Da das Wesen Allaahs den Menschen verborgen ist, darf man Ihm keine Attribute ohne eindeutige und gesicherte Belege aus dem Quraan und der Sunnah zuschreiben. Die wichtigsten Regeln, um diesen Grundsatz zu erfüllen, lauten wie folgt:
- Der Textbeleg (Aayah/Hadiith) muss eindeutig der Bedeutung nach sein:
Textbelege, welche mehrdeutig sind, bedürfen der Interpretation und des Präferierens eine der möglichen Bedeutungen, was wiederum aufgrund des fehlenden Wissens vom Wesen Allaahs eine Spekulation darstellt. Und das Spekulieren in Bezug auf Allaah (ta’aala) stellt an sich eine gravierende Verletzung der ‘Aqiidah und des Iimaan dar.
Die Übereinstimmung der muslimischen Mudschtahid-Gelehrten in der Erläuterung und im Verständnis solcher Texte (Idschmaa’) ist ein Beleg für deren Eindeutigkeit.
Beispiel:
Sämtliche Aayaat und Hadiithe mit Inhalten, die in Bezug auf die Geschöpfe Körperteile benennen, wie z. B. yadd يد (wörtliche Bedeutung bei Menschen Hand bzw. Arm), ‘ainعين (wörtliche Bedeutung bei Menschen Auge), belegen keine Attribute für Allaah (ta’aala), da Allaah (ta’aala) kein Körper ist und nicht aus Teilen besteht. Es gibt nichts Seinesgleichen und nichts ist Ihm ähnlich. 1 Die wörtliche Bedeutung dieser Begriffe (haqiiqah) ist damit in Bezug auf Allaah (ta’aala) nicht definierbar bzw. nicht verstehbar. So können diese Begriffe nur noch im übertragenen Sinne (madschaaz) verstanden werden, was an sich eine Spekulation darstellt, was in Bezug auf Allaah (ta’aala) und Seine Attribute eine ‘Aqiidah-Verletzung bedeutet.
Da solche o. g. Begriffe in der Sprache keine Attribute sind, sondern Körperteile beschreiben, stellt sich auch die Frage nach der Zulässigkeit der Diskussion darüber, dass diese Begriffe Attribute seien.
- Hadiithe, die als Belege für Allaahs Attribute dienen sollen, müssen zu al-mutawaatirul-lafdhiy gehören. Das bedeutet, dass sie der Tradierung nach eindeutig gesichert sind, und dass die Ausformulierung des Textes vom Gesandten Allaahs Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) und nicht von der tradierenden Person stammt.
Beispiel eines solchen ungeeigneten Hadiith:
عَنِ الشَّرِيدِ، أَنَّ أُمَّهُ أَوْصَتْ أَنْ يُعْتَقَ عَنْهَا رَقَبَةٌ، فَقَالَ: يَا رَسُولَ اللَّهِ، إِنَّ أُمِّي أَوْصَتْ أَنْ يُعْتَقَ عَنْهَا رَقَبَةٌ مُؤْمِنَةٌ، وَعِنْدِي جَارِيَةٌ نُوبِيَّةٌ سَوْدَاءُ، فَقَالَ: “ادْعُ بِهَا”، فَجَاءَ بِهَا، فَقَالَ لَهَا النَّبِيُّ صَلَّى اللَّه عَلَيْهِ وَسَلَّمَ: “مَنْ رَبُّكِ؟”، قَالَتْ: اللَّهُ، قَالَ: “مَنْ أَنَا؟”، قَالَتْ: أَنْتَ رَسُولُ اللَّهِ، قَالَ: “أَعْتِقْهَا، فَإِنَّهَا مُؤْمِنَةٌ”.
Asch-schariid tradierte, dass seine Mutter testamentarisch die Freilassung einer versklavten Person stellvertretend für sie angewiesen hat, dann fragte er: “Allaahs Gesandter! Meine Mutter hat angewiesen, stellvertretend für sie eine iimaan-bekennende versklavte Person zu befreien, und ich habe eine schwarze nubische Sklavin?” Dann sagte er: “Lass sie herbringen!” Dann brachte er sie. Der Prophet (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) fragte sie: “Wer ist dein Gott?” Sie sagte: “Allaah!”. Er fragte sie weiter: “Wer bin ich?” Sie antwortete: “Du bist Allaahs Gesandter!” Dann sagte er: “Lass sie frei, denn sie ist eine Iimaan-Bekennende”.
Dieser Hadiith wurde u.a. von folgenden Hadiith-Gelehrten so tradiert:
An-nasaaiy, Ahmad, Maalik, At–tabaraaniy, Al-baihaqiy, Ibnu-hibbaan sowie Ibnu-chuzaimah. Doch Imaam Ad-daarimiy tradierte über Asch-schariid: “(..) “ادْعُ بِهَا”، فَقَالَ: أَتَشْهَدِينَ أَنْ لَا إِلَهَ إِلَّا اللَّهُ؟”، قَالَتْ: نَعَمْ. قَالَ: “أَعْتِقْهَا، فَإِنَّهَا مُؤْمِنَةٌ”, “Lass sie herbringen!”. Er fragte sie: “Bezeugst du, dass es keine Gottheit außer Allaah gibt?” Sie sagte: “Ja!”. Er sagte: “Lass sie frei, denn sie ist eine Iimaan-Bekennende”.”
عَنْ مُعَاوِيَةَ بْنِ الْحَكَمِ السُّلَمِيِّ، قَالَ: (..) وَكَانَتْ لِي جَارِيَةٌ تَرْعَى غَنَمًا قِبَلَ أُحُدٍ وَالْجُوَانِيَّةِ، فَاطَّلَعْتُ يَوْمًا فَإِذَا الذِّئْبُ قَدْ ذَهَبَ بِشَاةٍ مِنْ غَنَمِهَا، قَالَ: وَأَنَا رَجُلٌ مِنْ بَنِي آدَمَ، آسَفُ كَمَا يَأْسَفُونَ، لَكِنِّي صَكَكْتُهَا صَكَّةً فَعَظُمَ ذَلِكَ عَلَيْهَا قَالَ: قُلْتُ: يَا رَسُولَ اللَّهِ، أَفَلا أَعْتِقُهَا؟ قَالَ: “ائْتِنِي بِهَا”، فَأَتَيْتُهُ بِهَا، فَقَالَ لَهَا: “أَيْنَ اللَّهُ؟” قَالَتْ: فِي السَّمَاءِ، قَالَ: “وَمَنْ أَنَا؟ “قَالَتْ: أَنْتَ رَسُولُ اللَّهِ، قَالَ: “أَعْتِقْهَا فَإِنَّهَا مُؤْمِنَةٌ”.
Über (den Sahaabiy) Mu’aawiyah Bnul-hakam As-sulamiy wurde tradiert, er sagte: “(..) Ich hatte auch eine Sklavin, die Schafe in der Nähe von Uhud und Al-dschuwaaniyyah hütete. Eines Tages schaute ich vorbei, dann stellte ich fest, dass der Wolf ein Schaf ihrer Herde gerissen hatte.” Er sagte weiter: “Und ich bin ein Mensch, der sich ärgert, wie andere sich ärgern, dann gab ich ihr eine Ohrfeige, was sie sehr betroffen machte.” Er sagte: “Dann fragte ich: “Allaahs Gesandter! Soll ich sie freilassen?” Er sagte: “Bring sie her!” Und ich brachte sie, dann fragte er sie: “Wo ist Allaah?” Sie antwortete: “In As-samaa’ 2.” Er fragte weiter: “Und wer bin ich?” Sie antwortete: “Du bist Allaahs Gesandter!” Dann sagte er: “Lass sie frei, denn sie ist eine Iimaan-Bekennende”.
Dieser Hadiith wurde u.a. von folgenden Hadiith-Gelehrten so tradiert:
Muslim, Ahmad, Maalik, Abu-daawuud, An-nasaaiy, Ibnu-hibbaan, Al-baihaqiy sowie Ibnu-abi-schaibah.
Imaam Abu-daawuud überlieferte:
“(..) أَيْنَ اللَّهُ؟، فَأَشَارَتْ إِلَى السَّمَاءِ بِأُصْبُعِهَا، فَقَالَ لَهَا: فَمَنْ أَنَا؟، فَأَشَارَتْ إِلَى النَّبِيِّ صَلَّى اللَّه عَلَيْهِ وَسَلَّمَ وَإِلَى السَّمَاءِ، يَعْنِي أَنْتَ رَسُولُ اللَّهِ, “Wo ist Allaah?” Dann zeigte sie mit ihrem Finger zum Himmel. Dann fragte er sie: “Wer bin ich?” Dann zeigte sie auf den Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) und zum Himmel.” Sie meinte: du bist Allaahs Gesandter (..).
Imaam Ahmad fügte in einer Tradierung zusätzlich zu den Eigenschaften der Sklavin, die Imaam Abu-daawuud erwähnte, dass sie أَعْجَمِيَّة a’dschamiyyah war, d. h. eine Nicht-Araberin bzw. “eine, die nicht verständlich spricht”, und dass sie mit ihrem Zeigefinger zeigte. Imaam Ibnu-hadschar kommentierte diesen Hadiith in seinem Werk At-talchiis wie folgt: “Im Wortlaut gibt es große Unterschiede. Imaam Ab-bazzaar wies ebenfalls auf Id–tiraab 3 im Hadiith in seiner Tradierungskette hin.”
Weil dieser Hadiith je nach Verständnis nur sinngemäß tradiert wurde, darf er nicht als Beleg für einen’Aqiidah-Inhalt verwendet werden.
Notes:
- Siehe Aayah (42:11). ↩
- As-samaa’ ist ein Nomen und abgeleitet vom Verb sama yasmuu سما يسمو in der Bedeutung von „sich erhöhen“. So sagt man, dass alles, was über dir liegt, ist dein Samaa’. Verwendet wird As-samaa’ in der Bedeutung von „Decke des Hauses“, „Himmel“ als Decke für die Erde, „Wolken“, „Regen“, „die Wiese“, „Rücken des Pferdes“, siehe dazu das Lexikon Lisaanul-’arab. ↩
- Siehe’Uluumul-hadiith – Einführung in die Hadiith-Wissenschaft, Band 9, Islamolog. Enzyklopädie. ↩