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Methoden zur Aneignung der Hadiithe


In diesem Unterkapitel werden die angewandten klassischen Methoden zur Memorierung und Registrierung der Hadiithe dargestellt und ihre Einstufung auf der Zuverlässigkeitsskala aufgezeigt:

1. “as-samaa’ السماع, das direkte Hören der Hadiithe von dem/der Hadiith-Gelehrten”
Der bzw. die Hadiith-Gelehrte rezitiert den Hadiith aus dem eigenen Gedächtnis oder liest aus dem Werk und die anwesenden Schüler/ innen hören ihm/ihr zu, registrieren seine/ihre Aussprache und lernen den Hadiith auswendig oder schreiben ihn nieder.
Die höchste Stufe dieser Methode wird erreicht, wenn die Schüler/ innen gleichzeitig das aufschreiben, was sie gehört haben, um es später mit dem zu vergleichen, was sie auswendig lernen.
Diese Methode gilt nach den meisten Hadiith-Gelehrten als die zuverlässigste Memorierungsmethode

2. “al-‘ard العرض” bzw. “‘ardul-qiraa-ah عرض القراءة” bzw. “al-qiraa-atu ‘alasch-schaich القراءة على الشيخ, das Rezitieren vor dem/der Hadiith-Gelehrten”
Der/die Schüler/in rezitiert aus dem Gedächtnis oder liest aus dem eigenen Hadiith-Buch, während der/die Hadiith-Gelehrte ihm/ihr zuhört. Der/die Hadiith-Gelehrte kann sich dabei entweder auf sein/ihr Gedächtnis, auf seine/ihre schriftlichen Unterlagen oder auf ein korrigiertes Exemplar stützen.
Imaam Ahmad Bnu-hanbal أحمد بن حنبل stellt die Bedingung für den/die Schüler/in, dass er/sie das, was er/sie liest, verstehen kann.
Imaamul-haramain Al-dschuwainiy إمام الحرمين الجويني verlangt dagegen, dass der/die Hadiith-Gelehrte die/den Rezitierende/n korrigieren kann, falls diese/r Fehler macht oder zum Hadiith-Text etwas hinzufügt.
Manche Hadiith-Gelehrte geben dieser Methode den Vorzug vor der ersten o. g. Methode mit der Begründung, dass der/die Schüler/in, falls der/die Hadiith-Gelehrte bei der ersten Methode Fehler macht, diese/r ihn/sie nicht korrigieren kann bzw. sich genieren könnte, dies zu tun.

3. “al-idschaazah الإجازة, die Zulassung bzw. Gewährung/Erlaubnis zur Rezitation und Tradierung der Hadiithe”
Nach der ersten o. g. Methode wird der Hadiith durch die/den Hadiith-Gelehrte/n und nach der zweiten Methode durch den/die Schüler/in vorgetragen. Bei Al-idschaazah erlaubt der/die Hadiith-Gelehrte dem/ der Schüler/in pauschal, die Hadiithe über ihn/ sie zu rezitieren, ohne dass in seiner/ihrer Anwesenheit all diese Hadiithe rezitiert werden.
Weil hierbei Fehler nicht ausgeschlossen werden, haben nicht alle Hadiith-Gelehrten diese Methode akzeptiert. Al-idschaazah abgelehnt haben große Hadiith-Gelehrte wie Imaam Schu’bah Bnul-hadsch-dschaadsch (gest. 160/777), Ibraahiim Bnu-ishaaq Al-harbiy (gest. 285/898) und Abu-nasr Al-waailiy (gest. 444/1052).

Die anderen Hadiith-Gelehrten haben diese Methode unter folgenden Bedingungen zugelassen:

– Der/die Hadiith-Gelehrte muss genau bestimmen, welche Hadiithe er/sie zur Rezitation über ihn/sie freigibt.

– Das Exemplar des/der Lernenden muss mit dem Exemplar des/der Hadiith-Gelehrten genau übereinstimmen.

– Der/die Schüler/in muss ein seriöser Mensch sein, der nach Wissen sucht und strebt.

Der Gelehrte Ibnu-‘abil-barr fasste diese o. g. Bedingungen wie folgt zusammen: “Al-idschaazah darf nur den Hadiith-Kennern gewährt werden, die sich darin bestens auskennen und wissen, wie sie diese verwenden. Sie wird in Bezug auf bestimmte und bekannte Hadiithe gewährt, deren Überlieferungskette unproblematisch ist.”

Die beste Art der Al-idschaazah-Methode ist, wenn ein bekannter Hadiith-Gelehrter bzw. eine bekannte Hadiith-Gelehrte einem/r bekannten Hadiith-Schüler/in erlaubt, ein bekanntes Hadiith-Werk in seinem bzw. ihren Namen zu tradieren. Diese besondere Art nennt man: idschaazatun min mu’ai-yanin li mu’ai-yanin fi mu’aiyan إجازة من معين لمعين في معين.

4. “al-munaawalah  المناولة, das Übergeben von Hadiithen zum Tradieren”
Der/die Hadiith-Gelehrte gibt dem/der Schüler/in ein Schriftstück bzw. ein Werk mit Hadiithen, damit diese/r den Hadiith-Inhalt über diese/n Hadiith-Gelehrte/n tradiert, jedoch ohne ihn/sie dafür eindeutig zu bevollmächtigen (z. B.: Ein Hadiith-Gelehrter gibt seinem Schüler ein Buch und sagt ihm: “Diese sind Hadiithe, die von mir tradiert wurden.”). Diese Methode haben viele Hadiith-Gelehrte so nicht zugelassen.
Al-munaawalah ohne ausdrückliche Erlaubnis zum Tradieren wird “Al-munaawalah ohne Idschaazah” genannt. Wenn der/die Hadiith-Gelehrte dem/der Hadiith-Schüler/in jedoch ausdrücklich die Erlaubnis zum Tradieren gibt, dann nennt man sie “Al-munaawalah mit Idschaazah“. Diese Methode wird von manchen Hadiith-Gelehrten wie die Methode von As-samaa’ bewertet und geachtet.
Wenn der/die Schüler/in ein Hadiith-Buch dem/der Hadiith-Lehrer/in gibt und diese/r dieses Buch liest und ihm/ihr dann z. B. sagt: “tradiere es in meinem Namen”, nennt man diese Art “‘Ardul-munaawalah عرض المناولة, Vorzeigen von Al-munaawalah”.

5. “al-mukaatabah  المكاتبة, das Verfassen bzw. Zusenden von Hadiith-Schriften”
Der/die Hadiith-Gelehrte schreibt die Hadiithe eigenhändig oder lässt sie von einer/einem anwesenden Lernenden aufschreiben oder schickt diese Aufzeichnung über Vertrauenswürdige an eine/n Abwesende/n. Der/die Hadiith-Gelehrte kann damit auch die Erlaubnis zum Tradieren verbinden oder nicht.
Um mehr Sicherheit bei der Hadiith-Tradierung nach dieser Methode zu schaffen, verlangte Imaam Al-chatiib Al-baghdaadiy, dass der/die Hadiith-Gelehrte die Schrift mit den Hadiithen eigenhändig schreibt. Sollte er/sie andere mit der Verschriftlichung beauftragen, dann sollte er/sie dies zu erkennen geben wie z. B. durch eine Mitteilung: “Diese meine Schrift an dich wurde von X verfasst”. 1

6. “i’laamusch-schaich  إعلام الشيخ, die Bekanntmachung bzw. das Wissenlassen durch die/den Hadiith-Gelehrte/n”
Der/die Hadiith-Gelehrte teilt dem/der Hadiith-Schüler/in mit, dass die Hadiithe von ihm/ihr tradiert wurden, ohne ihm/ihr in eindeutiger Form die Erlaubnis zum Tradieren zu geben. Wenige der Hadiith-Gelehrten lassen das Tradieren nach dieser Methode erst zu, wenn der/ die Hadiith-Gelehrte die Erlaubnis zum Tradieren erteilt.

7. “al-wasiyyah  الوصية, die testamentarische Überlassung von Hadiith”
Unter Al-wasiyyah versteht man, dass der/die Hadiith-Gelehrte dem/ der Hadiith-Schüler/in z. B. ein Hadiith-Buch oder ein Hadiith-Manuskript entweder vor einer Reise oder erst nach seinem Tod zum Tradieren in seinem Namen überlässt.

8. “al-widschaadah  الوجادة, das Auffinden von Hadiith-Schriften”
Unter Al-widschaadah versteht man, dass jemand ein Hadiith-Buch auffindet, von dem man sicher ist, dass es von einem bestimmten Hadiith-Gelehrten stammt. Man darf dann die Hadiithe aus diesem Hadiith-Buch rezitieren und tradieren, jedoch ohne zu behaupten oder den Eindruck zu erwecken, dass man diese Hadiithe von dem/der Hadiith-Gelehrten direkt erhalten habe.

Notes:

  1. Siehe dazu „Al-kifaayah الكفايةvon Imaam Al-chatiib Al-baghdaadiy“.