Auswahlkriterien einer Person für eine Eheschließung
Die Auswahlkriterien einer Person als zukünftigen Ehepartner sind vielfältig. Grundsätzlich legt die Scharii’ah hierfür keine engen Grenzen fest, solange zwischen beiden kein Ehehindernis besteht. Sie gibt jedoch Empfehlungen, bei deren Berücksichtigung eine harmonische innerislamische Ehe entstehen kann. Die wichtigsten Auswahlkriterien sind:
- Bewusste Religiösität, Rechtschaffenheit und Ehrenhaftigkeit
Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:
إِذَا خَطَبَ إِلَيْكُمْ مَنْ تَرْضَوْنَ دِينَهُ وَخُلُقَهُ فَزَوِّجُوهُ إِلَّا تَفْعَلُوا تَكُنْ فِتْنَةٌ فِي الْأَرْضِ وَفَسَادٌ عَرِيضٌ.
“Sollte ein Mann, dessen Din 1 und Moral euch gefällt, euch um die Hand einer Frau bitten, dann verheiratet ihn mit ihr. Wenn ihr es nicht tut, dann verbreiten sich auf der Erde Versuchung und großes Verderben.” (T)
قَالَ تُنْكَحُ الْمَرْأَةُ لِأَرْبَعٍ لِمَالِهَا وَلِحَسَبِهَا وَجَمَالِهَا وَلِدِينِهَا فَاظْفَرْ بِذَاتِ الدِّينِ تَرِبَتْ يَدَاكَ.
“Die Frau wird (üblicherweise) wegen viererlei geheiratet: “Wegen ihres Vermögens, wegen ihrer Abstammung, wegen ihrer Schönheit und wegen ihres Din1. Heirate die mit Din, so wirst du erfolgreich sein.” (B)
Die o. g. Empfehlung des Gesandten gilt selbstverständlich ebenfalls für die Frau, wenn sie ihren zukünftigen Mann auswählt. Natürlich kann sich eine Person glücklich schätzen, wenn sie einen Ehepartner findet, der über alle Kriterien verfügt. Das Kriterium der Religiösität bleibt jedoch für den Islam das Prioritäre.
- Kein enger Verwandtschaftsgrad zwischen beiden Personen
Eine Heirat zwischen zwei eng verwandten Personen ist grundsätzlich erlaubt. Allerdings empfiehlt die Scharii’ah eher die Heirat mit entfernten Verwandten bzw. mit fremden nicht verwandten Personen, da eine Ehe auch die Erweiterung des Verwandtschaftskreises bezweckt. Vom Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) wird tradiert:
لا تَنْكَحُوا القَرَابَةَ القَرَيِبةَ فَإِنَّ الوَلَدَ يُخْلَقُ ضَاوِيَاً.
“Heiratet nicht aus den Reihen der engen Verwandtschaft, da das Kind schmächtig geboren wird.” (Ibnu-hibbaan)
Einige bezweifeln die Zuverlässigkeit dieses Hadiith, da der Gesandte seine Tochter Fatimah mit ihrem Cousin ‘Aliy verheiratete. Doch beide standen in einem entfernten Verwandtschaftsverhältnis zueinander.
- Die Ebenbürtigkeit beider Ehepartner
Unter der Ebenbürtigkeit versteht man soziale, finanzielle, berufliche und moralische Voraussetzungen, deren Fehlen das Scheitern der Ehe wahrscheinlicher macht. So sollen beide Ehepartner und ihre Familien zu islamischen Familien 2 stammen, gleichwertige Berufe haben, nicht entmündigt sein und frei von Krankheiten und Behinderungen sein, welche die Ehe beeinträchtigen, wie Impotenz usw. Sowohl die Frau als auch ihr Waliy können eine Eheschließung wegen fehlender Ebenbürtigkeit ablehnen.
Nach Imaam Maalik bezieht sich die Ebenbürtigkeit nur auf die Religiösität, so heiratet eine praktizierende Frau keinen unpraktizierenden Mann. Imaam Ahmad bewertet eine Eheschließung unter Nicht-Ebenbürtigen als ungültig, auch dann sollte die Ehefrau dem zugestimmt haben.
Verheiratung einer Frau mit einem Nicht-Ebenbürtigen ohne ihre Zustimmung ist nach allen Schulen haraam. Dagegen muss der Waliy die Frau mit einem Ebenbürtigen auch ohne adäquate Brautgabe verheiraten, wenn sie dies verlangt und zustimmt.
- Heiraten mit Jungfrauen
‘Amru Bnu-diinaar berichtete, dass der Gefährte Dschaabir Bnu-‘abdil-laah (radial-laahu ‘anh) sagte:
تَزَوَّجْتُ امْرَأَةً فَأَتَيْتُ النَّبِيَّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ فَقَالَ أَتَزَوَّجْتَ يَا جَابِرُ فَقُلْتُ نَعَمْ فَقَالَ بِكْرًا أَمْ ثَيِّبًا فَقُلْتُ لَا بَلْ ثَيِّبًا فَقَالَ هَلَّا جَارِيَةً تُلَاعِبُهَا وَتُلَاعِبُكَ فَقُلْتُ يَا رَسُولَ اللَّهِ إِنَّ عَبْدَ اللَّهِ مَاتَ وَتَرَكَ سَبْعَ بَنَاتٍ أَوْ تِسْعًا فَجِئْتُ بِمَنْ يَقُومُ عَلَيْهِنَّ قَالَ فَدَعَا لِي.
“Ich habe eine Frau geheiratet und dann bin ich zum Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) gegangen. Er fragte mich: “Hast du geheiratet, o Dschaabir?” Ich antwortete: “Ja!” Dann fragte er: “Hast du eine Jungfrau oder eine Thaiyib (eine bereits verheiratet Gewesene) geheiratet?” Ich sagte: “Eine Thaiyib” Dann sagte er: “Hättest du doch eine Jungfrau geheiratet, mit der du dich vergnügst und sie sich mit dir vergnügt!” Dann sagte ich: “Allaahs Gesandter! (Mein Vater) ‘Abdullaah starb und hinterließ sieben – oder neun 3 -Töchter, dann habe ich eine Frau geheiratet, die sie betreuen kann.” Dann sprach er für mich Bittgebete.” (B, M, T, I)
Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:
عَلَيْكُمْ بِالْأَبْكَارِ فَإِنَهُنَّ أعْذَبُ أَفْواهَاً وأَنْتَقُ أرْحَامَاً وَأرْضَى بِاليَسِيرِ.
“Heiratet die Jungfrauen, denn sie sind höflicher im Ausdruck 4 und haben gesündere Gebärmütter, und sind eher bereit, sich mit wenig zufrieden zu geben.” (I)
Es wird hier deutlich, dass der Islam mit diesen Aussagen nicht die körperlichen Zeichen der Jungfräulichkeit meint, sondern die anderen Aspekte, welche diese Eigenschaft verkörpert, wie die intensive Liebe zum ersten Ehemann, die Bereitschaft, bescheidener zu leben, und die größere Anpassungsfähigkeit an die vorhandenen und möglichen Lebensumstände. Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) selbst hat nur eine einzige Jungfrau (‘Aischah) geheiratet. Alle anderen Ehefrauen waren Witwen oder Geschiedene.
Das Verlöbnis (Al-chitbah الخطبة)
Das Verlöbnis ist die Bekundung des ernsthaften Heiratsinteresses gegenüber dem zukünftigen Ehepartner und seiner eigenen Familie. Das Verlöbnis ist somit nur eine Abmachung (wa’dوعد ) über die zukünftige Eheschließung, die erst nach Abschluss des Ehevertrags zwischen den beiden Ehepartnern erfolgt.
Das Verlöbnis verbietet anderen Heiratsanwärtern in der Verlobungszeit, um die Hand der verlobten Frau anzuhalten. Wenn ein Mann um eine Frau anhalten möchte, die bereits von einem anderen Mann umworben wurde, dann hat er abzuwarten, ob diese Frau diesen Mann heiratet oder ihn ablehnt. Abu-hurairah (radial-laahu ‘anh) berichtet, dass der Prophet (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:
إِيَّاكُمْ وَالظَّنَّ فَإِنَّ الظَّنَّ أَكْذَبُ الْحَدِيثِ وَلَا تَجَسَّسُوا وَلَا تَحَسَّسُوا وَلَا تَبَاغَضُوا وَكُونُوا إِخْوَانًا وَلَا يَخْطُبُ الرَّجُلُ عَلَى خِطْبَةِ أَخِيهِ حَتَّى يَنْكِحَ أَوْ يَتْرُكَ.
“Hütet euch vor Mutmaßungen! Denn das Mutmaßen ist das Erlogenste einer Äußerung! Spioniert nicht und sucht nicht nach den Geheimnissen anderer! Hasst einander nicht, sondern seid wie Geschwister zueinander! Der eine soll nicht um eine Frau anhalten, um die sein Bruder bereits anhielt, bis dieser (sie) heiratet oder lässt!” (B)
Eine Frau kann gleichzeitig von mehreren Heiratsanwärtern umworben werden, wenn man nicht weiß, dass andere ihr Interesse bekundeten oder diese weder Zustimmung, noch Ablehnung für die Ehe äußert. Die Gefährtin
Faatimah Bintu-qais sagte:
فَلَمَّا حَلَلْتُ ذَكَرْتُ لَهُ أَنَّ مُعَاوِيَةَ بْنَ أَبِي سُفْيَانَ وَأَبَا جَهْمٍ خَطَبَانِي فَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ أَمَّا أَبُو جَهْمٍ فَلَا يَضَعُ عَصَاهُ عَنْ عَاتِقِهِ وَأَمَّا مُعَاوِيَةُ فَصُعْلُوكٌ لَا مَالَ لَهُ انْكِحِي أُسَامَةَ بْنَ زَيْدٍ.
“Nachdem meine ‘Iddah (Wartefrist nach der Scheidung) vorbei war, habe ich ihm (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) mitgeteilt, dass Mu’aawiyah Bnu-abi-sufyaan und Abu-dschahm um meine Hand anhielten. Der Gesandte ALLAHs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte daraufhin: “Abu-dschahm hat seinen Stock immer dabei (d. h. er schlägt bzw. er ist ständig unterwegs) und Mu’aawiyah ist arm und besitzt nichts. Heirate Usamah Bnu-zaid!” (M)
Der Heiratswunsch soll der Frau oder ihrem Waliy gegenüber entweder offen und direkt oder durch Andeutungen
bekundet werden 5. Es ist besser, wenn eine Verlobung nicht öffentlich erfolgt, um bei einem Scheitern nicht den Ruf der Ehekandidaten zu schädigen, insbesondere wenn solche Verlobungen sich öfters wiederholen.
Wenn die umworbene Frau unverheiratet ist, keine Eheauflösungsfrist (nach der Scheidung bzw. nach dem Tod des Ehepartners) einzuhalten hat und zwischen beiden kein Ehehindernis besteht, kann man seine Heiratswünsche offen bekunden. Wenn ihre Eheauflösungsfrist als Witwe oder als endgültig Geschiedene 6 noch nicht abgelaufen ist, dann darf sie nur in Andeutungen umworben werden:
أَجَلَهُنَّ فَلَا جُنَاحَ عَلَيۡكُمۡ فِيمَا فَعَلۡنَ فِيٓ أَنفُسِهِنَّ بِٱلۡمَعۡرُوفِۗ وَٱللَّهُ بِمَا تَعۡمَلُونَ خَبِيرٞ ٢٣٤ وَلَا جُنَاحَ عَلَيۡكُمۡ فِيمَا عَرَّضۡتُم بِهِۦ مِنۡ خِطۡبَةِ ٱلنِّسَآءِ أَوۡ أَكۡنَنتُمۡ فِيٓ أَنفُسِكُمۡۚ عَلِمَ ٱللَّهُ أَنَّكُمۡ سَتَذۡكُرُونَهُنَّ وَلَٰكِن لَّا تُوَاعِدُوهُنَّ سِرًّا إِلَّآ أَن تَقُولُواْ قَوۡلٗا مَّعۡرُوفٗاۚ وَلَا تَعۡزِمُواْ عُقۡدَةَ ٱلنِّكَاحِ حَتَّىٰ يَبۡلُغَ ٱلۡكِتَٰبُ أَجَلَهُۥۚ وَٱعۡلَمُوٓاْ أَنَّ ٱللَّهَ يَعۡلَمُ مَا فِيٓ أَنفُسِكُمۡ فَٱحۡذَرُوهُۚ وَٱعۡلَمُوٓاْ أَنَّ ٱللَّهَ غَفُورٌ حَلِيمٞ ٢٣٥
“Diejenigen von euch, die sterben und Witwen hinterlassen, diese warten mit sich vier Monate und zehn Tage ab. Wenn sie ihre Wartezeit beendet haben, dann ist es für euch keine Verfehlung in dem, was sie mit sich selbst machen, nach dem Üblichen. Allaah ist dessen, was ihr tut, allkundig. (235) Es ist für euch keine Verfehlung in dem, was ihr von der Verlobung der (verwitweten) Frauen angedeutet oder in eurem Sinne gehabt habt. Allaah wusste, dass ihr an sie denken werdet; doch gebt ihnen kein Heiratsversprechen außer, dass ihr ein übliches Wort sagt! Entschließt euch nicht zum Heiratsvertrag, bis die vorgeschriebene (Wartezeit) ihr Ende hat. Wisst, dass Allaah das kennt, was in eurem Innern ist, so seid achtsam Ihm gegenüber! Auch wisst, dass Allaah gewiss allvergebend, allnachsichtig ist.” 7
Alle anderen Frauen dürfen weder offen, noch in Andeutungen umworben werden. Darunter fallen im Einzelnen:
- Frauen, die in einem formal gültigen Ehevertrag leben.
- Frauen, die sich noch im Scheidungsprozess befinden, d. h. es wurde eine revidierbare Scheidung (Talaaq-radsch’i طلاق رجعي) 8 bekundet, aber die Frau befindet sich noch innerhalb der Eheauflösungsfrist (‘Iddah).
- Frauen, mit denen ein eingeschränktes bzw. absolutes Ehehindernis besteht.
Während der Verlobungszeit und vor dem Abschluss des Ehevertrags gelten die Verlobten als noch nicht verheiratet. Dies bedeutet, dass sie sich nicht körperlich berühren und auch die ‘Aurah des anderen nicht anschauen dürfen. Sie dürfen sich jedoch im Beisein eines Mahram und unter Berücksichtung aller islamischen Gebote in Bezug des Umgangs mit Fremden näher kennlernen.
Notes:
- Hier ist gemeint: Praxis des Islams. ↩
- Entsprechend lautet eine Aayah: „أَفَمَنْ كَانَ مُؤْمِنًا كَمَنْ كَانَ فَاسِقًا, ist denn derjenige, der iimaan-bekennend ist, wie derjenige, der ein Frevler ist?“ (32:18)[/ref) mit ähnlicher sozialer Stellung gehören, aus dem gleichen Kulturkreis 9Hier spielen die Sprache und die Abstammung eine Rolle. ↩
- Diese Vermutung bezeugt die Unsicherheit des Tradenten, er wußte nicht genau, ob es sieben oder neun Töchter waren. ↩
- Eine andere Bedeutungen könnte lauten: „denn sie haben den frischeren Mund“. ↩
- Als Andeutung wird jegliche Äußerung bewertet, die nicht unmittelbar einen Heiratsantrag offenbart, wie beispielsweise der Satz: „Ich möchte gerne heiraten und wünsche mir, mit einer tugendhaften Frau in Verbindung zu treten.“ Oder „Du bist eine sehr ehrenwerte Frau. Du bist als Ehefrau sehr begehrenswert. ↩
- Eine endgültig geschiedene Frau ist eine Frau, die dreimal von demselben Ehemann geschieden wurde und dadurch ein eingeschränktes Eheverbot zwischen beiden geschiedenen Ehepartnern eingetreten ist (Talaaq-baainطلاق بائن ). ↩
- Quraan (2:234-35) ↩
- Eine revidierbar Geschiedene ist eine Frau, deren Mann die Scheidung maximal zweimal aussprach und sich noch in der Eheauflösungsfrist befindet. Vor Ablauf der Eheauflösungsfrist kann der Ehemann die Scheidung einfrieren und die Ehe fortführen. Dafür benötigt er weder einen neuen Ehevertrag, noch die Zustimmung der Ehefrau, weil sie immer noch seine Ehefrau ist. Sollte die Eheauflösungsfrist ohne die Fortsetzung der Ehe verstreichen, tritt die Scheidung ein und beide Ehepartner können die Ehe nur nach einem neuen Ehevertrag wieder aufnehmen. ↩