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Iran unter den Umayyaden (40132/661-750)


In den folgenden Jahrzehnten wurde die iranische Gesellschaft in die neue islamische Kultur integriert. Da es sich bei der alten Religion des Zarathustrismus um einen sehr stark mit dem sasanidischen Staat verbundenen Kult handelte, kam es mit dem Zerfall der Machtbasis auch zu einem raschen Rückgang der religiösen Praxis. Trotzdem wird noch über Jahrhunderte in der Literatur von Kontakten zwischen Muslimen und Zarathustriern berichtet, die wegen der herausragenden Stellung des Feuers in ihren Ritualen von den Muslimen meist als Feueranbeter (pers. Ateschperest) bezeichnet wurden.

Auch hier vollzog sich die Islamisierung schrittweise von den großen Zentren ausgehend, wo sich arabische Stämme in Garnisonen niedergelassen hatten. Lange Zeit blieb der aufgrund der umgebenden Wüsten relativ isolierte Zentraliran ein Zentrum des Zarathustrismus (Zoroastrismus) mit seinen Feuertempeln. Dass es keine planmäßige, gar gewaltsame, Zwangsbekehrung gegeben haben kann, zeigt die Tatsache, dass trotz zahlreicher Aufstände in den ersten Jahrhunderten einerseits keine einzige von Zarathustriern geprägte Regierung jemals wieder die Macht erringen konnte – alle Teilregierungen, auch die von iranischstämmigen getragenen stammten aus dem Islam oder islamisch geprägten Sekten – es aber andererseits ein durchgehendes zarathustrisches Gemeindeleben bis heute gibt. Von zarathustrischer Seite wird z.B. bei dem berühmten Feuertempel von Yazd (Zentraliran) auf die kontinuierliche Aufrechterhaltung des “heiligen Feuers” seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden hingewiesen. 1 In der heutigen Islamischen Republik Iran gehört der Zarathustrismus mit Christen- und Judentum zusammen zu den offiziell anerkannten nicht-islamischen Minderheiten, denen ein Parlamentssitz verfassungsmäßig garantiert ist.

In der umayyadischen Zeit kommt es auch zu einer immer stärkeren Symbiose von zum Islam übergetretenen Iranern mit der arabischen Kultur. Es braucht daher nicht zu verwundern, dass genau unter den Iranern die ersten Bemühungen einer grammatischen Systematisierung des Arabischen zu beobachten sind. Zu den berühmtesten gehört Sibawaih (gest. 176/793). Auch große Fiqh-Gelehrte sind persischer Abstammung, wie z. B. der in Kufah lebende Abu-haniifah (gest. 150/767), aus dessen Werk in Anspielungen hervorgeht, dass er möglicherweise noch Kenntnisse der persischen Sprache hatte. Andererseits muss zugegeben werden, dass die Eroberung des Irans erst einmal die eigene Kulturentwicklung in eine völlig neue – nämlich arabisch geprägte Richtung – gelenkt hatte. In den ersten Jahrhunderten bricht die Tradierung der mittelpersischen Literatur ab und es dauert bis ins 10. Jh. bis erstmals islamisches Gedankengut in persischer Sprache auf hohem literarischen Niveau artikuliert wird.

Besonders auffällig ist der Einfluss Irans bei den Hadiith-Gelehrten. Von den Verfassern der Sechs Hadiith-Bücher waren alle entweder persischer Herkunft oder Araber, die in persischem Gebiet aufgewachsen sind. In der Quraan-Exegese sind später Attabariy (gest. 310/923), Az-zamachschariy (gest. 538/1144) und Al-baidaawiy (gest. 689/1290) persischer Herkunft und noch später der in allen wichtigen Wissenschaften tätige Abu-haamid Al-ghazzaaliy (gest. 504/1111), der teilweise auch Persisch schrieb.

Mit dem Ende der Umayyaden-Zeit zeichnet sich aber auch eine gefährliche Frontstellung ab: Ein Großteil der neuen Muslime, die aufgrund der Bevölkerungsverhältnisse vor allem iranischer Herkunft waren, sah sich als Mawaali im Nachteil gegenüber den Abkömmlingen arabischer Stämme. In der Literatur und der Dichtung wird dieser Streit zugespitzt ausgetragen zwischen den Anhängern der Schu’uubiyyah 2, welche sich auf die Fähigkeiten und höheren zivilisatorischen Leistungen ihrer Vorfahren beriefen und den Anhängern der “‘Uruubah” 3 auf der anderen Seite, welche die beduinischen Tugenden der Freigebigkeit und Tapferkeit gegen ihre Gegner auszuspielen suchen. Ironisch ist, dass die von der Schu’uubiyyah verfasste Dichtung sich ebenfalls der arabischen Sprache bediente, die die Lingua Franca und Kultursprache ihrer Zeit war.

Dieser Konflikt wurde häufig als ein Aufeinanderprallen eines “arabischen Rassismus” und einen “iranischen Freiheitswillens” beschrieben. Dies dürfte übertrieben sein, es zeigt jedoch ein strukturelles Problem am Ende der Umayyaden-Herrschaft: Eine relativ kleine Gruppe von Abkömmlingen der ehemaligen Eroberer steht sich einer zur Mehrheit herangewachsenen Gruppe von Neumuslimen gegenüber, die nicht hinnehmen wollen, dass ihnen trotz ihrer Fähigkeiten und besten Qualifikationen wichtige Posten in Verwaltung und Militär verschlossen blieben.

Notes:

  1. Bei dem heutigen Gebäude handelt es sich jedoch um einen Neubau aus den 1930er Jahren.
  2. Schu’uub wörtl. „Völker“, gemeint sind die nichtarabischen Ethnien, speziell Iraner.
  3. Hier in der Bedeutung „Ideologie des arabischen Vorrangs“