Allaah (ta’aala) besitzt unzählige Attribute der Vollkommenheit. Im Folgenden werden die umfassenden Vollkommenheitsattribute näher erläutert. Sie werden in vier Kategorien mit 20 Attributen unterteilt:
Das Attribut des Wesens (as–sifatun-nafsiyyah الصفة النفسية)
Das Attribut des Wesens bedeutet nichts anderes als das Dasein Allaahs (al-wudschuud الوجود).
Nach dem islamischen Menschenbild benötigt der Mensch keinen zusätzlichen Beweis für das Erkennen des Daseins von Allaah (ta’aala), seines Schöpfers, da der Iimaan an den Schöpfer durch die Schöpfung in der Natur des Menschen immanent vorhanden ist, dies ist al-fitrah الفطرة.
Dies bedeutet, dass alle Menschen, unabhängig von den Einflüssen ihres sozialen Umfelds, die natürliche Fähigkeit und Veranlagung besitzen, Allaah (ta’aala) ohne fremde Hilfe zu erkennen.
Diese naturgegebene Erkenntnisfähigkeit des Daseins von Allaah (ta’aala) wird vor allem in Krisen- und Grenzsituationen deutlich.
In ausweglosen Situationen flehen alle Menschen, auch diejenigen, welche das Dasein Allaahs im normalen Leben abstreiten, Allaah (ta’aala) um Hilfe an.
وَإِذَا مَسَّ ٱلۡإِنسَٰنَ ٱلضُّرُّ دَعَانَا لِجَنۢبِهِۦٓ أَوۡ قَاعِدًا أَوۡ قَآئِمٗا فَلَمَّا كَشَفۡنَا عَنۡهُ ضُرَّهُۥ مَرَّ كَأَن لَّمۡ يَدۡعُنَآ إِلَىٰ ضُرّٖ مَّسَّهُۥۚ كَذَٰلِكَ زُيِّنَ لِلۡمُسۡرِفِينَ مَا كَانُواْ يَعۡمَلُونَ ١٢
Wenn dem Menschen Unglück zustößt, richtet er an Uns Bittgebete im Liegen, im Sitzen oder im Stehen. Wenn Wir von ihm sein Unglück wegnehmen, fährt er fort, als hätte er an Uns niemals Bittgebete gerichtet wegen des Unglücks, das ihm zustieß. Derart wird den Maßlosen schön gemacht, was sie zu tun pflegten. 1
وَمَا بِكُم مِّن نِّعۡمَةٖ فَمِنَ ٱللَّهِۖ ثُمَّ إِذَا مَسَّكُمُ ٱلضُّرُّ فَإِلَيۡهِ تَجَۡٔرُونَ ٥٣ ثُمَّ إِذَا كَشَفَ ٱلضُّرَّ عَنكُمۡ إِذَا فَرِيقٞ مِّنكُم بِرَبِّهِمۡ يُشۡرِكُونَ ٥٤
Was ihr an Wohlergehen genießt, ist von Allaah. Aber dann, wenn euch Unglück trifft, fleht ihr zu Ihm alleine. (54) Dann, wenn Er das Unglück von euch beseitigt, gibt es eine Gruppe von euch, die ihrem Herrn gegenüber Polytheismus betreibt, 2
Das Dasein Allaahs unterscheidet sich grundlegend vom Dasein der Geschöpfe. Es hat keinen Beginn und kein Ende und ist unabhängig von einem Schöpfungsakt, d. h. Allaah (ta’aala) ist aufgrund Seines Wesens aus sich selbst seiend. Das Dasein eines Geschöpfs ist dagegen zeitlich begrenzt, abhängig und nicht aus sich seiend, d. h. sein Dasein kann nur durch eine Schöpfungshandlung bewirkt worden sein, durch welche es vom Zustand der Nicht-Existenz in die Existenz gebracht wird und erst danach einen Anfang erfährt.
Ein Teil der Geschöpfe (z. B. Menschen und Dschinn) wird dann im Jenseits im Zustand der Existenz bleiben, und ein anderer Teil (z. B. Tiere) wird wieder in den Zustand der Nicht-Existenz zurückgebracht.
Der Islam verbietet das Hinterfragen des Wesens von Allaah (ta’aala), weil die Menschen mit ihren eingeschränkten geistigen Kräften und Fähigkeiten das Wesen Allaahs nicht erfassen können. Sie sind jedoch imstande, Sein unbedingt notwendiges Dasein zu erkennen. Deshalb fordert der Islam die Muslime auf, sich nicht mit dem Wesen Allaahs zu befassen, sondern sich intensiv mit der Schöpfung Allaahs auseinanderzusetzen, weil das im Bereich ihrer eingeschränkten intellektuellen Möglichkeiten liegt und den Iimaan an Allaah (ta’aala) vertieft.
يَعۡلَمُ مَا بَيۡنَ أَيۡدِيهِمۡ وَمَا خَلۡفَهُمۡۖ وَلَا يُحِيطُونَ بِشَيۡءٖ مِّنۡ عِلۡمِهِۦٓ إِلَّا بِمَا شَآءَۚ
Er weiß, was vor ihnen und was hinter ihnen ist, doch sie umfassen nichts von Seinem Wissen außer dem, was Er will. 3
لَّا تُدۡرِكُهُ ٱلۡأَبۡصَٰرُ وَهُوَ يُدۡرِكُ ٱلۡأَبۡصَٰرَۖ وَهُوَ ٱللَّطِيفُ ٱلۡخَبِيرُ ١٠٣
Das Sehvermögen erfasst Ihn nicht, doch Er erfasst das Sehvermögen. Er ist Der Allgütige, Der Allkundige. 4
Die antonymlosen Attribute (as–sifaatus-salbiyyah الصفات السلبية)
Diese Attribute schließen kategorisch die Existenz ihrer dazugehörigen Antonyme, d. h. ihrer jeweiligen Gegenattribute, bezüglich des Daseins und des Wesens von Allaah (ta’aala) aus. Man unterscheidet insgesamt fünf antonymlose Hauptattribute:
a) Die Einzigartigkeit (al-wahdaaniyyah الواحدانية)
Dieses Attribut schließt jegliche Form von Dualität, Trinität, Pluralität oder Teilbarkeit in Bezug auf das Wesen Allaahs und Seine Attribute aus und impliziert, dass weder Allaah (ta’aala) noch Seine Attribute aus Teilen zusammengesetzt sind.
قُلۡ هُوَ ٱللَّهُ أَحَدٌ ١
Sag: ‚Er ist Allaah, einzig!’ 5
Würde Allaah (ta’aala) aus einzelnen Teilen bestehen bzw. wäre Er Teil eines Ganzen, Teil einer Gruppe oder einer unter mehreren, könnte man die Schlussfolgerung ziehen, dass Er der Unterstützung anderer bedürfe und der Schöpfung ähnelte, die zusammengesetzt und nicht einzigartig ist, was eindeutig im Widerspruch zum Wesen des Schöpfers steht.
Weiterhin bestünde die Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit, dass Uneinigkeit unter den Einzelteilen bzw. den Einzelmitgliedern der Gruppe über die Schöpfung bzw. über die Aufgabenverteilung innerhalb der Schöpfung entstünde.
لَوۡ كَانَ فِيهِمَآ ءَالِهَةٌ إِلَّا ٱللَّهُ لَفَسَدَتَاۚ فَسُبۡحَٰنَ ٱللَّهِ رَبِّ ٱلۡعَرۡشِ عَمَّا يَصِفُونَ ٢٢
Gäbe es in beiden (Himmel und Erde) Gottheiten außer Allaah, gewiss wären beide verdorben. Also gepriesen-erhaben ist Allaah, Der Herr von Al’arsch 6, über das, was sie erdichten. 7
b) Die Anfangslosigkeit (al-qidam القدم)
Dieses Attribut schließt die Möglichkeit eines Anfangs in Bezug auf das Dasein und das Wesen von Allaah (ta’aala) aus, d. h. Allaahs Dasein und Wesen ist ohne Anfang und ohne vorherige Nicht-Existenz.
هُوَ ٱلۡأَوَّلُ وَٱلۡأٓخِرُ وَٱلظَّٰهِرُ وَٱلۡبَاطِنُۖ وَهُوَ بِكُلِّ شَيۡءٍ عَلِيمٌ ٣
Er ist Der immer Dagewesene, Der immer Bleibende, Der Offenkundige und Der Inwendige. Er ist über alles allwissend. 8
Das Dasein von Allaah (ta’aala) gehört immanent zu Seinem Wesen und kann in keiner Weise auf eine irgendwie geartete Schöpfungshandlung zurückgeführt werden.
Der Iimaan an die Anfangslosigkeit Allaahs, d. h. die gedankliche Vorstellung und Verinnerlichung dieses Attributs, stellt für einige Menschen ein scheinbar großes Problem dar, weil sie glauben, für alles einen Schöpfer suchen zu müssen. Sie stellen die Frage nach dem Schöpfer von Allaah (ta’aala), um die Anfangslosigkeit Allaahs negieren zu können. Diese Fragestellung beinhaltet jedoch gravierende Fehler und große Widersprüche:
Zunächst wird mit dieser Frage die Schöpfung als solche bestätigt und als existent anerkannt, gleichzeitig wird aber die Existenz eines Schöpfers (d. h. eines Wesens, das anfangslos, aus sich selbst seiend und unbedingt notwendig) dieser Schöpfung negiert.
Ein weiterer Widerspruch besteht darin, dass für alles Erschaffene zwar ein Schöpfer angenommen wird, dieser “Schöpfer” jedoch als Geschöpf bzw. als erschaffen bezeichnet wird und somit nicht mehr Schöpfer ohne Anfang sein kann. Dieses Gedankenspiel kann bis ins Unendliche fortgeführt werden ohne jemals zum ersten wirklichen Schöpfer zu gelangen, da eine Anfangslosigkeit bei der Fragestellung ausgeschlossen wird. Aus diesem Grund ist die Fragestellung widervernünftig.
Außerdem ignorieren die Fragesteller folgende Selbstverständlichkeiten:
– Der Intellekt des Menschen ist eingeschränkt und begrenzt, weil er seine Erkenntnisse, Erfahrungen usw. nur mit Hilfe seiner fünf Sinne gewinnt.
– Es gibt Dinge, deren Existenz die Vernunft anerkennt (wie Atommodelle, chemische Reaktionen, Kernspaltung, Elektrizität), obwohl sie durch die fünf Sinne nicht erfasst werden können, d. h. obwohl sie außerhalb des menschlichen Wahrnehmungs- und teilweise sogar außerhalb des Vorstellungsbereichs liegen.
Für das menschliche Vorstellungsvermögen gilt bezüglich der Attribute Allaahs deshalb folgendes:
– Die Fähigkeit, abstrakt zu denken, ist wegen der Eingrenzung des Erfahrungsbereichs auf die Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit der fünf Sinne stark eingeschränkt.
– Das abstrakte Denken kann nur in Bereichen eingesetzt werden, für die bereits Maßstäbe bzw. Denkmodelle vorhanden sind.
– Es ist nicht möglich, d. h. im Bereich des Nicht-Denkbaren, sich ein abstraktes Bild von einigen Attributen Allaahs zu machen, wie z. B. von der Anfangslosigkeit, von der endlosen Beständigkeit u. a., weil diese außerhalb des abstrakten Denkbereichs der Menschen liegen, da für sie keine menschliche Maßstäbe und Denkmodelle vorhanden sind.
– Es ist jedoch möglich, d. h. im Bereich des Denkbaren, sich ein abstraktes Bild von der Gerechtigkeit und der Allgnade Allaahs zu machen, weil der Mensch über eine, allerdings zwangsläufig eingeschränkte, Vorstellung dieser Werte verfügt.
Aus der Eingeschränktheit des eigenen Intellekts die Schlussfolgerung zu ziehen, dass alles was außerhalb dessen liegt, nicht existent sein kann, ist widervernünftig. Der einzige Weg zur Auflösung dieser Widervernünftigkeit ist die vernunftgemäße Annahme, dass das Erst-Erschaffene durch ein aus sich selbst seiendes, anfangsloses Wesen hervorgebracht wurde, d. h. die Akzeptanz der Anfangslosigkeit Allaahs.
c) Die endlose Beständigkeit (al-baqaa’ البقاء)
Dieses Attribut schließt die Möglichkeit eines Endes in Bezug auf das Dasein und das Wesen von Allaah (ta’aala) aus, d. h. Allaahs Dasein und Wesen ist endlos beständig und absolut ohne Ende.
وَتَوَكَّلۡ عَلَى ٱلۡحَيِّ ٱلَّذِي لَا يَمُوتُ وَسَبِّحۡ بِحَمۡدِهِۦۚ وَكَفَىٰ بِهِۦ بِذُنُوبِ عِبَادِهِۦ خَبِيرًا ٥٨
Verlasse dich auf Den Lebendigen, Der nie stirbt, und lobpreise mit Seinem Lob! Er genügt über die Verfehlungen Seiner Geschöpfe als Allkundiger. 9
كُلُّ مَنۡ عَلَيۡهَا فَانٖ ٢٦ وَيَبۡقَىٰ وَجۡهُ رَبِّكَ ذُو ٱلۡجَلَٰلِ وَٱلۡإِكۡرَامِ ٢٧
Alles auf ihr ist vergänglich! (27) Doch dein Herr, Der mit der Majestät und der Würde, vergeht nicht. 10
Ausgehend von dem unbedingt notwendigen und anfangslosen Dasein von Allaah (ta’aala) ergibt sich die logische Schlussfolgerung, dass Er endlos beständig sein muss, weil sonst ein Widerspruch zu Seinem unbedingt notwendigen Dasein entstünde. Auch hier ergibt sich das Problem aufgrund des eingeschränkten Intellekts, dass man sich keine konkrete oder abstrakte Vorstellung von der endlosen Beständigkeit machen kann.
d) Die absolute Selbständigkeit (al-qiyaamu bin-nafs القيام بالنفس)
Dieses Attribut schließt jegliche Abhängigkeit von anderen Kräften und Existenzen, von Ort, Zeit, jeglicher Unselbständigkeit oder jeglicher Hilfsbedürftigkeit in Bezug auf das Dasein und das Wesen von Allaah (ta’aala) aus, d. h. Allaahs Dasein und Handeln innerhalb und außerhalb der Schöpfung geschieht einzig und allein aus Seinem Willen und durch Seine Allmacht. Allaah (ta’aala) benötigt in jeder Hinsicht absolut nichts und niemanden für Sein Dasein, alles und jeder aber bedarf Seiner.
ٱللَّهُ ٱلصَّمَدُ ٢
Allaah, Er ist As–samad 11! 12
يَٰٓأَيُّهَا ٱلنَّاسُ أَنتُمُ ٱلۡفُقَرَآءُ إِلَى ٱللَّهِۖ وَٱللَّهُ هُوَ ٱلۡغَنِيُّ ٱلۡحَمِيدُ ١٥ إِن يَشَأۡ يُذۡهِبۡكُمۡ وَيَأۡتِ بِخَلۡقٖ جَدِيدٖ ١٦ وَمَا ذَٰلِكَ عَلَى ٱللَّهِ بِعَزِيزٖ ١٧
Ihr Menschen! Ihr seid die Bedürftigen Allaah gegenüber. Allaah ist Der absolut Autarke, Der Alllobenswürdige! (16) Wenn Er will, lässt Er euch vergehen und bringt eine neue Schöpfung hervor. (17) Dies ist für Allaah keinesfalls unmöglich. 13
e) Die Unterschiedlichkeit zum Erschaffenen (muchalafatul-hawaadith مخالفة الحوادث)
Dieses Attribut schließt jegliche Ähnlichkeit, die Herstellung eines Vergleichs oder die Gleichsetzung Allaahs, Seines Wesens, Seiner Eigenschaften und Handlungen usw. mit der Schöpfung aus.
Da die Attribute der Schöpfung nichts anderes als der Ausdruck ihrer Bedürftigkeit eines Schöpfers sind, würde die Zulassung eines Vergleichs auf irgendeiner Ebene voraussetzen, dass mindestens eine einzige Gemeinsamkeit zwischen Dem Schöpfer und der Schöpfung besteht, was dem Wesen Des Schöpfers absolut widerspricht. Schöpfer und Schöpfung sind nie gleich und dürfen nie gleichgesetzt werden. Aus diesem Attribut folgt die kategorische Negierung von Inkarnation, Anthropomorphismus oder Offenbarung vom Wesen Allaahs in der Schöpfung.
لَيۡسَ كَمِثۡلِهِۦ شَيۡءٞۖ
Nichts ist Ihm ähnlich! 14
Eine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Wie erklären sich die Gemeinsamkeiten zwischen Allaah (ta’aala) und den Menschen bei einer Reihe von Attributen wie z. B. das Wissen, der Wille, das Hören, etc.?
Zur Aufklärung dieses Missverständnisses muss man zunächst den Charakter der menschlichen Attribute untersuchen. Diese teilt man in:
– Essentielle Attribute:
Diese Attribute hängen direkt mit dem erschaffenen menschlichen Wesen zusammen und sind für seine Existenz unbedingt notwendig, wie z. B. die Abhängigkeit des Menschen von Ort und Zeit, seine physischen Bedürfnisse, seine Triebe, etc.
– Nicht-essentielle Attribute:
Diese Attribute hängen nicht mit dem erschaffenen menschlichen Wesen zusammen, sondern wurden ihm von Allaah (ta’aala) in stark eingeschränktem Umfang verliehen, um ihn dadurch zu befähigen, seine Lebensaufgaben zu bewältigen. Dazu zählen beispielsweise der Wille, das Wissen und das Erkennen. Die Verleihung dieser Attribute an den Menschen impliziert jedoch keine Gleichstellung oder eine irgendwie geartete Gemeinsamkeit oder Ähnlichkeit mit dem Verleiher, Allaah (ta’aala), weil diese Attribute ausschließlich essentielle Attribute Allaahs sind und in Bezug auf den Menschen eine sehr relativierte und eingeschränkte Bedeutung im Vergleich mit den Attributen Allaahs haben. Beispielsweise kann man das beschränkte Wissen des Menschen niemals mit dem Allwissen Allaahs vergleichen, oder die beschränkte Macht des Menschen niemals mit der Allmacht Allaahs, usw.
Daraus folgt, dass, abgesehen vom externen sprachlichen Bereich (d. h. in der Schreibweise und Aussprache der Wörter), keinerlei Ähnlichkeit zwischen Allaah (ta’aala) und dem Erschaffenen in Bezug auf den internen Charakter bzw. den Bedeutungsinhalt dieser Begriffe besteht.
Im Quraan und in der Sunnah finden sich Texte, die vordergründig den Anschein einer Ähnlichkeit zwischen Allaah (ta’aala) und der Schöpfung erwecken, wie:
ٱلرَّحۡمَٰنُ عَلَى ٱلۡعَرۡشِ ٱسۡتَوَىٰ ٥
Der Gnadende istawa (wörtlich in Bezug auf den Menschen: den Platz eingenommen) auf Al-‘ahrsch. 15
إِنَّ ٱلَّذِينَ يُبَايِعُونَكَ إِنَّمَا يُبَايِعُونَ ٱللَّهَ يَدُ ٱللَّهِ فَوۡقَ أَيۡدِيهِمۡۚ
Diejenigen, die dir das Treuewort geben, geben eigentlich Allaah das Treuewort. yadul-laah (wörtlich yadd in Bezug auf den Menschen: Hand bzw. Arm) ist über ihren Händen. 16
Der Gesandte Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:
يَنْزِلُ رَبُّنَا تَبَارَكَ وَتَعَالَى كُلَّ لَيْلَةٍ إِلَى السَّمَاءِ الدُّنْيَا حِينَ يَبْقَى ثُلُثُ اللَّيْلِ الْآخِرُ، يَقُولُ: مَنْ يَدْعُونِي فَأَسْتَجِيبَ لَهُ مَنْ يَسْأَلُنِي فَأُعْطِيَهُ مَنْ يَسْتَغْفِرُنِي فَأَغْفِرَ لَهُ.
Unser Herr, gepriesen-erhaben und immer erhaben sei Er – yanzilu (wörtlich in Bezug auf Menschen: steigt herab) jede Nacht zum niedrigsten Himmel, wenn das letzte Drittel der Nacht anbricht, und sagt: “Gibt es einen Betenden, damit Ich seinem Bittgebet entspreche? Gibt es einen Bittenden, damit Ich seine Bitte erfülle? Gibt es jemanden, der Mich um Vergebung bittet, damit Ich ihm vergebe?” (B, M)
Mit solchen Textstellen geht man unter Berücksichtigung dieses Attributs folgendermaßen um:
– man verinnerlicht den Iimaan daran, ohne diese Texte wörtlich verstehen zu wollen, da Allaah (ta’aala) der Schöpfung absolut nicht ähnelt,
– man interpretiert diese Texte möglichst nicht, da man Allaahs Wesen nicht erfassen kann und nicht die Gewissheit hat, dass die Interpretation die von Allaah (ta’aala) gewollten Bedeutungen wiedergibt.
Solche Texte sind unter Berücksichtigung der Regeln der arabischen Etymologie, Grammatik und Philologie zu interpretieren, wenn es unbedingt erforderlich wird, um z. B. Missverständnissen vorzubeugen, um den Kontext dieser Texte bei der Übersetzung in andere Sprachen zu erläutern und eine Vermenschlichung Allaahs zu vermeiden, und um mit Hilfe einer zulässigen Interpretation die eindeutige Unterschiedlichkeit Allaahs zum Erschaffenen hervorzuheben.
Erwähnenswert ist, dass die arabische Etymologie z. B. die Interpretation von yadul-laah mit der Allmacht Allaahs, von ‘ainul-laah mit dem Allsehen Allaahs und von istawa mit etwas beherrschen bzw. sich etwas hinwenden, zulässt, was auch von vielen Islamologen so praktiziert wird.
Von Imaam Ahmad Bnu-hanbal ist z. B. makellos 17 tradiert, dass er (وَجَاءَ رَبُّكَ: wörtlich würde es heißen: dein Herr kam) in der Aayah (89:22) mit “die Anweisung deines Herrn kam” interpretierte, da das Kommen eine Eigenschaft von Geschöpfen ist.
Die essentiellen Attribute (sifaatul-ma’aani صفات المعاني)
Diese Kategorie umfasst alle Attribute, die untrennbar mit dem Wesen Allaahs zusammenhängen und in Ihm immanent sind.
Zweifelsfrei besitzt Allaah (ta’aala) noch unzählige weitere Attribute der Vollkommenheit. Hier werden jedoch nur die im Quraan und in der Sunnah erwähnten Hauptattribute dargestellt.
a) Das Allwissen (al-‘ilm العلم)
Dieses Attribut beschreibt Allaahs anfangsloses Allwissen über alle Seinstypen (Notwendige, Kontingente, Unmögliche) und über alle Angelegenheiten in allen Existenz-Stadien (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Durch das Allwissen werden die Seinstypen oder die Geschehnisse nicht beeinflusst. 18
إِنَّ ٱللَّهَ بِكُلِّ شَيۡءٍ عَلِيمٌ
Allaah ist über alles allwissend! 19
وَمَا تَكُونُ فِي شَأۡنٖ وَمَا تَتۡلُواْ مِنۡهُ مِن قُرۡءَانٖ وَلَا تَعۡمَلُونَ مِنۡ عَمَلٍ إِلَّا كُنَّا عَلَيۡكُمۡ شُهُودًا إِذۡ تُفِيضُونَ فِيهِۚ وَمَا يَعۡزُبُ عَن رَّبِّكَ مِن مِّثۡقَالِ ذَرَّةٖ فِي ٱلۡأَرۡضِ وَلَا فِي ٱلسَّمَآءِ وَلَآ أَصۡغَرَ مِن ذَٰلِكَ وَلَآ أَكۡبَرَ إِلَّا فِي كِتَٰبٖ مُّبِينٍ ٦١
Du (Muhammad) unternimmst nichts und trägst davon nichts aus dem Quraan vor und ihr tut nichts, ohne dass Wir über euch Zeugen sind, vor allem wenn ihr über ihn lästert. Deinem Herrn bleibt auch nichts verborgen, weder das Gewicht eines Staubkorns auf Erden noch im Himmel, noch etwas Kleineres als dies noch etwas Größeres, ohne dass dies in einer deutlichen Schrift registriert ist. 20
وَأَسِرُّواْ قَوۡلَكُمۡ أَوِ ٱجۡهَرُواْ بِهِۦٓۖ إِنَّهُۥ عَلِيمُۢ بِذَاتِ ٱلصُّدُورِ ١٣ أَلَا يَعۡلَمُ مَنۡ خَلَقَ وَهُوَ ٱللَّطِيفُ ٱلۡخَبِيرُ ١٤
Verheimlicht eure Äußerung oder legt sie offen, Er ist gewiss allwissend über das in den Brüsten. (14) Verfügt etwa Derjenige, Der erschuf, nicht über Wissen, während Er Der Allgütige, Der Allkundige ist?(!) 21
b) Der Wille (al-iraadah الإرادة)
Dieses Attribut beschreibt Allaahs Willen, der untrennbar mit Seinem Wesen besteht und dem Kontingenten einen Teil dessen zuordnet, das für dieses zulässig ist.
Beispielsweise sind sowohl Existenz als auch Nicht-Existenz für einen Menschen möglich. Von diesen beiden Alternativen bestimmt der Wille eine Möglichkeit und ordnet sie diesem Menschen zu, ebenso bestimmt der Wille, an welchen Orten dieser Mensch sich befindet, zu welcher Zeit, etc.
Der Zusammenhang zwischen dem Willen Allaahs und den Kontingenten ist vergleichbar mit der Planung. Der Wille plant nach dem Allwissen Allaahs, und die Allmacht Allaahs führt diese Planung aus.
إِنَّ ٱللَّهَ يَفۡعَلُ مَا يُرِيدُ
Allaah macht, was Er will! 22
Mit dem vollkommenen und absoluten Willen Allaahs stellt sich die Frage nach dem freien Willen und der freien Wahl des Menschen. Inwieweit verfügt er über einen wirklich freien Willen und in welchem Zusammenhang steht dieser Wille zum Willen Allaahs?
Jeder Mensch agiert in zwei Handlungsebenen:
– die Handlungsebene, die nicht seinem Willen unterliegt, d. h. in der er unbewusste Handlungen vollzieht, die nicht von seinem Willen gesteuert oder beeinflusst werden können, z. B. Geburt, Krankheit, Tod, nicht willkürlich steuerbare Körperfunktionen, wie Atmung, Herzschlag, etc.
– die Handlungsebene, die seinem Willen und seiner freien Wahl unterliegt. Darin besitzt er freien Willen, weil Allaah (ta’aala) ihm durch Seinen Willen diese Fähigkeit verliehen hat.
Hier ergeben sich folgende Fragen:
– Wie soll man Verhaltensweisen von Menschen verstehen, die nach unserem Verständnis dem Willen Allaahs nicht entsprechen können, weil sie ganz offensichtlich gegen Seine Gebote verstoßen? bzw.
– Ist der Mensch imstande, mit seinem freien Willen gegen den Willen Allaahs zu verstoßen?
Die Beantwortung dieser Fragen ergibt sich anschaulich anhand eines Gleichnisses aus der Arbeitswelt:
Ein Arbeitgeber verspricht einem Arbeitnehmer eine dauerhaft gesicherte Anstellung unter der Bedingung, dass dieser eine begrenzte Probezeit besteht. Sinn der Probezeit ist es, zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer die Fähigkeiten besitzt, den an ihn gestellten Ansprüchen gerecht zu werden.
Bei der Einstellung auf Probe stattet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit gewissen Befugnissen aus, um ihm die Prüfung zu erleichtern. Zudem kalkuliert er für das Verhalten des Arbeitnehmers während der Probezeit zwei mögliche Ergebnisse ein, d. h. zwei Ergebnisse sind vom Arbeitgeber gewollt: entweder wird er dieser Aufgabe gerecht oder nicht.
Obwohl diese Ergebnisse sich diametral gegenüberstehen entsprechen beide dem Willen des Arbeitgebers, welcher nach Ablauf der Probezeit aufgrund des (gewollten) Ergebnisses entscheiden wird, ob er den Arbeitnehmer weiterhin beschäftigt oder nicht.
Daraus ergibt sich, bezogen auf die o. a. Fragestellung Folgendes:
Allaah (ta’aala) wollte, dass die Menschen einen freien Willen besitzen, d. h., Er hat von Beginn an die Möglichkeit des Verstoßes gegen Seine Gebote zugelassen. Deshalb bewegen sich die Menschen immer im Bereich von Allaahs Willen, unabhängig davon, welche Entscheidung sie treffen.
نَّحۡنُ خَلَقۡنَٰهُمۡ وَشَدَدۡنَآ أَسۡرَهُمۡۖ وَإِذَا شِئۡنَا بَدَّلۡنَآ أَمۡثَٰلَهُمۡ تَبۡدِيلًا ٢٨ إِنَّ هَٰذِهِۦ تَذۡكِرَةٞۖ فَمَن شَآءَ ٱتَّخَذَ إِلَىٰ رَبِّهِۦ سَبِيلٗا ٢٩ وَمَا تَشَآءُونَ إِلَّآ أَن يَشَآءَ ٱللَّهُۚ إِنَّ ٱللَّهَ كَانَ عَلِيمًا حَكِيمٗا ٣٠
Wir erschufen sie und verstärkten ihre Gelenke. Wenn Wir wollten, hätten Wir sie mit ihresgleichen eingetauscht. (29) Gewiss, dies ist eine Ermahnung. Wer will, schlägt einen Weg zu seinem Herrn ein. (30) Doch ihr wollt nicht außer, dass Allaah will. Allaah ist gewiss immer allwissend, allweise. 23
Zum besseren Verständnis muss zusätzlich zwischen dem Willen (al-iraadah الإرادة) und dem Befehl bzw. Gebieten (al-amr الأمر) differenziert werden.
In dem o. a. Gleichnis waren beide Ergebnisse der Probezeit (Erfolg und Misserfolg) vom Arbeitgeber zwar gewollt, aber nicht befohlen oder erzwungen, d. h. obwohl der Arbeitgeber kein Versagen duldet, hat er die Möglichkeit des Versagens einkalkuliert, dabei jedoch weder Zwang ausgeübt, noch ein bestimmtes Verhalten befohlen.
Andererseits war der Arbeitnehmer (von Anfang an) über die Bedingungen der Probezeit informiert. Er wusste, was von ihm erwartet wird und unter welchen Voraussetzungen eine Weiterbeschäftigung möglich sein würde. Dieses Wissen kann jedoch auf keinen Fall als Zwang seitens des Arbeitgebers interpretiert werden.
Im Bezug auf den Willen Allaahs bedeutet dies, dass alle Handlungen des Menschen dem Willen Allaahs unterliegen, dass aber nicht alle vom Menschen vollbrachten Handlungen von Allaah (ta’aala) befohlen sind oder von Ihm angenommen werden.
c) Die Allmacht (al-qudrah القدرة)
Dieses Attribut beschreibt Allaahs Allmacht, die untrennbar mit Seinem Wesen besteht und die für das Kontingente, das ihm durch den Willen Zugeordnete durchführt.
Bezogen auf das o. a. Beispiel der menschlichen Existenz ergibt sich für die Allmacht Folgendes:
Der Wille bestimmt beispielsweise die Existenz und ordnet sie einem bestimmten Menschen zu, dann führt die Allmacht die Entscheidung des Willens aus, d. h. die Allmacht erschafft den Menschen erst dann, wenn der Wille seine Existenz vorsieht.
Der Wille und die Allmacht sehen beide die Möglichkeit von Existenz und Nicht-Existenz vor und beschränken sich deshalb ausschließlich auf die Kontingenten. Sie beziehen sich jedoch nicht auf das Notwendige und das Unmögliche, weil diese per definitionem nicht beide Existenz-Möglichkeiten beinhalten. Denn das Notwendige erfährt niemals die Nicht-Existenz und das Unmögliche erfährt niemals die Existenz.
Würde das Notwendige bzw. das Unmögliche mit beiden (Wille und Allmacht) zusammenhängen, bestünde die Möglichkeit seine Nicht-Existenz bzw. seine Existenz zu planen und durchzuführen, was zu einem Widerspruch führt. In diesem Falle wäre das Notwendige bzw. das Unmögliche nicht mehr notwendig bzw. unmöglich, sondern nur noch kontingent.
Im Universum existiert nichts, das Allaahs Allmacht übertrifft.
يَخۡلُقُ ٱللَّهُ مَا يَشَآءُۚ إِنَّ ٱللَّهَ عَلَىٰ كُلِّ شَيۡءٖ قَدِيرٞ
Allaah erschafft, was Er will! Allaah ist sicher über alles allmächtig. 24
d) Das Sprechen (al-kalaam الكلام)
Dieses Attribut beschreibt Allaahs Sprechen, das untrennbar mit Seinem Wesen besteht und sich in jeder Hinsicht vom Sprechen der Geschöpfe unterscheidet. Das Wissen darüber, wie Allaah (ta’aala) spricht, liegt bei Ihm allein. Allaahs Schriften, wie At-tauraah (die Tora), Al-indschiil (das ‘Iisa-Evangelium) und der Quraan, sind Zeichen dieses Attributs. Allaahs Worte sind im Quraan enthalten.
وَإِنۡ أَحَدٞ مِّنَ ٱلۡمُشۡرِكِينَ ٱسۡتَجَارَكَ فَأَجِرۡهُ حَتَّىٰ يَسۡمَعَ كَلَٰمَ ٱللَّهِ ثُمَّ أَبۡلِغۡهُ مَأۡمَنَهُۥۚ
Sollte einer von den (vertragsbrüchigen) Polytheisten dich um Asyl bitten, dann gewähre ihm Asyl, bis er Allaahs Worte vernommen hat, dann geleite ihn zum Ort seiner Sicherheit. 25
Der Quraan bestätigt das Sprechen Allaahs zu Seinen Gesandten.
تِلۡكَ ٱلرُّسُلُ فَضَّلۡنَا بَعۡضَهُمۡ عَلَىٰ بَعۡضٖۘ مِّنۡهُم مَّن كَلَّمَ ٱللَّهُۖ وَرَفَعَ بَعۡضَهُمۡ دَرَجَٰتٖۚ
Diese Gesandten, den einen von ihnen gewährten Wir Gunst den anderen gegenüber. Zu einigen von ihnen sprach Allaah und andere erhöhte Er um Stellungen. 26
وَكَلَّمَ ٱللَّهُ مُوسَىٰ تَكۡلِيمٗا
Allaah sprach doch zu Muusa! 27
Exkurs
Bei mündlichen oder schriftlichen Zitaten aus Übersetzungen der Bedeutungen des Quraan, darf man nicht mit den Worten beginnen: “Allaah (ta’aala) hat gesagt” oder “Allaah (ta’aala) sagt im Quraan”, da jede Übersetzung gleichzeitig eine Interpretation des Übersetzers bezüglich der Wortwahl und des Wortlauts enthält. Es muss strikt zwischen den selbstgewählten Formulierungen des Übersetzers und den Worten Allaahs im Quraan unterschieden werden.
Bei deutschen Zitaten aus einer Quraan-Übersetzung muss immer darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den übersetzten Texten um eine Übersetzung mit einer der möglichen Bedeutungen des arabischen Originals handelt. Dementsprechend darf eine deutsche Übersetzung nicht als Quraan bezeichnet werden, sondern immer nur explizit als Tafsiir 28. Fehlt dieser Hinweis, verstößt man gegen den Grundsatz der Unvergleichbarkeit Allaahs (ta’aala) mit den Geschöpfen und beeinträchtigt den Iimaan an das Attribut des Sprechens und seiner Bedeutung. Damit werden Allaah (ta’aala) (z. B. deutsche) Worte zugesprochen, die Er so nicht übermitteln ließ.
Entscheidend ist auch, dass Übersetzungen in vielen Fällen Anlass zu Missverständnissen bzw. Fehlinterpretationen geben. Sie ersetzen demnach keineswegs die Lesung im arabischen Original. 29
e) Das Allhören (as-sam’ السمع)
Dieses Attribut beschreibt Allaahs Allhören, das untrennbar mit Seinem Wesen besteht und sich in jeder Hinsicht vom Hören der Geschöpfe unterscheidet. Das Wissen darüber, wie dieses Allhören erfolgt, liegt allein bei Allaah (ta’aala).
إِنَّ ٱللَّهَ سَمِيعُۢ بَصِيرٌ
Allaah ist gewiss allhörend, allsehend! 30
f) Das Allsehen (al-basar البصر)
Dieses Attribut beschreibt Allaahs Allsehen, das untrennbar mit Seinem Wesen besteht und sich in jeder Hinsicht vom Sehen der Geschöpfe unterscheidet. Das Wissen darüber, wie dieses Allsehen erfolgt, liegt allein bei Allaah (ta’aala).
قَالَ لَا تَخَافَآۖ إِنَّنِي مَعَكُمَآ أَسۡمَعُ وَأَرَىٰ ٤٦
Er sagte: “Fürchtet euch beide nicht! Ich bin mit euch beiden, Ich höre und sehe! 31
g) Die Lebendigkeit (al-hayah الحياة)
Dieses Attribut beschreibt Allaahs Lebendigkeit, die untrennbar mit Seinem Wesen besteht und sich in jeder Hinsicht vom Leben der Geschöpfe unterscheidet. Die Lebendigkeit ermöglicht alle anderen Attribute.
ٱللَّهُ لَآ إِلَٰهَ إِلَّا هُوَ ٱلۡحَيُّ ٱلۡقَيُّومُ ٢
Allaah ist Er, keine Gottheit gibt es außer Ihm, Der ewig Lebende, Der Allverantwortliche. 32
Die abgeleiteten Attribute (as–sifaatul-ma’anawiyyah الصفات المعنوية)
Diese Kategorie umfasst alle Attribute, die aufgrund der essentiellen Attribute den Zustand des Wesens beschreiben. Manche Gelehrte machen keinen Unterschied zwischen den essentiellen und abgeleiteten Attributen.
Die abgeleiteten Attribute lauten:
Allaah (ta’aala) ist allwissend (‘aliim عليم), da Er das Allwissen besitzt.
Er ist wollend (muriid مريد), da Er den Willen besitzt.
Er ist allmächtig (qaadir قادر), da Er die Allmacht besitzt.
Er ist sprechend (mutakallim متكلم), da Er das Sprechen besitzt.
Er ist allhörend (samii’ سميع), da Er das Allhören besitzt.
Er ist allsehend (basiir بصير), da Er das Allsehen besitzt.
Er ist lebendig (hayi حي), da Er die Lebendigkeit besitzt.
4. Die schönsten Namen Allaahs (asmaaul-laahil-husna أسماء الله الحسنى)
Alle Namen Allaahs, mit Ausnahme des Eigennamens “Allaah”, stellen essentielle Eigenschaften und Wesensmerkmale Allaahs dar.
Im Quraan und in der Sunnah werden zahlreiche Namen Allaahs erwähnt, von denen 99 “die vorgegebenen Namen: tauqifiyyah توقيفية” genannt werden. Neben diesen Namen gibt es noch die so genannten “übereinstimmenden Namen: taufiqiyyah توفيقية“. Darunter versteht man alle Namen, mit denen Allaah angerufen werden darf, da sie mit den Attributen Allaahs vereinbar sind.
Allaah (ta’aala) darf nur mit den schönsten Namen angerufen werden.
وَلِلَّهِ ٱلۡأَسۡمَآءُ ٱلۡحُسۡنَىٰ فَٱدۡعُوهُ بِهَاۖ وَذَرُواْ ٱلَّذِينَ يُلۡحِدُونَ فِيٓ أَسۡمَٰٓئِهِۦۚ سَيُجۡزَوۡنَ مَا كَانُواْ يَعۡمَلُونَ ١٨٠
Allaah hat die schönsten Namen, so benennt Ihn damit. Lasst ab von denjenigen, die Seine Namen entstellen. Ihnen wird das vergolten, was sie zu tun pflegten. 33
Der Gesandte Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:
إِنَّ لِلَّهِ تِسْعَةً وَتِسْعِينَ اسْمًا مِائَةً إِلَّا وَاحِدًا مَنْ أَحْصَاهَا دَخَلَ الْجَنَّةَ.
Allaah hat neunundneunzig Namen – hundert weniger eins! Wer sie beherzigt, wird in das Paradies eintreten. (M, B, T, I, AH)
Anmerkung:
Die im Folgenden aufgeführten deutschen Begriffe geben nur die sehr eingeschränkte Bedeutung der schönsten Namen Allaahs wieder. Eine endgültige, alle Bedeutungsnuancen umfassende Übersetzung ist wegen der begrenzten Möglichkeiten der deutschen Sprache und der komplexen Bedeutungsvielfalt der arabischen Fachbegriffe nicht möglich.
Weiterhin muss beachtet werden, dass diese Namen tauqifiyah sind, d. h., diese Namen wurden von Allaah (ta’aala) für uns im arabischen Original festgesetzt und übermittelt.
Die 99 schönsten Namen 34 und ihre Bedeutungen
1. Allaah الله: Der Eigenname des Schöpfers auf Arabisch
2. Ar-rahmaan الرحمن: Der Wohltäter großer Wohltaten, Der Gnadende
3. Ar-rahiim الرحيم: Der Wohltäter kleiner Wohltaten, Der Allgnädige
4. Al-malik الملك: Der absolute Herrscher, Der frei Verfügende über Sein Eigentum
5. Al-qudduus القدوس: Der absolut Reine und Freie von Mängeln
6. As-salaam السلام: Die Sicherheit für Seine Schöpfung, Der absolut Freie von Makel
7. Al-mu’min المؤمن: Der Beschützer vor der Pein, Der Einhalter Seines Versprechens
8. Al-muhaimin المهيمن: Der Beherrschende, Dominante
9. Al-‘aziiz العزيز: Der Angesehenste, Allwürdige, Ehrenwerteste
10. Al-dschabbaar الجبار: Der Durchsetzende Seiner Gebote/Befehle
11. Al-mutakabbir المتكبر: Der Einzige, Der die absolute Erhabenheit und Einzigartigkeit besitzt.
12. Al-chaaliq الخالق: Der Schöpfer aller Geschöpfe aus dem Nichts
13. Al-baari’ البارىء: Der Schöpfer der Geschöpfe aus der Schöpfung
14. Al-musauwir المصور: Der Gestalter des unterschiedlichen Aussehens der Geschöpfe
15. Al-ghaffaar الغفار: Der Allvergebende der Sünden
16. Al-qahhaar القهار: Der Bewältigende aller Dinge, Der Unterwerfende
17. Al-wahhaab الوهاب: Der reichlich, großzügig und ständig Gebende
18. Ar-razzaq الرزاق: Der Gewährende von rizq
19. Al-fattaah الفتاح: Der Eröffnende der Tore Seiner Gnade
20. Al-‘aliim العليم: Der Allwissende
21. Al-qaabid القابض: Der Einschränkende von rizq, Der die Seelen in Empfang Nehmende
22. Al-baasit الباسط: Der Erweiternde von rizq
23. Al-chaafid الخافض: Der Erniedrigende aller, welche die Erniedrigung verdienen.
24. Ar-raafi’ الرافع: Der Erhöhende aller, welche die Erhöhung verdienen.
25. Al-mu’iz المعز: Der Verleiher von Ansehen, Würde und Macht
26. Al-mudhil المذل: Der Erniedrigende/Demütigende Seiner Feinde
27. As-samii’ السميع: Der Allhörende, Der alles, was Er hört, umfassend und detailliert wahrnimmt.
28. Al-basiir البصير: Der Allsehende, Der alles, was Er sieht, umfassend und detailliert wahrnimmt.
29. Al-hakam الحكم: Der absolute Richter
30. Al-‘adl العدل: Der Allgerechte
31. Al-latiif اللطيف: Der Allgütige, Der Kenner der Regungen der Herzen
32. Al-chabiir الخبير: Der Allkundige
33. Al-haliim الحليم: Der Sanftmütige, Allnachsichtige, Der durch Seinen Zorn nicht beeinflusst wird.
34. Al-‘adhiim العظيم: Der Erhabene
35. Al-ghafuur الغفور: Der Allvergebende, Der Seinen Geschöpfen viel mehr vergibt, als sie es jemals erwarten bzw. verdienen.
36. Asch-schakuur الشكور: Der selbst kleine Guttaten reichlich Belohnende
37. Al-‘aliy العلي: Der Allhöchste mit unvorstellbarer Stellung.
38. Al-kabiir الكبير: Der Grosse, Dessen Größe weder wahrnehmbar noch vorstellbar ist.
39. Al-hafiidh الحفيظ: Der Bewahrer der Schöpfung und aller Handlungen Seiner Geschöpfe
40. Al-muqiit المقيت: Der Schöpfer der Nahrung für die Seele, den Geist und den Körper
41. Al-hasiib الحسيب: Der Abrechnende am Jüngsten Tag
42. Al-dschaliil الجليل: Der Allmajestätische
43. Al-kariim الكريم: Der absolut Großzügige, Der Seine Geschöpfe beschenkt, ohne darum gebeten zu werden oder eine Gegenleistung dafür zu erwarten.
44. Ar-raqiib الرقيب: Der alles Beobachtende
45. Al-mudschiib المجيب: Der Erhörende der Bittgebete
46. Al-waisi’ الواسع: Der, Dessen Wissen und Gnade alles umfassen.
47. Al-hakiim الحكيم: Der Allweise
48. Al-waduud الودود: Der Liebevollste
49. Al-madschiid المجيد: Der Ruhmreichste
50. Al-baa’ith الباعث: Der Entsender der Gesandten, Der Erweckende der Toten
51. Asch-schahiid الشهيد: Der allgegenwärtige Zeuge
52. Al-haqq الحق: Der Wahrhaftigste
53. Al-wakiil الوكيل: Der Treuhänder und Interessenvertreter Seiner Geschöpfe
54. Al-qawiy القوي: Der Allmächtige
55. Al-matiin المتين: Der absolut “Solide”, Starke
56. Al-waliy الولي: Der Vertraute und Beistand Seiner Geschöpfe, Der Verhelfer zum Sieg
57. Al-hamiid الحميد: Der, Dem alles Lob gebührt.
58. Al-muhsi المحصي: Der alles detailliert Registrierende
59. Al-mubdi’ المبدىء: Der Beginner der Schöpfung aus dem Nichts
60. Al-mu’iid المعيد: Der Wiederholer der Schöpfung nach ihrem Tod
61. Al-muhyi المحيي: Der das Leben Einhauchende
62. Al-mumiit المميت: Der das Leben Nehmende
63. Al-hayi الحي:Der ewig Lebende
64. Al-qaiyuum القيوم: Der absolut Selbständige
65. Al-waadschid الواجد: Der allem, was Er will, zur Existenz verhilft.
66. Al-maadschid الماجد: Der Hochgerühmte
67. Al-waahid الواحد: Der Einzigartige
68. As–samad الصمد: Der Herr, Der absolut Unabhängige, von Dem alles abhängt.
69. Al-qaadir القادر: Der absolute Könner
70. Al-muqtadir المقتدر: Der Vermögende, Der absolut Fähige
71. Al-muqaddim المقدم: Der Vorrang und Führung Verleihende
72. Al-mu-ach-chir المؤخر: Der Herabsetzende, Der an das Ende Plazierende
73. Al-auwal الأول: Der Erste (ohne Beginn)
74. Al-aachir الأخر: Der Letzte (ohne Ende)
75. Adh–dhahir الظاهر: Der Erkennbare
76. Al-baatin الباطن: Der Verborgene
77. Al-waali الوالي: Der Herrscher, Der Besitzer, Der Verwalter der Schöpfung
78. Al-muta’aali المتعالي: Der Erhabene über jeglichen Mangel
79. Al-barr البر: Der Gütigste
80. At-tauwaab التواب: Der die Reue Annehmende
81. Al-muntaqim المنتقم: Der angemessen Bestrafende
82. Al-‘afuu العفو: Der Vergebende der Sünden der Reumütigen
83. Ar-ra-uuf الرؤوف: Der Gnädigste
84. Malikul-muluuk ملك الملوك: Der Besitzer der Allmacht und Herrschaft
85. Dhul-dschalaali wal-ikraam ذوالجلال والإكرا م: Der von der Majestät und der Würde
86. Al-muqsit المقسط: Der absolut gerecht Handelnde
87. Al-dschaami’ الجامع: Der Versammelnde der Schöpfung am Jüngsten Tag
88. Al-ghaniy الغني: Der absolut Autarke (Selbstgenügende)
89. Al-mughni المغني: Der Reichtum Verleihende
90. Al-maani’ المانع: Der den Untergang Verhindernde
91. Ad–daar الضار: Der Schädigende Seiner Feinde
92. An-naafi’ النافع: Der den Nutzen Verleihende
93. An-nuur النور: Der Licht Ausstrahlende und Verleihende
94. Al-haadi الهادي: Der Rechtleitende
95. Al-badii’ البديع: Der absolut Wunderbarste
96. Al-baaqi الباقي: Der endlos Beständige
97. Al-waarith الوارث: Der Bleibende nach Vergehen der Schöpfung
98. Ar-raschiid الرشيد: Der auf den richtigen Weg Leitende
99. As–sabuur الصبور: Der absolut Geduldigste
Wie bereits erwähnt, verfügt Allaah (ta’aala) über alle Vollkommenheiten, die man nicht aufzählen kann. Man stellt jedoch fest, dass die aus den o. g. schönsten Namen abgeleiteten Eigenschaften unter den bereits behandelten Hauptattributen Allaahs subsummiert werden können.
Beispiele:
– “Al-chaaliq الخالق: Der Schöpfer aller Geschöpfe aus dem Nichts” muss existent (maudschuud) ohne Beginn (qadiim) und ohne Ende (azali), lebendig (hayi), allmächtig (qaadir), wollend (muriid) und allwissend (‘aliim), sich selbst genügend (qaaimun binafsihi) und damit anders als die Erschaffenen (muchaalifun lil-hawaadith) sein.
– “Al-mumiit المميت: Der das Leben Nehmende” kann dies nur sein, wenn Er existent (maudschuud) ohne Beginn (qadiim) und ohne Ende (azali), lebendig (hayi), allmächtig (qaadir), wollend (muriid) und allwissend (‘aliim), sich selbst genügend (qaaimun binafsihi) und damit anders als die Erschaffenen (muchaalifun lil-hawaadith) ist.
Aus beiden Beispielen wird ersichtlich, dass man nur den Iimaan an diese schönsten Namen und an die daraus abgeleiteten Attribute verinnerlichen kann, wenn man vorher die Hauptattribute Allaahs kennt und als Gewissheiten bereits verinnerlicht hat.
Bemerkung zum Namen “Allaah”:
“Allaah” ist der Eigenname des Schöpfer auf Arabisch. Da Eigennamen nicht übersetzt werden, muss in allen Sprachen, auch im Deutschen dieser Name unübersetzt bleiben. Dieser Name wird nicht als Maskulinum bezeichnet, weil es dafür keine weibliche Form gibt. Er hat auch keinen Plural.
Die grammatikalische Bezeichnung dafür ist “lafdhul-dschalaalah: Wortlaut für das Majestätische”. Dennoch verwendet man hierfür die männliche Form, weil sie grammatikalisch die Stärkere ist und das Arabische nur männlich oder weiblich, aber kein Neutrum kennt. ilaah إله als Bezeichnung für Gott ist anders als “Allaah” und bedeutet “das Angebetete”. Es hat eine weibliche Form ilaahah إلهة und einen Plural aalihah آلهة , deshalb kann man im Arabischen von Göttin und Göttern sprechen. Diese Formen werden jedoch niemals in Bezug auf den Schöpfer verwendet.
Notes:
- Quraan (10:12) ↩
- Quraan (16:53-54) ↩
- Quraan (2:255) ↩
- Quraan (6:103) ↩
- Quraan (112:1) ↩
- Al’arsch ist ein Geschöpf Allaahs, das größer als der Himmel und die Erde ist und diese umgibt. ↩
- Quraan (21:22) ↩
- Quraan (57:3) ↩
- Quraan (25:58) ↩
- Quraan (55:26-27) ↩
- As–samad: Der absolut Selbständige, Der niemandem bedarf, alles und jeder aber bedarf Seiner. ↩
- Quraan (112:2) ↩
- Quraan (35:15-17) ↩
- Quraan (42:11) ↩
- Quraan (20:5) ↩
- Quraan (48:10) ↩
- Tradiert von Imaam Al-baihaqiy über Al-haakim über Abu-’amr über Hanbal über Imaam Ahamd. ↩
- Siehe auch Kapitel: Der Iimaan an Al-qadaa’ und Al-qadar. ↩
- Quraan (9:115) ↩
- Quraan (10:61) ↩
- Quraan (67:13-14) ↩
- Quraan (22:14) ↩
- Quraan (76:28-30) ↩
- Quraan (24:45) ↩
- Quraan (9:6) ↩
- Quraan (2:253) ↩
- Quraan (4:164) ↩
- Tafsiir: Erläuterung des Quraan-Inhalts in den jeweiligen Sprachen mit eigenen Worten und eigenem Stil. Quraan-Exegese. ↩
- Zur Problematik der Übersetzung von Quraan-Texten und die hierbei begangenen Fehler s. a., ’Uluumul-quraan – Einführung in die Quraan-Wissenschaft, Band 8, Islamologische Enzyklopädie ↩
- Quraan (58:1) ↩
- Quraan (20:46) ↩
- Quraan (3:2) ↩
- Quraan (7:180) ↩
- Es gibt mehrere Unterschiede zwischen den Namen und Attributen Allaahs: a) Ein Name weist immanent auf eine Bedeutung bzw. ein bestimmtes Wesen hin, während ein Attribut eines Wesens ein von diesem Wesen untrennbares Zeichen darstellt, mit dem dieses Wesen bekannt wird ; b) Aus einem Namen kann man ein Attribut ableiten (rahmah aus ar-rahiim), während man aus Attributen keine Namen ableitet ; c) Man leitet keine Namen aus den Handlungen eines Wesens ab, während man daraus Attribute ableiten kann (rahmah aus yarham); d) Man betet Allaah ta’aala mit Seinen Namen aber nicht Seinen Attributen an (’Abdur-rahiim aber nicht ’Abdur-rahmah ; ya rahiim aber nicht ya rahmatul-laah). ↩