Das Ifat-Sultanat (1285-1415)
Das Ifat-Sultanat war das erste bedeutende Sultanat, das am Horn von Afrika von Somali gegründet wurde und über Teile des heutigen Äthiopien, Djibuti und Nordsomalia herrschte. Die regierende Walashma-Dynastie hatte ihren Hauptsitz in der Stadt Zeila`, war aber immer in Auseinandersetzungen mit dem äthiopischen Kaiserreich verstrickt. Der erste bekannte Sultaan dieser Dynastie war Umar Walashma (gest. 1275), dem um 1285 die Eroberung des früheren Sultanats von Shewa (gegr. 896) gelang.
So vereinigte ‘Umar das bislang größte muslimische Gebiet, in unmittelbarer Nachbarschaft des äthiopischen christlichen Reiches. Zu diesem Zeitpunkt war die abbasidische Kontrolle in diesem Gebiet bereits Vergangenheit, und letztlich sind die Gebietserweiterungen von ‘Umar Walasha als Konsolidierung des muslimischen Machtblocks der Region zu verstehen, so wie umgekehrt auch der zeitgleich regierende äthiopische Kaiser Yekuno Amlak (reg. 1270-1280) christliche Fürstentümer in sein Reich integrierte. Tatsächlich bildete das Emirat Shewa den Zankapfel zwischen beiden Reichen.
Im Gegensatz zum äthiopischen Reich waren aber die muslimischen Fürstentümer nicht ausreichend vereinigt; daher folgten auf kleine Teilerfolge immer militärische Niederlagen, die 1332 in einer regelrechten Unterwerfung Ifats durch den Kaiser Amda Seyon I. (1314–1344) endeten.
Von da an wurde oft ein Sultaan nach Abstimmung mit dem äthiopischen Kaiserhaus eingesetzt, manche späteren Sultane wuchsen auch am kaiserlichen Hofe auf. Dennoch setzten die verbliebenen Herrscher des Ifat-Sultanats ihren Kampf fort, doch der äthiopische Kaiser Yeshaq (1414-1429) verfolgte 1414 den letzten Sultaan der Dynastie, Sa’ad Ad-din II. (ca. 1400-1414), bis in die Stadt Zeila’, wo der Sultaan getötet und die Stadt geplündert wurde.
Innerhalb des Folgejahres endete offiziell dieses Sultanat, gefolgt von starken Einwanderungen der Oromo-Volksgruppe in das ehemalige Ifat-Gebiet.
Das Ajuuraan-Sultanat (ca. 1350-ca. 1680)
Das Ajuuraan-Sultanat war ein von Somali gegründetes muslimisches Staatswesen, das über große Teile Ostafrikas herrschte und das frühere Ifat-Sultanat darin übertraf. Es musste sich den Oromo, den Portugiesen und anderen Gegnern stellen, hatte aber mehr Erfolg darin als andere ostafrikanische Staaten, weil es sowohl eine stabile Wirtschaftspolitik wie auch feste Bündnisse (z. B. mit Osmanen) einging.
Die Dynastie des Sultanats war die Gareen-Familie, die zu Beginn ihrer Herrschaft mit immer größeren Einwanderungen von Somali-Clans in ihr Staatsgebiet konfrontiert war (teils durch kaiserlich-äthiopischen Druck auf nord-somalische Gebiete) und daher eine effektivere Staats- und Verwaltungsstruktur entwickeln musste. Da zu dieser Zeit die meisten Somali noch nomadisch lebten, aber ein Sultanat städtische Struktur und Fachleute brauchte, wurden von Beginn des Sultanats an arabische und später auch osmanische Spezialisten ins Land geholt, um architektonische und wassertechnische Fragen zu lösen. Tatsächlich erstaunt bis heute die Leistung, dass über den Zeitraum des Ajuuraan-Sultanats das Wasserversorgungsproblem und die Vorratshaltung mit Nahrung vorbildlich gelöst wurde, so wie auch alle arabischen und portugiesischen Augenzeugen etwa im 16. Jh. die Schönheit, Ordnung und Sauberkeit der Stadt Mogadishu lobten. Viele Moscheen, Festungen, Paläste und Grabanlagen wurden errichtet, deren künstlerische Ausgestaltung ihresgleichen suchte und um ca. 1400 auf der Höhe etwa des südarabischen Niveaus der Zeit war.
Zudem begründete dieses Sultanat auch eine bedeutende Flotte, die im Standard durchaus den arabischen und indischen Schiffsverbänden der Zeit entsprach. Fernhandelsrouten verknüpften Mogadishu, die Hauptstadt des Ajuuraan-Sultanats, mit ganz Ostafrika, Nordafrika und dem mamlukischen Ägypten, dem Indien der Moghuln und Südostasien, Europa, der arabischen Welt, später auch dem Osmanischen Reich wie auch Persien.
Durch die gewaltigen Mengen an Gold, Silber, Elfenbein, Stoffen, Früchten, Luxuswaren aller Art entstand eine bis dahin nicht gekannte Wirtschaftsmacht, die auch arabische Zeitgenossen in Erstaunen versetzte; in der Ming-Zeit Chinas wurden (ca. um 1420) Porzellan gegen exotische Tiere, Weihrauch und Gewürze getauscht (so wird der Transport von Giraffen und Zebras aus dem Hinterland von Somalia an den Kaiserhof der Ming von chinesischen Quellen der Ming-Zeit bestätigt). Auf dem Höhepunkt der Macht stellte das Sultanat sogar selbst manufakturähnlich Spezialstoffe feiner Qualität her, die bis nach Ägypten und Syrien gehandelt wurden. Auch prägte das Sultanat eigene Silbermünzen guter Qualität, die sich in vielen Teilen der islamischen Welt wiederfinden ließen.
So stützte sich das Ajuuraan-Sultanat auf vier gut ineinandergreifende Systeme: Kriegsführung, Handel, dynastische Heiraten und Bündnisse. Über die nomadisch lebende Mehrheitsbevölkerung wurde nicht durch Zwang, sondern durch Überzeugung geherrscht, indem Brunnen und Wasserplätze an zentralen Stellen der Weidezüge gebaut wurden, an denen Vertreter des Sultanats gegebenenfalls als Streitschlichter oder Richter, als Ordner und Verwalter tätig waren. Auch griff man nicht in die bestehenden Land-Handelsrouten der Karawanenführer ein, sondern machte die Städte Zeila, Mogadishu und andere Metropolen für sie attraktiv.
Zusätzlich übernahm man von Fachleuten die bekannten Irrigationsanlagen zur Bewässerung, wie sie z.B. in Oman und Persien seit antiker Zeit bekannt und genutzt waren, und legte neue Felder entlang von Flussgebieten an. Dass diese Anbaumethoden auch Überschüsse produzierten wird deutlich, da ein Handelsweg indische Stoffe über Hormuz (Persien) nach Mogadishu lieferte, im Gegenzug zu Getreide. Um sich die Loyalität der verbündeten Fürsten und Clanführer zu bewahren, wurden gezielt auch die Luxusgüter eingesetzt, die man durch Abgaben aus Fernhandel erhalten hatte.
Durch einige Hafenstädte – speziell Merca und Barawa – war das Sultanat mit den Stadtstaaten Mombasa und Malindi der Swahiliküste verbunden, und nahm über diese am “Indischen Dreieckshandel” sowie am Handel der “Seidenstraße” teil.
Ab ca. 1400 sowie auch nach 1550 wanderten viele muslimische Familien in das Sultanat ein, sowohl Händler mit ihren Familien als auch Flüchtlinge. Das betraf zum einen Muslime aus Spanien, die nach den letzten Vertreibungen im 16. Jh. auch in Nordafrika keine Perspektive mehr sahen und auch wirtschaftlich von Ostafrika angezogen wurden; aber auch Menschen aus politisch instabilen Gegenden wie etwa dem Hadramaut, das im 15. und 16. Jh. von bürgerkiegsähnlichen Stammeskriegen heimgesucht wurde, fanden in den ostafrikanischen Handelsmetropolen gute Bedingungen vor. Unter diesen Neubürgern waren auch viele Gelehrte und Intellektuelle, die das geistige Leben und den islamischen Charakter des Ajuuraan-Sultanats stärkten und dementsprechend Würdigung und Ansehen genossen.
Eine weitere Gruppe waren Fernhändler und ihre Kleinkolonien. In Mogadishu wie auch in den Städten der Swahiliküste bildeten die indischen Händler aus dem Mogulreich und die persischen Händler des Safawidenreiches eigene Viertel, sodass Mogadishu um 1550 eine der großen kosmopolitischen Zentren des Welthandels wurde und an Wichtigkeit sogar Orte wie Alexandria, das nicht an den neuen Welthandelsrouten teilhatte, übertraf.
Wieder andere Personen kamen, um Anstellung in der Armee des Sultanats zu finden. Dieses Heer war ein stehendes, bezahltes, das entweder direkt dem Imaam der Gareen-Dynastie oder einem der Provinzialgouverneure unterstand. Die Armee war ausdrücklich zum Schutz der Staatsbewohner konzipiert und bestand daher weitgehend aus “fremden Truppen”: Mamluken aus Ägypten, wieder andere Armeeteile setzten sich aus arabischen, osmanisch-turkmenischen und auch persischen Söldnern zusammen, die aus dem Staatsertrag leicht bezahlt werden konnten. Da das Sultanat über gute Beziehungen zu den osmanischen Gouverneuren in Ägypten und Arabien verfügte, erhielt es von dort auch moderne Musketen, Kanonen und auch die zur Benutzung erforderliche Ausrüstung, insbesondere, um den Portugiesen ausreichend Widerstand bieten zu können und so auch den osmanischen Interessen im Roten Meer zu dienen. Pferde und traditionelle Eisenwaffen erhielt das Sultanat hingegen aus dem Landesinneren, wo schon seit vorislamischer Zeit hervorragender Stahl hergestellt wurde.
Im Bewusstsein der Bedrohung durch die äthiopischen Kaiser, die manchmal Bündnisse mit den Portugiesen eingingen, errichteten die Herrscher des Sultanats neben Festungen auch befestigte Hafenanlagen und bauten die bis zur Neuzeit größte afrikanische Flotte auf, die die Handelswege sicherte und vor Portugiesen und Piraten schützte, da sonst der Indische und der Seidenhandel zusammengebrochen wären.
Nachdem die Portugiesen unter Alfonso de Albuquerque (1453-1515) in den Jahren 1505 bis 1515 gewaltsame Eroberungszüge und Angriffe gegen arabische, persische und ostafrikanische Städte unternahm (Masqat wurde 1505 besetzt, Hormuz wurde 1515 erobert und besetzt), waren Osmanen und die Ajuuraan-Sultaane alarmiert. Die Zerstörung der Swahili-Sultanate Kilwa, Mombasa, Pate, Lamu, die Besetzung von Sofala und anderen muslimischen Orten in den Jahren bis 1515 machten die Zukunft unter portugiesischer Zukunft deutlich. Kurz nach der Zerstörung an der Swahiliküste konnten portugiesische Soldaten zwar die Stadt Barawa plündern und die Bewohner vertreiben, aber durch Nachfolgekämpfe konnten sie das Gebiet nicht halten. Mogadishu, die damals reichste Stadt der ostafrikanischen Küste, sollte das eigentliche Ziel des portugiesischen Kommandanten Tristão da Cunha (1460-1540) sein, doch dort waren alle Festungen besetzt, Reiter und Landtruppen sowie die Flotte bereits in Alarmbereitschaft, so dass da Cunha ohne Erfolg abziehen musste, nachdem ihm seine Offiziere von dem Angriff abgeraten hatten. Mogadishu sollte die einzige Stadt am indischen Ozean, Roten Meer und Persischen Golf sein, die die Portugiesen derart beeindrucken konnte, und zeigt die Effektivität und Stärke dieses Sultanats.
In den späteren Jahren übernahm das Ajuuraan-Sultanat die aktive Rolle im Kolonialkonflikt: militärische Bündnisse mit dem Imamat von Oman zwangen die Portugiesen 1660, das von ihnen besetzte Mombasa zu verlassen. In den Jahren von 1580 an folgten Angriffe einer vereinigten somali-osmanischen Flotte auf portugiesische Hafenstädte in Ostafrika. Dadurch wurde zwar ein Gegenschlag der starken portugiesischen Kolonialflotte von Goa (Indien) hervorgerufen, aber auch nach Anfangserfolgen zögerten die Portugiesen, das gut befestigte Mogadishu anzugreifen. Zusätzlich nutzten die Ajuuraan-Sultaane ihre Handelsmacht, um durch Handelspolitik das von den Portugiesen angestrebte Monopol im Indischen Ozean zu brechen, was ihnen allein durch Aufrechterhaltung ihrer Unabhängigkeit und Einflussnahme in Ostafrika gelang. (Aus dieser Zeit resultiert der bis in die Neuzeit reichende Einfluss und die Ansiedlung von Somali-Stämmigen an der Swahili-Küste.)
Mitte des 17. Jhs. begannen die Oromo aus Süd-Äthiopien in das Gebiet von Ajuuraan einzuwandern, wobei sie sich militärisch behaupten und ansässig machen wollten. Doch die Gareen-Herrscher zwangen sie, entweder in das äthiopische Kaiserreich zurückzuwandern oder in das Gebiet des Adal-Sultanat weiterzuziehen. Gegen Ende seines Bestehens verlor das Ajuuraan-Sultanat immer mehr Küstenstädte an konkurrierende Fürstentümer, bis es schließlich in anderen Sultanaten aufging.
Das Adal-Sultanat (1415–1555)
Dieses Sultanat übernahm ab 1415 gewissermaßen die Küstenstädte des Ajuuraan-Sultanats einschließlich aller Handelsbeziehungen. In außenpolitischer Hinsicht befand sich das Adal-Sultanat in einem stetigen Kampf gegen das äthiopische Kaiserreich, hatte also – erfolgreicher – die Rolle des Sultanats von Ifat übernommen.
Im Jahre 1529 organisierte Imaam des Sultanats, Ahmad Bnu-ibraahiim Al-ghaazi (1507-43), einen später berühmt gewordenen Feldzug gegen Äthiopien, wobei die Portugiesen unter Cristóvão da Gama (1516-42) die Äthiopier mit 300 Mann Musketentruppen unterstützten und Imaam Ahmad nach ersten Verlusten osmanische Truppen und Waffen (ca. 2000 Musketen und 900 Zusatztruppen aus Arabien) erhielt. Der Feldzug endete zwar nach wechselnden Erfolgen bis 1542 bzw. 1543 für beide Heerführer tödlich, doch hatte sich das Adal-Sultanat als ernstzunehmender Gegner erwiesen.
Im Gegensatz zum Ajuuraan-Sultanat bestanden die Truppen hier nur aus einheimischen Somali-Kriegern, ein großer Teil davon beritten.; seit dem Äthiopischen Krieg jedoch wurden durch osmanische Militärhilfe gegen die Portugiesen Musketen und auch Kanonen eingeführt. Zu seinen besten Zeiten kontrollierte das Sultanat weite Gebiete des heutigen Somalias, Äthiopien, Djibuti und Eriträa. In der letzten Verfallszeit jedoch konnten die Äthiopier ihre früheren Gebietsverluste wieder zurückgewinnen; die Osmanen waren zu diesem Zeitpunkt im Mittelmeer gebunden und nicht imstande, Hilfe zu leisten. Darum wurde die Hauptstadt vom traditionsreichen Zeila’ nach Harar umverlegt, wodurch ein Prestigeverlust und Machtverfall eingeleitet wurde.
Die Invasion der Oromo-Nomaden, die durch das späte Ajuuraan-Sultanat nach Adal umgeleitet wurden, führte zu Verwüstungen und letztlich bis 1555 zum endgültigen Machtverlust des Adal-Sultanats.
Das Geledi-Sultanat (ab ca. 1680-ca. 1900)
Das Geledi-Sultanat (unter der Gobroon-Dynastie) wurde von Ibrahim Adeer (ca. 1680? – ca. 1750?), einem Feldherrn der Ajuuraan, errichtet, nachdem er einige aufständische Vasallen des Ajuuraan-Sultanats besiegt hatte.
Ein wichtiger Grund, weswegen das Geledi-Sultanat aufsteigen konnte, war, dass durch Ajuuraans Untergang viele kleine Fürstentümer frei wurden und sich auch teils freiwillig dem besser organisierten Geledi-Sultanat unterstellten. In der Zeit von Sultaan Yuusuf Mahamuud Ibraahiim erreichte das Sultanat seinen Machthöhepunkt, wobei ein Teil des Handels (Elfenbein und Feuerwaffen) und die Außenbeziehungen zu Oman und Jemen wieder stabilisiert werden konnten. Unter Sultaan Ahmad Yuusuf (1848-1878) konnte von omanischen Händlern und Handelsstützpunkten in Ostafrika sogar Tribut verlangt werden. Auf ihrem Machthöhepunkt verfügte die Armee der Gobroon-Dynastie über eine feste, in Friedenszeiten auf ca. 20.000 Mann geschätzte Truppe, die in Kriegsfall bis zu 50.000 betragen konnte, ausgerüstet großteils schon mit Feuerwaffen und Kanonen. Mit Einschränkungen bestand dieses Sultanat bis zu Kolonialzeit um ca. 1900 weiter.
Das Aussa-Imamat (1577-1734) bzw. Sultanat (seit 1734)
Dieses Imamat ging aus dem Adal-Sultanat hervor; als Imamat bestand es seit 1577 zunächst in Aussa, und wurde – im Gegensatz zu den Sultanaten der Somali – von dem Afar-Volk bestimmt. Ab 1672 ging das Imamat aufgund von Thronfolgeproblemen langsam unter und erlosch 1734, wobei es in das Sultanat von Aussa überging und von der Mudaito-Dynastie geführt wurde. Diese Dynastie bestand bis zur Neuzeit als regierendes Kleinfürstentum.
Das Sennar-Sultanat (1504-1821)
Das sogenannte Fundsch-Sultanat bzw. Sennar-Sultanat war das wichtigste sudanische muslimische Herrschaftszentrum in der Region des heutigen Sudan. Es wurde in arabischen Quellen auch als das “blaue Sultanat” (as-saltanah az-zarqaa’) bezeichnet. Der Name Sennar bezieht sich auf die damalige Hauptstadt dieses nord-sudanischen Gebietes.
In den Anfängen bestanden animistisch-christliche Mischformen von Religion unter den Fundsch, doch 1523 mit dem offiziellen Bekenntnis der Herrscherfamilie zum Islam waren die meisten Fundsch schon weitgehend islamisiert.
Trotz gefühlter Bedrohung durch die Sennar-Expansion bis nach Kordofan hin unternahm das äthiopische Kaiserreich keine Schritte gegen Sennar, da man innere Probleme hatte. Das osmanische Reich versuchte, Sennar nach 1524 zu annektieren, scheiterte jedoch und beließ es bei einer Grenze, die bis 1821 so verblieb.
Ähnlich wie in Kanem-Bornu beruhte die Armeestärke auf schwer gepanzerten Reitern mit Kettenhemden, deren Pferde Schutzdecken trugen; die ebenfalls gepanzerten Fußkämpfer waren bis 1810 die stärkste stehende Landarmee in Ostafrika, die sich in vielen Orten und Lagern im Sultanat aufhielt.
Gesellschaftlich war Sennar streng in sechs ethnisch unterschiedene Großgruppen geteilt, was aus der Entstehungsgeschichte des Sultanats zu verstehen ist. Wirtschaftlich wurde Handel mit dem gesamten mittelöstlichen Gebiet sowie Ostafrika getrieben. Der Staat finanzierte sich hauptsächlich durch Kontrolle über die Handelskarawanen und entsprechende Abgaben; im Gegensatz zu den westafrikanischen Reichen, deren Währung nicht Edelmetalle waren, oder den übrigen ostafrikanischen Staaten, die eigene Silbermünzen prägten, verwendete Sennar Goldwährung. Im 16. Jahrhundert erreichte Sennar seinen Machtzenith; Gelehrte und Gebildete waren am Hof des Sultaans versammelt und scharii’ah-gemäße Auslegungen prägten die Gesellschaft.
Durch Hofintrigen und Nachfolgeprobleme innerhalb der Herrscherfamilie wurde der Staat im 18. Jahrhundert erheblich geschwächt, und 1821 gliederte Ismaa’iil Bnu-muhammad ‘Ali (1789-1848), der Sohn und General des osmanischen Khediven von Ägypten, Muhammad ‘Ali (1769-1849), Sennar in das osmanische Reich ein.
Die Swahili-Küstenstädte
Seit im 8. Jh. viele Menschen aus den arabischen und persischen Kulturräumen flohen (aufgrund von Unruhen), war die ostindische Küste ein idealer Ausgangspunkt für einen Neubeginn. Schon im 9. Jh. vermischten sich die Neueinwanderer mit den Bantu-Bevölkerungsgruppen an der ostafrikanischen Küste, die “Sawâhil” (Küstenstreifen) genannt wurde; offenbar war schon damals ein Handelsweg offen, der später zum berühmten Indischen Dreieckshandel führen sollte.
Zunächst hatte aber der abbasidische Aufschwung (beginnend mit der Stadt Baghdaad) eine Stärkung des arabisch-persischen Handels zur Folge, und dadurch wurde auch der afrikanische Warenbereich interessant, wie etwa Elfenbein. Im 11. Jh. begann der wirkliche Aufschwung der Küstenstädte, die sich aus kleinen Flecken und Dörfern zu Orten und Städten entwickelten. Dadurch wurden vermehrt auch Fachleute, Gelehrte, Handwerker und Gebildete aus der arabischen Halbinsel -speziell Oman und Jemen – angezogen und machten die Städte größer und besser geordnet. Einige Orte wie Mogadishu wurden zudem in dieser Aufbruchsphase neu gegründet. Der Islam bestimmte nun das Erscheinungsbild, Moscheen, Stadthäuser und Paläste, Lagerhäuser und Nutzbauten entstanden.
Die bekanntesten und wichtigsten dieser Städte – die alle als Sultanate galten – waren Lamu (ein Archipel, das im Schiffsbau führte), Kilwa (die heimliche Hauptstadt mit dem größten Sultanat), Mombasa (die später bevölkerungsreichste Stadt), sowie Sofala (die südlichste der Swahili-Städte).
Durch den Indischen Dreieckshandel und als Zwischenhändler im Seidenhandel gelangten viele Luxus- und Kulturgüter wie Seidenstoffe, persische Teppiche, arabische Pferde, indische Edelsteine und Gewürze, chinesisches Porzellan und Weihrauch aus Jemen und Oman, an die Swahiliküste. Es entstand eine besondere Kultur, die afrikanische Wurzeln, arabische und persische Zusätze und als wichtigstes Bindeglied den Islam besaß. Auch wurden eigene Münzen geprägt und in größerem Maß guter Rohstahl hergestellt, der wegen seiner hohen Reinheit bis zu den Damaszener Schmieden geliefert wurde. Aus dem Landesinneren wurde Staubgold geliefert, eine wichtige Ware im indischen Handel.
Schon um 1330 stellten Beobachter wie Ibnu-battuutah (1304-1368 bzw. 1377) fest, dass die Einwohner eine eigene Sprache, das “Swahiili”, sprachen (und schrieben), auch wenn die arabisch-stämmige Oberschicht durchaus noch das Arabische beherrschte. In dieser Zeit liegen auch die Anfänge der Chroniken, welche in den Städten über ihre Geschichte aufgezeichnet wurden, wie der “Kilwa-Chronik”.
Während die Privathäuser der Bevölkerung aus Lehm errichtet waren, verwendete man für Moscheen, vornehme Privathäuser, Paläste und wichtige Lagerhäuser ein spezielles Korallengestein; Ausstattungen mit Porzellanvasen und -tellern, Seidenstoffen, Teppichen, Schmucklampen usw. sind durch Augenzeugenberichte gut belegt und bezeugen eine hohe Kulturstufe bereits um 1300. Auch portugiesische Berichte um 1515 betonen beim Anblick von Kilwa die Schönheit des Ortes.
Durch eine relativ große Handelsflotte bestand zwischen all diesen Städten reger Kulturaustausch, sodass man gegen Ende des 14. Jhs. von einer einheitlichen Regionalkultur der Swahili sprechen konnte. Die Oberschicht der Swahili-Städte bildeten neben den Herrscherfamilien die mehrheitlich arabisch-stämmigen Kaufleute, welche die besten Residenzen besaßen. Die nächste Schicht waren die sogenannten Schirazi (nach der persischen Stadt benannt); diese waren nicht arabisch-sprachig und nur sie besaßen Ländereien, Plantagen und Schiffe. Ihr Vorrecht bestand unter anderem in dem Holzhandel und der Jagd auf Wildtiere (Löwen, Giraffen, Gazellen, usw.). Danach folgten Bauern, Fischer und Unfreie.
Trotz guter Kenntnisse in Architektur errichtete man an keiner der Hafenstädte Befestigungen, da vor den Portugiesen niemand daran dachte, den Handel durch Gewalt zu stören; zu den (meist nichtmuslimischen) Bewohnern des Hinterlandes bestanden gute Beziehungen, die auch Waffenhilfe einschlossen. Eigene nennenswerte Truppen unterhielten die Swahili-Sultanate kaum.
Dadurch waren sie den Angriffen der Portugiesen nahezu schutzlos ausgeliefert; Vasco da Gama (1469-1524) schloss zwar noch 1498 einen Pakt mit der Stadt Malindi, doch fielen 1503 Zansibar, 1505 Sofala, und in demselben Jahr wurden Kilwa und Mombasa geplündert und besetzt. Zwar blieb ein Großteil der Bevölkerung weiterhin in diesen portugiesisch besetzten Städten, aber ihre Bedeutung verfiel, weil die Portugiesen nur an dem südostasiatischen Gewürzhandel Interesse hatten und die alten Handelsbeziehungen etwa in den Norden oder zur arabischen Halbinsel zerschnitten waren.
Nach der Vertreibung der Portugiesen durch die omanischen Ya’ruba-Imaame um 1660 sank die Bedeutung der Swahili-Städte weiterhin, und sie waren bis zur britischen Kolonialzeit meist nur noch wirtschaftliche Zwischenstationen von Fernhändlern aus Oman und Indien, die den Städten aber nicht so verbunden waren wie zuvor; außerdem stellten die kolonialen Interessen der europäischen Mächte zu große Hindernisse für eine Neuaufnahme des Gold- oder Seidenhandels dar.