.
.

.

Osmanische Staatsverwaltung


Der oberste Staatsrat (Divan-i hümayun)

Seit der Frühzeit der Osmanen existierte ein Stammesrat der turkmenischen Emire und Clanführer. Dies entsprach auch der früh-arabischen Einrichtung der Stammes-sitzungen (Madschlis-System). Diese einfache Form blieb während der nomadisierenden Lebensweise der Früh-Osmanen so erhalten. Mit der Einrichtung einer wirklichen Hauptstadt (seit der Einnahme der Bursa) stellte sich eine grundsätzlich neue Form der obersten Staatsverwaltung ein: der Oberste Staatsrat (Divan-i hümayun, “herrscherlicher Verwaltungsrat”). Hier waren die jeweils obersten Würdenträger des Reiches versammelt und mussten den Herrscher beraten; bis zur Zeit von Murad I. waren Briefverkehr und Verwaltungsaufgaben aber eher gering, doch die Beraterfunktion war entscheidend. In der Zeit von Orhan (724-763/1334-1362) bestand der Staatsrat lediglich aus vier Personen; zur Zeit von Süleyman I. (926-974/1520-1566) wurde der Oberste Staatsrat in seine letztendliche Form gebracht und setzte sich aus folgenden Würdenträgern und den damit verbundenen Bereichen zusammen:

  1. Großwesir (vekil-e mutlak, “absoluter Vertreter des Herrschers”)
  2. Die Wesire des inneren Staatsbereichs (kubbe vezirleri, “Kuppel-Wesire”)
  3. Die Wesire der nachgeordneten Staatsbereiche (“äußere Wesire”)
  4. Der Nisanci (Der Schreiber der herrscherlichen Tughra, oberster Staatskanzler)
  5. Das Oberhaupt aller Schreiber (reis-ül küttab, Oberster Staatsschreiber)
  6. Der Oberste Sekretär der Verwaltung (defter omini)
  7. Der Haupt-Finanzbuchhalter des Reiches (bas, defterdar)
  8. Der Oberste Finanzverwalter von Rumelien (Rumeli defterdar)
  9. Der Oberste Finanzverwalter von Anatolien (Anadolu defterdar)
  10. Der Schaichul-Islam (seyhül-islam)
  11. Der Oberste Heeresrichter von Rumelien (Rumeli kaziasker)
  12. Der Oberste Heeresrichter von Anatolien (Anadolu kaziasker)

 

Zusätzlich hatten einige wichtige Würdenträger das konsultative (beratende, passive) Recht, am Staatsrat teilzunehmen, waren aber nicht zur Teilnahme verpflichtet, sofern sie nicht ausdrücklich eingeladen wurden:

a.) Der Großgouverneur von Rumelien (Rumeli beylerbeyi)

b.) Der Oberste Admiral und Flottenkommandant (Kapudan pasa)

Vorsitz führte der Herrscher, wenn er in der Hauptstadt war bzw. dies wünschte; in der Zeit nach Süleyman I. war dies eher die Ausnahme. War der Herrscher abwesend, übernahm der Großwesir als Vertreter des Herrschers den Vorsitz.
Außen- und Innenpolitik (einschließlich Fragen zu Krieg und Frieden) war Angelegenheit des Großwesirs und der übrigen Wesire.
Staatskanzlei und damit Verbundenes fiel dem Nisanci und dem Oberhaupt der Schreiber zu.
Verwaltungstechnisches oblag dem Obersten Sekretär der Verwaltung.
Finanzbuchhaltung war Sache der beiden Obersten Finanzverwalter.
Rechtliche und Scharii’ah-gebundene Angelegenheiten sowie auch teilweise deren Umsetzung war Angelegenheit der beiden Obersten Heeresrichter.
Allgemein oblag es dem Staatsrat aber auch, Bitten und Beschwerden anzuhören und gegebenenfalls einzuschreiten, um Unrecht zu verhindern; insofern diente der gesamte Staatsrat als letzte Rechtsinstanz, sofern nicht der Herrscher selbst einschritt oder persönlich mit Anträgen von Bittstellern konfrontiert wurde.

Das Großwesir-Amt

Unter Orhan (724-763/1334-1362) wird sein Bruder Alaeddin Pascha zum Wesir (Vertreter in Verwaltungsdingen) des Sultaans ernannt und in der neuen Hauptstadt Bursa stationiert. Schon bald darauf werden mehrere Wesire ernannt und verschiedenen Aufgaben zugeteilt (ähnlich moderner Ministerialfunktion). Einer davon wird zum Großwesir (vezirül vuzara’) eingesetzt.

Seit Süleyman I. (926-974/1520-1566) wird der Großwesir zum alter ego des Sultaans. Der “absolute Vertreter” (vekil-e mutlak) ist – abgesehen vom persönlichen Haushalt des Herrschers und der obersten Richterschaft der Gelehrten – der eigentliche Machtausübende. Er ist zugleich – nach dem Sultaan – der oberste Heerführer und hat in Abwesenheit des Herrschers diesen im Feldzug zu vertreten. In diesem Falle wurde dem Großwesir das oberste Reichssiegel des Herrschers (Mühr-i hümayun) übergeben und nach Beendigung des Feldzuges wieder abgenommen.

Nach Süleiman I. pflegte kein osmanischer Chaliifah mehr persönlich den Vorsitz des Staatsrates (divan-i hümayun) einzunehmen, der Großwesir vertrat sie. Hier – im Amtssitz des Rates, innerhalb des Topkapi Seray-Geländes – musste viermal in der Woche eine vollständige Staatsratssitzung stattfinden. Seit dem Jahr 1654 – zur Regierungszeit des Sultaans Mehmed IV. (1059-1099/ 1648-1687) – erhielt der Großwesir eine eigene Residenz, die “pasa kapisi” (Tor des Pascha) oder “bab-i ‘aali” (Hohe Pforte) genannt wurde. Dort wurden nach Bedarf noch weitere Sitzungen – unabhängig von den Staatsratssitzungen – abgehalten. Zu den Amtpflichten gehörte, dass er zusammen mit dem Oberhaupt der Janitscharen und dem Oberrichter von Istanbul die Märkte der Stadt inspizieren musste; alle anderen Würdenträger mussten ihm zu bestimmten Zeiten der Woche zeremonielle Besuche abstatten.

Die “Kuppel-Wesire” und “äußeren Wesire”

Ein “Kuppel-Wesir” (kubbe veziri) wurde nach der Kuppel des inneren Palastbereichs benannt. Er war ein sogenannter “innerer Wesir”, also ein Amtsinhaber, der später auch zum Großwesir aufsteigen konnte. Im Unterschied zu diesen gab es auch “äußere Wesire”, speziell die einflußreichen Statthalter von Kairo, Baghdaad und Buda, die zunächst Gouverneure waren, aber in den Wesirsrang versetzt worden waren und mit zum Staatsrat gehörten.

Die Verwaltungs- und Rechnungshofbeamten

Hier wurden zwei Grundbereiche unterschieden:

a.) Die Staatskanzlei, die mit dem diplomatischen Schriftverkehr sowie den staatsinternen Schriftwesen wie Erlässen und Ernennungen befasst war.

b.) Die Finanzverwaltung des Reiches.

a.) Die Staatskanzlei

Hierunter fielen zunächst die hohen Würdenträger dieser Verwaltungseinheit, allen voran der Kanzler und Schreiber des herrscherlichen Zeichens, der Tugra (nach dem Begriff “Zeichen”, nisan, der Zeichenschreiber, nisanci). Dieser hatte zunächst ein Dokument auf rechtliche Korrektheit und formale Richtigkeit zu prüfen und dann gegebenfalls die kunstvolle Tugra-Zeichenform an den Kopf des Dokumentes zu zeichnen; dadurch erst galt das Dokument als beglaubigt. In besonders wichtigen Fällen schrieb der Nisanci auch das gesamte Dokument selbst.

Darauf folgte in der Hierarchie das Oberhaupt aller Schreiber, der “reis ül-küttab”, der im Laufe der Zeit sogar über dem Nisanci rangierte. Dieser war das direkte Oberhaupt der Berufs- und Verwaltungsschreiber und für die verschiedenen Verwaltungsschreiben zuständig. Alle Dokumente wurden in der zentralen Registratur des Reiches (defterhane), ebenfalls dem Staatsrat benachbart, aufbewahrt; zuständig für diesen Bereich war der Registratur-Sekretär (defter omini).

b.) Die Finanzverwaltung des Reiches

Der Vorsteher der osmanischen Finanzbürokratie war der Hauptbuchhalter des Reiches (Defterdar). Bis zur Zeit von Bayezid I. (791-805/1389-1402) gab es nur einen, später wurde der ursprüngliche Defterdar zum Buchhalter von Rumelien, dem europäischen Reichsteil (rumeli defterdar), der zweite zum Buchhalter des anatolischen Reichsteils (anadolu defterdar), analog zu den 2 Heeresrichtern. Nach den Eroberungen von Selim I. (918-926/1512-1520) kam noch ein untergeordneter Defterdar-Vertreter für die arabisch-osmanischen Gebiete mit Amtssitz in Aleppo (Halab) hinzu. Der Haupt-Finanzbuchhalter des Reiches (bas defterdar) saß in Istanbul; sein Amtssitz war direkt dem Staatsrat benachbart.

Die Finanzverwalter bedienten sich einer speziellen Sprache sowie einer Geheimschrift (Sikayet), die sehr viele Kürzel und Ligaturen besaß und von Außenstehenden weder gelesen noch geschrieben werden konnte, also fälschungssicher war. Die zentrale Finanzregistratur wurde – ebenso wie der Reichsschatz – nach jeder Sitzung des obersten Staatsrates neu mit großherrscherlichem Staatssiegel versiegelt.

Aufgrund der Verwaltung der riesigen Reichsgebiete hatte der Defterdar in Istanbul in der Zeit von Süleiman I. ca. 800 untergebene Schreiber und Gehilfen, mit ca. 25 Abteilungen, die im Laufe der Zeit sogar noch erweitert wurden.

Zu den wichtigsten Pflichten gehörte die Darlegung des Staatshaushalts gegenüber dem Divan-i hümayun, sowie die Vorbereitung der dreimal im Jahr erfolgenden Auszahlung der Soldbeträge an die betreffenden Truppen und Provinzen.

Das Rechts- und Gesetzsystem

Die Richterschaft des osmanischen Reiches wurde in der Frühzeit von importierten Fuqaha (Fiqh-Gelehrten) bzw. Qudat (Richtern) gestellt. Mit dem Aufbau qualifizierter Madrasa-Institutionen konnte in der Zeit nach dem Interregnum aber langsam und stetig eine eigene Gruppe geeigneter Gelehrten herangebildet werden.

Ähnlich wie auch heute konnten nur Personen mit umfassender Ausbildung und sehr guter Fähigkeit in den höheren Staatsdienst aufsteigen. Während in den Städten und Siedlungen Bedarf an Muftis und einfachen Gebildeten bestand, entwickelte sich zugleich seit Murad I. eine Hierarchie, die in der islamischen Geschichte ohne Vorläufer war: spezielle Heeresrichter (kaziasker) wurden ernannt, wobei der erste und unter Murad einzige Kaziasker (ab ca. 1361) etwa dem abbasidischen Qadi al-Qudat (Oberrichter des Reiches) entsprach. 1481 wurde ein zweiter Kaziasker ernannt, wobei der erste, ranghöhere für den europäischen Teil zuständig war (Rumeli kaziaskeri, “Heeresrichter von Rumelien”) und der andere für den anatolischen Reichsteil (Anadolu kaziaskeri, “Heeresrichter von Anatolien”). Nach der Gebietserweiterung in der arabischen Region (also mit Selim I. Yavuz) kam noch ein dritter Kaziasker hinzu, der für die syrischen und irakischen Gebiete verantwortlich war (Acem kaziaskeri, “Heeresrichter für den Iranisch-irakisch-syrischen Teil”).

Alle Heeresrichter waren Mitglieder des Staatsrates (Divan-i hümayun) und waren innerhalb ihres Zuständigkeitsgebietes die höchste formale Rechtsinstanz. Ihnen unterstanden sämtliche Strafrichter (Qudat), Ordnungsrichter und durchführende rechtlichen Hilfskräfte im Zivilbereich und der Armee. Der Zuständigkeitsbereich eines einfachen Richters wurde zugleich auch zur Verwaltungseinheit (qaza, Richterbezirk) und zu einer ungefähren Größeneinheit (s.a. Verwaltung). Zusätzlich wurden wegen der Größe mancher Städte auch Oberrichter der Großstädte des Reiches eingesetzt.

Innerhalb der Gelehrtenschaft spielte der “Oberste Mufti”, der Schaichul-Islam (Seyhül islam) die wichtigste Rolle. Theoretisch hatte er die höchste Position aller Gelehrten inne, stand in manchen Fällen sogar über dem Herrscher, da er dessen Absetzung befehlen konnte, sofern die Scharii’ah dies zuließ. De facto aber waren es meist Herrscher, die unliebsame Schaichul-Islam absetzten und durch bequemere ersetzten (die durchschnittliche Amtsdauer war weniger als 4 Jahre). Der erste der insgesamt 175 Amtsinhaber des Titels Schaichul-Islam war Molla Semseddin Fenari (1424-1431), der letzte offizielle Schaichul-Islam war Mustafa Sabri Effendi (im Amt 1919, gest. 1954 in Al-qaahirah). Die längste und außergewöhnlichste Amtsdauer hatte der bedeutende Gelehrte Ebüssuud Effendi inne (geb. 1491, gest. 1574, Schaichul-Islam von 1546 an für 28 Jahre).

Die Provinzverwaltung

Diese gliederte sich in zwei verschiedene Einzelstränge:

a.) Die militärischen Verwaltungsträger und ihre Bevollmächtigten

b.) Die scharii’ah-ausgerichteten Verwaltungsträger und die zugehörigen zivilen Ausführungsorgane

Die erste Gruppe wurde gebildet von Einzelpersonen, die eine bestimmte militärische Karriere durchliefen und schließlich an der Spitze der Befehlshierarchie angekommen Provinzen unterstellt bekamen. Mit der weitgehenden Entmachtung der traditionell-turkmenischen Adligen seit der Zeit von Mehmed I. (815-824/1413-1421) waren dies Männer, die direkt dem Sultaan ihre Macht verdankten und daher auch beliebig eingesetzt werden konnten. Im positiven Sinne gesehen konnte der Herrscher aber auch die fähigsten Menschen in Machtposition bringen, ohne durch gesellschaftliche Rücksichten auf adlige Familien Unfähige einsetzen zu müssen; dies war auch bis ungefähr Selim II. (974-982/1566-1574) der Fall, was eine der größten Stärken des osmanischen Reiches ausmachte. Demgegenüber wurden in europäischen Staaten bis weit ins 17. Jh. hinein Offiziere mehr nach Kauf von Privilegien als nach Fähigkeiten eingesetzt, sofern es mehr Offiziersposten als adlige Bewerber gab.

a.) Die militärischen Verwaltungsträger und ihre Bevollmächtigten

Grundlage dieser militärischen Verwaltung war das Timar-System; dabei wurden verdienten Soldaten oder auch höheren militärischen Rängen wie einem Sandschak-Bey oder einem Beylerbey die Einnahmen eines Timar (bzw. zeamet) zugewiesen.

Der Besitz (mulkiye) selbst blieb immer in der Hand des Herrschers, der dementsprechend einfach einen Timar-Inhaber absetzen oder ihm ein anderes Lehen übertragen konnte. Der Timar-Inhaber war also formalrechtlich Nutznießer, nicht Besitzer – im Gegensatz zu den turkmenischen Beys der Frühzeit bis Mehmed I., die sich durchaus als Besitzer des zugewiesenen Timars verstanden hatten und den Sultaan nur als primus inter pares (Gleichen unter Gleichen) betrachteten.

In diesem System zog der einfache Timar-Inhaber drei Dinge aus seinem Lehen:

  • Seinen direkten Lebensunterhalt, mit dem er auch die Ländereien, Gebäude und Ausrüstungsbereiche zu unterhalten hatte.
  • Seine eigene Ausrüstung als gepanzerter Reiter (Sipahi), sein Pferd und seine zum Feldzug bereitzuhaltende Ausrüstung und gegebenenfalls Ausbildung.
  • Je nach Größe des Lehens: mehrere untergeordnete Reiter (Cebelü-Reiter), ihre Pferde und Ausrüstung, sowie auch mehrere Fußsoldaten, die nach verschiedenen Mustern eingezogen werden konnten und deren Ausbildung er garantieren musste.

Die Anzahl der “mitzubringenden Streitkräfte” hing wesentlich von der Größe und der Art des betreffenden Lehens ab:
Das grundsätzliche Timar: Lehens-Reiter (Cebelü) auf der untersten Stufe erhielten die Steuereinkünfte eines Dorfes zugewiesen, ein Betrag, der ausreichte, sie und ihr Pferd zu versorgen (daher auch die Grundbedeutung von Timar, was etwa “Pferde-pflege” bedeutete). Dem entsprach um 1500 ein Grundwert von ca. 3.000 Aktsche.

Das Zeamet: diese Lehensform (wörtl.: Führungsanteil) war für die mittlere Kom-mandoebene (Sipahi-Offiziere) vorgesehen und ihr Ertrag lag um 1500 bei ca. 20.000 Aktsche. Ein solcher Sipahi-Offizier musste durchschnittlich 8 Reiter (Cebelü) bzw. 3 Reiter und ca. 10 Fußsoldaten bereitstellen.

Das Has: diese Lehensform (wörtl.: speziell, reserviert) begann um 1500 etwa ab einem Gegenwert von 100.000 Aktsche, war aber oft sehr viel höher (manche bis 600.000). Die Inhaber dieser Lehen waren höhere Befehlshaber; erreichte etwa bei einem Sandschak-Bey der Wert seines has einen Wert über 150.000 Aktsche, musste er zusätzlich zu den Sipahi-Reitern, den Cebelü-Reitern und den Fußsoldaten auch ein spezielles Gefolge (kapu halki) unterhalten.

Zugleich waren die militärischen Rangbezeichnungen auch territoriale Verwaltungsbegriffe und hatten eigene Rangabzeichen:
Der Sultaan selbst war der eigentliche Inhaber aller Ländereien. Er wurde im Feldzug durch Vorantragen von 7 sogenannten Roßschweif-Standarten (Tugh) gekennzeichnet. Diese Standarten waren stangenförmig und trugen einen bauschigen Kopf aus speziell gebundenen Pferdeschweifen (diese Sitte stammte aus der zentralasiatischen Tradition der Osmanen. Ursprünglich in der Oghusenzeit wurde Yak-Haar verwendet, seit etwa Ertoghrul Pferdehaar).

Stand der Großwesir im Feld, hatte er das Recht auf 5 Standarten.
Darauf kamen die Beylerbey (Großgouverneur, wörtlich: Fürsten der Fürsten); der Großgouverneur des europäischen Reichsteils (Rumeli Beylerbey) verwaltete alle dortigen Provinzen, entsprechendes galt für den der anatolischen Gebiete (Anadolu Beylerbey) und später dem der arabischen und iranischen Gebiete (acem beylerbeyi). Nach dem 16. Jh. wuchs die Anzahl der untergeordneten Beylerbeys (de facto die Provinz-Gouverneure) auf über 40 an. Einem Beylerbey im Wesirsrang standen drei Roßschweif-Standarten (Tugh) zu, den übrigen Beylerbey zwei. Jeder Beylerbei musste spezielle Gefolge (kapu halki) und Militärmusikkapellen (Mehterhane) unterhalten. Die Einkünfte eines Beylerbey lagen etwa im 16. Jh. bei ca. 1 Million Aktsche. Da der Beylerbey – im Gegensatz zu den untergeordneten Rängen – auch erhebliche zivile Verwaltungsaufgaben erfüllen musste, hatte er einen eigenen Beratungsstab (Divan), der aber nur im Rahmen der engen Vorgaben durch die Hauptverwaltung variieren konnte.
Ihnen unterstellt waren die eigentlichen Provinzgeneräle der Kavallerie (Sandschak-Bey), denen eine Teil-Provinz (Sandschak bzw. Eyalet) unterstand.
Der Sandschak-Bey befehligte außerdem im Feldzug immer die höhere Lehensreiterei der Sipahi. Ihm stand als Rangabzeichen eine Roßschweif-Standarte (Tugh) zu. Sein durchschnittliches Einkommen betrug im 15. Jh. etwa 250.000 Aktsche. War der Sandschak-Bey auf einem Feldzug, musste die zivile Verwaltung der Teil-Provinz durch einen speziellen Verwalter, Kethüda (Vertreter), ausgeführt werden.
Dem Sandschak-Bey direkt unterstellt war der Alaybey (bzw. Miralay); dieser kommandierte 10 Regimenter (bölük) und hatte jeweils ein eigenes, mittelgroßes Zeamet als Lehen inne.
Der Subasi unterstand dem Alaybey und kommandierte ein Regiment (Bölük), das wiederum aus Kompanien (Orta) mit den jeweiligen Kompanieoffizieren (Orta basi) bestand. Der Subasi war demnach der letzte der ranghöheren Offiziere und erhielt ein kleineres Ziamet als Lehen. Wichtig festzuhalten ist, dass die Finanzverwaltung einer jeden Provinz durch einen jeweiligen Defterdar (Finanzbuchhalter) geschah, der wiederum einem der Hauptfinanzverwaltern des Reiches direkt unterstand. Weder der Sandschak-Bey, noch ein anderer Würdenträger des osmanischen Reiches konnte sich in die Angelegenheiten oder Zuweisungen des Defterdar der eigenen Provinz einmischen.
Da ein Beylerbey oder Sandschak-Bey ja einerseits einer ganzen Provinz vorstand, aber diese schon unter Nutznießern aufgeteilt war, wurde – um einer Mehrfachbelastung der Provinzen vorzubeugen – das Einkommen eines has-Lehen für den Beylerbey bzw. Sandschak-Bey aus einer speziellen Teilprovinz gezogen (daher wohl auch der Name), die nicht mit den übrigen Lehensinhabern verbunden war. Andererseits mussten die höheren Lehensinhaber aus den Erträgen, die sie zogen, einen bestimmten Anteil an den Sultaanshof selbst abführen. In manchen Fällen wurde diese Einziehung von Abgaben und ihre Aufteilung direkt von dem Defterdar der Provinz vorgenommen und folglich dem jeweiligen Beylerbey oder Sandschak-Bey der ihm zustehende Betrag ausgezahlt (um großen Fehlrechnungen auf Provinzebene vorzubeugen und zugleich die hohen Würdenträger effektiver zu kontrollieren).

b.) Die scharii’ah-ausgerichteten Verwaltungsträger und die zugehörigen zivilen Ausführungsorgane

Genauso wie die Ausbildungswege der “Leute des Schwertes” (der militärischen Verwalter), der “Leute der Feder” (der Verwaltungsbeamten) und der “Leute des Turbans” (der Gelehrten, Richter und Muftis) sich unterschieden, bildete sich dies auch verwaltungsmäßig ab: die kleineren Gerichtsbezirke (kaza, von arab. qada’) waren die kleinste Einheit und umfassten in der Regel eine Kleinstadt mit mehreren zugehörigen Dörfern und Ortschaften.

Hier war die Hierarchie – verglichen mit der militärischen – eine vielschichtigere:
Das gesamte osmanische Reich wurde durch die Gerichtsbezirke (kazalar) eingeteilt, wobei Großstädte wie Istanbul oder Edirne in sich mehrere Gerichtsbezirke kannten. Über dem Richter (qadi, osman. kazi) stand in Großstädten bzw. Provinzen ein Oberrichter (qadi al-qudat), der nicht dem Befehl des betreffenden Sandschak-Bey unterstand, sondern letztlich autark war und nur in bestimmten Aspekten dem jeweiligen Obersten Heeresrichter (kaziasker) unterstand. Ähnliches galt für die Muftis, die allerdings an die grundsätzlichen, staatstragenden Entscheidungen des Schaichul-Islam gebunden waren. Polizeiaufgaben wurden von verschiedenen Institutionen ausgeübt: in den Großstädten gab es – nach dem Vorbild aus abbasidischer oder seldschukischer Zeit – einen Polizeikommendanten (arab. saahibusch-schurtah, osman. Surta basi); auf dem Land bzw. bei strategisch wichtigen Punkten wie Brücken und Festungen wurde dies seit dem 15. Jahrhundert von den Müsellem-Truppen bzw. den örtlich stationierten Janitscharen-Aghas (Befehlshaber der unteren Ebene) ausgeübt. All diese Beamten und Beauftragten der richterlichen und polizeilichen Ebene wurden direkt aus der zentralen Staatskasse bezahlt, waren also auch in dieser Hinsicht von der Provinzverwaltung entkoppelt.