.
.

.

Vorteile von asbaabun-nuzuul


Das Wissen um die Hinabsendungsanlässe hat viele Vorteile, insbesondere folgende sind erwähnenswert:

  • Durch den Hinabsendungsanlass erkennt man den Sinn (hikmah), der mit einer bestimmten Scharii’ah-Norm zusammenhängt, was die Umsetzung der Scharii’ah-Norm für die Muslime erleichtert.
  • Durch den Anlass der Hinabsendung kann man die Aayaat besser verstehen und scheinbare Widersprüche aufklären.
    Beispiel:

إِنَّ ٱلصَّفَا وَٱلۡمَرۡوَةَ مِن شَعَآئِرِ ٱللَّهِۖ فَمَنۡ حَجَّ ٱلۡبَيۡتَ أَوِ ٱعۡتَمَرَ فَلَا جُنَاحَ عَلَيۡهِ أَن يَطَّوَّفَ بِهِمَاۚ وَمَن تَطَوَّعَ خَيۡرٗا فَإِنَّ ٱللَّهَ شَاكِرٌ عَلِيمٌ ١٥٨

Gewiss, Assafa 1 und Al-marwah 2 gehören zu den von Allaah gebotenen Riten. Wer zur Ka’bah 3 mit Haddsch oder ‘Umrah 4 pilgert, für den ist es keine Verfehlung, wenn er zwischen beiden hin- und herläuft. Wer Freiwilliges tut, so ist Allaah gewiss reichlich belohnend, allwissend. 5

Nach dem Wortlaut dieser Aayah ist der Sa’i (Lauf) zwischen As-safa und Al-marwah keine Pflicht und diese Meinung vertreten ebenfalls manche Gelehrten (z. B. Sa’i ist nach Imaam Abu-haniifah eine Waadschib- und keine Fard-Handlung). Berücksichtigt man jedoch den Anlass der Hinabsendung, kommt man zu einem anderen Ergebnis.
Imaam Al-buchaariy überlieferte, dass ‘Urwah Bnuz-zubair ‘Aaischah (radial-laahu ‘anha) fragte: “Siehst du Allaahs Wort: فلا جناح عليه أن يطوف بهماfür den ist es keine Verfehlung, wenn er zwischen beiden hin- und herläuft“, so ist es bei Allaah keine Verfehlung, nicht zwischen As-safa und Al-marwah hin- und herzulaufen.” Daraufhin antwortete ‘Aaischah (radial-laahu ‘anha): “Erbärmlich ist das, was du gesagt hast, Sohn meiner Schwester! Wäre die Aayah so wie du sie interpretiert hast, müsste sie lauten: (فلا جناح عليه ألا يطوف بهما, “für den ist es keine Verfehlung, wenn er zwischen beiden nicht hin- und herläuft). Doch sie wurde hinabgesandt, da die Ansaar (Muslime aus Madiinah) vor dem Islam für den Götzen “Manat“, den sie angebetet haben, Talbiyah machten, und denjenigen von ihnen, die für sie Talbiyah machten, war es vor dem Islam unangenehm, zwischen As-safa und Al-marwah hin- und herzulaufen. Als sie Muslime wurden, fragten sie den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) danach (..) dann sandte Allaah (ta’aala) diese Aayah hinab. Außerdem zeigte uns der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) bereits den Lauf dazwischen, so darf keiner den Lauf zwischen ihnen unterlassen.”

  • Verneinung der Einschränkung bei Aayaat, die auf den ersten Blick als eingeschränkt erscheinen.
    Beispiel:

قُل لَّآ أَجِدُ فِي مَآ أُوحِيَ إِلَيَّ مُحَرَّمًا عَلَىٰ طَاعِمٖ يَطۡعَمُهُۥٓ إِلَّآ أَن يَكُونَ مَيۡتَةً أَوۡ دَمٗا مَّسۡفُوحًا أَوۡ لَحۡمَ خِنزِيرٖ فَإِنَّهُۥ رِجۡسٌ أَوۡ فِسۡقًا أُهِلَّ لِغَيۡرِ ٱللَّهِ بِهِۦۚ

Sag: ‚Ich finde in dem, was mir hinabgesandt wurde, nichts verboten für den Speisenden, dass er speist, außer wenn es Verendetes, vergossenes Blut oder Schweinefleisch ist – denn dies ist gewiss eine Unreinheit – oder Übertretung 6, mit der (beim Schächten) etwas anderes als Allaahs Name ausgerufen wurde. 7

Imaam Asch-schaafi’iy vertritt die Meinung, dass die Einschränkung der verbotenen Speisen in dieser Aayah an sich nicht generell gemeint ist, da diese Aayah wegen der Polytheisten hinabgesandt wurde, weil sie darauf bestanden haben, alles zu erlauben, was Allaah (ta’aala) verboten hat. So kam diese Aayah, um ihnen zu widersprechen und die Dinge für verboten zu erklären, die sie für erlaubt erklärt haben, und nicht um nur diese hier genannten Speisen für die Muslime zu verbieten.

  • Die Einschränkung einer Scharii’ah-Norm durch den Anlass bei denjenigen Gelehrten, welche die Meinung vertreten, “dass maßgeblich der dazugehörige Anlass und nicht die allgemeine Formulierung ist”.
    Beispiel:

Ÿلَا تَحۡسَبَنَّ ٱلَّذِينَ يَفۡرَحُونَ بِمَآ أَتَواْ وَّيُحِبُّونَ أَن يُحۡمَدُواْ بِمَا لَمۡ يَفۡعَلُواْ فَلَا تَحۡسَبَنَّهُم بِمَفَازَةٖ مِّنَ ٱلۡعَذَابِۖ وَلَهُمۡ عَذَابٌ أَلِيمٞ ١٨٨

Denkt nicht, dass diejenigen, die sich über das freuen, was ihnen zuteil wurde, und es lieben, gelobt zu werden für das, was sie nicht getan haben, denkt nicht, dass diese von der Peinigung gerettet werden. Für sie ist qualvolle Peinigung bestimmt. 8

Bezüglich dieser Aayah überlieferten Imaam Al-buchaariy und Imaam Muslim, dass der Chaliifah Marwaan Bnul-hakam seinem Türsteher sagte: “Raafi’! Gehe zu Ibnu-‘abbaas und sage ihm: “Wenn jeder von uns, der sich über das freut, was ihm zuteil wurde, und es mag, für Sachen gelobt zu werden, die er nicht tat, gepeinigt wird, dann werden wir alle gepeinigt.” Ibnu-‘abbaas (radial-laahu ‘anh) erwiderte: “Was geht euch diese Aayah an? Sie wurde wegen der Schriftbesitzer hinabgesandt; er hat dann rezitiert:
وإذ أخذ الله ميثـاق الذين أوتوا الكتاب لتبيننه للناس ولا تكتمونه فنبذوه وراء ظهورهم واشتروا به ثمنا قليلا فبئس ما يشترون
und (erinnere daran), als Allaah das Gelöbnis derjenigen entgegennahm, denen die Schrift zuteil wurde: ‚Ihr werdet sie doch den Menschen erläutern und sie nicht verbergen.’ Dann haben sie ihr (der Schrift) jedoch den Rücken gekehrt und sie gegen Minderwertiges eingetauscht. Und erbärmlich ist das, was sie eingetauscht haben.” Dann fuhr er fort und sagte: “Der Gesandte Allaahs fragte sie nach etwas Bestimmten, dann haben sie es verborgen und ihm etwas anderes mitgeteilt. Dann gingen sie weg, nachdem sie ihm vorgetäuscht haben, ihm das mitgeteilt zu haben, wonach er fragte, und ihm damit einen Gefallen getan zu haben, für den er sie gelobt hat. Zudem freuten sie sich über ihr Verschweigen dessen, wonach er sie eigentlich fragte.”
Die Inhalte solcher Aayaat übertragen diese Gelehrten dann auf ähnliche Fälle mit Hilfe des Analogieschlusses.

  • Es gibt Aayaat, die allgemein formuliert (‘aam) sind und durch einen bestimmten Beleg eingeschränkt werden. Wenn der Anlass hierzu bekannt ist, dann betrifft diese Einschränkung zwar alles andere, jedoch nicht die Begebenheit, die der Anlass für die Hinabsendung der Aayah war.
    Beispiel:

إِنَّ ٱلَّذِينَ يَرۡمُونَ ٱلۡمُحۡصَنَٰتِ ٱلۡغَٰفِلَٰتِ ٱلۡمُؤۡمِنَٰتِ لُعِنُواْ فِي ٱلدُّنۡيَا وَٱلۡأٓخِرَةِ وَلَهُمۡ عَذَابٌ عَظِيمٞ ٢٣ يَوۡمَ تَشۡهَدُ عَلَيۡهِمۡ أَلۡسِنَتُهُمۡ وَأَيۡدِيهِمۡ وَأَرۡجُلُهُم بِمَا كَانُواْ يَعۡمَلُونَ ٢٤ يَوۡمَئِذٖ يُوَفِّيهِمُ ٱللَّهُ دِينَهُمُ ٱلۡحَقَّ وَيَعۡلَمُونَ أَنَّ ٱللَّهَ هُوَ ٱلۡحَقُّ ٱلۡمُبِينُ ٢٥

Diejenigen, die den keuschen, unschuldigen 9 iimaan-bekennenden Frauen Unzucht vorwerfen, wurden im Diesseits und im Jenseits verflucht! Für sie ist eine überharte Peinigung bestimmt. (24) An dem Tag, wenn ihre Zungen, ihre Hände und ihre Füße gegen sie Zeugnis ablegen über das, was sie zu tun pflegten. (25) An dem Tag wird Allaah ihnen ihre wahre Vergeltung 10 vergüten, und sie werden wissen, dass Allaah gewiss Der Offenkundige, Der Wahrhaftige ist. 11

Ibnu-‘abbaas (radial-laahu ‘anh) sagte zu diesen Aayaat: “Diese betreffen ‘Aaischah (radial-laahu ‘anha) und die anderen Ehefrauen des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam). Allaah (ta’aala) sah für denjenigen, der so etwas tut, keine Reue (Taubah) vor, während Er für denjenigen, der eine Muslimah außer den Ehefrauen des Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) verleumdet, die Möglichkeit der Reue vorgesehen hat.” Er rezitierte danach:

وَٱلَّذِينَ يَرۡمُونَ ٱلۡمُحۡصَنَٰتِ ثُمَّ لَمۡ يَأۡتُواْ بِأَرۡبَعَةِ شُهَدَآءَ فَٱجۡلِدُوهُمۡ ثَمَٰنِينَ جَلۡدَةٗ وَلَا تَقۡبَلُواْ لَهُمۡ شَهَٰدَةً أَبَدٗاۚ وَأُوْلَٰٓئِكَ هُمُ ٱلۡفَٰسِقُونَ ٤ إِلَّا ٱلَّذِينَ تَابُواْ مِنۢ بَعۡدِ ذَٰلِكَ وَأَصۡلَحُواْ فَإِنَّ ٱللَّهَ غَفُورٞ رَّحِيمٞ ٥

Diejenigen, die den keuschen Frauen Unzucht vorwerfen und dann dafür keine vier Augenzeugen bringen, diese sollt ihr mit achtzig Peitschenschlägen peitschen und ihr Zeugnis niemals gelten lassen. Diese sind die wirklichen Übertreter 12. (5) Ausgenommen davon sind diejenigen, die danach bereuen und Gutes tun. Allaah ist gewiss allvergebend, allgnädig. 13

Danach betrifft die Annahme der Reue eines Verleumders nicht diejenigen, die ‘Aaischah (radial-laahu ‘anha) oder eine andere Ehefrau des Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) verleumdet haben, obwohl diese Aayaat die oben zitierte allgemein formulierte Aayah (24:23) einschränken:

إِنَّ ٱلَّذِينَ يَرۡمُونَ ٱلۡمُحۡصَنَٰتِ ٱلۡغَٰفِلَٰتِ ٱلۡمُؤۡمِنَٰتِ لُعِنُواْ فِي ٱلدُّنۡيَا وَٱلۡأٓخِرَةِ وَلَهُمۡ عَذَابٌ عَظِيمٞ ٢٣

Diejenigen, die den keuschen, unschuldigen 14 iimaan-bekennenden Frauen Unzucht vorwerfen, wurden im Diesseits und im Jenseits verflucht! Für sie ist eine überharte Peinigung bestimmt.

  • Wenn man den Hinabsendungsanlass kennt, kann man die Aayaat einfacher auswendig lernen und sich daran erinnern.

 

Notes:

  1. Name eines Hügels bei der Ka’bah, der heute in den Gebäudekomplex von Al-masdschidul-haraam integriert ist.
  2. Name eines Hügels bei der Ka’bah, der heute ebenso in Al-masdschidul-haraam integriert ist.
  3. Ursprünglich „al-bait“. al-bait ist im Arabischen „das Haus“ und im Islam eine Bezeichnung für die Ka’bah in Makkah.
  4. ’Umrah ist die freiwillige Reise nach Makkah, um bestimmte Riten zu vollziehen. Sie heißt auch „kleine Haddsch-Reise“.
  5. Quraan (2:158)
  6. Ursprünglich: „fisq“. fisq ist die Übertretung der Gebote Allaahs. Andere verstehen hier darunter Tiere.
  7. Quraan (6:145)
  8. Quraan (3:188)
  9. Es kann ebenfalls “ahnungslosen, was den Vorwurf angeht” heißen.
  10. Ursprünglich: „diin“.
  11. Quraan (24:23-25)
  12. Ursprünglich: „faasiq“. faasiq sind Menschen (Muslime oder Kaafir), die bewusst Allaahs Ge­bote verletzen.
  13. Quraan (24:4-5)
  14. Es kann ebenfalls „ahnungslosen, was den Vorwurf angeht“ heißen.