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Abdülmecid I. (1255-1278/1839–1861)


Diese Zeit von Abdülmecid I. war geprägt durch Reformen bzw. “Verordnungen” (osman. “Tanzimat”). Diese Reformperiode war vor allem durch die zwei großen Edikte und die Einsetzung eines Parlaments nach europäischem Vorbild geprägt.

Diese Periode begann mit dem Reformedikt von Gülhane, genannt “Hohe Handschreiben” (Hatt-i scherif). Dieses Edikt sicherte erstens das Leben und den Besitz einer jeden Person, zweitens beinhaltete es das Ziel, ein gerechtes Besteuerungssystem einzuführen, und drittens, allen Untertanen, ohne Ansehen der Religion und Person, Schutz zu gewähren.

Das 2. Reformedikt von 1856 war das “Großherrscherliche Schreiben” (Hatt-i Hümayun) mit weitreichenden Garantien für die Nichtmuslime im Reich; besonders betont wurde die Gleichheit der Bürger vor bzw. hinsichtlich der öffentlichen Ämter, im Militärdienst, vor Gericht und in der Bildung, sowie die Abschaffung der Dschizya (cizye) und die Einführung einer neutral-staatlichen Gerichtsbarkeit.

Der Krim-Krieg (1853-1856) bewirkte – anders als die früheren osmanisch-russischen Auseinandersetzungen – eine Veränderung im Verhältnis der westeuropäischen Mächte einerseits, dem osmanischen Reich und Russland andererseits: der Pariser Vertrag beendete 1876 den Krim-Krieg, und bei den Verhandlungen nahmen die Osmanen formal gleichberechtigt teil, während Russland vorläufig durch die Interessen der westeuropäischen Mächte zurückgedrängt wurde, weil es – im Licht der englisch-französischen Ambitionen in Indochina, China und Zentralasien als Herausforderer erfasst wurde und darum geschwächt werden sollte.

Andererseits setzen die westeuropäischen Staaten auch das osmanische Reich unter Druck, sodass das “Großherrscherliche Schreiben” (Hatt-i Hümayun) als direktes Resultat des Pariser Friedens anzusehen ist. Doch genau dieser Umstand machte dieses Reformedikt bei vielen Intellektuellen und Verwaltungsbeamten des osmanischen Staates unbeliebt, weil es als von fremder Seite erzwungen angesehen wurde. Zudem war es mit dem traditionellen Verständnis des Millet-Systems nicht kompatibel und kratzte an dem eigenen Selbstverständnis der muslimischen Untertanen, die sich nur über religiöse Definition als Einheit sahen. So förderten diese Reformen ungewollt den Grundstein zu einer weiteren Verstärkung nationalistischer Tendenzen.