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Abdülhamid II. (1293-1327/1876–1909)


Einerseits hatte Sultaan Abdülhamid II. den Ansatz, in der damaligen islamischen Welt – bis hin nach Indien und Indonesien – neue Werbung für die Idee der Chilaafah zu machen; auch wurden seit ca. 1880 zum ersten Mal in der osmanischen Geschichte Dörfer und kleine Orte in ein neues Bildungsprogramm einbezogen, insbesondere in der gesamtsyrischen Region. Die Vorwärtstreibung der ehrgeizigen Eisenbahnprojekte (Hidschaaz-Bahn) und der damit einhergehende Anspruch, den Pilgerwegen aus Ägypten, Syrien und Irak nach Makkah und Madiinah zu dienen, waren ein zunächst erfolgreiches Konzept, wurden aber durch die finanziellen und logistischen Engpässe, die enormen Kriegsausgaben und innere Konflikte an der Vollendung gehindert. Andererseits trat Abdülhamid II. durch eine sehr restriktive Innenpolitik, starke Bespitzelung und de facto Rücknahme der Vereinbarungen der früheren Reformedikte hervor, auch die Auflösung des Parlamentes inbegriffen. Durch die eingeengten Möglichkeiten der politischen Mitwirkung wurden viele intellektuelle Osmanen in die nationalistischen Fahrwasser der Jungtürken gedrängt, wiederum mit teils negativen Folgen für die zahlreichen Minderheiten des Reiches, die sich ihrerseits in nationale Mythen flüchteten und so der Zersetzung des Osmanischen Reiches von innen dienten, indem sie europäischen “Schutzmächten” willkommenen Anlass zu Interventionen eröffneten.

Durch den 1878 geschlossenen Vertrag von Berlin wurde dementsprechend das Osmanische Reich gezwungen, der Schaffung eines autonomen Fürstentums Bulgarien zuzustimmen; Serbien, Montenegro, Rumänien wurden unabhängige Staaten. Damit waren alle europäischen Reichsteile – bis auf ein kleines Restgebiet um die Teilprovinz von Edirne – für die Osmanen verloren. Ein Abkommen mit England über eine “vorübergehende” Abtretung Zyperns setzte den Beginn der bis heute andauernden Zypernkrise (die durch die spätere griechische Invasion von 1922 noch verstärkt wurde). Durch neue nationalistische Selbstfindung besetzte Bulgarien 1885 Ost-Rumelien; ähnliche Nationalideen förderten zwischen 1893 und 1895 diverse armenische Regionalaufstände. 1896-1897 tobte ein starker Aufstand in Kreta, der – ähnlich wie andere Ausschreitungen dieser Jahre – nicht mit regulären Truppen oder Sicherheitskräften, sondern mit freiwilligen und mutwilligen paramilitärischen Einheiten unter grausamen Umständen niedergeschlagen wurde und anderen Staaten Vorwände zum Schutz der bedrohten Zivilisten lieferte. Dessen ungeachtet konnte ein osmanischer Sieg gegen das neu gegründete Griechenland erreicht werden. 1908 setzte sich aber die jungtürkische Revolution durch, wobei die Verfassung von 1876 wieder eingesetzt und das Parlament eröffnet wurde.