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Beweis der islam-konformen Abstammung


Der Beweis der scharii’ah-konformen Abstammung kann über folgende drei Wege erfolgen 1, durch:

  • die Sahiih– bzw. Faasid-Ehe
  • die Anerkenntnis (Iqraarun-nasab إقرار النسب)
  • die Bezeugung vor dem Richter (Al-bay-yinah البينة)

Die Sahiih- oder Faasid-Ehe

Sowohl die Sahiih– als auch die Fasid-Ehe begründen die Vaterschaft. Dabei muss die Eheschließung nicht unbedingt durch Urkunden schriftlich nachgewiesen werden, da diese als selbständige Beweismittel nicht anerkannt werden. Sie können höchstens für den Abstammungsbeweis begleitend herangezogen werden.

Die Anerkenntnis (Iqraar)

Bei der Anerkenntnis (dem Iqraar-Konzept) 2 von Verwandtschaftsverhältnissen unterscheidet man zwischen der Anerkenntnis eines “direkten” und eines “indirekten” Verwandtschaftsverhältnisses.

Die “direkte” Anerkenntnis (Iqraarun-nasab)

Darunter versteht man nur das Anerkennen einer direkten Verwandtschaftsbeziehung ersten Grades (z. B. der Vater erkennt ein Kind an oder umgekehrt) unter bestimmten Bedingungen. Diese Anerkenntnis ist auch wirksam, wenn sie kurz vor dem Ableben der Anerkennenden erfolgt.

Voraussetzungen einer islam-konformen Anerkenntnis sind:

  • Die anerkannte Person darf nicht über eine nachgewiesene Abstammung verfügen, da diese nicht revidiert werden kann.
    Die Vaterschaft eines Kindes, das im Laufe eines Li’aan-Prozesses aberkannt wurde, kann nur von dem betroffenen Ehemann anerkannt werden, weil es wahrscheinlich ist, dass dieser seine Aussage revidiert.
    Die Anerkenntnis unterscheidet sich von der verbotenen Adoption darin, dass sie ein bereits bestehendes islam-konformes Abstammungs-verhältnis bestätigt, aber keine Änderung der ursprünglichen Ab-stammung bewirkt.
  • Die Abstammung muss in der Realität nachvollziehbar sein. So muss zwischen den beiden Personen ein offensichtlicher Altersunterschied bestehen, der die Zeugung tatsächlich möglich erscheinen lässt.
  • Das anzuerkennende zurechnungsfähige und geschlechtsreife Kind muss der Anerkenntnis zustimmen. Die Hanafiten verlangen dies auch von Kindern im “verständigen” Alter (Tamyiiz), während die Maalikiten von dieser Bedingung insgesamt absehen.
  • Die Anerkenntnis darf nicht zu Lasten Dritter abgegeben werden.

Erkennt jemand eine Person mit mittelbarer Abstammung mit ihrer Zustimmung (z. B. als Bruder, Schwester etc.) an, so gilt dies nicht als Iqraar, sondern fällt unter “indirekte Anerkenntnis” (s. u.)

Die “indirekte” Anerkenntnis

Hierbei handelt es sich um das Zugeständnis einer “indirekten” Verwandtschaft, d. h. um eine durch eine dritte Person vermittelte Verwandtschaftsbeziehung als Bruder, Schwester, Neffe, Nichte, etc.

Neben der o. g. Einschränkung, dass die Anerkenntnis einer Person nicht zu Lasten Dritter abgegeben werden darf, muss zu ihrer Gültigkeit eine weitere Bedingung erfüllt werden:

  • Entweder gibt die Person, für die das Verwandtschaftsverhältnis vermittelt wird, ihrerseits ein ausdrückliches Zugeständnis in Form einer Anerkenntnis ab, oder
  • mindestens zwei erbberechtigte Personen der anzuerkennenden toten Person müssen die Verwandtschaftsverhältnisse anerkennen, oder
  • das Konzept der Zeugenaussage (Bayyinah) greift zur Bestätigung der Anerkenntnis ein 3.

Die Bezeugung vor dem Richter

Diese Bezeugung kann im Unterschied zur o. g. Anerkenntnis sowohl zur Anerkenntnis der unmittelbaren Verwandtschaftsverhältnisse, als auch zu Lasten Dritter eingreifen 4. Damit hat die Bezeugung bezüglich der Beweiskraft eines Abstammungsbeweises im Vergleich zur Anerkenntnis einen höheren Rang.

Bei der Bezeugung bekunden die Zeugen, dass die betroffenen Personen voneinander abstammen. Die hierbei erforderliche Anzahl von Zeugen unterscheidet sich je nach Fiqh-Schule.

Die Scharii’ah berücksichtigt in der Regel nur Bezeugungen aufgrund eigener Wahrnehmung bzw. eigenen Wissens. Da jedoch die Ver-mittlung der Abstammung als Folge der Bezeugung in einer erlaubten geschlechtlichen Beziehung eines direkten Beweises nicht zugänglich ist, trägt die Scharii’ah diesem Sachverhalt Rechnung, indem sie hier die Bekundung mittelbaren Wissens, also das Zeugnis vom Hörensagen 5 zulässt. In Bezug auf die islam-konforme Abstammung eines Kindes bedeutet dies nichts anderes, als dass sich die Zeugen über die Meinung der Umwelt hinsichtlich des Status dieses Kindes zu äußern haben.

Exkurs

Künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft und Samen- bzw. Eizellenspende
Die Leihmutterschaft sowie die Samen- und Eizellenspende sind im Islam verboten und die dadurch gezeugten Kinder gelten nach dem Islam nicht als leibliche bzw. nicht als eheliche Kinder.
Die künstliche Befruchtung mit dem Samen des Ehemanns und der Eizelle der Ehefrau ist erlaubt und begründet eine scharii’ah-konforme Abstammung, wenn die Ehefrau das Kind selbst austrägt.

 

Notes:

  1. Allgemein erkennt die Scharii’ah als Beweis einer Tatsache Folgendes an: Zeugenaussagen, eine Anerkenntnis bzw. ein Geständnis und die Ableistung eines Eides. Der Eid findet bezüglich der Klärung von Abstammungsverhältnissen keine Anwendung.
  2. Die Scharii’ah-Konformität des Iqraar gründet auf der Aayah (4:135).
  3. Nach Meinung der hanafiitischen Schule müssen hierfür mindestens zwei männliche oder ein männlicher und zwei weibliche Zeugen eine ausdrückliche Aussage bezüglich der Abstammungs­vermittlung abgeben. Nach maalikiitischer Auffassung sind hier immer zwei männliche Zeugen erforderlich. Nach schaafi’iitischer und hanbaliitischer Meinung müssen alle Erbberechtigten die Abstammung der anzuerkennenden Person bestätigen.
  4. Es greift nach ähnlichem Prinzip zum Beweis einer milchverwandtschaftlichen Beziehung ein.
  5. Auf Arabisch heißt es „Al-istifaadah“. Die erforderliche Anzahl an Zeugen, damit das Prinzip der Istifaadah zur Anwendung kommt, wird unterschiedlich bewertet: nach hanafiitischer Auffassung genügen hierbei zwei männliche Zeugen oder ein männlicher und zwei weibliche Zeugen.

    Alle anderen Schulen vertreten die Meinung, dass eine hinreichend undefinierte Anzahl von Zeugen dieselbe Aussage bekunden muß, so dass man ihnen eine Falschaussage nicht unterstellen kann.