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Afrika


In diesem Kontext wird unter “Afrika” bzw. “islamischer Geschichte in Afrika” bewusst das Gebiet des afrikanischen Kontinents ohne die nordafrikanischen Maghrib-Staaten, ohne Libyen und ohne Ägypten verstanden.

Geografische Betrachtung

Für die Geschichte ist diese horizontale geografische Teilung Afrikas wichtig. In Westafrika bildeten die Sahara-Gebiete einen eigenen Lebensbereich, gefolgt im Süden von der halbtrockenen Sahel-Zone (Küstenstreifen, wobei die Wüste mit einem Meer verglichen wird). In diesen Ebenen, über weite, damals dicht bewohnte Gebiete herrschend, erstreckten sich die westafrikanischen Großreiche. Daran schließt sich die Regenwaldzone an, und hier endete in der Regel der Einflussbereich der frühen islamischen Reiche Westafrikas. In Ostafrika lag die Situation anders: beginnend vom Horn von Afrika mit weiten Ebenen, bis in den Süden hinunter mit einem relativ schmalen Küstenstreifen war es der Überseehandel, der entscheidend war bei der Entstehung der islamischen Sultanate Ostafrikas.

Frühe Islamisierung

Sahara-Region

Der Islam war den Bewohnern der Wüstenregionen der Sahara schon früh bekannt, aber aus den Berichten etwa über die Sanhaadschah-Berber im 11. Jh. wird klar, dass die Islamisierung zunächst nur sehr oberflächlich stattfand. Dennoch kann bis zum 12. Jh. von einer tatsächlichen islamischen Identität auch der Sahara-Bewohner ausgegangen werden, immer wieder vermittelt durch Händler und eigene Handelsreisen, Teilaufenthalte in Oasen und Städten in Westafrika und Maghrib.

West-Zentral-Region

Hier wurde der Islam zwar schon im Reich Ghana im 9./10. Jh. bekannt, aber in der Masse der Bevölkerung fand der Islam erst während des 12./13. Jhs wirklich seinen Platz. Vom 14. Jh. an beginnt in dieser Region – anders als in der Sahara – auch der intellektuellgelehrte Umsetzungsprozess, eigene afrikanische Gelehrte erscheinen und machen den Islam in der Bevölkerung zu einem festen Stück ihrer Identität.

Das “Horn von Ostafrika” und die Ostküste Afrikas

Der Beginn des Islam in dieser Region kann ungefähr auf das 10. Jh. festgelegt werden, auch wenn schon seit der Frühzeit des Islam arabisch-afrikanische Kontakte bezeugt sind. Die Verbreitung des Islam unter der ostafrikanischen Bevölkerung hängt mit mehreren Faktoren zusammen: dem Arabischen Handel über das Rote Meer hinweg, der schon seit vorislamischer Zeit zwischen Äthiopien und den somalischen Gegenden abgewickelt wurde; zweitens reisten viele somalische Händler – ebenso wie arabische – zwischen dem Horn von Afrika und der arabischen Halbinsel hin- und her, siedelten sich oft auch in den Küstenstädten der ostafrikanischen Küste an. Auch der “Indischen Dreieckshandel”, der seit dem 15. Jh. den Aufstieg vieler Handelsstädte ermöglichte, bewirkte eine große Zahl von Muslimen aus Indien und Asien, nach Afrika zu segeln und die dort ansässigen muslimischen Gemeinschaften zu verstärken. So entstanden die großen Handelsmetropolen von Mogadishu, Berbera und Zaila’, die auch einige bedeutende Gelehrte hervorbrachten, welche ihrerseits zu Multiplikatoren in den einheimischen afrikanischen Gesellschaften wurden.

Auch durch wandernde Sufis wurde zwischen dem 11. und 12. Jh. der Islam in der somalischen Region bekannt. Somalische Grabsteine und die eigenständige Steinmetzarbeit somalischer Kunsthandwerker vor dem 13. Jh. zeigt die herausragende Stellung, die muslimische Gelehrte, Mystiker und zum Islam konvertierte Stammesführer innerhalb der damaligen – noch großteils nomadisch lebenden – somalischen Gesellschaft einnahmen. Nach den erreichbaren Quellen bekannte sich die Mehrheit der somalischen Stammesgruppen bereits im 12. Jh. geschlossen zum Islam, und bildete eine klare religiöse Abgrenzung zu den christlich-äthiopischen Königreichen im Norden des Horns von Afrika. Durch Augenzeugenberichte arabischer Reisen-der und Chronisten wie Ibnu-battuutah kann von einer vollständigen Islamisierung der gesamten somalischen Bevölkerung im 13. Jh. ausgegangen werden, was innerhalb Afrikas eine Ausnahme darstellt. Einige besondere Entwicklungen nahmen ethnische Gruppen zwischen beiden Machtblöcken wie die nomadischen Bedscha, die sich durch Einheirat mit arabischen Familien verbanden und zum Islam kamen, aber sich in Brauchtum und Lebensform sowohl von Äthiopiern als auch von den Somalis unterschieden und eigenständig blieben.

Ähnlich wie die Stadtstaaten in Westafrika spielten in Ostafrika einzelne Städte eine Sonderrolle; doch im Unterschied zu ihren Vergleichsformen im Westen waren die ostafrikanischen Städte immer Seehandelsmetropolen, zwischen denen schnelle und globale Seehandelswege ein allgemein bekanntes und vertrautes Netz knüpften. So beherrschte etwa Mogadishu als “Goldene Stadt” den Goldhandel mit Indien.

Zentral-Ost (Sudan und Darfur)

Bereits in der Phase der Chaliifah der Raaschiduun (ca. 19/640) wurde der Islam im Nordosten Afrikas (im Gebiet des heutigen Sudan) durch Händler bekannt; doch die Islamisierung setzte sich gegen die vorhandene christliche Religion erst im Norden langsam durch (zumal die äthiopische Kirche, durch das benachbarte äthiopische Königreich gestützt, weiter Einfluss ausübte).

Bis ins 14. Jh. war das Gebiet von Nubien südlich des Mamlukenreiches von christlichen Königreichen beherrscht, deren Bevölkerung aber auf dem Land weiterhin animistisch blieb. Erst das Sultanat von Sennar bewirkte, dass sich im 16. Jh. auch im Süden immer mehr Menschen zum Islam bekannten. Eine weitere Rolle zur Verbreitung des Islam war das Fur-Sultanat (heute Region Darfur), das seit dem 18. Jh. eine Schlüsselrolle im Transafrikanischen Handel zwischen Ost- und Westafrika einnahm.

Der Transsahara-Handel

Die Großreiche Westafrikas, die sich im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Burkina-Faso, Niger und Senegal bis zum Tschad erstreckten, beherrschten aufgrund der dortigen gewaltigen Goldminen den gesamten afrikanischen Handel (abgesehen vom afrikanisch-arabisch-indischen Dreieckshandel). Der Reichtum und der Einfluss muslimischer Händler und Gelehrter wurde schon von frühen arabischen Chronisten wie al-Bakri bestätigt.

Der Transsahara-Handel verband in Nord-Süd-Richtung die bedeutenden Küstenstädte Nordafrikas und Ägyptens (über die berberischen Städte und Festungen wie Audaghast) mit den Hauptstädten dieser Reiche wie etwa Kumbi-Saleh, bis hin zu den Stadtstaaten von Timbuktu, Gao und Djenne. Die Handelswaren steuerte jede Region bei; Luxusgüter aus dem Norden wurden mit Gold und Elfenbein ausgeglichen, und der Zwischenhandel geschah über Getreide und Trockenfrüchte sowie insbesondere Salinensalz, das bis in die Neuzeit hinein als Zahlungsmittel galt.

Der Goldreichtum Ghanas war sagenhaft und blieb bis weit ins 16. Jh. bestehen. Der Handel verlief stumm: wobei die (berberischen) Zwischenhändler Waren niederlegten und sich nach Trommelzeichen außer Sichtweite entfernten. Dann legten die einheimischen Minenarbeiter entsprechende Goldmengen nieder. Waren die Austauschmengen zur Zufriedenheit, nahm der Zwischenhändler das Gold, ansonsten ließ er beides liegen, bis die Goldmenge im zweiten Durchgang erhöht wurde. Aus den verhandelten Goldmengen (sowie den sonstigen Gütern) erhoben die afrikanischen Herrscher entsprechende Steuern, die entweder als prozentual abzuführender Bestandteil der eingeführten Waren selbst oder einer Zwischenwährung wie Salz, Kaurimuscheln bzw. speziellen Stoffen bestand.

In manchen westafrikanischen Reichen durfte nur Rohgold in Staubform Privatbesitz sein, Barren oder größere Nuggets mussten an staatliche Stellen gebracht und innerhalb eines Jahres gegen Goldstaub getauscht werden, ansonsten erhielt der Privatbesitzer einen Abzug. Das geschah, um eine größere Ansammlung von Gold in Privatbesitz unattraktiv zu machen und den Wertfluss anzuregen, sowie um die Kontrolle über Gold als Handelsgut zu behalten. Mit dieser Politik blieben die west-afrikanischen Großreiche bis zur Invasion der marokkanischen Mulay-Herrscher die wohlhabendsten des Kontinents.

Das Gold Westafrikas bildete die einzige Grundlage zur Goldwährung der nordafrikanischen islamischen Staaten. Bis weit ins 13.Jh. bildeten wiederum die in Nordafrika erworbenen Goldmünzen und weiterverkauften Goldnuggets die Voraussetzung etwa für zeitgenössische englische Goldmünzen. Zusätzlich durchzogen Handelsrouten auch von Darfur und Kordofan aus bis Kanem-Bornu den Kontinent und verhandelten weitere Güter, und transportierten auch Gelehrte und Forschungsreisende auf Karawanenwegen zwischen Mogadischu und Ghana hin- und her.

In Westafrika fand der Übergang zum Islam fließender statt als im Osten; in manchen Fällen bekannte sich zunächst der Herrscher zum Islam, beließ aber die Untertanen in ihren traditionellen Kulten (etwa in Mali). Manchmal war es auch umgekehrt (wie in Ghana), wo die muslimischen Kaufleute sogar eigene Residenzen und Moscheen unterhielten und Gelehrte und Richter besaßen, aber der Herrscher nur wohlwollend den Islam tolerierte, nicht aber dazu konvertierte.