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Entstehung der Disziplin von Al-dscharh und At-ta’diil


Al-dscharh und At-ta’diil, die Tradenten-Kritik und Tradenten-Überprüfung, werden aus dem Quraan durch folgende Aayah belegt:

يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوٓاْ إِن جَآءَكُمۡ فَاسِقُۢ بِنَبَإٖ فَتَبَيَّنُوٓاْ أَن تُصِيبُواْ قَوۡمَۢا بِجَهَٰلَةٖ فَتُصۡبِحُواْ عَلَىٰ مَا فَعَلۡتُمۡ نَٰدِمِينَ ٦

Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Wenn euch ein Übertreter 1 eine Nachricht übermittelt, so vergewissert euch, damit ihr keine Menschen durch Unwissen verletzt und dann für das reuig werdet, was ihr getan habt. 2

Die Disziplin von Al-dscharh und At-ta’diil ist mit der Weitertradierung der Hadiithe entstanden. Um das Lügen und das Verfälschen in Bezug auf Hadiith-Inhalte oder unkorrekte Hadiith-Tradierung zu unterbinden, haben Hadiith-Gelehrten ihre Kenntnisse über die falschen bzw. mangelhaften Tradenten öffentlich gemacht. Dabei haben sie keine Rücksicht auf Verwandtschaft, Freundschaft oder ähnliches genommen. Als z. B. bei Imaam ‘Aliy Al-madiiniy nach der Tradierungsfähigkeit seines Vaters gefragt wurde, sagte er: “Fragt andere nach ihm”. Doch als er nach seiner persönlicher Einschätzung gefragt wurde, gab er die eindeutige Antwort: “Es geht um den Islam, er ist schwach!” 3

Der große Taabi’iy und Imaam عامر الشَّعْبِيِّ ‘Aamir Asch-scha’biy (19/640 – 103/722) hat die Strenge der Hadiith-Kritiker mit folgender Aussage zutreffend wiedergegeben:
“Bei Allaah! Würde ich 99-mal richtig liegen und nur ein einziges Mal Fehler begehen, würden sie dieses eine Mal gegen mich berücksichtigen.” 4

Diese öffentliche und zum Teil sehr harte Kritik gegen die Hadiith-Tradenten wurde von den Gelehrten nicht als Ghiibah 5 غيبة (schlechte und üble Nachrede über an- bzw. abwesende Personen) aufgefasst, sondern als Nasiihah نصيحة, (guter Ratschlag für den Islam und für die Muslime) bezeichnet. Die Überprüfung der Hadiith-Tradenten wurde als Amaanah أمانة, d. h. als etwas Anvertrautes, verstanden, dem jeder Muslim gerecht werden muss. Um nicht unabsichtlich Ghiibah zu begehen, haben die Tradenten-Kritiker deshalb nur solche Tradenten beurteilt, auf deren Tradierung die Hadiith-Gelehrten und andere Tradenten angewiesen waren.

عَبْدُ الرَّحْمَنِ بْنُ مَهْدِيّ ‘Abdur-rahmaan Bnu-mahdiy (135/753 – 198/814) berichtete: “Ich fragte Schu’bah, Ibnul-mubaarak, Sufyaan Ath-thauriy und Maalik Bnu-anas über einen Mann, der des Lügens bezichtigt wurde, (ob er dies öffentlich machen solle). Sie sagten: “Mache es öffentlich, denn es geht um den Islam!” 6

Als يحيى بن سعيد القطان Yahya Bnu-sa’iid Al-qattaan (120/738 – 198/814) wegen seiner Kritik mancher Hadiith-Tradenten gefragt wurde: “Hast du keine Angst, dass diese Tradenten, deren Hadiithe du zurückweist, dich bei Allaah (ta’aala) anklagen?”, sagte er : “Mir ist es lieber, dass diese Menschen meine Gegner sind und nicht der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam), denn er wird mir sagen: “Weshalb hast du in meinem Namen einen Hadiith überlieferst, von dem du weißt, dass er erlogen ist?” 7

 

Notes:

  1. Ursprünglich: Faasiq. Faasiq sind Menschen (Muslime oder Kaafir), die bewusst Allaahs Ge­bote verletzen.
  2. Quraan (49:6)
  3. Siehe „al-i’laanu bit-taubiichi liman dhamma ahlat-taariich الإعلان بالتوبيخ لمن ذمّ أهل التاريخ“ von dem Gelehrten As-sachaawiy (gest. 902/1497).
  4. Siehe dazu das Werk des Hadiith-Gelehrten Adh-dhahabiy الذهبي (673/1275 – 748/1347) „tadh­kiratul-huffaadh تذكرة الحفاظ“.
  5. Ghiibah gehört im Normalfall zu den Schweren Sünden, den Al-kabaair. Dies sind Verfehlungen, für die es in den Scharii’ah-Texten eine nachdrückliche Androhung mit Peinigung gibt.
  6. Siehe „at-tamhiid bzw. muqad-dimatut-tamhiid von dem Gelehrten Ibnu-’abdil-barr“.
  7. Siehe „al-kifaayah von Imaam Al-chatiib Al-baghdaadiy“.