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Feststellung der islam-konformen Abstammung


Der Grundsatz zur Feststellung der islam-konformen Abstammung wird insbesondere aus folgendem Hadiith des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) abgeleitet:

الوَلَدُ لِلفِرَاشِ ولِلعَاهِرِ الحَجَرُ.

Das Kind gehört dem (ehelichen) Bett, während der Unzuchttreibende den Stein verdient. (B, M, N, I, A, AH)

Abstammung bezogen auf die Mutter

Die Abstammung des Kindes von seiner Mutter wird mit der Geburt eindeutig festgestellt. Diese biologische Abstammung garantiert ein ständiges und festes Verwandtschaftsverhältnis beider Personen. Dies genügt zur Begründung aller Rechtsfolgen einer Nahverwandtschaft wie Ehehindernis, Unterhaltspflicht und Erbrecht. Dabei ist es unerheblich, ob diese Geburt aufgrund einer ehelichen oder einer verbotenen Be-ziehung erfolgte.

Abstammung bezogen auf den Vater

Während die mütterliche Abstammung allein durch die Geburt zustande kommt, kann die väterliche Abstammung prinzipiell auf drei Wegen nachgewiesen werden durch Zeugung:

  • innerhalb einer scharii’ah-konformen Ehe (Sahiih-Ehe),
  • innerhalb einer nicht scharii’ah-konformen aber scharii’ah -tauglichen Ehe (Faasid-Ehe) und
  • nach einer gutgläubigen Verwechslung (Schubhah شبهة).

Die scharii’ah-konforme Ehe (Sahiih-Ehe)

Es besteht Konsens unter allen Fiqh-Schulen darüber, dass das in einer scharii’ah-konformen Ehe gezeugte Kind über eine eindeutige väterliche Abstammung unter folgenden Voraussetzungen verfügt:

  • Der Vater muss die Geschlechtsreife erlangt haben.
  • Die Geburt muss nach Überschreiten der kürzesten Schwangerschaftsdauer (Sechsmonatsfrist) erfolgen.
    Die hanafiitische Schule legt den Beginn der Sechsmonatsfrist auf den Zeitpunkt der Eheschließung, während die anderen Schulen die Frist ab dem Zeitpunkt des Ehevollzugs (des ersten Geschlechtsverkehrs) be-rechnen.
  • Erfüllung der Zeugungsvermutung zwischen beiden Ehepartnern durch die reale Begegnung beider Ehepartner.

Nach hanafiitischer Auffassung wird diese Zeugungsvermutung bereits durch die eheliche Vertragsschließung hinreichend erfüllt.

Alle anderen Schulen erkennen die Zeugungsvermutung nur an, wenn zwischen beiden Ehepartnern die konkrete Möglichkeit der Zeugung gegeben war. Wenn sich beispielsweise beide über längere Zeit aufgrund der räumlichen Entfernung nicht begegnen konnten, oder wenn der Mann nachweislich impotent ist, kann keine Zeugung zwischen beiden möglich sein und das Kind kann nicht die väterliche Abstammung erwerben.
Nach hanafiitischer Auffassung kann die Vaterschaft in einem solchen Fall nur mit einem Li’aan aberkannt werden. 1
Im Unterschied hierzu treten bei den anderen Fiqh-Schulen die Abstammungswirkungen nicht in Kraft, wenn der Vater überzeugend nachweisen kann, dass er im fraglichen Zeitraum der Zeugung nicht bei seiner Ehefrau war. In diesem Fall wird die Vaterschaft und damit die väterliche Abstammung des Kindes ohne Li’aan aberkannt.
Erfolgt die Geburt nach der Eheauflösung (durch Tod des Ehemannes oder die Ehescheidung) jedoch vor Ablauf der längsten Schwangerschaftsdauer erwirbt das Kind die islam-konforme väterliche Abstammung mit all ihren Folgen.

Exkurs:

Die Fristen für Empfängnis und die Schwangerschaftsdauer
Die Scharii’ah verlangt für die Anerkennung einer islam-konformen väterlichen Abstammung, dass zum Zeitpunkt der Zeugung eine scharii’ah-konforme Ehe zwischen dem Vater und der Mutter des Kindes bestand und dass die Geburt innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach der Zeugung erfolgte.
Als kürzeste Schwangerschaftsdauer haben alle Fiqh-Gelehrten einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten festgelegt. Unterschiede gibt es nur bei der Frage, ab welchem Datum die Sechsmonatsfrist berechnet wird, ab der Eheschließung (Hanafiten) oder ab dem Ehevollzug (s. o.).
Über die längstmögliche Schwangerschaftsdauer, innerhalb der die Vaterschaft nach der Eheauflösung anerkannt wird, gibt es keinen Konsens der Fiqh-Schulen. Diese Uneinigkeit resultiert aus den fehlenden Belegstellen und deshalb basieren die jeweiligen Zeitangaben auf den persön-lichen Erfahrungen aus dem damaligen Umfeld.
Nach hanafiitischer Auffassung beträgt die längste Schwangerschaftsdauer zwei Jahre nach Eheauflösung 2. Sie berufen sich hierfür auf eine Aussage von ‘Aischah (radial-laahu ‘anha).
Nach schaafi’iitischer und hanbaliitischer Auffassung beträgt die längste Schwangerschaftsdauer vier Jahre. Beide berufen sich auf einen arabischen Stamm, in welchem Frauen ihr Kind über diese Zeit austrugen.
Nach Maalikiitischer Schule beträgt die längste Schwangerschaftsdauer fünf Jahre.
Die Dhaahiritische Schule und der Chaliifah ‘Umar Bnul-chattaab erkennen als maximale Schwangerschaftsdauer nur neun Mondmonate an.
Heutzutage wird in den Gesetzen vieler islamischer Staaten eine längstmögliche Schwangerschaftsdauer von einem Sonnenjahr anerkannt.

Die nicht scharii’ah-konforme aber -taugliche Ehe (Faasid-Ehe 3)

Die Faasid-Ehe begründet aus Rücksicht auf das Kind eine islam-kon-forme Abstammung vom männlichen Aszendenten. Folgende drei Bedingungen müssen für den Abstammungserwerb erfüllt werden:

  • Der Mann muss geschlechtsreif sein.
  • Der Ehevollzug muss realisiert sein.
  • Die Geburt des Kindes muss nach Überschreiten der Sechsmonatsfrist nach der Empfängnis erfolgen.

Die Vaterschaft kann bei Erfüllung aller o. g. Bedingungen nur durch einen Li’aan
aberkannt werden.
Nach hanafiitischer Auffassung kann die Vaterschaft bei einer Faasid-Ehe nicht durch Li’aan aberkannt werden, da Li’aan nur in einer Sahiih-Ehe gilt.
Erfolgt die Geburt eines Kindes nach Auflösung einer Fasid-Ehe, wird ihm die Abstammung nur zuerkannt, wenn es spätestens vor Ablauf der maximalen Schwangerschaftsdauer geboren wurde (s. o.).

Die Zeugung nach einer gutgläubigen Verwechslung (Schubhah)

Die Schubhah-Zeugung bezeichnet eine durch außerehelichen, aber nicht als Unzucht (Zina) einzustufenden Geschlechtsverkehr erfolgte Zeugung. In diesem Falle gingen beide Partner im “guten Glauben” bzw. “irrtümlich” von einer scharii’ah-konformen Ehe aus. Dies kann entweder auf einer Verwechslung beruhen oder auf Unkenntnis 4 bestimmter Umstände wie bei einer unbekannten Milchverwandtschaft.
Bei der Schubhah-Zeugung wird ebenfalls aus Rücksicht auf das Kind die Vaterschaft anerkannt, wenn die Geburt des Kindes spätestens vor Ablauf der maximalen Schwangerschaftsdauer erfolgt (s. o.)


Notes:

  1. Siehe dazu Li’aan
  2. Für alle Fiqh-Schulen gelten zudem die Bedingungen, dass die Frau nach der Eheauflösung bis zum Zeitpunkt der Geburt keine Ehe eingegangen ist, keine geschlechtliche Beziehung zu einem fremden Mann hatte und ihre einzuhaltende ’Iddah nicht abgelaufen war.
  3. Siehe dazu die Faasid-Ehe
  4. Z. B. wird eine Frau dreimal geschieden und während ihrer Eheauflösungsfrist vollzieht der Mann nochmals mit ihr den Beischlaf im (subjektiven) Irrtumsglauben, dass ihm dies erlaubt wäre.