Nach seinem Herrschaftsantritt drängte Murad I. auf eine stärkere Ausdehnung des osmanischen Gebietes nach Südosteuropa hin; Konstantinopel aber musste wegen seiner immer noch starken Befestigungen umgangen werden. Als wichtiger Schritt hebt sich in seiner Zeit die Einnahme der Stadt Adrianopel (später Edirne) 762/1361 ab. Hier befand sich der bedeutendste byzantinische Verwaltungsapparat außerhalb Konstantinopels, die Stadt war die am besten ausgebaute Festung zwischen Konstantinopel und der Donau, von hier aus wurden auch die alten Heerstraßen durch die Balkangebirge kontrolliert.
Dadurch bot sich den Osmanen – durch Wahrung von Bevölkerung und Verwaltung – die reale Möglichkeit, sich nach Europa hin auszudehnen. Diese Absicht bekräftigte Murad I., indem er fortan Edirne zur Hauptstadt der Osmanen ernannte.
Exkurs: Heeresstruktur unter Murad I. (762/1361-791/1389):
Folgende Truppentypen gab es z. Z. von Murad I.:
a.) eigene turkmenische Krieger, teils besoldet, aber meist als Panzerreiter oder mittelschwer gerüstete Reiter (sipahi), unter Stammesführern (Bey) geordnet, welche nun als Timar-Inhaber eingesetzt wurden (ca. 11000 Timar-Nehmer);
b.) Akinci und Deli (geringer gesetzt), unbesoldet;
c.) Yaya und Müsellem (Haupttruppe), besoldet;
d.) eigene Sklaven-Leibgarde (Qapikullari, aus dem eigenen Beutefünftel), beritten und gepanzert, fest besoldet;
e.) Janitscharen (Yeni Ceri), aus Gefangenen rekrutiert, damals nur ca. 1000 Mann stark, fest besoldet.
In dieser Zeit fallen drei Dinge ins Auge: das Timar-System ist das wichtigste Einzelelement osmanischer Heeresversorgung geworden, die Timar-Inhaber sind finanziell gesehen Selbstversorger, die Ausrüstung wird besser. Besoldete Truppen – unabhängig von den Clanführern – bildeten ein weiteres Rückgrat des Heeres. Zusätzlich wurden jetzt die aus Kriegsgefangenen rekrutierten Truppen aufgestellt (genannt Qapikullari, Sklaven der Pforte): der Herrscher betrachtete neben Sachwerten auch die Gefangenen als Teil des ihm zustehenden Beutefünftels und stellte daraus eine Leibgarde zusammen; von diesen wiederum wurden einige erfahrene Soldaten ausgegliedert – die ersten waren meist byzantinische Griechen oder Alanensöldner – und zu den ersten Janitscharen (Yeni ceri ‚neue Truppe’) geformt. Im Gegensatz zu den anderen Heeresteilen waren Qapikullari und Janitscharen sowohl formalrechtlich als Unfreie klassifiziert, als auch auf den Herrscher fest eingeschworen. Dadurch entwickelte sich in der späteren Geschichte des osmanischen Heeres eine Zweiteilung: Palasttruppen (sogenannte “unmittelbare Truppen”, da sie unter direktem Befehl des Sultaans standen) und Provinztruppen (sogenannte “mittelbare Truppen”, da sie zunächst den Lehensnehmern, den Beys der Provinzen, unterstanden, und erst diese direkt dem Sultaan verantwortlich waren).
Charakteristisch für diese Epoche von Murad I. ist eine sehr große Beweglichkeit und eine optimale Einsatzmöglichkeit des Heeres, aufgrund der unterschiedlichen Bewaffnungen und Kampftechniken. In den Folgejahren nach 762/1361 brachte Murad I. durch die Einnahme der Stadt Filibe (Philippopel) das Maritza-Gebiet unter seine Herrschaft und kontrollierte dadurch gleichzeitig die bis dahin an Konstantinopel gelieferten Getreidemengen und Steuereinkommen. So musste nun der byzantinische Kaiser – in totaler Umkehrung früherer Situationen – die osmanische Oberhoheit akzeptieren, Tribut zahlen und auf Verlangen sogar Truppen als Vasallkräfte stellen. Als Gegenleistung verpflichtete sich Murad zu Getreidelieferungen und auf Verzicht, Konstantinopel direkt anzugreifen, solange Byzanz nicht die Feinde Murads unterstütze.
In dieser Lage wurde das erstarkte Königreich Serbien sich der Osmanen als Konkurrenten bewusst. In der Zeit des Königs Stefan Dus´an (1331-1355) hatte sich das serbische Königreich auf Kosten der zerfallenden byzantinischen Herrschaft in Makedonien, Albanien, Thessalien und im Epirus ausgebreitet und beabsichtigt, alle verbliebenen europäisch-byzantinischen Besitzungen einzunehmen. Darum hatten die Herrscher von Byzanz ursprünglich auch die turkmenischen Söldner in Europa zur Zurückdrängung Serbiens nutzen wollen.
Da aber das serbische Königreich nach Dusans Tod schwächer wurde, schlossen die Serben mit Ludwig dem Großen von Ungarn, Zar Schischma von Bulgarien und den bosnisch-christlichen Fürsten einen Kreuzzugsplan, um die Osmanen aus Europa zu verdrängen. Diese Pläne wurden durch den Sieg der Osmanen in der Schlacht von Tschernomen an der Maritza 772/1371 vereitelt, das Kreuzzugsheer wurde durch den osmanischen Feldherrn Lala Schahiin Pascha vernichtend geschlagen.
In der Folge erklärten sich die Herrscher des Balkan mit einem Vasallenstatus einverstanden, und so entstand die osmanische Politik, die bis ins 15. Jahrhundert hin einreichte: die lokalen Herrscher (einschließlich Konstantinopels) wurden an der Macht ihrer Gebiete belassen, unter Beibehaltung aller lokalen Sitten und Gesetze, aber sie mussten jährlich Tribut zahlen und Truppen zur osmanischen Armee bereitstellen. Die betroffenen Herrscher zogen dies einer wahrscheinlichen Eroberung und Verwüstung ihrer Ländereien vor, und die Osmanen profitierten, da sie – ohne erheblichen Aufwand an Verwaltung, Kriegern oder Besatzungsmacht vor Ort – die effektive Kontrolle ausübten. Das Minimum an Widerstand führte folglich auch zur Minimierung der Aufstandsgefahr, einem Problem, an dem schon frühere Reiche wie das der Umayyaden zerbrochen waren.
Durch weitere Feldzüge kontrollierte Murad ab 769/1368 auch Burgas, wodurch dieser Versorgungsweg Konstantinopels zum Westen hin unterbrochen wurde. Nun schloß sich Evrenos Bey, ein begabter Heerführer byzantinischer Abstammung, der zum Islam übergetreten war, Murad an. Er übernahm für Murad etliche Feldzüge gegen die mittlerweile zerstrittenen bulgarischen Fürstentümer und nahm ihre Gebiete ein; auch ein Bündnis zwischen Zar Schischman und dem serbischen Prinzen von Makedonien änderte daran nichts, beide wurden mit ihrem Heer in der Schlacht von Samako (772/1371) geschlagen. Durch diesen Sieg wurde das serbische Gesamtreich zerschlagen in kleinere Fürstentümer, und so erlangte Murad die Kontrolle über das “Eiserne Tor”, den Zugang nach Norden. Trotz verschiedener Versuche serbischer Gegenangriffe wurden in rascher Folge (772-74/1371-73) Makedonien und die Städte Seres (774/1373) und Thessaloniki (780/1378) eingenommen. Nun folgte ein Feldzug unter dem Kommando von Kara Timurtas Bey, der die Tundscha aufwärts bis ins Kerngebiet Bulgariens zog und dort Monastir (784/1382), Sofia (787/1385) und nach einem Rückschlag 789/1387, Nisch (790/ 1388) einnahm.
Jetzt standen die Osmanen gewissermaßen zwischen den verbliebenen serbischen und bulgarischen Gebieten, wandten sich aber den ersten Gebieten von Ungarn zu. Durch Thronstreitigkeiten war das ungarische Königreich geschwächt, zudem stand das Königreich Serbien meist in einem starken Gegnerschaftsverhältnis zu Ungarn.
Nach der Abwehr der osmanischen Feldzüge von 789/1387 rechnete der mächtigste serbische Teilherrscher, Fürst Lazar von Morava-Serbien, nicht so schnell mit einem neuen Feldzug der Osmanen, und besetzte etliche ungarische Orte nach kriegerischem Einfall seiner Truppen. Als aber der neue osmanische Feldzug offenkundig wurde, zog er sich aus den Gebieten zurück und bot benachbaren Fürsten an, ein Bündnis gegen die Osmanen zu bilden. Dies wurde abgelehnt, nur einige bosnische Fürsten, die das Gebiet des Kosovo und Skopje beherrschten, nahmen an.
So trafen am 15. Juni 1389 auf dem sogenannten Amselfeld im Kosovo die Truppen der serbischen Fürsten Lazar Hrebeljanović (der auch das Oberkommando inne hatte) und Vuk Branković sowie eine bosnische Armee unter dem Heerführer Vlatko Vuković auf das Heer der Osmanen unter Murad I. und dessen Söhnen Bayezid I. und Yakub, nach manchen Berichten unterstützt durch Truppen einiger serbischer Verbündeter aus Makedonien. Die Truppenstärke war für damalige Zeit erheblich, auf serbischer Seite ca. 25.000 Mann, auf osmanischer ca. 40.000. Bei dieser Schlacht wurden zum ersten Mal in Ost-Europa – auf beiden Seiten – Kanonen in einer großen Feldschlacht eingesetzt. Bei Ausgang der Schlacht waren beide serbischen Oberbefehlshaber gefallen, andererseits trennten sich die beiden Armeen, ohne dass es eine überdeutliche Niederlage gegeben hätte. Auch konnten in der Folge die osmanischen Heerführer die frei gewordenen Fürstentümer nicht besetzen. Dennoch war durch diese Schlacht der serbische Traum eines Großserbischen Königreiches dahin, was auch schon damals zu einem Umdenken in eine andere Art nationalen Selbstbewusstseins führte und bis heute als entscheidende serbische Geschichtswende verstanden wird.
Nach verschiedenen Überlieferungen wurde Murad I. entweder während, bzw. kurz nach der Schlacht von einem serbischen Fürsten namens Milos Obelic getötet. Nach manchen Berichten näherte er sich dem Sultaan, um sich angeblich zu unterwerfen, tötete dann aber den Sultaan durch Dolchstoß. Der Mörder wurde sofort getötet, und am anderen Morgen bereits Bayezid als neues Oberhaupt der Osmanen eingesetzt.