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Exkurs: Die Charta von Al-madiinah (sahiifatul-madiinah)


Anbei eine Übersetzung des Inhalts der Charta von Al-madiinah, den ich je nach Thema in sechs Artikel eingeteilt habe:

Artikel I (Träger der Charta)

Das ist eine Vereinbarung, aufgesetzt von Muhammad, dem Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam), zwischen den Iimaan-Bekennenden und den Muslimen von Quraisch und von Yathrib und jedem, der zu ihnen gehört, sich ihnen anschließt und sich mit ihnen anstrengt (wörtlich dschihaad praktiziert).

Artikel II (Staatsform)

Sie bilden eine einheitliche Ummah (Gemeinschaft) unter den Menschen.

Artikel III (Pflichten der jeweiligen muslimischen Gruppen)

1. Die Ausgewanderten aus Makkah (muhaadschiruun) von Quraisch – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah 1 und kaufen gemeinsam ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

2. (Der Stamm) Banu-‘auf – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Und jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

3. (Der Stamm) Banu-saa’idah – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Und jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

4. (Der Stamm) Banul-haarith – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Und jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

5. (Der Stamm) Banu-dschuscham – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Und jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

6. (Der Stamm) Banun-nadschdschaar – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Und jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

7. (Der Stamm) ‘Amr Bnu-‘auf – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Und jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

8. (Der Stamm) An-naabit – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Und jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

9. (Der Stamm) Banul-aus – unter Beibehalt ihrer gewachsenen Ordnung – erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Diyyah nach herkömmlichem Brauch. Jede Gruppe von ihnen kauft ihre Gefangengehaltenen frei. (Die Belastungen aufgrund der eventuell entstehenden Verpflichtungen werden) unter den jeweiligen Iimaan-Bekennenden auf angebrachte und gerechte Art und Weise verteilt.

Artikel IV (Pflichten und Rechte der Ummah der Iimaan-Bekennenden)

1. Die Iimaan-Bekennenden lassen keinen mit Schulden belasteten Verantwortlichen einer kinderreichen Familie unter ihnen, ohne dass sie ihn auf angebrachte Weise bei Ersatzleistung oder Diyyah unterstützen.

2. Kein Iimaan-Bekennender darf sich mit einem Maula 2 eines Iimaan-Bekennenden unter dessen Ausschluss verbünden.

3. Die ehrfürchtigen Iimaan-Bekennenden (allesamt) sind gegen jeden unter ihnen, der Übertretung begeht, Unrecht begehrt, Verbotenes tut, Aggression verübt oder Verderb unter den Iimaan-Bekennenden stiftet. Sie alle helfen gegen ihn, selbst dann wenn dieser der Sohn eines von ihnen wäre.

4. Ein Iimaan-Bekennender darf weder einen (anderen) Iimaan-Bekennenden als Vergeltung für (den Tod) eines (verwandten oder verbündeten) Kaafir 3 töten, noch darf er einem Kaafir gegen einen Iimaan-Bekennenden beistehen.

5. Jede Sicherheitsgewährung (mit dem Namen) Allaahs ist gleichwertig. Der Einfachste unter ihnen (den Iimaan-Bekennenden) darf Asyl (idschaarah) in ihrem Namen gewähren.

6. Die Iimaan-Bekennenden sind einander Maula unter den Menschen.

7. Wer uns folgt (zu uns gehört, mit uns verbündet ist) von den Juden erfährt Beistand und Gleichwertigkeit, ohne dass ihnen Unrecht widerfährt oder (ihre Feinde) gegen sie unterstützt werden.

8. Die Iimaan-Bekennenden schließen einen einzigen Frieden. Kein Iimaan-Bekennender darf unter Ausschluss eines (anderen) Iimaan-Bekennenden im Kampf auf dem Wege Allaahs Frieden schließen, es sei denn, sie vereinbaren (Frieden) in Gleichheit und Gerechtigkeit untereinander.

9. Jede Gruppe, die mit uns an Kampfhandlungen teilgenommen hat, wechselt (beim nächsten Einsatz) mit einer anderen Gruppe ab.

10. Die Iimaan-Bekennenden solidarisieren sich untereinander (d. h. sie tragen gemeinsam ihre Schäden) bei ihren Verletzungen (bzw. Verlusten), die sie auf dem Wege Allaahs erlitten haben.

11. Die ehrfürchtigen Iimaan-Bekennenden folgen der besten und geradlinigen Rechtleitung.

12. Ein Polytheist darf weder Vermögenswerten noch Personen von Quraisch Asyl gewähren, noch darf er sich zwischen diesen und einen Iimaan-Bekennenden stellen.

13. Wer erwiesenermaßen einen Iimaan-Bekennenden zu Unrecht vorsätzlich tötet, wird gleichermaßen als Vergeltung dafür getötet, es sei denn, der Vormund (Waliy) des Getöteten verzichtet darauf. Und alle Iimaan-Bekennenden stehen gegen ihn (den Mörder) und dürfen sich nur gegen ihn erheben.

14. Erlaubt ist es keinem Iimaan-Bekennenden, der den Inhalt dieses Papiers anerkennt und den Iimaan an Allaah und an den Jüngsten Tag verinnerlicht, dass er einem Verbrecher beisteht oder Unterschlupf gewährt. Jeden, der ihm (dem Verbrecher) beisteht oder Unterschlupf gewährt, trifft Allaahs Fluch und Sein Zorn am Tage der Auferstehung und von ihm wird dafür weder Reue noch Ersatz angenommen.

15. Wenn ihr euch über eine Sache in ihr (dieser Vereinbarung) streitet, so ist die Wendung damit zu Allaah (Der Erhabene und Majestätische) und zu Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam).

Artikel V (Pflichten und Rechte der Ummah der Juden)

1. Die Juden tragen gemeinsam mit den Iimaan-Bekennenden die Kosten, solange sie (die Iimaan-Bekennenden) sich im Krieg befinden.

2. Die Juden von Banu-‘auf bilden eine Ummah mit den Iimaan-Bekennenden.

3. Die Juden haben ihre Lebensweise (diin) und die Muslime haben ihre Lebensweise, so auch ihre Maula und sie selbst, außer demjenigen, der Unrecht tut oder Verbotenes macht; denn dieser schadet ausschließlich sich selbst und den Mitgliedern seines Haushalts.

4. Die Juden von Banun-nadschdschaar haben das Gleiche (an Rechten) wie die Juden von Bnu-‘auf.

5. Die Juden von Banul-haarith haben gleiche Rechte wie die Juden von Bnu-‘auf.

6. Die Juden von Banu-saa’idah haben gleiche Rechte wie die Juden von Bnu-‘auf.

7. Die Juden von Banu-dschuscham haben gleiche Rechte wie die Juden von Bnu-‘auf.

8. Die Juden von Banul-aus haben gleiche Rechte wie die Juden von Bnu-‘auf.

9. Die Juden von Banu-tha’labah haben das Gleiche (an Rechten) wie die Juden von Bnu-‘auf, außer demjenigen, der Unrecht tut oder Verbotenes macht; denn dieser schadet ausschließlich sich selbst und den Mitgliedern seines Haushalts.

10. Dschafnah ist ein Teil von Tha’labah wie sie selbst.

11. Die Juden von Banul-schutaibah haben das Gleiche (an Rechten) wie die Juden von Bnu-‘auf. Das Pflegen der Kontakte (zu ihnen) steht vor dem Begehen von Verbotenem.

12. Die Maula von Tha’labah sind wie sie selbst.

13. Die engsten Vertrauten und Familien der Juden sind wie sie selbst.

14. Keiner von ihnen (Juden) darf (Al-madiinah) ohne Erlaubnis von Muhammad (sallal-lahu ‘alaihi wa sallam) verlassen.

Artikel VI (Pflichten und Rechte der Ummah von Al-madiinah)

1. Keine Rache darf für eine Verletzung/Verwundung verübt werden. Und wer Meuchelmord begeht, der hat sich selbst und seine Familie gemeuchelt, außer demjenigen, dem Unrecht angetan wurde. Und Allaah ist (Zeuge) über das Beste von diesem (dieser Vereinbarung).

2. Die Juden kommen für ihre Ausgaben auf, und die Muslime kommen für ihre Ausgaben auf.

3. Beide (Muslime/Juden) stehen einander bei gegen jeden, der die Unterzeichner dieses Papiers bekämpft.

4. Sie leisten füreinander guten Ratschlag, Aufrichtigkeit und besten Umgang ohne Begehen von Unrecht.

5. Kein Mensch trägt die Schuld seines Verbündeten mit.

6. Der Beistand gebührt demjenigen, dem Unrecht widerfährt.

7. Die Juden tragen gemeinsam mit den Iimaan-Bekennenden die Kosten, solange sie (die Iimaan-Bekennenden) sich im Krieg befinden.

8. Das Innere Yathribs ist unverletzlich (sichere Zone) für die Unterzeichner dieser Vereinbarung.

9. Der Nachbar ist wie der Mensch selbst, (wenn er) keine Schäden zufügt oder Unrecht begeht.

10. Keine Hurmah 4 darf angenähert werden, ohne die Zustimmung ihrer Besitzer.

11. Sollte zwischen den Unterzeichnern dieser Vereinbarung ein Streit oder eine Auseinandersetzung sich ereignen, die zu einem Verderben führen könnten, so wendet man sich damit zu Allaah (Der Erhabene und Majestätische) und zu Muhammad, dem Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam). Allaah ist (Zeuge) über das Frommste und das Beste dieser Vereinbarung.

12. Weder (dem Stamm) Quraisch noch jedem, der ihm beisteht, darf Asyl gewährt werden.

13. Sie (die Unterzeichner dieses Papiers) leisten einander Beistand gegen jeden, der Yathrib angreift.

14. Wenn sie (die Muslime) zu einem Friedensschluss einberufen, um Frieden zu schließen und komplett anzunehmen, dann schließen sie (die Juden) ebenfalls Frieden und nehmen ihn komplett an. Und wenn sie (die Juden) zu Ähnlichem einberufen, dann haben die Iimaan-Bekennenden ihnen dies ebenfalls zu erfüllen, außer gegenüber jedem, der gegen den Diin (Islam) kämpft. Jede Gruppe erfüllt ihre Verpflichtungen auf ihrer Seite.

15. Die Juden von Al-aus, ihre Maula und sie selbst, haben ähnliche Stellung wie die Unterzeichner dieses Papiers. Sie haben ausschließlich besten Umgang seitens der Unterzeichner dieses Papiers.

16. (Zwischen der Ummah von Al-madiinah gilt) der beste Umgang ohne Begehen von Unrecht. Wer sich etwas zuzieht, der zieht es ausschließlich sich selbst zu. Allaah ist (Zeuge) über das Richtige und das Beste dieser Vereinbarung.

17. Diese Vereinbarung schützt weder Unrechthandelnde noch Übertreter von Verboten.

18. Jeder, der Al-madiinah verlässt, genießt Sicherheit, und jeder, der in Al-madiinah bleibt, genießt Sicherheit, außer demjenigen, der Unrecht tut oder Verbotenes macht. Allaah gewährt Schutz für jeden, der das Beste tut und Ihn fürchtet. Und Muhammad ist Allaahs Gesandter (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam).

Notes:

  1. Diyyah: Eine materielle Entschädigung für bestimmte Tötungsdelikte und Kör­perver­letzungen. Ein Synonym dafür ist al-‘aql (wörtl. Festhalten, Einsperren). Dieser Be­griff beschreibt die vorislamische Sitte, nach der derjenige, der für den Tod eines anderen verantwortlich war, der Familie des Getöteten als Ersatzleistung eine gewisse Anzahl ge­fesselter Kamele vor das Haus stellte, um der Blutrache zu entgehen. Die Verpflichtung zur Ableistung der Diyyah besteht ausschließlich für die männlichen, geschlechtsreifen, zurechnungs­fähigen und ver­mögenden Verwandten des Täters aus der väterlichen Verwandtschaftslinie. Zur Zeit des Gesandten (sallal-laahu ’alaihi wa sallam) bestand die Ver­pflichtung zur Ableistung der Diyyah für den gesamten Stamm des Täters. ’Umar (radial-laahu ’anh) hat die Ver­pflichtung zur Ableistung der Diyyah auf die im Diiwaan (Personenregister) eingetragenen Familien­mitglieder beschränkt. Ableistung der Diyyah ist nach allen Gelehrten eine Pflicht bei folgenden Delikten: bei Körperverletzung, bei Körperverletzung mit Todesfolge und bei Totschlag. Bei Mord gilt die Ableistung der Diyyah nur für den Fall, dass die Tat von einem strafunmündigen oder einem unzurechnungsfähigen Täter begangen wurde. In allen anderen Fällen von Tötungsdelikten mit Vor­satz besteht weder für den Stamm noch für die Familie Diyyah-Pflicht. In diesem Fall gilt die Regel, dass der Mörder, falls er nicht aufgrund von Qisaas (Vergeltung durch Tötung auf gleiche Art und Weise wie das Mordopfer) getötet wurde, mit der Familie seines Opfers Diyyah vereinbaren kann, für die er allein aufkommen muss. Die Diyyah kann in Raten innerhalb von drei Jahren entrichtet werden.
  2. Maula ist der freigelassene Sklave. Sein Herr wird ‚Waliy’ genannt und hat das Recht, seinen Maula nach seinem Tod zu beerben. In vorislamischer Zeit und in der Anfangsphase des Islam bestand die Möglichkeit, einen sog. Walaa’-Vertrag zwischen einem Maula und seinem Waliy abzuschließen. In diesem Vertrag wurde vereinbart, dass die Ver­tragspartner sich gegenseitig beerben, für Diyyah gemeinsam aufkommen und Beistand füreinander im Frieden oder Krieg leisten.
  3. i. A. Nicht-Gottergebene, Nicht-Muslim.
  4. Hurmah: Darunter versteht man alles, dessen Grenzen (auch im übertragenen Sinne) nicht ver­letzt werden dürfen, wie Besitz- und Eigentumsrechte an Grundstücken, Immobilien, Vermögen, Erbrecht ..