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Selim II. (974-982/1566–1574)


Selim II. hatte ungeachtet seiner persönlichen Schwächen große Vorstellungen von einer osmanischen Seeherrschaft auch außerhalb des Mittelmeeres. Daher fielen in seine Regierungszeit die letzten ernsthaften Bemühungen, Spaniern und Portugiesen auch im indischen, afrikanischen und asiatischen Raum entgegenzutreten.

Unter dem Begriff “Kapitulation” (osmanisch “ahidname”, Vertragsschreiben) wurden seitens europäischer Mächte die osmanische Vertragsangebote der Hohen Pforte an gegnerische Mächte verstanden. Es handelte sich aber nicht um erzwungene Friedensverträge, sondern um die ersten quasi diplomatischen Verträge, die grundsätzlich gegnerische Mächte als Vertragspartner anerkannte und ihnen bestimmte Handelsoptionen (auch Niederlassungen und diplomatische Vertretungen) im Osmanischen Reich erlaubte. 1569 wurde der erste “diplomatische Vertrag” – in Übereinstimmung mit den zusammenpassenden globalen Zielen der Osmanen – an Frankreich vergeben.

Dass Russland sich anschickte, sich im Sinne eines neuen Ostroms zu verstehen und Anspruch auf muslimisch-osmanische Gebiete zu erheben, machte ein russischer Angriff auf Astrachan deutlich; dem folgte daher ein erster osmanischer Feldzug gegen Russland, der für spätere Jahrhunderte einige Punkte festlegte: Russland wollte über die Krim zum Schwarzen Meer vordringen. Alle Seiten benutzten verschiedene Gruppen der Kosaken, um die Grenzgebiete unsicher zu machen. Ohne stabile zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Timuriden war das Osmanische Reich mit in einer neuen Front zu Lande (der 2. nach der iranischen) konfrontiert.

Mit der Einnahme von Tunis 1570 und der Vertreibung der Spanier aus diesem Teil Nordafrikas begründete der bekannte Korsar und spätere osmanische Admiral Uluç ‘Aliy (Kiliç ‘Aliy Pascha) seinen Ruhm und festigte die Herrschaft der Osmanen derart, dass ein eigenes Beylik Tunis eingesetzt wurde. Dieses bildete den letzten regulären Kontrollpunkt des Osmanischen Reiches in Westarabien, denn Algerien war zwar durch Verträge mit den Osmanen verbündet, aber ein eigenständiges, von Korsaren beherrschtes Gebiet. Allerdings ging Tunis den Osmanen bereits ein Jahr später durch eine spanische Invasion verloren, wurde dann aber 1574 endgültig dem Osmanischen Reich wieder zurückgewonnen.

Noch in diesem Jahr – unter dem Eindruck des osmanischen Erfolges im westlichen Mittelmeer, der Ägäis und in Westafrika – verbündete sich Venedig, der Papststaat und Spanien unter dem Namen der “Heiligen Liga”. Eine gemeinsame Flotte und eine neue Schiffsart (die Galeasse) wurden aufgestellt und den Osmanen entgegengestellt. Bei Lepanto trafen 1571 seitens aller Kriegsparteien insgesamt über 600 Schiffe, darunter mehr als 350 Galeeren, aufeinander. Durch Streitigkeiten innerhalb der Führung und taktischer Fehler vor und während der Seeschlacht ging der Großteil der osmanischen Flotte verloren. Dennoch wurde der so entstandene strategische Vorteil von der Liga Venedigs, des Papstes und Spaniens nicht genutzt, insbesondere da Venedig bald einen separaten Frieden mit den Osmanen schloss, um Handelsrechte in osmanischen Städten zu erhalten. Schon 1572 war die osmanische Flotte wieder in gleicher Stärke wie im Vorjahr aufgebaut. Es folgte die osmanische Eroberung Zyperns und damit die endgültige Eingliederung des östlichen Mittelmeeres in die osmanische Herrschaftszone. 1573 waren alle Seiten an einem Frieden interessiert, der so auch mit Venedig einerseits und dem habsburgischen Kaiser andererseits geschlossen wurde und vor allem zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Venedig führte.