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Verschiedene Aspekte zur Ehescheidung


  • Grundsätzlich wird beiden Ehepartnern das Recht zugesprochen, die Ehescheidung zu verlangen, wenn die Umstände es erfordern. Ohne zusätzliche Vereinbarung bleibt die Ehescheidung unter Berufung auf folgende Aayah jedoch dem Ehemann vorbehalten:

وَإِن طَلَّقۡتُمُوهُنَّ مِن قَبۡلِ أَن تَمَسُّوهُنَّ وَقَدۡ فَرَضۡتُمۡ لَهُنَّ فَرِيضَةٗ فَنِصۡفُ مَا فَرَضۡتُمۡ إِلَّآ أَن يَعۡفُونَ أَوۡ يَعۡفُوَاْ ٱلَّذِي بِيَدِهِۦ عُقۡدَةُ ٱلنِّكَاحِۚ

Wenn ihr von ihnen die Scheidung vollzogen habt, bevor ihr sie intim berührt und während ihr ihnen bereits eine Pflichtgabe zugesprochen habt, dann (erhalten sie) die Hälfte dessen, was ihr zugesprochen habt, es sei denn, sie verzichten oder derjenige verzichtet, der über den Ehevertrag verfügt 1. Wenn ihr verzichtet, dann ist dies näher zur Ehrfurcht. 2

Dies impliziert aber nicht, dass dem Ehemann die Ehescheidung als ausschließliches Recht vorbehalten ist, sondern auch die Ehefrau kann beim Vorliegen widriger Umstände, die den Fortbestand der ehelichen Beziehung unmöglich machen, eine Ehescheidung erwirken.

  • Der Ehemann kann sich von der Ehefrau insgesamt dreimal scheiden.

    ٱلطَّلَٰقُ مَرَّتَانِۖ فَإِمۡسَاكُۢ بِمَعۡرُوفٍ أَوۡ تَسۡرِيحُۢ بِإِحۡسَٰنٖۗ

    Die Scheidung ist zwei Mal (widerrufbar), dann gilt entweder Behalten nach dem Üblichen oder Entlassen in Güte 3. 4

    فَإِن طَلَّقَهَا فَلَا تَحِلُّ لَهُۥ مِنۢ بَعۡدُ حَتَّىٰ تَنكِحَ زَوۡجًا غَيۡرَهُۥۗ

    Sollte er von ihr dann (zum dritten Mal) die Scheidung vollzogen haben, so wird sie für ihn danach nicht mehr erlaubt 5, bis sie einen anderen Ehemann heiratet. 6

    Nach den Aussagen beider Aayaat ist die erste und zweite Ehescheidung grundsätzlich widerrufbar, wenn der Ehemann sie innerhalb der Eheauflösungsfrist zurücknimmt. Die dritte Ehescheidung ist jedoch endgültig und unwiderrufbar.

    Die ausgesprochene Ehescheidung ist erst nach Erfüllung folgender drei Bedingungen wirksam:

    a)    Die Eheschließung war scharii’ah-konform (Sahiih-Ehe)

    يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوٓاْ إِذَا نَكَحۡتُمُ ٱلۡمُؤۡمِنَٰتِ ثُمَّ طَلَّقۡتُمُوهُنَّ مِن قَبۡلِ أَن تَمَسُّوهُنَّ فَمَا لَكُمۡ عَلَيۡهِنَّ مِنۡ عِدَّةٖ تَعۡتَدُّونَهَاۖ فَمَتِّعُوهُنَّ وَسَرِّحُوهُنَّ سَرَاحٗا جَمِيلٗا ٤٩

    Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Wenn ihr die iimaan-bekennenden Frauen heiratet und danach euch von ihnen scheidet, bevor ihr mit ihnen intim wart, dann habt ihr sie zu keiner Wartezeit zu verpflichten. So gebt ihnen das ihnen Zustehende und entlasst sie auf gütige Weise. 7

    ‏‏ لَا طَلَاقَ قَبْلَ النِّكَاحِ

    Es gilt keine Ehescheidung vor der Eheschließung. (I)

    b)    Der die Ehescheidung aussprechende Ehemann muss in vollem Umfang geschäftsfähig (raaschid) sein. 8

    رُفِعَ الْقَلَمُ عَنْ ثَلَاثَةٍ عَنْ النَّائِمِ حَتَّى يَسْتَيْقِظَ وَعَنْ الصَّبِيِّ حَتَّى يَحْتَلِمَ وَعَنْ الْمَجْنُونِ حَتَّى يَعْقِلَ.

    Ein Belangen für Verfehlungen entfällt bei Dreien: beim Schlafenden, bis er wieder wach wird, beim Kind, bis es geschlechtsreif wird, und bei dem geistig Behinderten, bis er verständig wird. (A)

    c)    Die ausgesprochene Ehescheidung muss aus freier Entscheidung und ohne Zwang erfolgen1. Der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

    إِنَّ اللَّهَ وَضَعَ عَنْ أُمَّتِي الْخَطَأَ وَالنِّسْيَانَ وَمَا اسْتُكْرِهُوا عَلَيْهِ .

    Gewiss, Allaah belangt meine Anhänger nicht für das aus Versehen, aus Vergesslichkeit und unter Zwang Erfolgte. (I)

    Nach Erfüllung aller drei o. g. Bedingungen wird die Ehescheidung wirksam, auch dann sollte sie nur zum Spaß oder aus reinem Ver-gnügen ausgesprochen worden sein. Es heißt im Hadiith:

    ثَلَاثٌ جِدُّهُنَّ جِدٌّ وَهَزْلُهُنَّ جِدٌّ النِّكَاحُ وَالطَّلَاقُ وَالرَّجْعَةُ.

    Es gibt drei Handlungen, deren Vollzug im Ernst oder im Spaß ernst zu nehmen sind: die Eheschließung, die Ehescheidung und der Widerruf der Ehescheidung (während der ‘Iddah). (T, I, A)

  • Der Ehemann kann bereits bei der ersten Ehescheidung erklären, dass seine Ehescheidung einfach, doppelt oder dreifach gelten soll. Im letzten Fall kann er dreimal unmittelbar hintereinander die Ehescheidung aussprechen. Dies wird entsprechend als dreifach bzw. dreimalig gezählt und die Ehefrau wird damit unwiderrufbar geschieden. 9

    عن رُكَانَةَ: ‏أَتَيْتُ النَّبِيَّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ فَقُلْتُ يَا رَسُولَ اللَّهِ إِنِّي طَلَّقْتُ امْرَأَتِيَ الْبَتَّةَ فَقَالَ‏ ‏مَا أَرَدْتَ بِهَا قُلْتُ وَاحِدَةً قَالَ وَاللَّهِ قُلْتُ وَاللَّهِ قَالَ فَهُوَ مَا أَرَدْتَ.

    Rukanah berichtete: “Ich kam zum Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) und sagte: “Gesandter Allaahs! Ich habe meine Frau unwiderrufbar von mir geschieden.” Dann fragte er: “Was hast du damit gewollt?” Ich erwiderte: “Nur eine Ehescheidung!” Er fragte: “Bei Allaah (nur eine einfache Ehescheidung)?” Ich sagte: “Bei Allaah (es war so)!” Er sagte: “Dann gilt, was du wolltest.” (T, A, I)

    Aus dem Wortlaut des Hadiith geht hervor, dass auch wenn Rukanah (radial-laahu ‘anh) mit “unwiderrufbar”
    die dreimalige Ehescheidung beabsichtigt hätte, diese ebenfalls als solche gegolten hätte. Ansonsten hätte er nicht unter Anrufung Allaahs geschworen, dass er nur eine einfache Ehescheidung beabsichtigte.

  • Es ist zulässig, eine andere Person außer die Ehefrau mit dem Vollzug der Ehescheidung zu bevollmächtigen (Taukiilتوكيل ).
  • Es ist zulässig, der Ehefrau die Entscheidungsfreiheit über die Ehescheidung unter folgenden Bedingungen zu übertragen (Tafwiidتفويض ):
    • Der Ehemann und die Ehefrau müssen voll geschäftsfähig sein.
    • Der Absicht des Ehemannes, die Ehescheidung zu bewirken, da diese Übertragung als Form der Ehescheidung als Talaaq Kinaayah gilt.
    • Die Ehefrau muss wissen, dass diese Übertragung erteilt wurde.
    • Nach den Schaafi’iten, Hanbaliten und Hanafiten muss diese Ehefrau die Ehescheidung sofort und ohne Zeitverzug zwischen dem Angebot des Ehemannes und ihrer Annahme bewirken, wenn der Ehemann keine Frist nannte. Diese Entscheidung kann dann der Ehemann nicht mehr widerrufen. Nach den Maalikiten gilt diese Übertragung, bis die Ehefrau selbst darauf verzichtet oder durch Vollzug von Intimitäten diesen Verzicht bekundet.

    Die Übertragung der Ehescheidung kann direkt mit oder nach dem Abschluss des Ehevertrags vereinbart werden, jedoch nicht vorher.

    Die Zulässigkeit, der Ehefrau die Vollmacht über die Ehescheidung zu übertragen, ist im Quraan belegt.

    يَٰٓأَيُّهَا ٱلنَّبِيُّ قُل لِّأَزۡوَٰجِكَ إِن كُنتُنَّ تُرِدۡنَ ٱلۡحَيَوٰةَ ٱلدُّنۡيَا وَزِينَتَهَا فَتَعَالَيۡنَ أُمَتِّعۡكُنَّ وَأُسَرِّحۡكُنَّ سَرَاحٗا جَمِيلٗا ٢٨ وَإِن كُنتُنَّ تُرِدۡنَ ٱللَّهَ وَرَسُولَهُۥ وَٱلدَّارَ ٱلۡأٓخِرَةَ فَإِنَّ ٱللَّهَ أَعَدَّ لِلۡمُحۡسِنَٰتِ مِنكُنَّ أَجۡرًا عَظِيمٗا ٢٩

    Prophet! Sag deinen Ehefrauen: ‚Wenn ihr das diesseitige Leben und dessen Schmuck anstrebt, dann kommt, damit ich euch von den Verbrauchsgütern gebe und mich von euch auf gütige Weise scheide. (29) Solltet ihr Allaah, Seinen Gesandten und die jenseitige Wohnstätte anstreben, so bereitete Allaah für die Gütigen 10 unter euch eine gewaltige Belohnung. 11

    In einem Hadiith kommentiert ‘Aischah (radial-laahu ‘anha) die damalige Situation: “Der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sal-lam) stellte uns vor die Wahl, ob wir bei ihm bleiben oder die Ehescheidung erhalten wollten. Wir entschieden uns für Allaah und für Seinen Gesandten. Dies wurde uns nicht als Ehescheidung angerechnet.” (B)

  • Die Mut’ah: Die Mut’ah-Zahlung in Bezug auf die Ehescheidung ist das Vermögen, das der Ehemann der von ihm geschiedenen Ehefrau nach Auszahlung ihrer noch ausstehenden Brautgabe zusätzlich als eine Art Abfindung bzw. einmalige Alimente auszahlt.

    žلَّا جُنَاحَ عَلَيۡكُمۡ إِن طَلَّقۡتُمُ ٱلنِّسَآءَ مَا لَمۡ تَمَسُّوهُنَّ أَوۡ تَفۡرِضُواْ لَهُنَّ فَرِيضَةٗۚ وَمَتِّعُوهُنَّ عَلَى ٱلۡمُوسِعِ قَدَرُهُۥ وَعَلَى ٱلۡمُقۡتِرِ قَدَرُهُۥ مَتَٰعَۢا بِٱلۡمَعۡرُوفِۖ حَقًّا عَلَى ٱلۡمُحۡسِنِينَ ٢٣٦

    Es ist für euch keine Verfehlung, wenn ihr von den Frauen die Scheidung vollzieht, bevor ihr sie intim berührt und ihnen eine Pflichtgabe 12 zugesprochen habt. Entschädigt sie (gebt ihnen Mut’ah), der Begüterte nach seinen Mitteln und der Unvermögende nach seinen Mitteln – eine Entschädigung nach dem Üblichen. Es ist eine Verpflichtung, die den Gütigen 13 obliegt. 14

    يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوٓاْ إِذَا نَكَحۡتُمُ ٱلۡمُؤۡمِنَٰتِ ثُمَّ طَلَّقۡتُمُوهُنَّ مِن قَبۡلِ أَن تَمَسُّوهُنَّ فَمَا لَكُمۡ عَلَيۡهِنَّ مِنۡ عِدَّةٖ تَعۡتَدُّونَهَاۖ فَمَتِّعُوهُنَّ وَسَرِّحُوهُنَّ سَرَاحٗا جَمِيلٗا ٤٩

    Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Wenn ihr die iimaan-bekennenden Frauen heiratet und danach euch von ihnen scheidet, bevor ihr mit ihnen intim wart, dann habt ihr sie zu keiner Wartezeit 15 zu verpflichten. So gebt ihnen das ihnen Zustehende (die Mut’ah) und entlasst sie auf gütige Weise. 16

    Die Mut’ah-Zahlung ist nach den Schaafi’iten eine Muss-Handlung 17 und nach den anderen Gelehrten eine Soll-Handlung.

    Die Hanafiten und die Hanbaliten verpflichten zur Mut’ah für jede Ehefrau, mit der keine Brautgabe vereinbart und die vor dem Vollzug der Ehe geschieden wurde.

    Die Mut’ah entfällt überall da, wo die Auszahlung der Brautgabe entfällt und wird nach dem Vermögen des Ehemanns bestimmt.

  • Der Vollzug der Ehe nach dem Abschluss des Ehevertrags geschieht durch die scharii’ah-konforme Chalwah الخلوة.

    Chalwah bedeutet das Zusammenkommen der Ehepartner nach Ab-schluss des Ehevertrags in einem abgeschlossenen Raum (Zimmer, Wohnung, Haus), in dem ihre Privatsphäre gewährleistet ist und beide zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs fähig sind. Unter Fähigkeit fällt sowohl die körperliche Fähigkeit (z. B. Potenz), als auch die scharii’ah-konforme Fähigkeit (z. B. kein Fasten im Ramadaan, kein Ihraam bei der Haddsch-Pilgerfahrt, keine Menstruation, kein Wochenbett, keine Chalwah in der Moschee).

    Nach den Schaafi’iten und Maalikiten gilt eine scharii’ah-konforme Chalwah, die zur Auszahlung der Brautgabe verpflichtet, nur mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs 18. Die Hanafiten und die Hanbaliten sehen von dieser Bedingung ab.

    Wenn eine scharii’ah-konforme Chalwah zustandekam, zieht sie alle Folgen einer scharii’ah-konformen Eheschließung nach sich.

     

    Exkurs

    Ehescheidung durch den muslimischen Richter

    In einem islamischen Staat kann der Richter unter bestimmten Umständen den Ehemann zur Ehescheidung zwingen oder die Ehefrau zu ihren Lasten scheiden (z. B. nach Verwirkung des Unterhalts durch Rückerstattung der Brautgabe, etc.).

    Fallbeispiele richterlicher Scheidung sind:

    – Ehescheidung aufgrund von Unterlassung oder Verweigerung der Unterhaltszahlung zu Lasten des Ehemannes

    – Ehescheidung aufgrund von Impotenz, ansteckenden Krankheiten oder Geistesgestörtheit

    – Ehescheidung aufgrund von schlechtem Umgang, Anfeindung und Mißachtung der Würde und der Ehre

    – Ehescheidung aufgrund schädigender Abwesenheit

    – Ehescheidung aufgrund einer Gefängnisstrafe bzw. Gefangenschaft

    – Ehescheidung wegen Abfall vom Islam bzw. der Annahme des Islam

    – Ehescheidung aufgrund eines Iilaa (eingeschränkter Abstinenzschwur)

    – Ehescheidung aufgrund eines Dhihaar (uneingeschränkter Abstinenzschwur)

    – Ehescheidung aufgrund eines Li’aan (Verfluchungsschwur)

     

Notes:

  1. D. h. der Ehemann
  2. Quraan (2:237)
  3. Ursprünglich: „Ihsaan“. Ihsaan bedeutet, anderen auf schöne Art noch mehr als das zukommen lassen, das ihnen zusteht. Im Bezug auf Allaah (ta’aala) ist Ihsaan ein Synonym für Gnade.
  4. Quraan (2:229)
  5. Ursprünglich: halaal, siehe Glossar.
  6. Quraan (2:230)
  7. Quraan (33:49)
  8. Siehe dazu die Bedingungen (Schuruut) der Arkaan der Ehescheidung.
  9. Siehe auch die sunnah-konforme und sunnah-widrige Ehescheidung.
  10. Ursprünglich: „Muhsiniin“, d. h. ihsaan-gemäß Handlende. Ihsaan bedeutet, anderen auf schöne Art noch mehr als das zukommen lassen, das ihnen zusteht. Im Bezug auf Allaah (ta’aala) ist Ihsaan ein Synonym für Gnade, siehe Glossar.
  11. Quraan (33:28-29)
  12. Hier ist Mahr, die Brautgabe gemeint.
  13. Ursprünglich: „Muhsiniin“, d. h. der ihsaan-gemäß Handelnde, siehe Glossar.
  14. Quraan (2:236)
  15. Ursprünglich: „’Id-dah
  16. Quraan (33:49)
  17. Außer für eine Geschiedene vor dem Vollzug der Ehe, mit der eine Brautgabe vereinbart wurde.
  18. Siehe dazu die Aayaat (2:237 und 4:21)