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Industriell verarbeitete Lebensmittel


(Dieser Abschnitt wurde in Zusammenarbeit mit der europäischen Prüf- und Zertifizierungsstelle für Halal-Lebensmittel HALAL CONTROL (EU) erstellt. Akkreditiert u.a. von JAKIM.)

 

In den letzten Jahren hat sich der Lebensstil im europäischen Kulturkreis im Vergleich zu anderen Kulturkreisen entscheidend verändert. Heute gibt es in Europa überdurchschnittlich viele Singlehaushalte und in vielen Familien arbeiten beide Eltern, was dazu führt, dass diese Per-sonen und Familien immer mehr auf Fertiggerichte angewiesen sind. Dies führte zu einer rasanten Entwicklung der Lebensmittelindustrie, in der mittlerweile viele Lebensmittelroh- und Zusatzstoffe aus den ver-schiedensten Quellen gewonnen bzw. synthetisch nachgeahmt werden. So tauchen für die Muslime in Bezug auf Nahrungsmittel ständig neue Fragen nach der Halaal-Konformität dieser Roh- und Zusatzstoffe und ihrer Herstellungsverfahren auf. Da der einzelne muslimische Verbraucher nicht über die nötigen Fachkenntnisse verfügt, diese Fragen zu beantworten, kam es zur Gründung und Etablierung so genannter Halaal-Zertifizierungsstellen. Die akkreditierten Institutionen unter ihnen überprüfen und überwachen mit einem Team qualifizierter Techniker und einem Scharii’ah-Board den Verarbeitungsbetrieb, die Zutaten und den Herstellungsprozess auf ihre Halaal-Konformität und bestätigen dies mit einem Halaal-Zertifikat. In diesem Unterpunkt sollen die wichtigsten Erkenntnisse in diesem Zusammenhang dargestellt und erläutert werden.

Zusatzstoffe tierischen Ursprungs

– E 120        Cochenille

– E 901        Bienenwachs

– E 904        Schellack

– E 120 (Calcium und Aluminiumsalze der Karminsäure): ist ein organischer roter Farbstoff, auch Cochenille (Koschenille) oder Echtes Karmin genannt. Es wird aus getrockneten trächtigen Scharlach-Schildläusen gewonnen und ist beispielsweise in einigen Bittergetränken oder eingefärbten Süßigkeiten enthalten. Es ist nach vielen Gelehrten halaal.

– E 901 (Bienenwachs): Bienen nutzen ihr körpereigenes Sekret
als Material für den Bau ihrer Waben. Bienenwachs dient in der Lebensmittelindustrie als natürliches Trenn- und Überzugsmittel zur Oberflächenbehandlung von Zitrusfrüchten, Äpfeln, Melonen, Birnen, Süßwaren und Schokolade, Knabbererzeugnissen, feinen Backwaren, Kaugummi, Kaffeebohnen und Nüssen; außerdem wird es in der Kosmetikindustrie zur Herstellung von Make up, Salben, Lippenstiften und Cremes verwendet. Es ist halaal.

– E 904 (Schellack): Es wird aus den harzartigen Ausscheidungen der weiblichen Gummilackschildläuse (Kerria lacca) gewonnen. Schellack wird in der Lebensmittelindustrie zur Oberflächenbehandlung von Äpfeln, Birnen, Melonen, Pfirsich, Ananas und Zitrusfrüchten, sowie für Süßwaren und Schokolade, Knabbererzeugnisse, feine Backwaren, Nüsse, Kaffeebohnen, Kaugummi und für Käseüberzüge eingesetzt. Außerdem kann Schellack in der Stempelfarbe der Eier enthalten sein. Schellack ist halaal.

Zusatzstoffe möglichen tierischen Ursprungs

  • E 322 Lecithin
  • E 325 Natriumlactat
  • E 326 Kaliumlactat
  • E 327 Calciumlactat
  • E 422 Glycerin
  • E 470(a) Natrium-, Kalium- oder Calcium-Salze der Speisefettsäuren
  • E 470(b) Magnesium-Salze der Speisefettsäuren
  • E 471 Mono- und Diglyceride der Speisefettsäuren
  • E 472(a) bis (f) Mono- und Diglyceride der Speisefettsäuren, verestert mit organischen Säuren
  • E 473 Zuckerester von Speisefettsäuren
  • E 475 Polyglycerinester von Speisefettsäuren
  • E 477 Propylenglycolester von Speisefettsäuren
  • E 478 Milchsäureester der Speisefettsäuren
  • E 481 Natriumstearoyl-2-lactylat
  • E 482 Calciumstearoyl-2-lactylat
  • E 483 Stearyltatrat
  • E 491 Sorbitanmonostearat
  • E 492 Sorbitantristearat
  • E 493 Sorbitanmonolaurat
  • E 494 Sorbitanmonooleat
  • E 495 Sorbitanmonopalmitat
  • E 570 Fettsäuren (natürliche)
  • E 572 Magnesiumstearat
  • E 585 Eisen-II-lactat
  • E 620 Glutaminsäure
  • E 621 Mononatriumglutamat
  • E 622 Monokaliumglutamat
  • E 623 Calciumdiglutamat
  • E 624 Monoammoniumglutamat
  • E 625 Magnesiumdiglutamat
  • E 626 Guanylsäure, Guanosinmonophosphat
  • E 627 Dinatriumguanylat
  • E 628 Dikaliumguanylat
  • E 629 Calciumguanylat
  • E 634 Calcium-5′-Ribonucleotide
  • E 635 Natrium-5′-Ribonucleotide
  • E 640 Glycin und dessen Natriumsalze
  • E 920 L-Cystein

– E 322 (Lecithin) ist natürlicher Bestandteil des Hühner-Eigelbs. Aufgrund der preiswerteren und einfacheren Gewinnung wird Lecithin heutzutage in der Regel aus Soja-, Raps- oder Erdnussöl gewonnen. Lecithin dient in der Nahrungsindustrie als natürlicher Emulgator. In der Diätetik wird es als Nahrungsergänzungsmittel verwendet, sowie in der Medizin und Kosmetik als Wirkstoff.

– E 325, E 326, E 327, E 585 (Natrium-, Kalium- und Calciumlactate, Eisen-II-lactat) sind Salze der Milchsäure und der entsprechenden Alkali- und Erdalkalimetalle bzw. des Eisens. Dabei kann die Milchsäure aus verschiedenen so genannten Nebenprodukten der Butter- oder Käseherstellung (tierische Lab-Problematik!) gewonnen werden. Aufgrund der sehr geringen Produktionsmengen aus natürlicher Herkunft wird der überwiegende Teil der in der EU verwendeten Milchsäure ent-weder auf synthetischem oder auf biotechnologischem Wege erzeugt.

– E 422 (Glycerin) stellt einen Teil des chemischen Grundgerüstes aller natürlichen Triglyceride dar und ist darin mit drei Fettsäureresten verestert. Somit fällt ein Großteil des Glycerins bei der Gewinnung von freien Fettsäuren oder der Biodieselherstellung an. Aufgrund der günstigen Rohstoffpreise wird Glycerin z. Z. fast ausschließlich aus Soja- oder Rapsöl, also Ölen pflanzlicher Herkunft gewonnen. Als Lebensmittelzusatzstoff findet Glycerin vielfache Anwendung, u. a. als Feuchthaltemittel von Datteln; in der Kosmetikindustrie als Anteil von Zahnpasten und Cremes.

– E 470(a), E 470 (b), E 471, E 472(a) bis E 472(f), E 473, E 475, E 477, E 478, E 481, E 482, E 483, E 491, E 492, E 493, E 494, E 495, E 572, E 570 stellen Anteile aller natürlichen Triglyceride dar. Die Fettsäuren werden bei der chemischen Hydrolyse tierischer oder pflanzlicher Fette und Öle gewonnen. Seit der BSE-Krise dienen tierische Fette (z. B. Talg, Hirn- oder Nierenfett) nicht mehr als Ausgangsstoffe für die Herstellung der Fettsäuren. In Europa werden ausschließlich pflanzliche Öle wie Soja-, Raps- oder Palmöl als Rohstoffe eingesetzt. Aufgrund ihrer emulgierenden Eigenschaften finden die genannten Zusatzstoffe vielfache Anwendung zur Herstellung von Schokoladen- und Sahneerzeugnissen, Brot, Back- und Wurstwaren, Parboiledreis, Konfitüren, Marmeladen und Gelees. Einige dieser Emulgatoren, insbesondere die Mono- und Diglyceride der Speisefettsäuren (E 471) sind ohne Höchstmengenbeschränkung für Lebensmittel allgemein zugelassen.

– E 620 bis E 629 und E 640 werden als Geschmacksverstärker aufgrund des enorm hohen Mengenbedarfs in der Lebensmittelindustrie überwiegend synthetisch erzeugt.
Calcium-5′-Ribonucleotide und Natrium-5′-Ribonucleotide werden jedoch auch heute noch in einigen Ländern aus tierischen Zellen extrahiert und in aufgereinigter Form in Lebensmitteln verwendet. Bei den in der EU hergestellten Produkten kann fast hundertprozentig davon ausgegangen werden, dass alle gelisteten Geschmacksverstärker synthetisch gewonnen werden. Diese Zusatzstoffe finden häufig in Suppen, Fertiggerichten, Tiefkühlprodukten, Gewürzmischungen, Würzmitteln, Brühwürfeln, Konserven sowie in Knabberartikeln (insbesondere in Kartoffelchips) Anwendung. E 640 (Glycin und dessen Natriumsalze) weisen einen leicht süßlichen Geschmack auf und werden in Süßstofftabletten, Marzipan und auch als Trägerstoffe für Lebensmittelfarbstoffe und -aromen verwendet.

– E 920 (L-Cystein) stellt eine der natürlich vorkommenden Aminosäuren dar. Da Federn und Haare einen besonders hohen Gehalt dieser Aminosäure aufweisen, wird L-Cystein vielfach aus diesen tierischen Rohstoffen gewonnen.
In der EU wird das im Lebensmittelbereich eingesetzte L-Cystein synthetisch hergestellt. Es findet Anwendung als Mehlzusatz, da es im Backprozess hilft, den Teig aufzublähen und das Backaroma zu verstärken.

 

Wichtige Anmerkungen:

Tierische Produkte werden manchmal ohne Kenntlichmachung auf dem Endprodukt und zu Zwecken eingesetzt, die für den Verbraucher nicht unmittelbar erkennbar sind:

– Gelatine wird z. B. als Trägerstoff für ß-Carotin, Vitamin D2 sowie für Aromen verwendet. So kann der Gelatine-Anteil in einem Pilzaroma bis zu 2 % betragen, wird aber auf der Zutatenliste nicht separat aufge-führt, sondern nur noch als “Aroma” deklariert.

– Mit Gelatine geschönte (geklärte) Rohwaren werden zur Produktion von blanken (klaren) Säften, fruchthaltigen Getränken und Mehrfruchtprodukten (z. B. Multivitaminsaft) eingesetzt, die blanke Konzentrate (z. B. Apfel-, Beeren- oder Traubensaftkonzentrat) enthalten. Die Gelatine wird im Rahmen des Klärungsprozesses durch Filtration wieder vollständig aus den blanken Säften entfernt und muss dem-entsprechend nicht auf dem Endprodukt deklariert werden. Trübe Fruchtsäfte und Getränke, die ausschließlich trübe Rohwaren (z. B. Orangen- oder Grapefruitsaft) enthalten, werden dagegen grundsätzlich nicht mit Gelatine geklärt.

– Verschiedene natürliche Aromen werden mit Ethanol extrahiert, das im Laufe des weiteren Verarbeitungsprozesses wieder vollständig aus dem Extrakt entfernt wird. Somit ist die Angabe des Extraktionsmittels gemäß Lebensmittelrecht im Zutatenverzeichnis nicht mehr erforderlich.

– Ein Großteil der natürlichen, naturidentischen oder synthetisch erzeugten Aromen enthalten als Lösungsmittel Ethanol.
Dies lässt erkennen, welche wichtige Aufgabe die Halaal-Zertifizierer übernehmen. Da sich in Europa mittlerweile ein grauer Markt an “Halaal-Stempeln” etabliert hat, ist es Aufgabe der Verbraucher, sich davon zu überzeugen, wie qualifiziert und islam-konform ein Zertifizierer ist. Nur Lebensmittel, die von einem anerkannten, akkreditierten 1 Halaal-Zertifizierer zertifiziert wurden, sind halaal. Ein Halaal-Stempel allein ist leider keine Garantie für den Halaal-Status eines Produktes.
Allgemein wird empfohlen, vor dem erstmaligen Kauf bzw. Verzehr eines neuen Lebensmittels oder bei Änderung der Produktaufmachung die Zutatenliste sehr aufmerksam zu lesen. Falls erforderlich kann man den Hersteller zwecks genauerer Angaben direkt kontaktieren. Ein seriöser Hersteller wird immer bereitwillig Auskunft über alle verwen-deten Zutaten geben, wenn deutlich gemacht wird, dass die Anfrage zur Klärung einer religiösen Angelegenheit gestellt wird.

Gelatine und ihre Herstellung

Grundsubstanz für die Herstellung sowohl von Gelatine, als auch von Leim (Haut- und Knochenleim) ist Kollagen, ein Protein, welches aus der Haut, dem Bindegewebe und den Knochen von Tieren durch chemische und physikalische Vorbehandlung gewonnen wird.
Bei der Herstellung von Gelatine wird unlösliches Haut- und Knochenkollagen in lösliches Material mit niedrigerer Molekularmasse überführt. Die entscheidende Reaktion ist dabei die Hydrolyse. Die anfangs durch Säure oder Lauge eingeleitete chemische Hydrolyse geht während der Herstellung in eine thermische Hydrolyse über.
Bei der Gelatineproduktion sind zwei Reaktionen zu unterscheiden, durch die Bruchstücke der ursprünglichen Kollagenketten entstehen:

  • Auflösung der Triple-Helixstruktur des Kollagens in Einzelketten durch Spaltung von Querverbindungen.
  • Kettenverkürzung durch hydrolytische Spaltung der Polypeptidbindungen.

 

 

Die Reaktionen laufen sowohl bei der Äscherung mit Kalklauge als auch während der Säureeinwirkung ab. Allerdings werden bei Kalkeinwirkung im Verhältnis mehr Querverbindungen als Peptidbindungen zerstört.
Die Umwandlung von Kollagen in Gelatine ist nicht vollständig, was bedeutet, dass die Gelatine noch Überreste von Kollagen enthält.
Zur Reinigung der Gelatine werden verschiedene Filter und Ionenaustauscher eingesetzt zur Entfernung von kurzkettigen Bruchstücken, Fettspuren, Fäserchen, mineralischen Begleitstoffen und feinsten Schwebeteilchen. Abschließend wird eine Sicherheitssterilisation durch Ultrahocherhitzung durchgeführt.
Da die Grundsubstanz zur Herstellung von Gelatine Haut- und Knochenleim ist, und weil die meisten Schlachttiere in der EU entweder nicht halaal geschlachtet werden oder Schweine sind, und weil der Her-stellungsprozess ein physikalisch-chemischer ist, an dessen Ende (d. h. im Endprodukt Gelatine) noch Reste der Ausgangssubstanz nachweisbar sind, findet hier keine vollständige Istihaalah (Wesensumwandlung) statt. Deshalb kann in der EU hergestellte Gelatine nicht halaal sein.
Die Fatwa des Europäischen Rates für Fatwa und Forschung (European Council For Fatwas And Research), die solche Gelatine für halaal erklärt hatte, ging von einer vollständigen Istihaalah (Wesensumwandlung) aus, was hier eindeutig nicht der Fall ist. Zur Abklärung dieser Angelegenheit wurden mehrere Analysen in akkreditierten Labors in der BRD 2 in Auftrag gegeben, die alle zu dem Ergebnis kamen, dass auch Schweine-DNA in dieser (vom Schwein hergestellten) Gelatine nachweisbar ist.

Das Lab (Laab) zur Käseherstellung

Lab ist ein Enzym und wird zum Dicklegen der Milch bei der Herstell-ung von Hart- und Schnittkäse mittels Süßmilchgerinnung verwendet. Frischkäse bedarf bei der Herstellung mittels Sauermilchgerinnung keines Labs.
Lab kann tierischer oder mikrobieller Herkunft sein.
Tierisches Lab wird in der EU normalerweise von nicht halaal geschächteten Tieren (Rindern, Schafen, etc.) gewonnen. Nach den meisten Gelehrten ist es nicht halaal, da es eine Nadschaasah darstellt. Die Hanafiten werten den mit solchem Lab hergestellten Käse als halaal.
Bei mikrobiellem Lab verlangen die Standards der indonesischen Halaal-Behörde (MUI) ausdrücklich, dass in den Aufzuchtmedien keine tierischen Nicht-Halaal-Produkte (z. B. Lactose, Peptone) eingesetzt werden.

Ethanol

Umgangsprachlich wird Ethanol als Alkohol bzw. Weingeist bezeichnet. Da die Scharii’ah alle Rauschmittel verbietet, spricht man umgangssprachlich auch davon, dass die Scharii’ah alle Alkohole verbietet. Diese Aussage kann bei differenzierter Betrachtung nicht verifiziert werden und muss deshalb durch gezielte Aufklärung im Bewusstsein der Muslime korrigiert werden.
Es muss klar unterschieden werden zwischen den “chemischen Alkoho-len” und dem Alkohol, den die Scharii’ah verbietet.
In der Chemie werden Hydroxyderivate der Alkane Alkanole bzw. Alkohole genannt. Ihre Namen werden aus dem Namen des entsprechenden Kohlenwasserstoffs durch Anhängen des Suffixes -ol gebildet, wie z. B. Ethan-Ethanol bzw. Ethylalkohol, Methan-Methanol bzw. Methylalkohol, Propan-Propanol bzw. Propylalkohol, etc.
Funktionelle Gruppe der Alkanole ist die Hydroxylgruppe (OH-Gruppe), die mit ihrem ausgeprägt polaren Charakter die Eigenschaften und das Reaktionsverhalten der Stoffe in entscheidender Weise bestimmt.
Die ersten Glieder in der homologen Reihe der Alkohole (Methanol, Ethanol, etc.) sind farblose Flüssigkeiten. Ab Dodecanol handelt es sich um wachsartige Feststoffe (Fettalkohole).
Ethanol ist aufgrund seiner polaren funktionellen Gruppe hydrophil (wasserfreundlich) und aufgrund seines Alkylrestes zugleich lipophil (fettfreundlich) und daher mit Alkanen mischbar. Dagegen ist z. B. Hexadecanol, CI6H33-OH in Wasser unlöslich.
Alle Alkohole sind giftige Stoffe, z. B. wird die tödliche Dosis von Methanol (auch Holzgeist genannt) für einen Erwachsenen mit 30-50 ml angegeben, wobei auch Todesfälle ab 5 ml bekannt sind. Geringe Mengen Methanol sind zwar nicht tödlich, doch der Konsum von wenigen Millilitern verursacht bereits schwere Gehirnschäden und Erblindung.
Aus der Gruppe der Alkohole ist nur Ethanol für den Menschen genießbar. Der Konsum von ethanolhaltigen Getränken (bzw. Lebens- und Genussmitteln) führt zu einem Rauschzustand und deswegen ist Ethanol für die Scharii’ah die einzige Alkoholsorte, die als haraam gilt. Alle anderen Alkohole sind von diesem Verbot nicht betroffen und werden in der Scharii’ah nicht behandelt.
Ethanol ist in verschiedenen Konzentrationen Inhaltsstoff diverser alkoholischer Getränke wie Bier, Wein, Sekt, Sherry, Cognac, Wodka, Rum und Whisky. Beispielsweise sind in Bier ca. 5 Vol%, in Wein ca. 10 Vol%, in Likör ca. 30 Vol%, und in Weinbrand ca. 40 Vol% Ethanol enthalten.
Hochprozentige alkoholische Getränke mit mehr als 50 Vol% Alkoholgehalt sind brennbar. Dies wird in der westlichen Gastronomie beim sog. Flambieren genutzt, hierbei werden bestimmte Gerichte, Früchte oder Eis z. B. mit Weinbrand übergossen und angezündet. Ein weiterer brennbarer hochprozentiger Alkohol ist Brennspiritus, der durch Vergällen als Genussmittel unbrauchbar gemacht wird.
Ethanol, das man nicht zu Alkoholika weiterverarbeitet, wird ebenfalls durch Zusatz von schwer abtrennbaren Stoffen ungenießbar gemacht (sog. Vergällen). Dies hat den Vorteil, dass darauf keine Alkoholsteuer erhoben wird. Für industrielle Zwecke wird Ethanol nicht durch Gärung von zuckerhaltigen Säften gewonnen, sondern technisch durch Addition von Wasser an den ungesättigten Kohlenwasserstoff Ethen synthetisiert. Diese Reaktion wird durch Schwefelsäure katalysiert. Ethanol dient ebenfalls als Lösungsmittel für Harze, Lacke und Farbstoffe, zum Auflösen von Wirkstoffen in Arzneimitteln (Kräuterextrakten), als Reinigungs-, Desinfektions- und Konservierungsmittel sowie zur Herstellung von Kosmetika (Rasier- und Mundwasser, Parfüm).
Aufgrund der vielen Anwendungsmöglichkeiten von Ethanol stellt sich nicht nur die Frage nach dem Konsumverbot als Getränk, Lebens- und Genussmittel, sondern auch nach der rituellen Reinheit dieser Substanz:

Konsumverbot

Über das Konsumverbot von ethanolhaltigen Flüssigkeiten und Nahr-ungsmitteln, die einen Rausch verursachen und zu Trunkenheit führen, sind sich alle muslimischen Gelehrten einig. Dabei gilt für alle Gelehrten als Regel der Hadiith des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam):

مَا أَسْكَرَ كَثِيرُهُ فَقَلِيلُهُ حَرَامٌ

“Wenn viel von etwas betrunken macht, dann ist auch wenig davon bereits verboten.” (T, AH, N, I,)

Der Gelehrte Muhammad Schamsul-haqq Al-‘adhiim Aabaadi (محمد شمس الحق العظيم آبادي) hat diesen Hadiith in seinem Buch ‘aunul-ma’buudi scharhu sunani abi-daawuud (عون المعبود شرح سنن أبي داود) wie folgt erläutert: “(…) Ibnul-mundhir sagte: “Die islamische Gemeinschaft erzielte Konsens (Idschmaa’) darüber, dass Chamr aus Trauben, wenn er gärt und schäumt, als haraam gilt, und dass die Strafe für den Konsum fällig wird, unabhängig davon, ob man wenig oder viel davon trank. Auch die große Mehrheit der Gemeinschaft ist sich darüber einig, dass, wenn Trunkenheit erst nach dem Konsum großer Mengen von allen anderen von Nicht-Trauben hergestellten Chamr-Sorten erfolgt, sowohl das Wenige, als auch das Viele davon als haraam gelten.”
Die Gelehrten der Hanafiitischen Schule sind sich im Gegensatz zu den Gelehrten der anderen Schulen in der Frage der Einstufung der Chamr-Sorten, die von Nicht-Trauben hergestellt werden, nicht einig.

Imaam Abu-haniifah und Imaam Abu-yussuf vertreten diesbezüglich folgende Meinungen:

  • Getränke aus nicht erhitztem vergorenem Dattel- und Rosinensaft (as-sakar السَّكَر, al-fadiih الفضيح und naqii’uz-zabiib نقيع الزبيب) bzw. aus vergorenem erhitztem Traubensaft, bei dem weniger als 2/3 der Flüssigkeit verdunstet, (al-baadhaq الباذَقbzw. al-munassaf المنصَّف  genannt), sind haraam und (rituell unrein) nadschis. Die Strafe für deren Konsum wird erst fällig, wenn man sich damit betrinkt.
  • Kleine nicht berauschende Mengen von Getränken aus vergorenem und erhitztem Dattel- und Rosinensaft, bei dem weniger als 2/3 der Flüssigkeit verdunstet, bzw. aus vergorenem und erhitztem Traubensaft, bei dem mehr als 2/3 der Flüssigkeit verdunstet, (al-muthal-lath المثلث bzw. attilaa  الطِّلَاء genannt) sind erlaubt, wenn diese zwecks medizinischer Behandlung oder ähnlichem und nicht zum Vergnügen getrunken werden. Berauschende Mengen davon sind in jeder Hinsicht haraam und ziehen die Strafe nach sich.
  • Getränke aus einer erhitzten und vergorenen Mischung aus Dattel- und Rosinensaft (al-chaliitaan الخليطان) bzw. aus Honig (al-bit’ الْبِتْع), aus Gerste (al-dschi’ah الْجِعَة) und aus Mais (al-mizrالمزر ) sind zwecks medizinischer Behandlung oder ähnlichem, aber nicht zum Vergnügen erlaubt. Das Trinken von Mengen, welche die Rauschwirkung hervorrufen, ist haraam, zieht jedoch keine Bestrafung nach sich.
    Imaam Muhammad Bnul-hasan erklärt alle o. g. Getränke unabhängig von Menge und Zweck als haraam. Diese Auslegung ist heutzutage die vorherrschende Meinung, nach der die Hanafiten vorgehen.

 

Resümee:

Jegliche Getränke, die Ethanol beinhalten, so dass beim Konsum großer Mengen davon die Rauschwirkung eintritt, sind auch in jeder kleinen Menge verboten.

Status der rituellen Reinheit von Ethanol

Ethanol wird weder im Quraan, noch in der Sunnah explizit erwähnt und deshalb ist die Einstufung dieser Substanz als rituell rein oder unrein eine Idschtihaad-Angelegenheit.
Die früheren Gelehrten haben zwar über den Status von alkoholischen Getränken befunden und diese als rituell unrein eingestuft, jedoch nicht über Ethanol selbst.
Heutzutage gibt es in Bezug auf die rituelle Reinheit von Ethanol zwei Meinungen:

  • die Meinung, dass Ethanol durch Analogieschluss bezogen auf alkoholische Getränke als rituell unrein eingestuft werden muss,
  • die Meinung, welche die Substanz des Ethanols als rituell rein einstuft, so dass es überall eingesetzt werden kann, wo es nicht getrunken wird bzw. wo es keine Rauschwirkung hervorruft.
    Aufgrund der Belegsstellen und unter Berücksichtigung des natürlichen Vorkommens von Ethanol (z. B. in Nahrungsmitteln) und meiner langjährigen Erfahrung als islamologischer Auditor bei Halaal-Zertifizierungen vertrete ich in dieser Angelegenheit eine etwas differenzierte Meinung:
  • Ethanol, das aus Gärung zuckerhaltiger Säfte gewonnen wird, muss verboten/haraam sein, weil es aus Haraam-Getränken und damit aus einer Haraam-Produktion stammt, da Alkoholika in jeder Hinsicht (trinken, kaufen, verkaufen, verarbeiten, transportieren, etc.) haraam sind.
  • Ethanol an sich, als natürliche Substanz, kann nicht rituell unrein (nadschis) sein:
    • Es gibt keinerlei Belege für seine Einstufung als rituell unrein und deshalb muss hier die Regel angewandt werden, dass alles, was nicht ausdrücklich als nadschis gilt, als mubaah/erlaubt und damit als rituell rein einzustufen ist.
    • Ethanol ist in vielen erlaubten Halaal-Lebensmitteln wie Essig, Brot und reifen Früchten natürlicherweise enthalten, z. B. reife Bananen bis 1 Vol.%, Brot bis 0,3 Vol.%, Apfelsaft bis 0,4 Vol.%, Sauerkraut bis 0,5 Vol.% und in handelsüblichen Säften bis zu drei Gramm pro Liter (0,38 Vol.%). Seine Einstufung als nadschis schlussfolgert die Einstufung z. B. aller o. g. Lebensmittel, die “natürliches” Ethanol beinhalten, als “mutandsch-dschis متنجس, von der Nadschaasah beeinträchtigt”, was kein ernsthafter Gelehrter bisher festgestellt hat.
    • Die Meinung, welche die rituelle Unreinheit mit dem Analogieschluss bezogen auf Chamr begründet, kann nicht belegt werden und ist deshalb zurückzuweisen, da nicht einmal Konsens (Idschmaa’) über die substanzielle rituelle Unreinheit des Chamr vorliegt. Nicht wenige Gelehrte (z. B. Al-laith Bnu-sa’d, der schaafi’iitische Gelehrte Al-muzani, der maalikiitische Gelehrte Sa’id Bnul-had-daad) verstehen unter dem Begriff “ridsch-s رجس” in der Aayah (5:90) eine rituelle Unreinheit im übertragenen und nicht im wortwörtlichen Sinne. Dazu kommt, dass die Einzelelemente einer rituell unreinen Substanz nicht automatisch alle rituell unrein sein müssen, z. B. ist vergossenes Blut rituell unrein, jedoch kann keines der Einzelelemente des Blutes als rituell unrein bezeichnet werden.
    • Als das Wein-Verbot hinabgesandt wurde, haben die Muslime ihren Wein und ihre alkoholischen Getränke nach den Berichten der Imaame Al-buchaari, Muslim, Ahmad und At-tirmidhi auf den Straßen in Madiinah weggeschüttet. Wäre der Wein substanziell nadschis, hätte der Prophet diese “Verunreinigung” untersagt, was nicht der Fall war.
    • Wein setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die für sich allein, als natürliche Elemente, nicht rituell unrein sind. Wein besteht nicht nur aus Ethanol, sondern enthält z. B. 85% bis 90%, Wasser, Äthylsäure, Kalium, Kalcium, Magnesium, Sodium, Eisen, Schwefel, Phosphor, Polyöle wie Glyzerin, Stickstoff, Aminosäuren wie Prolin, Vitamine P, Phenolverbindung (Phenolsäure, Blumenblau, Gerbstoffe), etc. Alle diese Elemente sind rituell rein.
    • Die These, dass die Rauschwirkung allein durch Ethanol verursacht wird, kann nicht gelten, da reines Ethanol stark giftig ist und deshalb nur mit Wasser verdünnt getrunken werden kann. Damit ist Wasser eine Substanz, die bei dem Vorgang des Betrinkens eine wesentliche Rolle spielt. Trotzdem gilt Wasser substanziell nicht als rituell unrein.
    • Aus der Sunnah ist durch Imaam Muslim, Ahmad und At-tirmidhiy belegt, dass der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) ein spezielles Dattel- und Rosinensaftgetränk getrunken hat. Und zwar trank er das Einweichwasser, in dem diese Früchte eingeweicht wurden, am Tag der Herstellung und an den beiden darauffolgenden Tagen. Nach dem dritten Tag trank er es jedoch nicht mehr.

Zur Überprüfung des natürlichen “Alkoholgehaltes” dieses Getränkes wurde im “Halal Products Research Institute” 3 folgender Versuch durchgeführt: Zwei Sorten Datteln (frische und getrocknete) wurden im Verhältnis 1:5 in Wasser eingeweicht und bei drei verschiedenen Temperaturen (27o C, 30o C und 35o C) aufbewahrt. Dann wurden nach 24, 48, 72, 96, 120 und 144 Stunden Proben dieses Einweichwassers (Dattelsaft) entnommen und auf ihren Ethanolgehalt untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse des Versuches sind wie folgt:

 

Probe(Std.) Ethanol(%) Methanol(%) Alkoholgeh.Saft v. frisch. Datteln Probe(Std.) Ethanol(%) Methanol(%) Alkoholgeh.Saft v. getrock. Datteln
0 0,000 0,000 0,000 0 0,000 0,000 0,000
24 0,006 0,000 0,006 24 0,000 0,002 0,002
48 0,033 0,001 0,034 48 0,024 0,000 0,024
72 0,056 0,006 0,062 72 0,032 0,004 0,036
96 0,105 0,010 0,115 96 0,052 0,001 0,053
120 0,212 0,003 0,215 120 0,113 0,004 0,117
144 0,329 0,009 0,338 144 0,313 0,011 0,324

Dieser Versuch belegt eindeutig, dass auch in den ersten drei Tagen, an denen der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) dieses Saftgetränk trank, Ethanol darin enthalten war, allerdings in einer so geringen Menge, die keinen Rauschzustand hervorrufen kann. Nach diesem Versuch könnten erst nach einem Konsum von mehr als 17 Litern des drei Tage alten Einweichwassers (72 Std.) Spuren von Ethanol im Blut nachgewiesen werden.

 

Resümee:

Ethanol aus Gärung zuckerhaltiger Säfte ist nicht erlaubt und rituell unrein, da es aus nicht erlaubter Herstellung gewonnen wird (s. o.).
Synthetisch hergestelltes Ethanol, das nicht zur Herstellung von alkoholhaltigen Getränken dient, ist erlaubt und gilt als rituell rein. Es kann bei der Reinigung und Auflösung von Substanzen, sowie im Parfüm und als Brennstoff eingesetzt werden. Zu beachten ist dabei, dass mit diesem Ethanol keinerlei Produkte hergestellt werden dürfen, die eine Rauschwirkung verursachen.

 

Tabakkonsum

Nach den Fatwas aller zeitgenössischen Gelehrten aller Fiqh-Schulen ist Tabak eine Droge und das Rauchen in jeglicher Form (Zigarette, Zigarre, Pfeife, Wasserpfeife usw.) eindeutig haraam. Das heutige Problem in der islamischen Welt ist nicht die Einstufung des Tabaks in die Haraam-Kategorie, sondern die Aufklärung der Muslime über die Existenz dieses islamisch begründeten Rauchverbotes.
Bewiesenermaßen ist Nikotin eine Droge und ein starkes Nervengift. Es ist giftiger als Arsen oder Zyankali und gehört zu den Substanzen mit dem höchsten Suchtpotential, auch gemessen an den illegalen Drogen wie z. B. Kokain. Um ein Umdenken bei den Muslimen im Umgang mit dieser Droge zu bewirken, bedarf es gezielter Anti-Rauch-Kampagnen, und positiver Vorbilder. Die Bewusstseins- und Verhaltensänderung muss bei den Wortführern und Meinungsmachern in den islamischen Institutionen beginnen, denn ein tabaksüchtiger Hodscha ist kein glaubwürdiger Mitstreiter im Kampf gegen dieses Gift. Hier besteht die Schwierigkeit, dass viele Tabaksüchtige dazu tendieren, alle Erkenntnisse über die Schädlichkeit dieser Droge und alle neuen Fatwas über deren Haraam-Einstufung zu ignorieren und sich weiterhin auf die wenigen veralteten Pro-Fatwas berufen, um ihre Sucht zu kaschieren. Sie vergessen dabei, dass es bereits zur Zeit der Einführung des Tabaks (im 17. Jhd.) aufgrund der damals verbreiteten Erkenntnisse über diese Pflanze unterschiedliche Meinungen und entsprechend differierende Fatwas gab:

  • Eine Gruppe von Gelehrten aus allen Fiqh-Schulen erklärte das Tabakrauchen für haraam. Dazu gehörten bekannte Gelehrte jener Zeit: Der hanafiitische Azhar-Gelehrte Hasan Bnu-‘ammar Asch-scharnablaaliحسن بن عمار بن علي الشرنبلالي (994/1586-1069/1659), der maalikiitische Gelehrte Ibraahiim Al-laqaani إبراهيم اللقاني (gest. 1041/1631), der sogar ein Buch gegen das Rauchen verfasste “nasiihatul-ichwaan bidschtinaabi schurbid-duch-chaan نصيحة الأخوان باجتناب شرب الدخان“, der schaafi’iitische Gelehrte Schihabud-diin Al-qalyuubi شهاب الدين القليوبى (gest. 1069/1659) und die Hanbaliten aus Nadschd in Saudi Arabien 4. Als Argumente für das Verbot führten sie die Verschwendung, den üblen Geruch, die betäubende Wirkung und die Schwächung des Körpers an.
  • Eine andere Gruppe stufte es als makruuh ein, d. h. als eine Soll-Nicht-Handlung, weil sie keine eindeutigen Verbotsmerkmale fanden, obwohl auch sie den üblen Geruch und die Verschwendung verurteilten.
  • Eine weitere Gruppe erklärte es für mubaah, d. h. für eine Kann-Handlung. Sie argumentierten mit dem Grundsatz, dass grundsätzlich alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten wurde, sowie mit der Regel, dass die Einstufung als haraam bzw. makruuh eines Scharii’ah-Belegs bedarf, und mit ihrer Erfahrung, dass Tabak nicht betäubend sei.

Diese alten Fatwas zeigen unmissverständlich, dass das Rauchen auch zur Zeit seiner Einführung heftig umstritten war und die Gelehrten bereits damals divergierende Standpunkte vertraten und sogar dessen Haraam-Einstufung
für gerechtfertigt hielten. Bemerkenswert ist, dass die ersten Fatwas, die ein Rauchverbot aussprechen, sogar ohne die modernen Erkenntnisse über die gravierenden gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden dieser Droge entstanden.
Alle zeitgenössischen Gelehrten 5, die ihre Fatwas gegen das Rauchen durch eigenen Idschtihaad (Selbsturteilsfindung) unter Berücksichtigung der modernen wissenschaftlichen Erkenntnisse ausformulieren und nicht die alten Pro-Fatwas urteilslos nachplappern, kommen zu dem Schluss, dass Rauchen haraam ist. Sie alle fordern die Muslime dazu auf, Tabak genauso zu meiden wie Alkohol und rufen zum aktiven Kampf gegen diese Droge auf. Wie gravierend die Haraam-Einstufung des Tabaks ist, erkennt man auch daran, dass diese Fatwas keine Ausnahmen zulassen und alle Arten des Rauchens verbieten und selbst die Vermietung von Räumen zur Eröffnung von Wasserpfeifen-Lokalen für haraam erklären 6.

Die wichtigsten Argumente für das Rauchverbot sind wie folgt:

  • Rauchen schadet der Gesundheit des aktiven und passiven Rauchers in unverantwortlicher Weise. Rauchen ist bewiesenermaßen die Ursache für viele tödliche Krankheiten 7. Dies steht im Widerspruch zu dem islamischen Gebot zur Wahrung des Lebens und der Gesundheit.

Ÿوَلَا تَقۡتُلُوٓاْ أَنفُسَكُمۡۚ إِنَّ ٱللَّهَ كَانَ بِكُمۡ رَحِيمٗا ٢٩

“Auch begeht keinen Selbstmord! Gewiss, Allaah bleibt immer euch gegenüber allgnädig.” 8

Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

لَا ضَرَرَ وَ لَا ضِرَارَ

(Füge) keinen Schaden zu, weder dir selbst noch anderen. (AH, I)

  • Rauchen ist eine sinnlose islam-widrige Verschwendung. Hierunter fallen nicht nur das Geld zum Kauf von Tabakprodukten, sondern auch die enormen volkswirtschaftlichen Schäden, z.B. Fehlzeiten am Arbeitsplatz und Behandlungskosten wegen tabak-bedingter Krankheiten, durch Zigaretten verursachte Brände, Zweckentfremdung riesiger landwirtschaftlicher Flächen für den Tabakanbau 9, welche den Hungernden für den Anbau von Grundnahrungsmitteln verloren gehen.

إِنَّ ٱلۡمُبَذِّرِينَ كَانُوٓاْ إِخۡوَٰنَ ٱلشَّيَٰطِينِۖ وَكَانَ ٱلشَّيۡطَٰنُ لِرَبِّهِۦ كَفُورٗا ٢٧

“Die Verschwender sind sicher die Gleichartigen der Satane, und der Satan ist seinem Herrn gegenüber ein Extremleugner!” 10

  • Tabak gehört zu den Chabaaith (schlechten und bösen Dingen), die der Islam verbietet. Chabaaith sind alle Dinge, denen gegenüber starke Abneigung und Ekel empfunden wird.

ٱلَّذِينَ يَتَّبِعُونَ ٱلرَّسُولَ ٱلنَّبِيَّ ٱلۡأُمِّيَّ ٱلَّذِي يَجِدُونَهُۥ مَكۡتُوبًا عِندَهُمۡ فِي ٱلتَّوۡرَىٰةِ وَٱلۡإِنجِيلِ يَأۡمُرُهُم بِٱلۡمَعۡرُوفِ وَيَنۡهَىٰهُمۡ عَنِ ٱلۡمُنكَرِ وَيُحِلُّ لَهُمُ ٱلطَّيِّبَٰتِ وَيُحَرِّمُ عَلَيۡهِمُ ٱلۡخَبَٰٓئِثَ وَيَضَعُ عَنۡهُمۡ إِصۡرَهُمۡ وَٱلۡأَغۡلَٰلَ ٱلَّتِي كَانَتۡ عَلَيۡهِمۡۚ

“Es sind diejenigen, die dem Gesandten, dem lese- und schreibunkundigen Propheten folgen, über den sie bei sich in der Thora und im Evangelium geschrieben finden. Er ruft sie zum Gebilligten auf, rät ihnen vom Missbilligten ab, erklärt ihnen die guten Dinge für erlaubt und die schlechten Dinge für verboten und erleichtert ihnen ihre schweren Gebote und die Einschränkungen, die ihnen auferlegt waren.” 11

  • Tabak macht abhängig. Während nur ca. 15% der Alkoholkonsument-en süchtig werden, liegt bei Rauchern die Zahl der Süchtigen bei 85%. Die Tabaksucht zieht wie alle Abhängigkeiten neben Gesundheitsschäden, auch enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme, sowie Persönlichkeitsveränderungen mit sich.
  • Tabak verhindert eine adäquate Durchführung von rituellen Handlungen wie rituelles Fasten und Pilgerfahrten, da man sich aufgrund der Sucht nicht im gebührenden Maße konzentrieren kann.
  • Rauchen untergräbt die Autorität der Vorbilder. Rauchende Eltern, Imaame und Erzieher geben den Kindern und Jugendlichen ein extrem schlechtes Beispiel. Bezugspersonen, die das Gute vermitteln sollen, aber dieser Sucht verfallen sind und öffentlich praktizieren, sind nicht nur unglaubwürdig, sondern eine ernsthafte Gefahr für die Kinder 12.

يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُواْ لِمَ تَقُولُونَ مَا لَا تَفۡعَلُونَ ٢ كَبُرَ مَقۡتًا عِندَ ٱللَّهِ أَن تَقُولُواْ مَا لَا تَفۡعَلُونَ ٣

“Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Weshalb sagt ihr, was ihr nicht tut?(!) (3) Es ist äußerst widerlich vor Allaah, dass ihr sagt, was ihr nicht tut.” 13

Notes:

  1. Bekannte und vertrauenswürdige Akkreditierungsbehörden auf internationaler Ebene sind zur Zeit HDC/JAKIM (Malaysia), LP-POM MUI (Majlis Ulama Indonesia) und HASCI/HAFSOT (Halal Science Center/Institute for Halal Food Standard of Thailand).
  2. Eine derartige Analyse wurde z. B. von Halal Control (EU) in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse können unter www.halalcontrol.de angefordert werden.
  3. Institut an der Universiti Putra Malaysia, 43400 Serdang Selangor, Malaysia. Über diesen Versuch wurde auf dem „Halal Science Symposium“, am 2. Dezember 2008, im IPB/ International Conference Centre in Bogor, Indonesien berichtet.
  4. Dies tradierte der hanbaliitische Fiqh-Gelehrte Mustafa Ar-ruhaibani (1160/1747-1243/1827).
  5. Der bekannte maalikiitische marokkanische Gelehrte Muhammad Bnu-dscha’far Al-kittani (1246/1830 – 1323/1905) verfasste ein Buch zum Thema Rauchen „i’laanul-huddschah wa iqaamatul-burhaan ’ala man’i ma ’amma wa fascha minis-ti’maali ’uschbatid-duch-chaanإعلان الحجة وإقامة البرهان على منع ما عم وفشا من استعمال عشبة الدخان, Verkündigung der Belege und Darstellung der Beweise zum Verbot der Verbreitung der Verwendung der Tabakpflanze“ und zeigte seine Einstufung nach den vier Fiqh-Schulen auf. Darin führte er auch 17 Belege für das Verbot auf.
  6. Siehe dazu die Fatwas der Großmuftis von Syrien, Jordanien, Ägypten, Saudi Arabien, etc.
  7. Laut WHO „Weltgesundheitsorganisation“ fordert das Rauchen weltweit 5,4 Millionen Tote pro Jahr mit steigender Tendenz. So erwartet die WHO bei Ausbleiben der Gegensteuerung binnen 20 Jahren 8,3 Millionen Tote pro Jahr. Damit erwartet man in diesem Jahrhundert eine Milliarde Tote infolge des Rauchens, vor allem in den Entwicklungsländern. Die WHO-Initiative „Rauchfrei“ veröffentlichte 2007 „Tabak ist ein schädliches Produkt. Er tötet die Hälfte seiner Konsumenten“.
  8. Quraan (4:29)
  9. Alleine in China, Brasilien, Indien, USA, EU und in der Türkei machen die Anbauflächen für Tabak mehr als 2 Mio. Hektar aus, und weltweit mehr als 4 Mio. Hektar. Im Zeitraum 1961–2002 fiel die Tabakanbaufläche in der „Ersten Welt“ um 60 % und stieg in der gleichen Zeitspanne in der „Dritten Welt“ um ca. 60 % an. Tabakanbau führt in den afrikanischen Anbaugebieten zur Abholzung von Wäldern und zum Humusabbau des Bodens.
  10. Quraan (17:27)
  11. Quraan (7:157)
  12. Während in den reichen-westlichen Ländern der Tabakkonsum stark zurückgeht, steigt er in den Entwicklungsländern stetig an und liegt bereits bei 50%-60% Rauchern, wobei reiche Gebildete weniger rauchen, als arme Ungebildete. Afrika und Asien hatten 2007 einen Anteil von 70% des Welttabakkonsums, während auf die USA und EU nur noch 20% entfielen.
  13. Quraan (61:2-3)