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Verhaltensregeln bei Al-bay’ (aadaabul-bay’ آداب البيع)


Da die Scharii’ah zwischen Profanem und Sakralem und zwischen Wirtschaft und Moral nicht trennt, fordert sie von allen Vertragsparteien, folgende Verhaltensregeln und Moralwerte bei der Geschäftsabwicklung zu achten:

  • Entgegenkommen und Nachsicht
    Sowohl beim Kaufen als auch beim Verkaufen soll man nachsichtig und entgegenkommend sein. Der Kunde darf den Verkäufer nicht auf unredliche Art zu einem schlechten Kaufpreis nötigen und umgekehrt darf der Verkäufer vom Kunden keinen überhöhten Preis für seine Ware verlangen. Beide Parteien sollen auf redliche Art und mit Rücksicht zu ihrem Recht kommen.
    Dschaabir Bnu-‘abdil-laah berichtete, dass der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

رَحِمَ اللَّهُ رَجُلًا سَمْحًا إِذَا بَاعَ وَإِذَا اشْتَرَى وَإِذَا اقْتَضَى.

Allaah möge Gnade einem Menschen gewähren, der großmütig bleibt, wenn er verkauft, wenn er kauft, und wenn er (sein Recht) fordert. (B)

  • Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit
    Der Verkäufer darf nicht vorsätzlich Mängel seiner Ware verheimlichen. Er hat in jeglicher Hinsicht, dafür Sorge zu tragen, die Ware auf ehrliche Art zu beschreiben und zu veräußern.
    Abu-sa’iid Al-chudriy berichtete, dass Allaahs Gesandter (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

التَّاجِرُ الصَّدُوقُ الْأَمِينُ مَعَ النَّبِيِّينَ وَالصِّدِّيقِينَ وَالشُّهَدَاءِ.

Der ehrliche vertrauenswürdige Kaufmann wird (im Paradies) zusammen mit den Propheten, den Rechtschaffenen und den Märtyrern sein. (T)

Rifaa’ah berichtete, dass er eines Tages zusammen mit dem Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sich zum rituellen Gebet begeben wollte. Auf dem Weg dorthin begegneten sie Händlern, die gerade ihre Geschäfte abgewickelt hatten. Daraufhin rief er ihnen zu:

‏‏يَا مَعْشَرَ التُّجَّارِ فَاسْتَجَابُوا لِرَسُولِ اللَّهِ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏وَرَفَعُوا أَعْنَاقَهُمْ وَأَبْصَارَهُمْ إِلَيْهِ فَقَالَ إِنَّ التُّجَّارَ يُبْعَثُونَ يَوْمَ الْقِيَامَةِ فُجَّارًا إِلَّا مَنْ اتَّقَى اللَّهَ ‏وَبَرَّ ‏وَصَدَقَ.

“Ihr Geschäftsmänner!” Daraufhin wandten sich alle zum Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam), hoben ihre Köpfe und wendeten ihren Blick zu ihm. Dann sagte er: “Gewiss, die Händler werden am Tage der Auferstehung als Fudsch-dschaar (Sünder, die ihre Verfehlungen öffentlich begehen) erweckt außer denjenigen, die sich Allaah gegenüber ehrfürchtig erweisen und gütig und ehrlich waren”. (T)

Hakiim Bnu-hizaam (radial-laahu ‘anh) berichtete:

قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ الْبَيِّعَانِ بِالْخِيَارِ مَا لَمْ يَتَفَرَّقَا أَوْ قَالَ حَتَّى يَتَفَرَّقَا فَإِنْ صَدَقَا وَبَيَّنَا بُورِكَ لَهُمَا فِي بَيْعِهِمَا وَإِنْ كَتَمَا وَكَذَبَا مُحِقَتْ بَرَكَةُ بَيْعِهِمَا.

“Der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte: “Der Käufer und der Verkäufer haben die Wahl, von ihrem Geschäft zurückzutreten, solange sie noch nicht auseinander gegangen sind. Oder er sagte: “bis sie auseinander gegangen sind”. Sollten sie aufrichtig zueinander gewesen sein und alles offengelegt haben, so wird ihnen Segen in ihr Geschäft gelegt. Doch sollten sie einander etwas verschwiegen oder Unwahres gesagt haben, so wird der Segen ihres Geschäfts damit vernichtet.” (B, M)

  • Verbot des Schwörens
    Der Prophet Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) hat Menschen getadelt, die beim Verkaufen Allaah (ta’aala) angerufen haben, um damit ihre Aussagen zu bekräftigen und das Vertrauen ihrer Kunden zu gewinnen.
    Dieses Verbot erfolgt aufgrund der Gefahr, dass sich in diese Aussagen Unwahrheiten einschleichen können und dass damit die Achtung und die Ehrfurcht Allaah (ta’aala) gegenüber geschmälert werden, wenn man Ihn bei solchen Geschäften regelmäßig als Zeugen anruft.

Ÿوَلَا تَجۡعَلُواْ ٱللَّهَ عُرۡضَةٗ لِّأَيۡمَٰنِكُمۡ أَن تَبَرُّواْ وَتَتَّقُواْ وَتُصۡلِحُواْ بَيۡنَ ٱلنَّاسِۚ وَٱللَّهُ سَمِيعٌ عَلِيمٞ ٢٢٤

Nehmt Allaah nicht als Vorwand für eure Eide, damit ihr diese nicht erfüllt, euch nicht ehrfürchtig erweist und keine Aussöhnung zwischen den Menschen zulasst. Allaah ist allhörend, allwissend. 1

Der große Sahaabiy Abu-hurairah (radial-laahu ‘anh) berichtete, dass der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) diesbezüglich sagte:

‏ ‏إِيَّاكُمْ وَكَثْرَةَ الْحَلِفِ فِي الْبَيْعِ فَإِنَّهُ يُنَفِّقُ ثُمَّ يَمْحَقُ.

“Achtet darauf, beim Verkaufen nicht viel zu schwören, denn das Schwören lässt zwar die Ware schnell verkaufen, aber danach den Segen vernichten.” (M)

Der Sahaabiy Abu-dharr (radial-laahu ‘anh) berichtete, dass der Prophet Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) warnend vor dem falschen Eid sagte:

ثَلَاثَةٌ لَا يَنْظُرُ اللَّهُ إِلَيْهِمْ يَوْمَ الْقِيَامَةِ وَلَا يُزَكِّيهِمْ وَلَهُمْ عَذَابٌ أَلِيمٌ قُلْنَا مَنْ هُمْ يَا رَسُولَ اللَّهِ فَقَدْ خَابُوا وَخَسِرُوا فَقَالَ الْمَنَّانُ وَالْمُسْبِلُ ‏ ‏إِزَارَهُ وَالْمُنَفِّقُ سِلْعَتَهُ بِالْحَلِفِ الْكَاذِبِ.

“Drei Menschentypen wird Allaah (ta’aala) am Tage der Auferstehung keine Gnade gewähren. Er wird sie nicht läutern, und für sie gibt es eine schmerzvolle Peinigung.” Wir fragten: “Wer sind diese, Allaahs Gesandter? Diese werden gewiss schwer enttäuscht sein, und sie haben zweifelsohne verloren!” Er sagte: “Derjenige, der den Menschen Vorhaltungen macht (für etwas Gutes, was er ihnen gewährte), derjenige, der lange Gewänder (aus Hochmut) trägt, und derjenige, der seine Ware aufgrund falscher Eide verkauft.” (T)

  • Entrichtung von Spenden (Sadaqah)
    Quais Bnu-abi-gharazah قَيْسِ بْنِ أَبِي غَرَزَةَ (radial-laahu ‘anh) berichtete:

خَرَجَ عَلَيْنَا رَسُولُ اللَّهِ‏ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏‏وَنَحْنُ نُسَمَّى السَّمَاسِرَةَ ‏فَقَالَ ‏يَا مَعْشَرَ التُّجَّارِ إِنَّ الشَّيْطَانَ وَالْإِثْمَ يَحْضُرَانِ الْبَيْعَ ‏ ‏فَشُوبُوا ‏بَيْعَكُمْ بِالصَّدَقَةِ.

Der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) kam zu uns, während wir Makler genannt wurden, dann sagte er: “Ihr Geschäftsleute! Gewiss, der Satan und die Verfehlung sind bei den Geschäftsabwicklungen stets gegenwärtig, so durchmischt eure Geschäfte mit der Zahlung von Spenden/Sadaqah.” (T)

  • Kaufvertrag schriftlich festhalten und Bezeugung
    Wenn ein Kaufvertrag geschlossen wird, bei dem verschiedene Bedingungen wie z. B. die Zahlung des Kaufpreises zu einem festgesetzten Termin (Terminkauf) vereinbart werden, betrachtet es die Scharii’ah als eine Soll-Handlung (mustahab bzw. manduub), diesen Vertrag über die Höhe des Kaufpreises und des genauen Zahlungstermins schriftlich festzuhalten. Damit können mögliche Streitigkeiten, Missverständnisse oder gar Unterstellungen von allen Seiten vermieden bzw. diesen vorgebeugt werden.

يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوٓاْ إِذَا تَدَايَنتُم بِدَيۡنٍ إِلَىٰٓ أَجَلٖ مُّسَمّٗى فَٱكۡتُبُوهُۚ وَلۡيَكۡتُب بَّيۡنَكُمۡ كَاتِبُۢ بِٱلۡعَدۡلِۚ وَلَا يَأۡبَ كَاتِبٌ أَن يَكۡتُبَ كَمَا عَلَّمَهُ ٱللَّهُۚ فَلۡيَكۡتُبۡ وَلۡيُمۡلِلِ ٱلَّذِي عَلَيۡهِ ٱلۡحَقُّ وَلۡيَتَّقِ ٱللَّهَ رَبَّهُۥ وَلَا يَبۡخَسۡ مِنۡهُ شَيۡ‍ٔٗاۚ فَإِن كَانَ ٱلَّذِي عَلَيۡهِ ٱلۡحَقُّ سَفِيهًا أَوۡ ضَعِيفًا أَوۡ لَا يَسۡتَطِيعُ أَن يُمِلَّ هُوَ فَلۡيُمۡلِلۡ وَلِيُّهُۥ بِٱلۡعَدۡلِۚ وَٱسۡتَشۡهِدُواْ شَهِيدَيۡنِ مِن رِّجَالِكُمۡۖ فَإِن لَّمۡ يَكُونَا رَجُلَيۡنِ فَرَجُلٞ وَٱمۡرَأَتَانِ مِمَّن تَرۡضَوۡنَ مِنَ ٱلشُّهَدَآءِ أَن تَضِلَّ إِحۡدَىٰهُمَا فَتُذَكِّرَ إِحۡدَىٰهُمَا ٱلۡأُخۡرَىٰۚ وَلَا يَأۡبَ ٱلشُّهَدَآءُ إِذَا مَا دُعُواْۚ وَلَا تَسۡ‍َٔمُوٓاْ أَن تَكۡتُبُوهُ صَغِيرًا أَوۡ كَبِيرًا إِلَىٰٓ أَجَلِهِۦۚ ذَٰلِكُمۡ أَقۡسَطُ عِندَ ٱللَّهِ وَأَقۡوَمُ لِلشَّهَٰدَةِ وَأَدۡنَىٰٓ أَلَّا تَرۡتَابُوٓاْ إِلَّآ أَن تَكُونَ تِجَٰرَةً حَاضِرَةٗ تُدِيرُونَهَا بَيۡنَكُمۡ فَلَيۡسَ عَلَيۡكُمۡ جُنَاحٌ أَلَّا تَكۡتُبُوهَاۗ وَأَشۡهِدُوٓاْ إِذَا تَبَايَعۡتُمۡۚ وَلَا يُضَآرَّ كَاتِبٞ وَلَا شَهِيدٞۚ وَإِن تَفۡعَلُواْ فَإِنَّهُۥ فُسُوقُۢ بِكُمۡۗ وَٱتَّقُواْ ٱللَّهَۖ وَيُعَلِّمُكُمُ ٱللَّهُۗ وَٱللَّهُ بِكُلِّ شَيۡءٍ عَلِيمٞ ٢٨٢

Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Wenn ihr einander eine Schuld für eine festgesetzte Frist gewährt, dann schreibt sie nieder! Ein Schriftführer soll für euch gerecht schreiben. Ein Schriftführer darf nicht ablehnen zu schreiben, wie Allaah es ihm lehrte. So soll er schreiben! Und der Schuldner soll diktieren, Allaah gegenüber, seinem Herrn, sich ehrfürchtig erweisen 2 und nichts davon geringer angeben. Sollte der Schuldner beschränkt, schwach 3 oder unfähig sein, selbst zu diktieren, dann soll sein Vormund 4 gerecht diktieren. Und lasst zwei Zeugen von euren Männern es bezeugen. Sollten beide keine Männer sein, dann sollen sie ein Mann und zwei Frauen von den Zeugen sein, die ihr akzeptiert, denn sollte die eine von beiden Frauen sich irren, so kann die eine die andere erinnern. Die Zeugen dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie geladen werden. Seid nicht lustlos, die Schuld niederzuschreiben, egal ob sie klein oder groß ist, bis zu ihrer Frist. Dies ist gerechter vor Allaah, glaubwürdiger für das Zeugnis und näher dazu, keine Zweifel zu hegen. Ausgenommen davon – wenn es sich um einen gegenwärtigen Handel dreht, den ihr untereinander zum Abschluss bringt, dann trifft euch keine Verfehlung, wenn ihr ihn nicht niederschreibt. Und lasst es bezeugen, wenn ihr miteinander Handel treibt. Weder ein Schriftführer noch ein Zeuge dürfen geschädigt werden. Solltet ihr es dennoch tun, so ist dies zweifelsohne eine Übertretung 5 von euch. Erweist euch ehrfürchtig Allaah gegenüber! Allaah lehrt euch. Allaah ist über alles allwissend. 6

Ebenso betrachtet es die Scharii’ah als eine Soll-Handlung, dass bei der schriftlichen Vereinbarung zwischen beiden Geschäftsparteien Zeugen zugegen sind, welche die Willenserklärungen dieser Parteien im Streitfall bezeugen können.

وَٱسۡتَشۡهِدُواْ شَهِيدَيۡنِ مِن رِّجَالِكُمۡۖ فَإِن لَّمۡ يَكُونَا رَجُلَيۡنِ فَرَجُلٞ وَٱمۡرَأَتَانِ مِمَّن تَرۡضَوۡنَ مِنَ ٱلشُّهَدَآءِ أَن تَضِلَّ إِحۡدَىٰهُمَا فَتُذَكِّرَ إِحۡدَىٰهُمَا ٱلۡأُخۡرَىٰۚ وَلَا يَأۡبَ ٱلشُّهَدَآءُ إِذَا مَا دُعُواْۚ

Und lasst zwei Zeugen von euren Männern es bezeugen. Sollten beide keine Männer sein, dann sollen sie ein Mann und zwei Frauen von den Zeugen sein, die ihr akzeptiert, denn sollte die eine von beiden Frauen sich irren, so kann die eine die andere erinnern. Die Zeugen dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie geladen werden. 7

Diese beiden aufgeführten Maßnahmen sollen garantieren, dass ein zu Unrecht behandelter Vertragspartner auch im Nachhinein seinen Anspruch einfordern kann und dass eventuelle Zweifel ausgeräumt und Gerechtigkeit für beide Parteien hergestellt werden kann.

Ÿوَلَا تَسۡ‍َٔمُوٓاْ أَن تَكۡتُبُوهُ صَغِيرًا أَوۡ كَبِيرًا إِلَىٰٓ أَجَلِهِۦۚ ذَٰلِكُمۡ أَقۡسَطُ عِندَ ٱللَّهِ وَأَقۡوَمُ لِلشَّهَٰدَةِ وَأَدۡنَىٰٓ أَلَّا تَرۡتَابُوٓاْ

Seid nicht lustlos, die Schuld niederzuschreiben, egal ob sie klein oder groß ist, bis zu ihrer Frist. Dies ist gerechter vor Allaah, glaubwürdiger für das Zeugnis und näher dazu, keine Zweifel zu hegen. 8


Notes:

  1. Quraan (2:224)
  2. Ursprünglich: „tawqa-gemäß handeln
  3. bzw. geschäftsunfähig
  4. Ursprünglich: „Waliy“ Plural „Auliyaa
  5. Ursprünglich: „Fisq“. Fisq ist die Übertretung der Gebote Allaahs
  6. Quraan (2:282)
  7. Quraan (2:282)
  8. Quraan (2:282)