Bedeutung und Definition:
Im Zusammenhang mit dem Begriff des Schächtens sind zwei FiqhBegriffe zu unterscheiden:
- Adh-dhabh الذبح: Es bedeutet linguistisch “Schneiden der Kehle”, unabhängig davon, ob nach islamischer Art oder nicht.
Fachspezifisch wird Adh-dhabh definiert als “die scharii’ah-konforme Tötung eines Tieres durch die Durchtrennung seiner Luft- und Speiseröhre und der beiden Halsschlagadern 1“.
- At-tadh-kiyah التذكية: Es stammt von Adh-dhakah الذكاة und bedeutet linguistisch “etwas gut machen” bzw. “vollenden, ergänzen”. Dieser Begriff wird im übertragenen Sinne für alle Arten des Schächtens nach der Scharii’ah verwendet. Damit hat At-tadh-kiyah die gleiche fachspezifische Bedeutung wie Adh-dhabh.
Bedeutung der Schächtung für die Muslime:
- Erfüllung der gebotenen Schlachtmethode, die eine ‘Ibaadah-Handlung bzw. einen religiösen Ritus darstellt.
- Genuss von Halaal-Fleisch, denn das Fleisch verendeter bzw. nicht geschächteter Tiere ist nadschis und damit haraam.
Scharii’ah-konforme Schächtungen:
- Bei der ersten Art “Adh-dhabh” werden, wie oben erwähnt, die Luft- und Speiseröhre und die beiden Halsschlagadern des Tieres durchschnitten.
- Bei der zweiten Art – “An-nahr النحر” genannt – wird unterhalb der Kehle des Tieres durchstochen. Diese Art gilt als Methode erster Wahl beim Schächten von großen Tieren (z. B. Kamelen). Aufgrund ihrer großen Kehle würde die Dhabh-Form eine Erschwernis für diese Tiere darstellen.
فَصَلِّ لِرَبِّكَ وَٱنۡحَرۡ ٢
“So verrichte das rituelle Gebet für deinen Herrn und schächte (wan-har)!” 2
- Die dritte Art – “Al-‘aqr العقر” genannt – findet Anwendung bei ungezähmten wilden Tieren, die nur schwer unter Kontrolle des Schlachters gebracht werden können. Hierbei wird das Tier an irgendeiner Körperstelle derart verletzt, dass es ausblutet. Im Prinzip verfährt man dabei genauso wie beim Wild. Raafi’ Bnu-chudaidsch رافع بن خديج (radial-laahu ‘anh) überlieferte: “Wir waren mit dem Propheten (sal-lal-laahu ‘alaihi wa sallam) auf einer Reise, als eines der Kamele durchging. Da die Leute kein Pferd hatten, schoss ein Mann einen Pfeil ab, der das Kamel traf und verwundete. Der Prophet (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:
إِنَّ لِهَذِهِ الْبَهَائِمِ أَوَابِدَ كَأَوَابِدِ الْوَحْشِ فَمَا غَلَبَكُمْ مِنْهَا فَاصْنَعُوا بِهِ هَكَذَا.
“JA! Diese Tiere haben ein wildes Verhalten ähnlich den wilden (ungezähmten) Tieren. Wenn eines von ihnen sich euch gegenüber so verhält, dann geht mit ihm genauso um!” (ِB, M)
Allgemein gilt, dass die ersten beiden Schlachtarten Adh-dhabh und An-nahr zulässig sind. Sie gelten als Methode der Wahl, wenn es sich um zahme, kleine oder große Tiere handelt. Es gilt aber als Sunnah-Handlung, Kamele auf die zweite Art zu schlachten, alle anderen Tierarten hingegen auf die erste Art und Weise.
Bedingungen scharii’ah-konformer Schlachtung
- Die o. g. scharii’ah-konforme Schlachtung darf nur von einem zurechnungsfähigen bekennenden Muslim, Juden oder Christen durchgeführt werden.
إِلَّا مَا ذَكَّيۡتُمۡ
“(…) außer dem, was ihr (noch vor dem Tod) durch Schächten gereinigt habt.” 3
Mit “ihr” sind hier die Muslime angesprochen.
ٱلۡيَوۡمَ أُحِلَّ لَكُمُ ٱلطَّيِّبَٰتُۖ وَطَعَامُ ٱلَّذِينَ أُوتُواْ ٱلۡكِتَٰبَ حِلّٞ لَّكُمۡ وَطَعَامُكُمۡ حِلّٞ لَّهُمۡۖ
“An diesem Tag wurden euch die guten Speisen1 für erlaubt erklärt. Auch die Speisen 4 derjenigen, denen die Schrift zuteil wurde, gelten für euch als erlaubt; ebenfalls gelten eure Speisen für sie als erlaubt.” 5
In diesem Kontext ist mit “Speisen” das Fleisch der geschächteten Tiere gemeint.
- Die Schlachtung darf nur unter Anrufung Allaahs oder mit einem Seiner Namen erfolgen. Erfolgt die Schlachtung nicht unter Anrufung Allaahs gilt das Fleisch als haraam. Imaam Maalik verlangt dazu das Aussprechen von Basmalah (bismil-laahir-rahmaanir-rahiim). Imaam Abu-haniifah gibt das Fleisch nur dann frei, wenn die Basmalah vergessen und nicht vorsätzlich unterlassen wurde.
وَمَآ أُهِلَّ لِغَيۡرِ ٱللَّهِ بِهِۦ
“(Für haraam wurde euch erklärt) (…), das, was für andere als Allaah geschächtet wurde.” 6
Werden diese beiden Voraussetzungen erfüllt, gilt das Fleisch als halaal, unabhängig davon, ob die Schlachtung von einem Mann oder einer Frau ausgeführt wurde.
Bedingungen für das Schlachttier
- Die Schlachtung muss zu Lebzeiten des Tieres erfolgen, d. h. das Tier muss nachweislich noch leben. Wenn das Tier vor der Schlachtung verendet, auch wenn es nur wenige Sekunden sind, dann gilt seine Schlachtung nicht mehr als Tadh-kiyah. Das anschließende Ausbluten des Tieres gilt nicht als Lebenszeichen und rechtfertigt keineswegs die Gültigkeit des Schächtens als islam- und scharii’ah-konform.
- Mindestens drei der vier Teile (Speise- und Luftröhre und zwei Halsschlagadern) müssen nach Imaam Abu-haniifah durchtrennt werden. Nach Imaam Asch-schaafi’iy und Imaam Ahmad müssen mindestens die ersten beiden durchtrennt werden. Imaam Maalik verlangt mindestens die Durchtrennung der Speiseröhre und der beiden Schlagadern.
- die Schlachtung muss schnell und zügig erfolgen und das Schlachtinstrument muss ein scharfer Gegenstand sein.
Bemerkung:
Fleisch- und Wurstwaren, die nicht von einer akkreditierten Halaal-Zerti-fizierungsstelle halaal-zertifiziert wurden, sind für Muslime nicht geeignet!
Die meisten Firmen, die Fleisch- und Wurstprodukte mit einem Halaal-Logo anbieten (meist steht auf der Verpackung Halal bzw. Helal) sind nicht zertifiziert. Viele dieser Firmen lassen ihre angeblichen Halal-Produkte in Lohnauftrag bei nicht-muslimischen Fleisch- und Wurst-produzenten produzieren und zwar auf den gleichen Produktionsanlagen auf denen (vorher und nachher) Schweineprodukte und Fleischprodukte von nicht halaal-geschächteten Tieren produziert werden.
Fatwas, die das in Europa produzierte Fleisch für halaal mit der Begründung erklären, dass die Europäer zu den so genannten Ahlul-kitaab “Leuten der Schrift” gehören, argumentieren völlig realitätsfern und ihre Beweise können selbst einer einfachen Überprüfung nicht standhalten.
So hat z. B. eine Studie des österreichischen Meinungsforschungsinsti-tuts IMAS 7 ergeben, dass nur etwa 47% der Menschen in Österreich an Gott glauben, obwohl 67% der Gesamtbevölkerung noch Mitglieder der katholischen Kirche sind. Nur 36% empfinden Weihnachten in erster Linie als religiöses Fest, bei Ostern sind es 43%. Nur 34% glauben an ein Leben nach dem Tod und nur 19% glauben daran, dass das Leben auf Erden nach einem schöpferischen Plan entstanden ist. An die Existenz der Hölle glauben nur 15%. Ähnliche Werte als Indiz einer mehrheitlich atheistischen und nicht christlichen Grundhaltung sind mit steigender Tendenz in allen anderen europäischen Ländern zu finden.
Das bedeutet für die übliche Schächtung, dass auch die Schlachter in den europäischen Schlachthöfen in ihrer Mehrheit nicht (mehr) zu Ahlul-kitaab gehören. Damit entfällt eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine islam-konforme Schlachtung. Hinzu kommt, dass bei maschineller Schlachtung nicht sicher festgestellt werden kann, ob die Tiere (besonders bei Hühnern) bereits durch die Betäubung oder durch das Schlachtwerkzeug getötet wurden. Bei Hühnern wird zudem nicht immer die vorgesehene Schnittstelle am Hals getroffen, da Hühnerhälse keine Normlänge haben. All diese Aspekte sprechen klar gegen eine pauschale Anerkennung der in Europa üblichen Schlachtung als islam-konform.
Notes:
- Nach Imaam Asch-schaafi’iy und Imaam Ahmad gilt Adh-dhabh auch ohne Durchtrennen der beiden Halsschlagadern. Imaam Abu-haniifah und Imaam Maalik sehen dafür die Notwendigkeit des Durchtrennens der beiden Halsschlagadern und mindestens der Luftröhre. ↩
- Quraan (108:2) ↩
- Quraan (5:3) ↩
- Hier sind die Speisen gemeint, die für Muslime als halaal gelten. Manche Quraan-Exegeten verstehen darunter insbesondere das Fleisch von Tieren, die durch Schriftbesitzer (Juden und Christen) geschächtet werden. ↩
- Quraan (5:5) ↩
- Quraan (5:3) ↩
- Siehe dazu IMAS-Report Nr. 7, April 2009 ↩