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Begriffsbestimmung von Al-bid’ah البدعة


Linguistische Bedeutung von Al-bid’ah

Linguistisch ist Al-bid’ah “die erfundene Angelegenheit” bzw. “die Neuerung”. Das Verb “bada’a
بدع” bedeutet “etwas erfinden ohne vorheriges Beispiel”.
Allaah (ta’aala) heißt “badii’us-samawaati wal-ard بديع السموات والأرض“, d. h. der Erschaffer und Erfinder der Himmel und der Erde ohne vorheriges Beispiel:

وَقَالُواْ ٱتَّخَذَ ٱللَّهُ وَلَدٗاۗ سُبۡحَٰنَهُۥۖ بَل لَّهُۥ مَا فِي ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِۖ كُلّٞ لَّهُۥ قَٰنِتُونَ ١١٦ بَدِيعُ ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِۖ وَإِذَا قَضَىٰٓ أَمۡرٗا فَإِنَّمَا يَقُولُ لَهُۥ كُن فَيَكُونُ ١١٧

Schon sagten sie: “Allaah nahm sich Kinder”. Gepriesen erhaben ist Er! Nein, sondern Ihm gehört, was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Alle sind Ihm ergeben. (117) Er ist Der Erschaffer der Himmel und der Erde. Wenn Er eine Angelegenheit bestimmte, so sagt Er ihr nur: “Sei!”, sogleich ist sie. 1

Diese o. g. Bedeutung wurde im Quraan ebenfalls in Bezug auf die Prophetenschaft des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) verwendet:

قُلۡ مَا كُنتُ بِدۡعٗا مِّنَ ٱلرُّسُلِ وَمَآ أَدۡرِي مَا يُفۡعَلُ بِي وَلَا بِكُمۡۖ إِنۡ أَتَّبِعُ إِلَّا مَا يُوحَىٰٓ إِلَيَّ وَمَآ أَنَا۠ إِلَّا نَذِيرٞ مُّبِينٞ ٩

Sag: ‚Ich bin keine Neuheit 2 unter den Gesandten. Ich weiß weder, was mit mir geschehen wird, noch mit euch. Ich folge nur dem, was mir übermittelt wird. Ich bin doch nur ein deutlicher Warner!’ 3

Ein Mensch heißt “mubtadi’ مبتدع“, wenn er etwas erfindet und einführt, das vorher nicht bekannt war. Und etwas in seiner Schönheit Unvergleichbares heißt “amrun badii’ أمر بديع

Fachspezifische Definition von Al-bid’ah

Fachspezifisch wird Al-bid’ah wie folgt definiert:
Al-bid’ah ist alles, sei es eine Aussage oder eine Handlung, das die Menschen ohne vorheriges über den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) oder über seine Gefährten überliefertes Beispiel in den Islam einführen.

Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

حَدَّثَنَا يَعْقُوبُ حَدَّثَنَا إِبْرَاهِيمُ بْنُ سَعْدٍ عَنْ أَبِيهِ عَنِ الْقَاسِمِ بْنِ مُحَمَّدٍ عَنْ عَائِشَةَ رَضِي اللَّهم عَنْهَا قَالَتْ قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّه عَلَيْهِ وَسَلَّمَ مَنْ أَحْدَثَ فِي أَمْرِنَا هَذَا مَا لَيْسَ فِيهِ فَهُوَ رَدٌّ.

Uns erzählte Ya’quub: “Uns erzählte Ibraahiim Bnu-sa’d über seinen Vater über Al-qaasim Bnu-muhammad über ‘Aaischah (radial-laahu ‘anha), sie sagte: “Der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte: “Wer in diese unsere Angelegenheit (in den Islam) etwas einführt, was nicht darin enthalten ist, wird zurückgewiesen.” (B)

حَدَّثَنَا إِسْحَقُ بْنُ إِبْرَاهِيمَ وَعَبْدُ بْنُ حُمَيْدٍ جَمِيعًا عَنْ أَبِي عَامِرٍ قَالَ عَبْدٌ حَدَّثَنَا عَبْدُ الْمَلِكِ بْنُ عَمْرٍو حَدَّثَنَا عَبْدُ اللَّهِ بْنُ جَعْفَرٍ الزُّهْرِيُّ عَنْ سَعْدِ بْنِ إِبْرَاهِيمَ قَالَ سَأَلْتُ الْقَاسِمَ بْنَ مُحَمَّدٍ عَنْ رَجُلٍ لَهُ ثَلَاثَةُ مَسَاكِنَ فَأَوْصَى بِثُلُثِ كُلِّ مَسْكَنٍ مِنْهَا قَالَ يُجْمَعُ ذَلِكَ كُلُّهُ فِي مَسْكَنٍ وَاحِدٍ ثُمَّ قَالَ أَخْبَرَتْنِي عَائِشَةُ أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ صَلَّى اللَّه عَلَيْهِ وَسَلَّمَ قَالَ مَنْ عَمِلَ عَمَلًا لَيْسَ عَلَيْهِ أَمْرُنَا فَهُوَ رَدٌّ.

Uns erzählte Ishaaq Bnu-ibraahiim und ‘Abdu Bnu-humaid, beide gemeinsam, über Abu-‘aamir, ‘Abdu Bnu-humaid sagte: “Uns erzählte ‘Abdul-malik Bnu-‘amr: “Uns erzählte ‘Abdullaah Bnu-dscha’far Az-zuhriy über Sa’d Bnu-ibraahiim, er sagte: “Ich fragte Al-qaasim Bnu-muhammad über einen Mann, der drei Häuser besitzt und in seinem Testament (andere) mit einem Drittel von jedem Haus bedachte.” Er antwortete: “All dies wird zu einem Haus zusammengefügt.” Dann sagte er: “‘Aaischah teilte mir mit, dass der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte: “Wer eine Handlung vollzieht, die mit unserer Angelegenheit (mit dem Islam) nicht übereinstimmt, so ist sie zurückzuweisen.” (M)

Es ist klarzustellen, dass alle Neuerungen (Bid’ah), seien sie eine Aufforderung zur Vollziehung oder zur Unterlassung von Handlungen, nur im Bereich der eindeutigen ‘Aqiidah (Imaan-Inhalte), der eindeutigen Riten (‘Ibaadah-Handlungen) und der unveränderbaren und nicht entwickelbaren Islam-Angelegenheiten zurückzuweisen sind.
Neuerungen, die den eindeutigen Islam-Inhalten nicht widersprechen oder mit dem Islam in Einklang gebracht werden können, sind selbstverständlich nicht haraam und nicht verboten.
Manche derartige Bid’ah bzw. Neuerungen sind sogar notwendig und unverzichtbar. Imaam Al-‘izz Bnu-‘abdis-salaam العز بن عبد السلام (gest. 660/1262) teilt Al-bid’ah in seinem Werk “qawaa’idul-ahkaam fi masaalihil-anaam قواعد الأحكام في مصالح الأنام” in fünf Kategorien ein und erklärte, das man den Typ der Bid’ah feststellt, in dem man die neue Handlung nach den Scharii’ah-Regeln beurteilt. Wenn sie mit den Regeln der Verpflichtungen übereinstimmt, dann gilt sie als verpflichtend, wenn sie mit den Regeln des Verbietens übereinstimmt, dann gilt sie als verboten, usw.:

  1. Al-bid’atul-waadschibah البدعة الواجبة
    Darunter versteht man eine Neuerung, deren Beachtung eine Pflicht-Handlung darstellt, wie z. B. die Entwicklung der Disziplinen der arabischen Sprache (Grammatik, Balaaghah, etc.) oder die Disziplinen von Usuulul-fiqh, um den Quraan und die Sunnah in adäquater Art und Weise verstehen und begreifen zu können; die Verschriftlichung des Quraan in Buchform; die Entwicklung der Hadiith-Wissenschaft, um die authentischen Tradierungen der Hadiithe von den Nicht-Authentischen zu unterscheiden, etc.
  2. Al-bid’atul-manduubah البدعة المندوبة
    Darunter versteht man eine Neuerung, deren Beachtung eine Soll-Handlung darstellt, wie das gemeinschaftliche Taraawiih-Gebet; der zweite Gebetsruf zum Freitagsgebet zur Zeit von ‘Uthmaan Bnu-‘affaan (radial-laahu ‘anhu) auf dem Markt; das Bauen von Schulen und Gerichtgebäuden, etc.
  3. Al-bid’atul-mubaahah البدعة المباحة
    Darunter versteht man eine Neuerung, deren Beachtung eine Kann-Handlung darstellt, wie das Handreichen dem Sitznachbarn nach dem rituellen Morgengebet und dem rituellen Nachmittagsgebet; das Essen mit den Fingern oder einem Löffel; das Genießen unterschiedlicher kulinarischer Spezialitäten, etc.
  4. Al-bid’atul-makruuhah البدعة المكروهة
    Darunter versteht man eine Neuerung, deren Beachtung eine Soll-Nicht-Handlung darstellt, wie das Fasten nur am Freitag oder nur am Samstag, etc.
  5. Al-bid’atul-muharramah البدعة المحرمة
    Darunter versteht man eine Neuerung, deren Beachtung eine Haraam- bzw. Darf-Nicht-Handlung darstellt, wie das verschwenderische Ausschmücken und Verzieren der Moscheen; das Verbot der Ehe; das rituelle Fasten an mehreren Tagen ohne Fastenbrechen dazwischen; die Vermenschlichung und Verkörperung des Schöpfers, etc.Darunter versteht man eine Neuerung, deren Beachtung eine Haraam- bzw. Imaam Asch-schaatibiy الشاطبي (gest. 790/1388) definierte in seinem Buch “al-i’tisaam الاعتصام” die verbotene Bid’ah folgendermaßen:
    “Al-bid’ah ist eine im Diin (Islam) erfundene Vorgehensweise, die der Scharii’ah-gemäßen ähnelt, mit deren Berücksichtigung die Übertreibung bei der Anbetung Allaahs beabsichtigt wird.”

    So schränkt Imaam Asch-schaatibiy Al-bid’ah auf die Neuerungen in den überlieferten rituellen Handlungen ein. Er hat aber auch betont, dass jeder, der sich grundlos etwas enthält, das die Scharii’ah erlaubte, der Sunnah des Gesandten Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) widerspricht, und wer der Sunnah mit Handlungen widerspricht, die für ihn religiösen Charakter darstellen, zweifelsohne in Anhänger einer verbotenen Bid’ah ist.

    Imaam Ibnu-taimiyah ابن تيمية (gest. 729/1329), der als großer Gegner von Bid’ah-Handlungen gilt, definierte Al-bid’ah in ähnlicher Weise:
    “Al-bid’ah ist alles bei den ‘Aqiidah-Inhalten und den ‘Ibaadah-Handlungen, das dem Quraan, der Sunnah oder dem Idschmaa’ der Salaf-Gelehrten (Konsens der Mudschtahid-Gelehrten in den ersten drei Generationen der Muslime) widerspricht.”

Notes:

  1. Quraan (2:116-117)
  2. Im Original „bid’an بِدْعًا“, d. h. „ich stelle als Gesandter keine Neuartigkeit dar, da vor mir viele Gesandte kamen“.
  3. Quraan (46:9)