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Der Verfluchungsschwur (Li’aan اللعان)


Begriffsbestimmung

Linguistisch steht der Begriff Li’aan für “das Vertreiben aus der Gnade Allaahs, Fluch und Vertreibung”.
Als Terminus technicus bezeichnet Li’aan: “durch bestimmte Eide bekräf-tigte Zeugnisse, die seitens des Ehemannes mit dem Wunsch von Allaahs Fluch begleitet werden und seitens der Ehefrau mit dem Wunsch von Allaahs Erzürnen, als Ersatz für die Strafe wegen Unterstellung von Unzucht bzw. Treiben von Unzucht”.

Konsequenzen

Wenn ein Ehemann seine Ehefrau der Unzucht (Zina) bezichtigt, unterliegt er den Folgen der Verleumdung (Qadhf قذف), es sei denn, er kann diese Anschuldigung durch vier vertrauenswürdige redliche Zeugen beweisen oder die Ausnahmereglung für Eheleute (Li’aan) unverzüglich in Anspruch nehmen.
Mit dem Li’aan bewirkt der Ehemann eine unwiderrufbare Ehescheidung und die Aberkennung der ehelichen Abstammung des daraus gezeugten Kindes.

وَٱلَّذِينَ يَرۡمُونَ أَزۡوَٰجَهُمۡ وَلَمۡ يَكُن لَّهُمۡ شُهَدَآءُ إِلَّآ أَنفُسُهُمۡ فَشَهَٰدَةُ أَحَدِهِمۡ أَرۡبَعُ شَهَٰدَٰتِۢ بِٱللَّهِ إِنَّهُۥ لَمِنَ ٱلصَّٰدِقِينَ ٦ وَٱلۡخَٰمِسَةُ أَنَّ لَعۡنَتَ ٱللَّهِ عَلَيۡهِ إِن كَانَ مِنَ ٱلۡكَٰذِبِينَ ٧ وَيَدۡرَؤُاْ عَنۡهَا ٱلۡعَذَابَ أَن تَشۡهَدَ أَرۡبَعَ شَهَٰدَٰتِۢ بِٱللَّهِ إِنَّهُۥ لَمِنَ ٱلۡكَٰذِبِينَ ٨ وَٱلۡخَٰمِسَةَ أَنَّ غَضَبَ ٱللَّهِ عَلَيۡهَآ إِن كَانَ مِنَ ٱلصَّٰدِقِينَ ٩

Für diejenigen, die ihren Ehepartnern Unzucht vorwerfen und dafür keine Zeugen außer sich selbst haben, ist das Zeugnis eines von ihnen vier Bezeugungen bei Allaah: ‚Gewiss, er ist von den Wahrhaftigen!’ (7) Und die fünfte Bezeugung ist: ‚Allaahs Fluch laste auf ihm, sollte er von den Lügnern sein!’ (8) Die Bestrafung hält von ihr fern, dass sie vier Bezeugungen bei Allaah bezeugt: ‚Gewiss, er ist von den Lügnern!’ (9) Und die fünfte Bezeugung ist: ‚Allaah zürne ihr, sollte er von den Wahrhaftigen sein! 1

Manche Vergleichsfälle ereigneten sich zu Lebzeiten des Propheten (sal-lal-lahu ‘alaihi wa sallam) und wurden dementsprechend geregelt:

‏عَنْ سَهْلِ بْنِ سَعْدٍ: أَنَّ ‏عُوَيْمِرًا أَتَى ‏عَاصِمَ بْنَ عَدِيٍّ، وَكَانَ سَيِّدَ ‏بَنِي عَجْلَانَ، ‏فَقَالَ: كَيْفَ تَقُولُونَ فِي رَجُلٍ وَجَدَ مَعَ امْرَأَتِهِ رَجُلًا، أَيَقْتُلُهُ فَتَقْتُلُونَهُ أَمْ كَيْفَ يَصْنَعُ، سَلْ لِي رَسُولَ اللَّهِ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏عَنْ ذَلِكَ؟ فَأَتَى ‏عَاصِمٌ ‏النَّبِيَّ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏‏فَقَالَ: يَا رَسُولَ اللَّهِ؟ فَكَرِهَ رَسُولُ اللَّهِ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ الْمَسَائِلَ. فَسَأَلَهُ عُوَيْمِرٌ، ‏فَقَالَ: إِنَّ رَسُولَ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏كَرِهَ الْمَسَائِلَ وَعَابَهَا، قَالَ عُوَيْمِرٌ: ‏‏وَاللَّهِ لَا أَنْتَهِي حَتَّى أَسْأَلَ رَسُولَ اللَّهِ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏عَنْ ذَلِكَ. فَجَاءَ عُوَيْمِرٌ فَقَالَ: يَا رَسُولَ اللَّهِ رَجُلٌ وَجَدَ مَعَ امْرَأَتِهِ رَجُلًا، أَيَقْتُلُهُ فَتَقْتُلُونَهُ أَمْ كَيْفَ يَصْنَعُ؟ فَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ: ‏قَدْ ‏‏أَنْزَلَ اللَّهُ الْقُرْآنَ فِيكَ وَفِي صَاحِبَتِكَ. فَأَمَرَهُمَا رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ بِالْمُلَاعَنَةِ ‏بِمَا سَمَّى اللَّهُ فِي كِتَابِهِ، ‏فَلَاعَنَهَا‏، ‏ثُمَّ قَالَ: يَا رَسُولَ اللَّهِ إِنْ حَبَسْتُهَا فَقَدْ ظَلَمْتُهَا؛ فَطَلَّقَهَا، فَكَانَتْ سُنَّةً لِمَنْ كَانَ بَعْدَهُمَا فِي ‏الْمُتَلَاعِنَيْنِ.‏ ‏ثُمَّ قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ:‏ ‏انْظُرُوا فَإِنْ جَاءَتْ بِهِ ‏أَسْحَمَ ‏أَدْعَجَ ‏‏الْعَيْنَيْنِ عَظِيمَ ‏الْأَلْيَتَيْنِ خَدَلَّجَ ‏السَّاقَيْنِ فَلَا أَحْسِبُ ‏عُوَيْمِرًا ‏إِلَّا قَدْ صَدَقَ عَلَيْهَا، وَإِنْ جَاءَتْ بِهِ أُحَيْمِرَ كَأَنَّهُ وَحَرَةٌ فَلَا أَحْسِبُ عُوَيْمِرًا ‏إِلَّا قَدْ كَذَبَ عَلَيْهَا. فَجَاءَتْ بِهِ عَلَى ‏النَّعْتِ ‏الَّذِي ‏‏نَعَتَ ‏بِهِ رَسُولُ اللَّهِ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏مِنْ تَصْدِيقِ ‏‏عُوَيْمِرٍ فَكَانَ بَعْدُ يُنْسَبُ إِلَى أُمِّهِ.

Sahl Bnu-sa’d berichtete: “‘Uwaimir ging zu ‘Aasim Bnu-‘adiy, Oberhaupt von Banu-‘adschlaan, und sagte: “Was sagt ihr dazu, wenn ein Mann einen anderen Mann mit seiner Frau vorfindet; soll er ihn töten, damit ihr ihn danach (als Vergeltung dafür) tötet, oder was soll er tun? Frage bitte für mich den Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sal-lam) danach?” ‘Aasim ging sodann zum Gesandten Allaahs (sal-lal-laahu ‘alaihi wa sallam) und fragte ihn. Doch der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) vermied es, auf die Frage einzugehen. ‘Uwaimir fragte ihn dann nach der Antwort und ‘Aasim teilte ihm mit, dass der Gesandte Allaahs (sal-lal-lahu ‘alaihi wa sal-lam) diese Frage nicht mochte und missbilligte. ‘Uwaimir sagte: “Bei Allaah! Ich werde damit nicht aufhören, bis ich den Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) danach fragte!” ‘Uwaimir ging zum Gesandten Allaahs und fragte: “Gesandter Allaahs! Ein Mann fand seine Frau mit einem anderen Mann vor, soll er ihn töten, damit ihr ihn danach (als Vergeltung dafür) tötet, oder was soll er tun?” Der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) antwortete: “Allaah sandte über dich und deine Gefährtin Quraan hinab.” Dann gebot Allaahs Gesandter ihnen den Li’aan, wie Allaah es im Quran vorgab. Dann vollzog er ihr gegenüber Li’aan und sagte: “Allaahs Gesandter! Würde ich sie einsperren, dann würde ich ihr Unrecht tun!” So hat er sich von ihr geschieden. Danach wurde diese Handlung zum Vorbild für alle, die Li’aan vollziehen. Dann sagte der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam): “Wartet ab, sollte sie es (das Kind) dunkel, mit schwarzen großen Augen, mit großem Gesäß und großen Beinen zur Welt bringen, so glaube ich, dass ‘Uwaimir die Wahrheit über sie sprach. Doch sollte sie es hell und klein zur Welt bringen, so glaube ich, dass ‘Uwaimir ihr Falsches unterstellte.” So hat sie es mit den Eigenschaften geboren, die Allaahs Gesandter (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) für die Wahrhaftigkeit ‘Uwaimirs vorsah. So wurde es danach nach seiner Mutter genannt.” (B)

Die Regelung des Li’aan sieht vor, dass der Ehemann auf dem Minbar (Kanzel) in der Moschee in Gegenwart des Richters und führender Persönlichkeiten des jeweiligen Ortes folgende Formel viermal ausspricht:

Allaah ist mein Zeuge und ich bin wahrhaftig in dem, was ich meiner Ehefrau an Zina vorwarf bzw. als ich das Kind aberkannte.

Danach und nachdem ihn der Richter auf die Bedeutung dieses Schrittes unter Ermahnung aufmerksam gemacht hat, spricht er zum fünften Mal:

Allaahs Fluch (la’nah لعنة) ruhe auf mir, sollte ich gelogen haben.

Nachdem der Ehemann den Li’aan in dieser Art ausgesprochen hat, kann die beschuldigte Frau sich entweder durch Schweigen schuldig erklären und unterliegt damit der Zina-Sanktion, oder sie beteuert ihre Unschuld durch den Gegen-Li’aan, indem sie folgende Formel viermal ausspricht:

Allaah ist mein Zeuge, dass er gelogen hat, als er mir Unzucht vorwarf bzw. das Kind aberkannte.”

Danach und nachdem sie der Richter auf die Bedeutung dieses Schrittes aufmerksam gemacht hat, spricht sie zum fünften Mal:

Allaahs Zorn (ghadabغضب ) ruhe auf mir, sollte er wahrhaftig sein.

Das Vollziehen des Li’aan zieht Folgendes nach sich:

  • Weder der Ehemann noch die Ehefrau unterliegen einer Sanktion.
  • Die Ehefrau wird von ihrem Mann endgültig geschieden.
  • Die Vaterschaft des danach gezeugten Kindes wird aberkannt.


Notes:

  1. Quraan (24: 6-9)