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Die unerlässlichen Pflichtteile des Erbens (Arkaanul-miiraath)


Damit das Erben zustande kommt, sind folgende Bestandteile begriffsnotwendig:

  • Die vererbende Person bzw. der Erblasser (Al-muwar-rith المورث )
  • Die erbende Person bzw. der Erbe (Al-waarith الوارث )
  • Die Erbschaft (Al-mauruuth الموروث bzw. At-tarikah التركة )

Die vererbende Person bzw. der Erblasser

Der Erblasser ist der Verstorbene, der Vermögen bzw. Rechte hinterlässt.

Die erbende Person bzw. der Erbe

Die erbende Person ist jede Person, die Erbanspruch (sababul-irth سبب الإرث) hat, unabhängig davon, ob sie die Erbschaft antritt oder nicht.

Ein Erbanspruch entsteht aufgrund einer Blutverwandtschaft bzw. einer Schwägerschaft, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

– Zugehörigkeit zum Islam der vererbenden und der erbenden Person

– Nachweis einer islam-konformen Abstammung und/oder Bestehen einer gültigen Ehebeziehung

Erbbrechtigte verlieren ihren Erbanspruch und werden erbunwürdig, wenn eine der folgenden Erbunwürdigkeiten (maani’ul-irth مانع الإرث ) vorliegt:

– Vorsätzliche bzw. aufgrund einer Aggression erfolgte Tötung 1 der vererbenden Person durch die erbende Person und/oder

– Nicht-Zugehörigkeit zum Islam: Der Islam hat keine Erbpflichtanteile für den Muslim im Vermögen des verwandten Nicht-Muslims vorgesehen und umgekehrt. Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

لَا يَرِثُ الْمُسْلِمُ الْكَافِرَ وَلَا الْكَافِرُ الْمُسْلِمَ.

Der Muslim hat kein Miiraath (Erbschaftspflichtanteile) bei dem Nicht-Muslim, so auch der Nicht-Muslim bei dem Muslim. (B, M, T)

Anmerkung:

Die Scharii’ah hat das Vererben unter Muslimen und Nicht-Muslimen nicht per se verboten, sondern nur diesen einen Weg des Beerbens versperrt, andere Wege jedoch offen gelassen. So hat der Islam zwar keine Erbpflichtanteile für Nicht-Muslime im Vermögen der Muslime und umgekehrt vorgesehen, aber das testamentarische Vererben zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen nicht verboten. So kann z. B. eine nicht-muslimische Ehefrau von ihrem muslimischen Ehemann islam-konform per Testament bis zu einem Drittel seiner Hinterlassenschaft erben. Außerdem besteht immer die Möglichkeit einer Schenkung zu Lebzeiten.

Die Erbschaftsregelungen greifen nach Erfüllung aller o. g. Modalitäten des Erbanspruches und nach Ausschluss aller Erbunwürdigkeiten, wenn zusätzlich folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

– Tod des Erblassers: Die vererbende Person muss entweder verstorben oder im Falle von Vermissten vom Richter für tot erklärt worden sein.

– Leben des Erben nach dem Tode des Erblassers

Heutzutage ist die Frage zu klären, ob ein als klinisch tot erklärter Patient auch im Sinne der Scharii’ah tot ist 2.
Diese Frage ist von enormer Wichtigkeit, weil davon abhängt, ob der Patient in diesem Zustand bei einem Todesfall in der Familie noch erbberechtigt ist, bzw. ob seine Organe als Spende für Transplantationen entnommen werden dürfen.

Die Erbschaft

Die Erbschaft umfasst alle Vermögenswerte (Geld, Immobilien, Schmuck, etc.) und alle Rechte (z. B. Copyright), die eine verstorbene Person hinterlässt. Vor der Verteilung dieser Erbschaft an die Erbberechtigten müssen zunächst folgende vier Verpflichtungen in der festgelegten Reihenfolge beglichen werden: die Sachschulden, die Bestattungskosten, die Geldschulden und die testamentarischen Zuwendungen.

Sachschulden

Darunter versteht man Verpflichtungen gegenüber anderen Menschen welche der/die Verstorbene vor dem Tod eingegangen ist, wie z. B. Lieferung bezahlter Ware, Bezahlung gelieferter Ware, Pfandrückgabe, etc.

Bestattungskosten

Nach Begleichung der Sachschulden werden die Bestattungskosten aus der Hinterlassenschaft des Verstorbenen beglichen. Nach den Hanbalii-ten werden die Bestattungskosten vor den Sachschulden beglichen. Wenn die Familie des Verstorbenen (Ehefrau bzw. Kinder) zeitgleich oder kurz zuvor verstirbt, müssen auch die Kosten für deren Bestattung aus der Hinterlassenschaft beglichen werden. Sollte die verstorbene Per-son keine Mittel hinterlassen, sind ihre Unterhaltspflichtigen verpflichtet, für die Bestattungskosten aufzukommen. Sollten diese nicht existieren oder für die Kosten nicht aufkommen können, werden die Kosten aus der Staatskasse bzw. von der islamischen Gemeinschaft bereitgestellt.

Geldschulden

Nach Begleichen der Bestattungskosten werden die noch ausstehenden Schulden erstattet und zwar noch vor Vollstreckung des Testaments.

Diese Schulden umfassen:

– Schulden Allaah (ta’aala) gegenüber wie Zahlungen von Zakah, von Kaffaarah und von Gelübden. Nach Meinung der Hanafiten verfallen diese mit dem Tod, es sei denn, sie wurden testamentarisch angewiesen.

– Schulden Menschen gegenüber wie Brautgabe, Kredite, Miete, etc. Die Maalikiten stellen, anders als die Schaafi’iten, diese Schulden, den Schulden Allaah (ta’aala) gegenüber voran.

Die Erben haften nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers. Die Nachlassgläubiger können ihre Forderungen nur soweit geltend machen, wie der Nachlass reicht. Umgekehrt haben die Erben kein Anrecht auf den Nachlass, bevor alle Nachlassschulden bezahlt sind.

Testamentarische Zuwendungen

Nach Begleichung der o. g. Verpflichtungen werden die verfügten testamentarischen Zuwendungen aus dem Drittel des verbleibenden Vermögens vor der Verteilung an die Erben vollstreckt.

Danach wird der verbleibende Rest des Vermögens unter den Erbberechtigten aufgeteilt.


Notes:

  1. Die Schaafi’iten zählen dazu jede Tötung unabhängig vom Vorsatz.
  2. Die Antwort ist nicht eindeutig. Nicht wenige zeitgenössische Gelehrte erklären diese Personen für lebendig. Der Fiqh-Rat der Liga der Islamischen Welt (Muslim World League) hat es für islam-konform erklärt, bei klinisch Toten die angeschlossenen medizinischen Ge­räte abzuschalten.