Durch Pakubuwana I. gewannen die Holländer zum ersten Mal Macht in Innerjava, denn er war mehr als willig, ihnen alle Wünsche zu erfüllen. Da Mataram in Madura und Cirebon keine direkte Macht ausübte, aber es doch Herrschaftsgebiet war, trat er diese Gebiete gänzlich an die VOC ab, wobei alle Schulden, die vor 1705 zu ungunsten Matarams entstanden waren, von der VOC gelöscht wurden. Die VOC durfte überall in Mataram Festungen und Garnisonen errichten, auch eine Garnison in der Fürstenstadt Kartasura selbst. Die Stadt Semarang wurde ihr als Hauptquartier ganz überlassen, ihr wurde das Monopol über den Opium und den Textilhandel überlassen, und Mataram musste jährliche Tribute an die VOC in Naturalform zahlen (Holz, Indigo, usw.). Da nun Pakubuwana I. eine Marionette der VOC geworden war, erhoben sich zwischen 1717 und 1719 in Ost-Java (vor allem durch Verwandte des ermordeten Jangrana II.) Aufstände gegen die VOC und das Reich Mataram, die sich auch auf Söldner des hinduistischen Bali stützten. All dies führte zu Kriegen, in denen die VOC Surabaya unter großen Massakern einnahm, und in denen etwa der Sohn von Pakubuwana I., Pangeran Dipanagara, 1718 losgeschickt wurde, die Rebellion im Osten zu unterdrücken, aber stattdessen sich den Aufständischen anschloss.

Nach dem Tod von Pakubuwana I. kam es zum zweiten javanischen Erbfolgekrieg, da sich die drei Söhne des Pakubuwana I. um die Nachfolgerschaft stritten und die VOC zugunsten eines von ihnen (Amangkurat IV.) eintrat. Doch die aufständischen Brüder, die sich in anderen Provinzen als Kartasura zu Königen erklärten, verstarben zwischen 1720 und 1721, und die verbliebenen Aufständischen im Osten Matarams ergaben sich 1723. Alle am Aufstand aktiv beteiligten Fürsten wurden nach Ceylon ins Exil verbannt, bis auf einen Adligen, den die VOC als künftigen Sultaan von Mataram in Batavia für sich zurückhielt. Die Jahre 1723 bis 1741 waren von Hofintrigen bestimmt, und im Endeffekt blieb Mataram formal selbstständig, aber in der Realität von den Wünschen der VOC abhängig, Madura sogar direkt holländisch beherrscht.

Von 1733 an legten die Holländer weite Zuckerfelder an, die aber nicht ausreichend bewirtschaftet werden konnten. Weil der Zuckerpreis auf dem europäischen Markt fiel, sollten die Feldarbeiter – meist Chinesen – außer Landes gebracht werden. Die skrupellosen Grundbesitzer jedoch ließen 1740 viele der chinesischen Arbeiter vor der Küste, sobald sie außer Sichtweite waren, über Bord werfen, was eine Panik und Meuterei auslöste. Bei Bekanntwerden dieser Umstände kam es auf Java im selben Jahr zu Angriffen auf Holländer, die die Kolonialtruppen mit mehrtägigen Massakern an den verbliebenen Arbeitern in ihren Vierteln in Batavia rächte.

Noch innerhalb des Jahres 1741 besetzten die chinesischen Rebellentruppen mehrere Städte und Gebiete in Zentral- und Nordjava. Der VOC drohte die Kontrolle zu entgleiten, weswegen sie sich auf Hilfstruppen aus Europäern, (damals noch mehrheitlich animistischen) Buginesen und (hinduistischen) Balinesen stützen mussten. Als trotzdem etliche Städte, die nur wenig vertrauenswürdige europäische Truppen besaßen, belagert wurden, hätte die VOC weitere Truppen aus Mataram benötigt, doch dazu war Sultaan Pakubuwono II. (1726–1749) nicht bereit. Im Gegenteil wollte er die Schwäche der VOC zu geheimen Gegenmaßnahmen gegen die VOC nutzen. Doch trotz verschiedener Versuche, javanische Fürsten über Mittelsmänner zu einer Allianz mit den Rebellen zu bringen, scheiterten diese Verhandlungen und der Sultaan von Mataram musste sich mit der VOC arrangieren. Zugleich endete der Aufstand 1742. Da die VOC die Lage wiederum ausnutzte und Gebiete im Norden Javas annektierte, wandte sich der Sultaan von Madura, Cakraningrat IV. (1718-1745), gegen die VOC, nachdem er sich die aus dem Aufstand verbliebenen Söldner der Buginesen und Balinesen verpflichtete, doch musste er 1745 nach holländischen Angriffen auf Madura kapitulieren und wurde 1746 nach Kapstadt ins Exil verbannt.

Pakubuwono II. war aber bei vielen javanischen Adligen seines Hofes nicht akzeptiert, weswegen er 1746 seine Residenz und seine Hofhaltung von Kartasura nach Yogyakarta umziehen ließ. Wegen diverser Aufstände, die seitens seiner Verwandten unter Führung von Mas Said (1725-1796) gegen ihn unternommen wurden, versprach er anderen Verwandten bestimmte Gebiete als Gegenleistung für die Niederschlagung der internen Rebellionen. In dieser Situation verlangte der damalige General-Gouverneur der VOC, Van Immhoff, die Kontrolle über weitere Gebiete Matarams an der Küste und in Innerjava; zudem stieß er durch unhöfliches Verhalten viele Verwandte des Sultaans vor den Kopf und verweigerte, dass die bei der Niederschlagung der Rebellionen erfolgreichen Generäle und Fürsten Matarams ihre von Pakubuwono II. versprochenen Liegenschaften erhielten. Als Pakubuwono II. aus Schwäche den Forderungen Van Immhoffs nachgab, schlossen sich alle bedeutenden Fürsten Matarams gegen das Sultanat mit den Aufständischen unter Mas Said zusammen, um nicht noch mehr zu Dienern der Holländer zu werden.

Kurz darauf wurde der Niedergang Matarams von Pakubuwono II. besiegelt, als er 1749 der VOC die Souveränität über das Staatsgebiet von Mataram überschrieb. Daraufhin entbrannte ein heftiger Krieg, der die VOC und die verbliebenen Fürsten aus Mataram bis 1754 völlig erschöpfte. Als Resultat traten alle Seiten – VOC und mehrere mitteljavanischen Fürsten unter Führung des Adligen Mangkubumi – in Verhandlungen und teilten das Staatsgebiet von Mataram in das Sultanat von Yogyakarta (unter Mangkubumi) und das von Surakarta (unter Pakubuwono II.) auf. Die verbliebenen Aufständischen unter Mas Said ergaben sich ihrerseits Surakarta 1757, erhielten ein Lehen und wurden in den Staat integriert, womit sowohl der Aufstand als auch das offizielle Sultanat von Mataram endete.

Die westliche Hälfte des ehemaligen Mataram bildete nun das Sultanat von Yogyakarta, das von den Holländern offiziell als eigenständiges Gebiet anerkannt wurde, allerdings verlangten die Holländer das Recht, eine Sultaanswahl formal zu bestätigen. Die östliche Hälfte wurde von dem Sultanat von Surakarta eingenommen, wobei sich intern ein eigenständiges Fürstenhaus, das von Mangkunegoro gegründet von Mas Said, als Rivale zu der Hauptlinie von Surakarta einrichtete. Trotz ihrer politischen Ohnmacht verblieb den Fürsten dieser beiden Sultanate soviel an Truppen, Einkünften und gesellschaftlicher Anerkennung, dass die Holländer bis zur Unabhängigkeit niemals wagten, diese beiden Sultanate offiziell zu annektieren oder aufzulösen. Stattdessen bestand ein gegenseitiges Akzeptieren der Ausgangslage, dass die Holländer letztlich militärisch zu stark geworden waren, um vertrieben werden zu können, aber andererseits keinen weiteren javanischen Krieg riskieren konnten und wollten. Diese Patt-Situation blieb weitestgehend bis zum Aufstand des Diponegoro (bekannt als Java-Krieg, 1825-1830) erhalten.

Ost-Java, Lombok, Bali

Während das Sultanat von Demak sich in der Auseinandersetzung mit dem hindu-javanischen Reich Majapahit bis 1500 in ganz Ost-Java durchsetzen konnte, errichteten die nach Bali geflohenen Adligen von Majapahit auf Bali und Lombok starke Stützpunkte, die auch in den Folgejahren weder von Demak, noch dem Reich Mataram herausgefordert wurden. Dennoch verblieben Muslime in der Region Lombok, die wiederum von den hindu-javanischen Fürsten Balis beherrscht, aber nicht vertrieben wurden. Es entstand eine Symbiose von hinduistischen Balinesen und bewusst-islamischen Sasak (der einheimischen Bevölkerung Lomboks), die sich unter anderem bei den Sasak in der völligen Abwerfung der hinduistisch-javanischen Tradition äußerte, viel stärker als etwa auf Java selbst, wo durchaus das adaptierte hindu-javanische Hofzeremoniell von dem muslimischen Mataram beibehalten wurde.


Notes:

  1. 9 Walis sind 9 Personen, die väterlicherseits von arabischen Scherifen-Familien abstammen, mütter-licherseits aus einer Region um Süd-Vietnam – bzw. Java und die Islamisierung auf Java voranbrachten.