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Die Malaiische Welt


Einteilung der malaiischen Welt in Groß- und Bezugsräume

Rolle und Einteilungen von Festland, Flüssen und Meer

Um die Geschichte der Islamisierung in der malaiischen Welt zu verstehen, muss man mehrere Faktoren berücksichtigen:

  • Die vorislamischen Großreiche, die zugleich über eine weltliche sowie geistig-religiöse Führungsrolle verfügten; diese bezeichnet man als die “buddhistisch-hinduistischen malaiischen” bzw. die “hindu-javanischen Großreiche”. Die ersten Muslime nicht-malaiischen Ursprungs mussten sich gemäß den dortigen Rahmenumständen verhalten und fanden daher besondere, ortsangepasste Lösungen, um die Idee des Islam zu vertreten und zu verbreiten.
  • Die beiden großen Handelswege, die den malaiischen Archipel mit der übrigen Welt verbanden, waren die Seidenstraße des Meeres und die Gewürzstraße des Meeres. Über Handelskolonien und besondere Privilegien, welche den muslimischen Händlern von den (meist hindu-javanischen) Herrschern eingeräumt wurden, profitierte auch der Islam, der solcherart in der Bevölkerung der Küstenstreifen verankert wurde.
  • Die natürlichen Umstände, insbesondere die Monsunwinde und die landschaftlichen Bedingungen waren teils Hindernis, teils Erleichterung. Durch die halb-jährliche Monsunperiode zwischen Indien und dem westlichen Teil der malai-ischen Inselwelt waren die muslimischen Reisenden gezwungen, regelmäßig ein halbes Jahr zu warten, ehe sie von Sumatra oder Malaysia aus entweder nach China bzw. zurück zur arabisch-persischen Welt reisen konnten. Daher blieben schon seit dem 10. Jh. Händler und andere Reisende in den Hafenstädten, wurden ansässig und heirateten in einheimische Familien ein. So entstanden seit Mitte des 12. Jhs. besondere Viertel, in denen malaiisch sprechende muslimische Araber, Perser und Inder eine eigenständige Gemeinschaft bildeten und diese mit den malaiischen Muslimen teilten, bis der Islam von dort aus ausstrahlte.
  • Das Aufkommen der islamischen Idee durch neue muslimische Sultanate. Sobald ein bestehendes Herrscherhaus (oder einige ihrer Mitglieder) den Islam annahmen und den Islam als staatstragende Form wählten (oftmals unter Beibehaltung bestehender, vor-hinduistischer malaiischer Sitten), förderten sie auch eine (freiwillige, behutsame) Islamisierung ihrer Bevölkerung durch Bauerlaubnis von Moscheen, Stiftungen, Errichtung örtlicher Madrasa-Formen, usw.

All dies fand aber nicht zeitgleich statt. Daher muss man bei der islamischen Geschichte der malaiischen Welt einige Großräume unterscheiden, die ihre jeweils eigene, eigenständige Geschichte tragen und deren Sultanate die dort bestehenden betreffenden Gebiete beherrschten:

  • Die malaiische Halbinsel und Nordsumatra
  • Zentral- und West-Sumatra
  • nördliches Zentral- und Süd-Sumatra sowie Nord-Ost-Malaysia, Champa (Süd-Ost-Thailand) und West-Java
  • Nördliches Zentral-Java
  • Mittel- und Ost-Java sowie Madura, Lombok und Bali
  • Süd-Sulawesi, Südwest-Malaysia, Ost-Halmahera
  • Ternate, Tidore, Ost-Halmahera, West-Sulawesi, Nord-Borneo, Molukken
  • Nord-Borneo, Sulu, Mindanao, Nord-Philippinen

Früheste Beziehungen der Malaien zum Mittleren Osten und Indien

Die ersten arabischen Berichte über die malaiische Welt datieren aus dem 7. Jh. Aus den arabischen Geschichtswerken geht hervor, dass die Kenntnisse der arabischen und persischen Seefahrer vor allem die malaiische Nordwestküste betrafen, wo verschiedene Handelsplätze (wie z. B. Kalah) existierten, in denen Zinn, Aloeholz, Kampfer, Zimt und weitere Produkte gehandelt wurden.

Die malaiischen Handelspunkte waren den Arabern und Persern schon in vorislamischer Zeit bekannt, weil sie an der Handelroute nach China lagen. In Handelsregistern der Stadt Kanton (Südchina) aus dem 4. Jh. ist eine arabische Handelskolonie belegt, und nach der Islamisierung Arabiens und des Irans wurden vermehrt südarabische und persische Händler dort ansässig. Chinesische Quellen (z. B. die Chronik des Itsing) belegen die regelmäßige Ankunft von persischen Seeleuten und Händlern. Einige Namen wurden lautlich in chinesische Zeichen übertragen, da seit der Sung-Dynastie die ankommenden Händler ihre Waren in einem staatlichen Kontor lagern mussten und dadurch die muslimischen Besitzer registriert wurden. Auch wird in chinesischen Chroniken von muslimischen Händlern berichtet, die in verschiedenen Hafenstädten Südchinas ansässig geworden waren.

Die indisch-chinesische Seefahrtslinie führte im 8. und 9. Jh. von Indien her zunächst nach Pedir (dem ältesten Hafen in Nord-Sumatra), dann weiter nach Pasai (der späteren Hauptstadt von Samudra-Pasai), dann über Singhapura im Süden der Malaiischen Halbinsel nach Norden bis Pahang (damals eine Hafenstadt an der malaiischen Ostküste), dann weiter nach Champa (heutiges Vietnam), bis man die erste Hafenstadt in China – Kanton – erreichte.

Einen wichtigen Einschnitt stellt das Jahr 878 dar; gemäß den chinesischen Chroniken lebten zu diesem Zeitpunkt in Südchina (meist in Kanton) zahlreiche muslimische Händler, die in diesem Jahr durch fremdenfeindliche Aufstände bestimmter chinesischer Bevölkerungsgruppen in ihren Hafenvierteln angegriffen und in großen Zahlen massakriert wurden. Die überlebenden muslimischen Händler wurden aus dem chinesischen Kaiserreich ausgewiesen, flohen in den Süden und strandeten entweder auf der malaiischen Halbinsel oder Nordsumatra. Dort wurden sie von den örtlichen hindu-budhhistischen Herrschern aufgenommen und in neue Handelsviertel zugelassen. Da die chinesische Route bis zur erneuten Öffnung Chinas unter der Sung-Dynastie gesperrt war, widmeten sich die muslimischen Händler verstärkt dem malaiischen Archipel und reisten wahrscheinlich um das Jahr 980-1000 zum ersten Mal auch nach Java (dort finden sich durch Grabsteine entsprechende Belege zur Existenz muslimischer Händlerfamilien um 1080). Die meisten der muslimischen arabischen Händler in der Frühzeit (von ca. 660 bis 1250, teilweise auch später) stammten aus der Region Hadramaut, darunter auch einige angesehene Sayyid-Familien, sowie auch Seeleute aus der Region von Sohar (Oman). Parallel dazu traten persische Muslime auf, die speziell ab dem 10. Jh. die muslimischen Ostasien-Routen verstärkten. Seit dem 14. Jh. war auch ein größerer Anteil an indisch-muslimischen Händlern der Region Sind auf den Handelsschiffen. Die Ausrichtung auf die schafiitische Fiqh-Schule war bei den Seefahrern aus Hadramaut, Iran und Indien zahlenmäßig so überwiegend, dass dadurch die alleinige schafiitische Ausrichtung der malaiischen Inselwelt zu erklären ist.

Im 11. Jh. finden sich die ersten Grabsteine von Muslimen auf Java bzw. Champa, und bereits im 12. Jh. können durch die arabischen Chroniken arabische Handelszentren in Hafenstädten von Java, Borneo und Manila belegt werden. Ebenfalls lassen sich in diesem Jahrhundert Handelsbeziehungen arabischer Händler zwischen Sumatra und Madagaskar nachweisen.

1292 erzählt Marco Polo in seinem Bericht über das Fürstentum von Perlak. Durch die Heirat des Herrschers von Perlak mit Malik Assaalih (reg. ab 1267), dem damaligen Sultaan von Samudra-Pasai, war der Islam schon fest in Perlak verankert.

Das älteste Steinfragment auf der malaiischen Halbinsel ist der sog. “Terengganu-Stein”, der eine Inschrift in älterer malaiischer Sprache trägt, aber bereits mit adaptierter arabischer Jawi-Schrift. Die Datierung entspricht dem 22. Feb. 1303. Dieses Fragment belegt auch die Vermischung von Scharii’ah-Normen und bestehenden einheimischen Sitten; auch wird so die Existenz des Islam lange vor der Gründung der ost-malaiischen Sultanate auf malaiischem Boden belegt (Kedah – seit 1136 – im Nordwesten Malaysias war der historisch früheste islamische Herrschaftsraum, während Trengganu offiziellen Chroniken zufolge erst mit dem Sultanat von Johor seit ca. 1530 verbunden war).

Der persische und indische Einfluss war etwa im frühen Sultanat von Samudra-Pasai deutlich. So berichtet Ibnu-battuutah um 1360, dass der Sultaan von Pasai es liebte, mit den ortsansässigen persischen Gelehrten über religiöse und mystische Themen zu diskutieren. Sowohl der Sultaan wie seine Untertanen werden in Ibnu- battuutahs Bericht als dem schafiitischen Madhhab folgend erwähnt. Der Grabstein des Herrschers Al-malik Assaalih (gest. 1281) wiederum wurde in Gujerat (Indien) angefertigt und nach Pasai transportiert.

Monsun und Seefahrtsbedingungen

Die Monsunwinde und die Taifune beherrschen die beiden großen Ozeane, welche die arabische Welt mit Südostasien verbinden: der Indische Ozean – zweigeteilt durch den indischen Subkontinent – und das Südchinesische Meer. Aufgrund der halbjährlichen Monsunperioden konnte man nur in einem gewissen Zeitfenster direkt von der arabischen Halbinsel nach Nordsumatra gelangen. Wenn man Handel trieb, musste man sich immer auch in Indien aufhalten, um die Schiffe zu reparieren, Zwischenhandel zu betreiben, manchmal auch, um erfahrene Navigatoren an Bord zu nehmen. Die im Südchinesischen Meer wütenden Taifune waren andererseits den damaligen Segelschiffen so gefährlich, dass man mindestens zwei Monate gar nicht reiste. Dadurch und durch verschiedene Handelsbeschränkungen in Malakka, Aceh und Kanton waren viele Händler gezwungen, nach dem indischen Halt einen weiteren Aufenthalt in Nord-Sumatra bzw. Malaysia fest einzuplanen.

Bestimmte Seewege waren sowohl an der Nordküste Indiens, im Südchinesischen Meer und in der javanischen See – auf der Straße von Makassar – stark von Piraten bedroht, ähnlich wie zu Lande die Karawanen von Wegelagerern. Daher schlossen sich die Handelsschiffe zu größeren Konvois zusammen, die aber stets nur zu bestimmten Zeiten segelten. Außerhalb dieser festen Zeiten reiste ein Händler selten weiter, sondern blieb in der jeweiligen sicheren Hafenstadt und erledigte dort seine Geschäfte. Viele Handelsgüter gerade auf der Gewürzstraße konnten auch nur durch Zwischenhandel erlangt werden, und einige Herrscher in Indien bzw. Asien verboten den Spontan- bzw. Direkthandel.

Exkurs: Handelsmodalitäten auf der Fernhandelsroute nach Asien

In Indien wurde der Direkthandel beschränkt, indem der Beauftragte des indischen Herrschers zunächst Zölle und Abgaben von den arabischen und indischen Händlern verlangte, bevor er die von ihnen auf den Schiffen gebrachten Hauptwaren zum Handel freigab. Weil ein arabischer Händler darum erst einmal das (oft beträchtliche) Kapital zur Vorsteuerzahlung benötigte, betrieb er vor Ort einen speziellen Zwischenhandel, der ihn aber Zeit kostete.

In Asien – vor allem in Kanton/China – war ein Direkthandel verboten. Ein kaiserlich-chinesischer Hafenbeamte überwachte die Abgabe und Einlagerung aller Waren der ankommenden muslimischen Händler, ließ Namen, Datum, Warenart usw. in Staatslisten eintragen und nach der Einlagerung die Warenkontore des Hafens versiegeln. Gegen Ende der Fahrtsaison, die offiziell von der chinesischen Verwaltung festgesetzt wurde, wurden keine Neuzugänge an Waren durch muslimische Händler mehr akzeptiert. Dann wurden die Kontore und zugleich der Markt eröffnet. Das Ziel war, Wucherpreise und allgemein Geschäftsmanipulation zu verhindern, um allen Kaufleuten sowie der eigenen Bevölkerung ausgewogene Geschäftsbedingungen zu garantieren und zugleich eine Gesamtkontrolle mit Übersicht zu haben.

Das Meer als aktiv genutzte Staatsfläche: die Thalassokratie Asiens

Im Gegensatz zu den meisten Staaten vor dem 20. Jh. hatten die meisten Sultanate der malaiischen Welt eine tatsächliche Kontrolle über die Meeresfläche. Das wurde durch die gewaltige Zahl an speziellen, auch hochseetüchtigen Schiffstypen erreicht, die von den Fürsten unterhalten wurden (die Schiffsstärke lag etwa bei mittelgroßen Sultanaten wie dem von Sulu und Maguindanao im 16. Jh. bei jeweils 500 größeren Schiffen, die jeweils mehr als 100 Mann Besatzung führen konnten). Diese direkte Meereskontrolle wird darum auch “Thalassokratie” (griech. Meeresherrschaft) genannt. Somit konnte ein Staatswesen auch nach Eroberung der Hauptstadt durch Gegner fortbestehen, weil die Seekontrolle die Hafenstädte und Küsten mit einschloss. So verlagerten z. B. die letzten Herrscher von Malakka nach Einnahme der Stadt durch die Portugiesen ihr Zentrum nach Süd-Malaysia und begründeten den Staat Johor. Auch wurden bei den muslimischen malaiischen Sultanaten genaue Staatsgrenzen durch Einbeziehung von Meeresgebieten definiert.

Ein weiterer Vorteil dieser Kontrolle war die Garantie auf sicheren Handel. Nur wenn ein Sultanat den arabischen, indischen und persischen Muslimen Fahrtsicherheit garantieren konnte, wurden die jeweiligen Hafenstädte angelaufen. Aus Eigeninteresse – die Sultanate waren im Kern meist Handelsstadtstaaten – mussten die Handelswege mit eigenen Kriegsschiffen geschützt werden. Bezeugtermaßen besaßen die großen Fürstenhäuser bereits im 14. und 15. Jh. größere Flotten (mehrere hundert Schiffe) und nutzten komplexe Schiffsformationen bei Seeschlachten.

Der erste bedeutsame Wandel geschah durch die Einführung von Kanonen (speziell auf Schiffen). Diese neuartige Bewaffnung ermöglichte es den Portugiesen und Spaniern, auch ohne Landungstruppen Seestädte und Hafenfestungen zu zerstören. Folgerichtig wandte sich das Sultanat von Aceh 1564 mit mehreren Gesandtschaften an das Osmanische Reich, um Feuerwaffen, Kanonentechnik und die entsprechend ausgebildeten Fachleute anzufordern, mit dem Ziel, die Portugiesen in Malakka zu bekämpfen und die Sperrung des muslimischen Fernhandels zu verhindern. Die damals auf diesem Gebiet führenden Osmanen schickten eine entsprechende Expedition unter dem Kommandanten Kurtoglu Reis über Jemen nach Indien und weiter nach Aceh, wodurch die Kanonentechnik auch zum ersten Mal bewusst in der malaiischen Welt eingeführt wurde.

Kulturelle Bezugsräume

Innerhalb der malaiischen Welt bestanden (und bestehen bis heute) bestimmte Bezüge zu exakt bestimmbaren Werten und Kulturelementen; manche davon aus vorislamischen Konzepten, manche haben sich nach der Islamisierung entwickelt.

Das Konzept der Welt-Harmonie

Der Herrscher wird als Garant der gesellschaftlichen, aber auch der kosmischen Ordnung verstanden. Wenn ein Herrscher die Regeln der vom Schöpfer erstellten Ordnung beachtet, verdient er unbedingten Respekt. Ein Fürstenhaus, das dies über Generationen beachtet hat, kann zudem späteren Herrscherhäusern Legitimation verleihen. Ein ernsthaftes Fehlverhalten des Herrschers führt demnach längerfristig zu einem Verlust der gesamtheitlichen Harmonie, die der Schöpfer in die geschaffene Welt hineingelegt hat. Dann ist es für andere kein geistiges Vergehen, die Herrschaft des betreffenden Fürsten abzulehnen.

Dieses vorislamische Konzept wurde im Rahmen der Islamisierung so variiert, dass Gerechtigkeit und Verteidigung der untergeordneten Muslime zur Hauptpflicht und Hauptaufgabe, aber mit dem oben gezeigten Harmoniekonzept verbunden wurde. Diese Vorstellung ist besonders in der hindu-javanischen Tradition stark entwickelt.

Das Konzept der Beachtung der Sitten (Adat-System)

Unter “Sitten” werden in der malaiischen Welt andere Regeln verstanden als etwa in der mittelöstlichen Welt. “Adat” regelt vor allem ritualisierte Verhaltensmuster zwischen Höhergestellten und Niedrigergestellten in der Gesellschaft, umfasst Bewegungen, jede Art von Interaktion (nicht nur verbale Äußerungen), Kleidung, bestimmte Restriktionen in der Auswahl von Farben, umfangreiche traditionelle Titel und Anredeformen, die oft auch nur durch die Fürsten in einer gesonderten Ernennung vergeben werden können.

Im Gegensatz zur arabischen Welt wird nicht der Gegensatzpol “männlich-weiblich” in den Mittelpunkt der Adat gestellt, sondern Einordnung in Hierarchien von Würdigung und Personalität, wie man sie seit alt-malaiischer Zeit sieht. Diese Grundform wird aber vielfältig aufgebrochen, weil es Dutzende eigenständiger Völker in der malaiischen Welt gibt, die sich beträchtlich in ihren Adat unterscheiden. Daher haben ein Malaiie aus Kedah und ein Minangkabau aus Zentralsumatra mindestens so viel Differenz wie ein Norddeutscher und ein Süd-Franzose aus der Provence. In der Praxis gibt es zudem Überschneidungsbereiche mit einigen Scharii’ah-Normen. Je nachdem, wie stark eine örtliche Gemeinschaft von den vor-islamischen Adat geprägt ist, werden manche Normenbereiche de facto nicht nach den Scharii’ah-Regeln beachtet (oder die Uminterpretation geht so weit, dass ein Außenstehender diese Form von Islam nicht als dieselbe wie die der arabischen Welt erkennt).

Sehr ausgeprägt ist dieser Zustand auf Java, als Ergebnis der sehr langsam fortschreitenden Verbreitung des Islam und der Vermischung mit vielen alt-javanischen Vorstellungen, was auch zu einem typischen javanischen Synkretismus namens “Kejawen” führt (der auch schon zu Zeiten des Buddhismus und Hinduismus auf Java bekannt war). Im Gegensatz dazu wird der am bekannten traditionellen Islam ausgerichtete Tasawwuf auf Java oft als “Kebatinan” bezeichnet (viele javanische Muslime definieren sich hauptsächlich durch Kebatinan). Vertreter der stark Madhhab-ausgerichteten Muslime (die gegenüber dem Adat sehr tolerant sind) werden als “kaum tuah” (wörtl. “Vertreter alter Tradition”) bezeichnet, während die seit dem 19.Jh. auftretenden modernistischen Ideen mit den “kaum mudah” (wörtlich “Vertreter neuer Ideen”) verbunden werden.

Stadtstaaten und Fürstenhöfe

Die meisten Sultanate begannen als Stadtstaaten, wobei die Hauptstadt zugleich immer eine Hafenstadt war (oder an einem Flußoberlauf gelegen). Herrschaft wurde durch Bündnisse ausgeübt, seltener durch gewaltsame Gebietserweiterungen, und meist wurde die direkte Herrschaft auch nur auf Städte, Küstenstreifen und Meeresgebiete ausgeübt. Diese Flexibilität ermöglichte in der europäischen Kolonialzeit vielen Fürstenhäusern, schnell in andere Gebiete auszuweichen, wenn eine Hauptstadt von den Kolonialtruppen erobert wurde, und einfach eine neue zu gründen.

Die Fürstenhöfe bewahrten die kulturell höchste Variante des Adat, wobei die Konformität mit der Scharii’ah nicht überall in gleichem Maße gegeben war. Doch alle traditionellen Sultaane verstanden sich als Garanten auch dieser altmalaiischen Sitten und haben lediglich das daran weggelassen, was überhaupt nicht mit den Vorstellungen des Islam zu vereinbaren war.

Für die malaiische Welt ergibt sich eine typische Unterteilung der Identität in:

a) Religiöse Identität als Muslim; die Hauptvölker der malaiischen Welt verstehen sich zwingend als muslimisch, wie etwa die eigentlichen Malaien, die meisten Javaner und Sundanesen, die Acheh und Minangkabau, die Makassaren und Bugis, Ternate und Tidore, Maguindanao und Sulu.

b) Kulturelle Identität aufgrund einer Verbindung zu bestimmten Ahnen/Vorfahren und ihren ausschließenden Traditionen (Adat); die konkreten Verhaltensweisen und Sprachen, aber auch die Sicht auf die Welt einschließlich bestimmter philosophisch-mystischer Haltungen werden davon geprägt.

c) Ideelle Identität aufgrund einer übergeordneten Idee. Diese wurde erzwungen etwa durch Außenbeziehungen zu anderen Völkern (manchmal auch Symbiosen zwischen zwei Völkern, die fast nur vom/im Meer leben), oder durch eine neue Überzeugung, die alte überlagert. Dies war der Fall beim islamischen Modernismus und früher mit islamisch motivierten Widerstandsbewegungen gegen die Kolonialmächte, bei denen nur gemeinsam agierende Sultanate erfolgreich waren.

Alle drei Formen kommen vor, aber in manchen Gesellschaften werden sie weitgehend in eine integriert (etwa bei den Sultanaten der Malaien, den Leuten von Aceh oder Tidore), während andere Gesellschaften sich in verschiedene Teilgruppen aufspalten, die nur wenig miteinander zu tun haben (etwa in Zentral-Java).