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Ereignisse unter Osman I. (698-724/1299-1324)


Der Weg der Gebietserweiterung konnte erst von Ertoghruls Sohn und Nachfolger, dem Namensgeber der Dynastie, Osman I., eingeschlagen werden. Sobald er die Nachfolge seines Vaters 687/1288 antrat, veränderte er die traditionelle Struktur der Herrschaft. Die Stammesführer neben Ertoghrul – insbesondere die später hinzugekommenen Uç-Beys – hatten diesen nur als Heerführer, als Gleichen unter Gleichen in der Stammesversammlung, akzeptiert, waren ihm aber keineswegs in jeder Hinsicht loyal. Ihre Interessen konzentrierten sich auf Erträge aus Beutezügen, sie verstanden sich als Ghazi (Kämpfer in der Ausbreitung des islamischen Herrschaftsbereiches), nicht als Truppen des Ertoghrul. Osman sprengte diesen Rahmen, indem er mit seinem Herrschaftsantritt alle turkmenischen Streiter aller Stammesgruppen und Clane aufnahm, die sich ihm anschließen wollten; zusätzlich rekrutierte er die seinerzeit verbreiteten griechischen und slawischen Söldner, die auf dem umstrittenen Grenzgebiet auf der Suche nach einem neuen Auftraggeber waren. Infolgedessen schuf er eine eigene Truppe, die er der traditionellen Autorität seiner Unterführer entgegensetzte und so seine eigene Position festigte. Mit den ersten Siegen und der neuen Taktik legte er die Grundlage für die späteren Erfolge der Osmanen.

698/1299 fühlte sich Osman stark genug, sich von den Seldschuken unabhängig zu erklären, und betrat somit als eigenständiger “Emir” die politische Bühne.

Charakteristisch für diese Frühzeit der osmanischen Geschichte ist die hohe Innovationsbereitschaft und realpolitische Weitsicht der osmanischen Herrscher; das zeigt sich z. B. an dem Wunsch, die angestammte Bevölkerung zu erhalten und durch Zuzug muslimischer, gebildeter Flüchtlinge aufzustocken. Gerade durch die Grenzsituation mit dem byzantinischen Reich war den frühen Osmanen klar, dass sie ohne gesicherte Loyalität – mit der Gefahr von Aufständen bei jeder Abwesenheit auf Feldzügen – nicht gesichert regieren konnten. Daher wurden die erprobten turkmenischen Truppenführer mit Teillehen (timar) entlohnt, aber auch einige der verdienten, christlichstämmigen Söldner, soweit sie den Islam annahmen.

Ebenfalls ist bei allen frühen Herrschern der erfolgreiche Versuch zu sehen, die beiden Machtblöcke ihrer Herrschaft – die turkmenische, alte Elite einerseits und die neuen Truppen andererseits – als Gegengewichte auszuspielen.

Die Kämpfer (Ghazi bzw. Ghaazi) Osmans kämpften nach einfachen, aber erfolgreichen Regeln: die Felder der Byzantiner wurden verwüstet, die befestigten Städte belagert und von weiterer Versorgung abgeschnitten. So wurden die ersten Städte wie Inegöl, Bilecik und Yenisehir eingenommen.

Diese militärischen Erfolge Osmans begründeten einen Ruf des stetigen Erfolgs, der ihm auch die Anerkennung der Seldschuken einbrachte und ihm im Osten die nötige Ruhe verschaffte, um in Bithynien (West-Byzanz) sein eigenes Reich zu erweitern. Bald erkannte der byzantinische Kaiser, dass die Krieger des Osman ihm von allen turkmenischen Emiren die meisten Probleme bereiteten, und versuchte, die Ilkhan-Herrscher gegen die Osmanen zu bewegen; doch die Seldschuken saßen mit ihrem Gebiet einer direkten Konfrontation mit den Ilkhanen im Wege, während die nordanatolischen Emirate (neben ihrer Abhängigkeit von den Seldschuken) auch den weiter nördlich befindlichen Mongolen tributpflichtig und somit als doppelt zahlende Kleinfürsten geschwächt waren. Auch verschiedene byzantinische Angriffe von Alanen und Katalanen, die als Söldner im byzantinischen Dienst standen und gegen Osmans Kämpfer antraten, schlugen fehl und schadeten durch Plünderungen mehr den verbliebenen byzantinischen Gebieten als den gut gesicherten Regionen des Osman. Tatsächlich waren viele gebeutelte Bewohner des byzantinischen Restgebietes mit einer ruhigen turkmenischen Herrschaft Osmans im Zweifelsfalle einverstandener als mit Übergriffen landfremder Söldner – eine Haltung, die der Ausbreitung des osmanischen Gebietes langfristig diente.

Als Osmans Truppen im Jahre 1308 die katalanischen Söldnertruppen der Byzantiner vernichten konnten, ermöglichte dies dem Emir Mehmed Bey, dem Führer des Emirats Aydin, sowie auch dem Fürstentum Karasi, sich im Süden und Südwesten erheblich auszudehnen, sodass Osman der Weg zu größeren Erweiterungen seines Beylik erschwert wurde. Außerdem verfügte Osman noch nicht über geeignete Belagerungswerkzeuge oder die dazu nötigen Fachleute, um eine größere Stadt einzunehmen.

Exkurs: Entwicklung der Heeresstruktur unter Osman I. (688/1289-726/1326)

Der Übergang von Ertoghul zu Osman war entscheidend für das weitere Schicksal der Osmanen und vor allem ihre bedeutsame Heeresstruktur. Vor Osman unterschieden sich die Osmanen nicht von anderen turkmenischen Kriegerverbänden, hatten aber weder finanziell noch technisch die Stufe der mongolischen Heere erreicht.

Osman teilte das Heer in drei Bereiche ein, die bis zur Tanzimatzeit (1839-1876) andauerten: freie, dem Ghazitum verpflichtete leichte Truppen, geordnete, disziplinierte einheimische Truppen und fremdstämmige Truppen. Daraus ergab sich folgendes Bild:

a.) Turkmenische Berufskämpfer anderer Stammesverbände (Ghazi), Einsatz gegen Byzanz,

b.) Griechische und slawische Söldner (beritten und unberitten), vormals in Diensten Byzanz (Gharib), Einsatz auch gegen turkmenische Rivalen,

c.) Turkmenische eigene Stammeskrieger, meist beritten (Speer, Bogen).

Charakteristisch für Osmans Zeit war das völlige Fehlen von Fußsoldaten; bei Belagerungen und ähnlichen Einsätzen stiegen Reiter ab und wurden für Fußtruppen eingesetzt; auch Belagerungstechniken standen ihm noch nicht zur Verfügung.