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Semantik des Quraan / al-’aam und al-chaas العام والخاص: Der sprachlich umfassende Ausdruck und der sprachlich einschränkende Ausdruck


I) al-‘aam العام: Der sprachlich umfassende Ausdruck

A) Begriffsbestimmung von al-‘aam

Linguistisch bedeutet al-‘aam “das Allgemeine, das Öffentliche, das Generelle, das Gemeine”.
Fachspezifisch ist al-‘aam “ein sprachlicher Ausdruck (Wort oder Satz), der ohne Einschränkung alles und auf einmal umfasst, das mit ihm konform sein kann”.

Erläuterung der Definition:

  • ein sprachlicher Ausdruck” bezieht sich auf die sprachlichen Zeichen an sich und schließt damit die Bedeutungen aus.
  • ohne Einschränkung” schließt die Numeralia (Zahlwörter) aus, da ein Numerale nicht alle Zahlen umfasst (z. B.: “fünf” umfasst nur die Zahlen 1 bis 5).
  • alles und auf einmal umfasst, das mit ihm konform sein kann“, bedeutet, dass al-‘aam alle seine Glieder ohne Verzögerung komplett einschließt, dabei sind ausgeschlossen al-mutlaq, da es keine Einzelheit darstellt, und der unbestimmte Singular oder Plural in den nicht verneinten Sätzen.

B) al-‘aam-Wörter

In der arabischen Sprache kennt man insbesondere folgende Typen von Wörtern, die als ‘aam-Ausdrücke bezeichnet werden:

  • Wörter, die im sprachlich wörtlichen Sinne (haqiiqah-Bedeutung) gleichzeitig mehrere Bedeutungen umfassen.
    Beispiel: Das Wort al-qur´ القرء bedeutet gleichzeitig sowohl “die Menstruation” als auch “die Nicht-Menstruation”.
  • Wörter, die sowohl im sprachlich wörtlichen Sinne (haqiiqah-Bedeutung) als auch im sprachlich metaphorischen Sinne (madschaaz-Bedeutung) mehrere Bedeutungen umfassen.
    Beispiel: Das Wort al-lams اللمس bedeutet sowohl “das direkte Berühren mit der Hand” als haqiiqah-Bedeutung, als auch “den Geschlechtsakt” als madschaaz-Bedeutung.
  • Wörter, die im sprachlich metaphorischen Sinne (madschaaz-Bedeutung) gleichzeitig mehrere Bedeutungen umfassen.
    Beispiel: Das Wort asch-schiraa´ الشراء  bedeutet im sprachlich metaphorischen Sinne gleichzeitig sowohl “das Kaufen” an sich, als auch “das Kaufen durch eine bevollmächtigte Person”.
  • Polyseme (muschtarak), wenn es keinen Beleg gibt, der nur eine der mehreren möglichen Bedeutungen präferieren lässt.
    Beispiel: Das Wort al-‘ain العين ist ein Polysem und besitzt viele Bedeutungen, u.a.: “das Auge, die Quelle, der Spion, Gold und Silber”.

C) Einschränkung von al-‘aam

  • Wenn al-‘aam durch einen Beleg nicht eingeschränkt wird, dann weist es definitiv auf alles mit ihm Konforme hin.

وَلِلَّهِ مَا فِي ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَمَا فِي ٱلۡأَرۡضِۚ وَإِلَى ٱللَّهِ تُرۡجَعُ ٱلۡأُمُورُ ١٠٩

Allaah gehört, was in den Himmeln und was auf Erden ist, und an Allaah werden alle Angelegenheiten gewandt. 1

Die Vernunft belegt, dass dies uneingeschränkt bleibt.

  • Sollte es keinen Beleg geben, dass al-‘aam nicht eingeschränkt wird, dann weist es definitiv auf die ursprüngliche Minimal-Bedeutung hin.
    Beispiel: al-‘aam weist im Arabischen immer auf den Singular hin, wenn keine Rede vom Plural ist, und weist immer auf mindestens drei hin, wenn die Rede vom Plural ist. Denn dass es auf alles mit ihm Konforme hinweist, ist nur dhanniy ظني/ höchstwahrscheinlich, da es möglich ist, dass es eingeschränkt wurde, obwohl die Einschränkung nicht bekannt ist.
    Nach den Hanafiten weist al-‘aam ohne Beleg auf Einschränkung immer in definitiver Weise (qat’iy قطعي) auf alles mit ihm Konforme hin.
  • Bei einer Einschränkung muss al-‘aam mindestens auf die sprachlich ursprüngliche Minimal-Bedeutung definitiv hinweisen, da sonst Abrogation (nas-ch) zustande kommt.
  • al-‘aam bezogen auf die Menschen erfordert die Verallgemeinerung ohne Beleg auf Einschränkung auf alle Zustände, Zeiten und Orte:

Ÿوَلَا تَقۡرَبُواْ ٱلزِّنَىٰٓۖ

Und nähert euch nicht der zina! 2

Diese Aayah bedeutet, dass jeder Muslim, in jedem Falle, zu jeder Zeit und an jedem Ort der zina fernbleiben muss.

D) al-‘aam-Formen

al-‘aam wird in drei Kategorien eingeteilt:

  • al-‘aam, das alleine durch Sprache als ‘aam aufgefasst wird:
    Diese ‘aam-Kategorie wird wiederum in zwei Kategorien eingeteilt:
    al-‘aam, das unmittelbar aus der Sprache gewonnen wird:
    Beispiele:
    – kull كل (jede, jeder, jedes, allesamt, insgesamt) am Anfang des Satzes oder als abhängiges Wort; es ist die stärkste ‘aam-Form:

‘كُلُّ نَفۡسٖ ذَآئِقَةُ ٱلۡمَوۡتِۗ

Jedes Lebewesen wird den Tod erfahren. 3

فَسَجَدَ ٱلۡمَلَٰٓئِكَةُ كُلُّهُمۡ أَجۡمَعُونَ ٣٠

So verbeugten sich die Engel, alle insgesamt! 4

aiy أي (“welche/r/s, wer/n und was” interrogativ) bzw. (“mit welchem auch immer, egal welche/r/s, etc.” konditional)

وَإِذَا مَآ أُنزِلَتۡ سُورَةٞ فَمِنۡهُم مَّن يَقُولُ أَيُّكُمۡ زَادَتۡهُ هَٰذِهِۦٓ إِيمَٰنٗاۚ

Wenn eine Suurah hinabgesandt wurde, sagte manch einer von ihnen: “Wen hat diese (Suurah) im Iimaan verstärkt?” 5

قُلِ ٱدۡعُواْ ٱللَّهَ أَوِ ٱدۡعُواْ ٱلرَّحۡمَٰنَۖ أَيّٗا مَّا تَدۡعُواْ فَلَهُ ٱلۡأَسۡمَآءُ ٱلۡحُسۡنَىٰۚ

Sag: ‚Benennt (Ihn) Allaah oder benennt (Ihn) Den Gnadenden! Mit welchem auch immer du (Ihn) benennst, Ihm gehören die Schönsten Namen!’ 6

dschamii’ جميع, saair سائر (alle)

al-ladhi الذي (derjenige), al-ladhaani اللذان (diejenigen), al-ladhiina اللذين (diejenigen), al-lati التي (diejenige)

mann من (“wer” konditional, “wer” interrogativ, “wer bzw. derjenige/ diejenige/dasjenige, der/die/das/ bzw. alles, das, alle” relativpronomal)

مَن يَعۡمَلۡ سُوٓءٗا يُجۡزَ بِهِۦ

Wer Verwerfliches tut, dem wird entsprechend vergolten. 7

مَنۢ بَعَثَنَا مِن مَّرۡقَدِنَاۜۗ

Wer erweckte uns von unserer Liegestätte auf?(!)” 8

وَلِلَّهِۤ يَسۡجُدُۤ مَن فِي ٱلسَّمَٰوَٰتِ وَٱلۡأَرۡضِ طَوۡعٗا وَكَرۡهٗا وَظِلَٰلُهُم بِٱلۡغُدُوِّ وَٱلۡأٓصَالِ۩ ١٥

Für Allaah werfen sich nieder alle, die in den Himmeln und auf Erden sind – aus freien Stücken und widerwillig – ebenfalls ihre Schatten morgens und abends. 9

maa ما (“was bzw. was auch immer” konditional, “das, was” relativpronomal, “was” interrogativ)

وَمَا تَفۡعَلُواْ مِنۡ خَيۡرٖ يَعۡلَمۡهُ ٱللَّهُۗ

Und was ihr an Gutem tut, das kennt Allaah. 10

مَا عِندَكُمۡ يَنفَدُ وَمَا عِندَ ٱللَّهِ بَاقٖۗ

Worüber ihr verfügt, geht zu Ende. Doch was Allaah hat, dies bleibt! 11

قَالَ فَمَا خَطۡبُكُمۡ أَيُّهَا ٱلۡمُرۡسَلُونَ ٣١

Er sagte: “Was ist euer Bestreben, ihr Entsandte?” 12

mata متى (“wann” interrogativ, “wann auch immer” konditional)

وَيَقُولُونَ مَتَىٰ هَٰذَا ٱلۡوَعۡدُ إِن كُنتُمۡ صَٰدِقِينَ ٢٥

Sie sagen: “Wann ist diese Androhung, solltet ihr wahrhaftig sein?” 13

aina أين (“wo” interrogativ, “wo auch immer” konditional)

ثُمَّ يَوۡمَ ٱلۡقِيَٰمَةِ يُخۡزِيهِمۡ وَيَقُولُ أَيۡنَ شُرَكَآءِيَ ٱلَّذِينَ كُنتُمۡ تُشَٰٓقُّونَ فِيهِمۡۚ

Am Tag der Auferstehung wird Er sie dann erniedrigen und sagen: “Wo sind Meine angeblichen Partner, derentwegen ihr feindselig eingestellt wart?(!)” 14

أَيۡنَمَا تَكُونُواْ يُدۡرِككُّمُ ٱلۡمَوۡتُ وَلَوۡ كُنتُمۡ فِي بُرُوجٖ مُّشَيَّدَةٖۗ

Wo auch immer ihr zu sein pflegtet, der Tod wird euch doch ereilen, auch dann wenn ihr in hohen Burgen wäret. 15

haithuma حيثما (“allerorts, wo” konditional)

وَحَيۡثُ مَا كُنتُمۡ فَوَلُّواْ وُجُوهَكُمۡ شَطۡرَهُۥۗ

Und allerorts, wo ihr seid, wendet euch mit dem Gesicht in seine Richtung! 16

– al-‘aam, das durch die Sprache indirekt mit Hilfe weiterer Indizien gewonnen wird:

Beispiele:

– Der mit dem Artikel bestimmte Plural (z. B.: Die Muslime).

– Der durch Possessivpronomen bzw. Genitiv bestimmte Plural (z. B.: “Nimm von ihren Vermögenswerten Zakaah”, d. h. von allen Vermögenswerten).

– Der mit dem Artikel bestimmte Singular (Kollektivum) (z. B.: Der Mensch).

– Der durch Possessivpronomen bzw. Genitiv bestimmte Singular (z. B.: “Wer Allaahs Gebot verletzt, sündigt”).

– Das Unbestimmte, wenn es vorkommt: in einer Negation oder verbunden mit einer Bedingung oder in einer Frage, die eine Negation oder Verwunderung ausdrückt.

Beispiele: “Kein Mensch ist Zuhause”, “schade keinem”, “man spricht zu den Muslimen: gibt es etwa einen Schöpfer außer Allaah?”, “sollte dich ein Mensch um Schutz bitten, dann gewähre ihm Schutz”.

  • al-‘aam, das durch “al-‘urf العرف Tradition” gewonnen wird:

حُرِّمَتۡ عَلَيۡكُمُ ٱلۡمَيۡتَةُ

Für verboten wurde euch erklärt das Verendete. 17

Durch al-‘urf wurde nicht nur das Fleisch des verendeten Tiers für verboten erklärt, sondern auch alles, was daraus gewonnen wird.

  • al-‘aam, das durch die Vernunft gewonnen wird:
    Beispiel: “Der Wein ist verboten.”
    Die Vernunft erkennt das Verbot aufgrund des Rausches bzw. der Trunkenheit, so folgert jeder vernünftige und verständige Mensch, dass das Verbot immer mit dem Grund des Verbots zusammenhängt.

E) Feststellung von al-‘aam

Ausdrücke gelten nur dann als ‘aam, wenn man aus ihnen eine Ausnahme bilden kann.

Beispiel:

 إِنَّ ٱلۡإِنسَٰنَ لَفِي خُسۡرٍ ٢ إِلَّا ٱلَّذِينَ ءَامَنُواْ وَعَمِلُواْ ٱلصَّٰلِحَٰتِ وَتَوَاصَوۡاْ بِٱلۡحَقِّ وَتَوَاصَوۡاْ بِٱلصَّبۡرِ ٣

Der Mensch ist gewiss im Verlust! (3) Ausgenommen sind diejenigen, die den Iimaan verinnerlichten, Gutes taten, und einander zur Wahrheit und zur Geduld ermahnten. 18

Die Ausnahme hier weist darauf hin, dass der Ausdruck “der Mensch” ‘aam ist, da daraus eine Ausnahme gemacht werden konnte.

Bemerkung:
Daraus wird abgeleitet, dass der unbestimmte Plural im Arabischen nicht ‘aam sein kann, weil man daraus keine Ausnahme bilden kann. Man kann z. B. im Arabischen nicht sagen: “Männer kamen außer Amir”.

F) Verschiedene Punkte zu al-‘aam

  • Wenn im Quraan der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) persönlich angesprochen wird (z. B. mit “Gesandter! Stehe nachts und bete!”), dann gilt diese Aufforderung nur für ihn und wird nicht als allgemein gültig (‘aam) für alle Muslime aufgefasst, wenn kein Beleg vorhanden ist, der etwas anderes erfordert.
  • Wenn die muslimische Gemeinschaft insgesamt (z. B. mit “Ihr Muslime! Ihr Menschen”) angesprochen wird, dann schließt dies den Gesandten Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) mit ein.
  • Alle Scharii’ah-Gebote, die mit “ياأيها الناس Ihr Menschen!” im Quraan und in der Sunnah vorkamen, betrafen von der Sprache her nur diejenigen Menschen, die zur Zeit des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) lebten. Die Anwendung dieser Scharii’ah-Gebote auf alle nachfolgenden Menschengenerationen erfolgt nicht aufgrund der sprachlichen Formulierung, sondern durch andere Scharii’ah-Belege wie Al-idschmaa’ (Konsens der mudschtahid-Gelehrten) und al-qiyaas (analoge Übertragung).
  • Wenn die Aufforderung zum Tun oder zur Unterlassung einer Handlung in einer grammatikalischen Form erfolgt, die ausschließlich für Männer (Maskulinum Plural) bestimmt ist, dann schließt sie nach mehrheitlicher Meinung der Gelehrten die Frauen nicht ein, und umgekehrt genauso.
    Beispiel:

إِنَّ ٱلۡمُسۡلِمِينَ وَٱلۡمُسۡلِمَٰتِ وَٱلۡمُؤۡمِنِينَ وَٱلۡمُؤۡمِنَٰتِ وَٱلۡقَٰنِتِينَ وَٱلۡقَٰنِتَٰتِ وَٱلصَّٰدِقِينَ وَٱلصَّٰدِقَٰتِ وَٱلصَّٰبِرِينَ وَٱلصَّٰبِرَٰتِ وَٱلۡخَٰشِعِينَ وَٱلۡخَٰشِعَٰتِ وَٱلۡمُتَصَدِّقِينَ وَٱلۡمُتَصَدِّقَٰتِ وَٱلصَّٰٓئِمِينَ وَٱلصَّٰٓئِمَٰتِ وَٱلۡحَٰفِظِينَ فُرُوجَهُمۡ وَٱلۡحَٰفِظَٰتِ وَٱلذَّٰكِرِينَ ٱللَّهَ كَثِيرٗا وَٱلذَّٰكِرَٰتِ أَعَدَّ ٱللَّهُ لَهُم مَّغۡفِرَةٗ وَأَجۡرًا عَظِيمٗا ٣٥

Die islam-praktizierenden Männer und Frauen, die iimaan-verinnerlichenden Männer und Frauen, die gehorchenden Männer und Frauen, die wahrhaftigen Männer und Frauen, die sich in Geduld übenden Männer und Frauen, die sich hingebenden Männer und Frauen, die spendenden Männer und Frauen, die fastenden Männer und Frauen, die sich keusch haltenden Männer und Frauen und die Allaahs viel gedenkenden Männer und Frauen, für diese hat Allaah Vergebung und gewaltige Belohnung bereitet! 19

In dieser Aayah wird durch die grammatikalische Formulierung zwischen Männern und Frauen unterschieden.
Auch wenn fast alle Scharii’ah-Gebote und Handlungen, zu denen die Männer aufgefordert werden, genauso auch für die Frauen gelten, wird dies nicht aus der grammatikalischen Formulierung, die vorwiegend männlich ist, gewonnen, sondern durch die Tatsachen und Indizien abgeleitet, dass der Scharii’ah-Geber zwar vorwiegend die männliche Formulierung verwendet, aber diese Gebote und Handlungen nicht auf Männer beschränkt.

  • Die Frauen werden sprachlich nicht umfasst von sprachlichen Ausdrücken, die ausschließlich männlich besetzt sind, wie al-qaum القوم und ar-ridschaal الرجال.

يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُواْ لَا يَسۡخَرۡ قَوۡمٞ مِّن قَوۡمٍ عَسَىٰٓ أَن يَكُونُواْ خَيۡرٗا مِّنۡهُمۡ وَلَا نِسَآءٞ مِّن نِّسَآءٍ عَسَىٰٓ أَن يَكُنَّ خَيۡرٗا مِّنۡهُنَّۖ

Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Es sollen weder Männer sich lustig über andere Männer machen – vielleicht sind sie besser als sie, noch Frauen über andere Frauen – vielleicht sind sie besser als sie. 20

Diese Aayah belegt eindeutig, dass der Begriff qaumقوم ursprünglich sprachlich nur die Männer umfasst. Bei der Übersetzung der Bedeutung dieser Aayah sollte korrekterweise nur diese Bedeutung wiedergegeben werden. 21

  • Der Ausdruck “ahlul-kitaab أهل الكتاب: die Schriftbesitzer” schließt die Muslime nicht ein, obwohl sie auch eine Schrift haben, da die Scharii’ah mit diesem Begriff nur die Anhänger des Judentums und des Christentums bezeichnet.
  • Es gibt in Bezug auf die Einschränkung von Aayaat mit ‘aam-Charakter drei verschiedene Typen:
    – Aayaat, die einen ‘aam-Charakter beinhalten, ohne dass dieser jemals eingeschränkt wird. Man nennt diesen Typ “‘aammun baaqin ‘ala ‘umuumihi عام باق على عمومه“.
    Beispiel:

حُرِّمَتۡ عَلَيۡكُمۡ أُمَّهَٰتُكُمۡ وَبَنَاتُكُمۡ وَأَخَوَٰتُكُمۡ وَعَمَّٰتُكُمۡ وَخَٰلَٰتُكُمۡ وَبَنَاتُ ٱلۡأَخِ وَبَنَاتُ ٱلۡأُخۡتِ وَأُمَّهَٰتُكُمُ ٱلَّٰتِيٓ أَرۡضَعۡنَكُمۡ وَأَخَوَٰتُكُم مِّنَ ٱلرَّضَٰعَةِ وَأُمَّهَٰتُ نِسَآئِكُمۡ وَرَبَٰٓئِبُكُمُ ٱلَّٰتِي فِي حُجُورِكُم مِّن نِّسَآئِكُمُ ٱلَّٰتِي دَخَلۡتُم بِهِنَّ فَإِن لَّمۡ تَكُونُواْ دَخَلۡتُم بِهِنَّ فَلَا جُنَاحَ عَلَيۡكُمۡ وَحَلَٰٓئِلُ أَبۡنَآئِكُمُ ٱلَّذِينَ مِنۡ أَصۡلَٰبِكُمۡ وَأَن تَجۡمَعُواْ بَيۡنَ ٱلۡأُخۡتَيۡنِ إِلَّا مَا قَدۡ سَلَفَۗ إِنَّ ٱللَّهَ كَانَ غَفُورٗا رَّحِيمٗا ٢٣

Euch wurden für verboten (zum Heiraten) erklärt: eure Mütter, eure Töchter, eure Schwestern, eure Tanten väterlicherseits und mütterlicherseits, die Töchter des Bruders und der Schwester, eure Ammen, die euch gestillt haben 22, eure Milchschwestern, die Mütter eurer Ehefrauen, eure Stieftöchter, die in eurem Haushalt leben, die zu euren Ehefrauen gehören 23, mit denen ihr bereits intim wart, und wenn ihr mit ihnen noch nicht intim wart (und euch von ihnen getrennt habt), dann ist es für euch keine Verfehlung, (diese Stieftöchter zu heiraten) 24, und die Ehefrauen eurer leiblichen Söhne, und dass ihr zwei Schwestern gleichzeitig heiratet, es sei denn, was bereits geschehen ist. Gewiss, Allaah bleibt immer allvergebend, allgnädig. 25

إِنَّ ٱللَّهَ بِكُلِّ شَيۡءٍ عَلِيمٌ

Allaah ist über alles allwissend! 26

إِنَّ ٱللَّهَ لَا يَظۡلِمُ ٱلنَّاسَ شَيۡ‍ٔٗا

Allaah fügt den Menschen in keiner Weise Unrecht zu! 27

Diese Aayah und die in ihr enthaltene Aussagen bzw. Scharii’ah-Gebote bleiben allgemeingültig ohne jegliche Einschränkung.

– Aayaat, welche Ausdrücke beinhalten, die auf ‘aam hinweisen, ohne dass der ‘aam-Charakter an sich gewollt ist. Diese Ausdrücke umfassen nicht alle mit ihnen konformen Glieder, sondern betreffen nur ein bestimmtes Glied oder nur manche Glieder, so dass der ‘aam-Charakter im metaphorischen Sinne verwendet wird.
Man nennt diesen Typ “‘aammun yuraadu bihil-chusuus عام يراد به الخصوص” bzw. chitaabul-‘aam wal-muraadul-mach-suus خطاب العام والمراد المخصوص“.

Beispiele:

ٱلَّذِينَ قَالَ لَهُمُ ٱلنَّاسُ إِنَّ ٱلنَّاسَ قَدۡ جَمَعُواْ لَكُمۡ فَٱخۡشَوۡهُمۡ فَزَادَهُمۡ إِيمَٰنٗا وَقَالُواْ حَسۡبُنَا ٱللَّهُ وَنِعۡمَ ٱلۡوَكِيلُ ١٧٣

Es sind diejenigen, denen die Menschen sagten: “Die Menschen zogen bereits gegen euch Kampftruppen zusammen, so fürchtet euch vor ihnen!” Dies aber hat ihren Iimaan verstärkt, und sie sagten: “Uns genügt Allaah, Der Beste.” 28

die Menschen ist ein ‘aam-Ausdruck; doch nach dem Hinabsendungsanlass dieser Aayah war damit nur eine einzige Person, nämlich Nu’aim Bnu-mas’uud Al-aschdscha’iy نعيم بن مسعود الأشجعي gemeint, der hier im metaphorischen Sinne stellvertretend für viele Menschen die Muslime demoralisieren wollte.
Mit dem zweiten Ausdruck “die Menschen” waren die polytheistischen Makkah-Bewohner mit ihren Verbündeten, genannt al-ahzaab, gemeint.

أَمۡ يَحۡسُدُونَ ٱلنَّاسَ عَلَىٰ مَآ ءَاتَىٰهُمُ ٱللَّهُ مِن فَضۡلِهِۦۖ فَقَدۡ ءَاتَيۡنَآ ءَالَ إِبۡرَٰهِيمَ ٱلۡكِتَٰبَ وَٱلۡحِكۡمَةَ وَءَاتَيۡنَٰهُم مُّلۡكًا عَظِيمٗا ٥٤

Oder beneiden sie etwa die Menschen für das, was Allaah ihnen von Seiner Gunst zuteil werden ließ?(!) So ließen Wir bereits der Familie Ibraahiims die Schrift und die Weisheit zuteil werden. Auch ließen Wir ihnen ein mächtiges Königtum zuteil werden. 29

Mit dem ‘aam-Ausdruck “Die Menschen” in der Aayah war nach dem Hinabsendungsanlass nur der Gesandte Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) gemeint.

ثُمَّ أَفِيضُواْ مِنۡ حَيۡثُ أَفَاضَ ٱلنَّاسُ وَٱسۡتَغۡفِرُواْ ٱللَّهَۚ إِنَّ ٱللَّهَ غَفُورٞ رَّحِيمٞ ١٩٩

Dann verlasst Arafaat nach Mina von da, wo die anderen Menschen dies vollziehen, und bittet Allaah um Vergebung! Gewiss, Allaah ist allvergebend, allgnädig. 30

Die Menschen ist ein ‘aam-Ausdruck, unter dem entweder Ibraahiim (‘alaihis-salaam) oder Aadam (‘alaihis-salaam) verstanden wird.

– Aayaat, welche Ausdrücke beinhalten, die auf ‘aam hinweisen, wobei der ‘aam-Charakter nur von der Sprache her alle konformen Glieder umfasst, jedoch nicht in Bezug auf das Scharii’ah-Gebot. Man nennt diesen Typ “‘aammun mach-suus عام مخصوص“. Dieser Typ wird im Quraan oft verwendet.

Beispiele:

وَٱلشُّعَرَآءُ يَتَّبِعُهُمُ ٱلۡغَاوُۥنَ ٢٢٤ أَلَمۡ تَرَ أَنَّهُمۡ فِي كُلِّ وَادٖ يَهِيمُونَ ٢٢٥ وَأَنَّهُمۡ يَقُولُونَ مَا لَا يَفۡعَلُونَ ٢٢٦ إِلَّا ٱلَّذِينَ ءَامَنُواْ وَعَمِلُواْ ٱلصَّٰلِحَٰتِ وَذَكَرُواْ ٱللَّهَ كَثِيرٗا وَٱنتَصَرُواْ مِنۢ بَعۡدِ مَا ظُلِمُواْۗ وَسَيَعۡلَمُ ٱلَّذِينَ ظَلَمُوٓاْ أَيَّ مُنقَلَبٖ يَنقَلِبُونَ ٢٢٧

Auch den Dichtern folgen die Fehlgehenden. (225) Hast du etwa nicht gesehen, dass sie sich in jedem Tal verlieben, (226) und dass sie das sagen, was sie nicht tun? (227) Ausgenommen davon sind diejenigen, die den Iimaan verinnerlichten, Gutes taten, Allaahs öfters gedachten und sich verteidigten, nachdem ihnen Unrecht zugefügt wurde. Diejenigen, die Unrecht begingen, werden noch wissen, zu welcher Rückkehr sie zurückkehren werden. 31

Der Ausdruck “den Dichtern folgen die Fehlgehenden” bedeutet, dass allen Dichtern ohne Ausnahme die Fehlgehenden folgen; doch durch die Ausnahme in Aayah 227 in der gleichen Suurah wurde ersichtlich, dass hier nur die schlechten Dichter gemeint sind und nicht alle Dichter insgesamt.

وَٱلۡمُطَلَّقَٰتُ يَتَرَبَّصۡنَ بِأَنفُسِهِنَّ ثَلَٰثَةَ قُرُوٓءٖۚ

Die geschiedenen Frauen warten mit sich drei quruuء ab. 32

يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوٓاْ إِذَا نَكَحۡتُمُ ٱلۡمُؤۡمِنَٰتِ ثُمَّ طَلَّقۡتُمُوهُنَّ مِن قَبۡلِ أَن تَمَسُّوهُنَّ فَمَا لَكُمۡ عَلَيۡهِنَّ مِنۡ عِدَّةٖ تَعۡتَدُّونَهَاۖ فَمَتِّعُوهُنَّ وَسَرِّحُوهُنَّ سَرَاحٗا جَمِيلٗا ٤٩

Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Wenn ihr die iimaan-bekennenden Frauen heiratet und danach euch von ihnen scheidet, bevor ihr mit ihnen intim wart, dann habt ihr sie zu keiner Wartezeit 33 zu verpflichten. So gebt ihnen das ihnen Zustehende und entlasst sie auf gütige Weise. 34

Aus der Aayah in der Suuratul-baqarah (2:228) kann man ableiten, dass alle geschiedenen Frauen ohne Ausnahme drei quruu´ قروء nach der Scheidung abwarten müssen, bevor sie noch einmal heiraten dürfen. Doch die Aayah in Suuratul-ahzaab (33:49) hat davon die Frauen ausgenommen, die geschieden wurden, bevor sie mit ihren Männern intim wurden. Diese haben keine Ehescheidungsfrist (‘iddah) einzuhalten.

II) al-chaas الخاص: Der einschränkende Ausdruck

A) Begriffsbestimmung von al-chaas

al-chaas الخاص bedeutet linguistisch “das Besondere, das Private, das Sonderbare, etwas Besonderes”.

Fachspezifisch ist al-chaas “ein sprachlicher Ausdruck (Wort oder Satz), der nur manches von dem umfasst, das mit ihm konform sein kann.”

at-tachsiis التخصيص ist die Einschränkung von al-‘aam durch die Aussonderung mancher seiner Glieder.

Ein ‘aam-Ausdruck, der eingeschränkt wird, heißt al-muchassas المُخَصَّص.

Der Ausdruck, der die Einschränkung bewirkt, heißt al-muchassis المُخَصِّص.

B) Das Einschränkbare

Da at-tachsiis die Aussonderung von manchen Gliedern von einem ‘aam-Ausdruck bedeutet, kann es nur solche Scharii’ah-Gebote betreffen, die sich beständig auf eine Gruppe mit mehr als einem Mitglied beziehen, denn das Scharii’ah-Gebot, welches sich nur auf das Einzelne bezieht, kann nicht eingeschränkt werden. Diese sich beständig auf eine Gruppe beziehenden Scharii’ah-Gebote sind Folgende:

  • Ausdrücke, die sich durch ihre wörtliche Mantuuq-Bedeutung auf eine Gruppe beziehen und danach eingeschränkt werden.
    Beispiel:

Ÿوَلَا تَنكِحُواْ ٱلۡمُشۡرِكَٰتِ حَتَّىٰ يُؤۡمِنَّۚ

Heiratet die polytheistischen Frauen nicht, bis sie sich zum Iimaan bekennen. 35

Diese Aayah, welche die Ehe für muslimische Männer mit allen nicht-muslimischen Frauen ohne Ausnahme verbietet, wurde durch folgende Aayah eingeschränkt bzw. mit tachsiis belegt. Danach sind die Frauen der Schriftbesitzer (christliche und jüdische Frauen unter bestimmten Bedingungen) von diesem Verbot ausdrücklich ausgenommen:

ٱلۡيَوۡمَ أُحِلَّ لَكُمُ ٱلطَّيِّبَٰتُۖ وَطَعَامُ ٱلَّذِينَ أُوتُواْ ٱلۡكِتَٰبَ حِلّٞ لَّكُمۡ وَطَعَامُكُمۡ حِلّٞ لَّهُمۡۖ وَٱلۡمُحۡصَنَٰتُ مِنَ ٱلۡمُؤۡمِنَٰتِ وَٱلۡمُحۡصَنَٰتُ مِنَ ٱلَّذِينَ أُوتُواْ ٱلۡكِتَٰبَ مِن قَبۡلِكُمۡ إِذَآ ءَاتَيۡتُمُوهُنَّ أُجُورَهُنَّ مُحۡصِنِينَ غَيۡرَ مُسَٰفِحِينَ وَلَا مُتَّخِذِيٓ أَخۡدَانٖۗ

An diesem Tag wurden euch die guten Speisen für erlaubt erklärt. Auch die Speisen 36 derjenigen, denen die Schrift zuteil wurde, gelten für euch als erlaubt; ebenfalls gelten eure Speisen für sie als erlaubt. (Zur Heirat gelten für euch als erlaubt) die Tugendhaften von den iimaan-bekennenden Frauen und die tugendhaften Frauen von denjenigen, denen die Schrift vor euch zuteil wurde, wenn ihr ihnen ihre Morgengabe gegeben habt als tugendhafte Ehemänner, nicht als Unzüchtige und nicht als solche, die sich Geliebte nehmen. 37

  • Bedeutungen, auf welche die Ausdrücke hinweisen, jedoch nicht durch ihre wörtliche Mantuuq-Bedeutung, sondern aufgrund von Indizien, die mit ihnen zusammenhängen, wie al-‘illah (al-‘illatusch-schar’iyyah العلة الشرعية), mafhuumul-muwaafaqah und mafhuumul-muchaalafah.
    Beispiel für die Einschränkung einer scharii’ah-konformen ‘illah:
    Die ‘illah ist kein ‘aam-Ausdruck, sondern eine Bedeutung im Sinn, denn nach der Vernunft hängen Wirkung (ma’luul معلول) und Ursache (‘illah علة) immer zusammen und können deshalb mit tachsiis belegt werden: z. B. der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) hat das Tauschgeschäft von getrockneten Datteln gegen die gleiche Menge reifer Datteln wegen des Gewichtsunterschiedes (ribal-fadl) verboten. Doch obwohl die gleiche ‘illah auch bei dem Al-‘arayah-Geschäft 38 vorhanden ist, wird es erlaubt, solange die Menge unter vier wasaq 39 وسق (ca. 96 kg) liegt. Hier wurde die ‘illah mit tachsiis belegt.

Beispiel für die Einschränkung von mafhuumul-muwaafaqah:

وَقَضَىٰ رَبُّكَ أَلَّا تَعۡبُدُوٓاْ إِلَّآ إِيَّاهُ وَبِٱلۡوَٰلِدَيۡنِ إِحۡسَٰنًاۚ إِمَّا يَبۡلُغَنَّ عِندَكَ ٱلۡكِبَرَ أَحَدُهُمَآ أَوۡ كِلَاهُمَا فَلَا تَقُل لَّهُمَآ أُفّٖ وَلَا تَنۡهَرۡهُمَا وَقُل لَّهُمَا قَوۡلٗا كَرِيمٗا ٢٣

Dein Herr gebot, dass ihr niemanden außer Ihn anbetet und den Eltern Güte erweist. Sollten beide bei dir das hohe Alter erreichen – einer von ihnen oder beide -, so gib ihnen keine mürrische Antwort! (fala taqul lahumaa uffin: sage ihnen niemals uff!). Auch schelte sie nicht und sag ihnen schöne Worte. 40

Die wörtliche Mantuuq-Bedeutung verbietet das Sprechen von “uff” zu den Eltern, während die indirekte Mafhuum-Bedeutung jegliche Art der Beleidigung verbietet, sei diese verbal oder tätlich. So kann diese indirekte Mafhuum-Bedeutung unter der Bedingung eingeschränkt werden, dass zumindest das Verbot des Äußerns von “uff” aufrechterhalten wird. Deshalb ist es z. B. nach Imaam Al-ghazaaliy erlaubt, den vermögenden Vater mit Freiheitsentzug im Gefängnis zu bestrafen, wenn dieser seine Schulden an sein Kind nicht zurückzahlt, obwohl die indirekte Mafhuum-Bedeutung der Aayah (17:23) normalerweise solch eine Bestrafung verbieten würde.

Beispiel für die Einschränkung von mafhuumul-muchaalafah:
mafhuumul-muchaalafah weist auf ein ‘aam-Gebot hin, das mit tachsiis belegt werden kann, wie bei folgendem Hadiith, in dem der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

إِذَا كَانَ الْمَاءُ قُلَّتَيْنِ لَمْ يَحْمِلِ الْخَبَثَ.

“Wenn die Wassermenge zwei qullah 41 ist, dann wird sie von chabath 42 nicht beeinträchtigt.” (T, N)

mafhuumul-muchaalafah besagt, dass eine Wassermenge von weniger als 200 Liter rituell unrein wird. Das daraus resultierende Scharii’ah-Gebot ist ‘aam und umfasst beide Möglichkeiten, die des stehenden und die des fließenden Wassers, d. h., das Scharii’ah-Gebot kann mit tachsiis belegt werden. Deshalb hat Imaam Asch-schaafi’iy die Möglichkeit des fließenden Wasser als tachsiis aufgefasst, als der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) in Bezug auf die fließende Wasserquelle (Budaa’ah بضاعة) sagte:

إِنَّ الْمَاءَ طَهُورٌ لَا يُنَجِّسُهُ شَيْءٌ.

“Das Wasser ist tahuur (rein und reinigend) und wird durch nichts rituell unrein.” (T, N, A)

C) Verschiedene Aspekte zu at-tachsiis

  • Ein ‘aam-Ausdruck in Pluralform (z. B.: die Muslime) kann eingeschränkt bzw. mit tachsiis belegt werden, bis mindestens drei seiner Glieder übrig bleiben, damit keine Abrogation zustande kommt, da die Mindestanzahl des Plurals im Arabischen drei ist.
  • Es gibt ‘aam-Ausdrücke, die alle ihre Glieder nur vom Sprachlichen her umfassen, doch nicht gemäß
    des Scharii’ah-Gebots. Die Bedeutung solcher Ausdrücke ist eine haqiiqah-Bedeutung bei den nach dem tachsiis verbliebenen Gliedern. Deshalb kann man Aayaat mit solchen Ausdrückem, nachdem sie mit tachsiis belegt wurden, als Scharii’ah-Belege anführen.
    Beispiel:

فَإِذَا ٱنسَلَخَ ٱلۡأَشۡهُرُ ٱلۡحُرُمُ فَٱقۡتُلُواْ ٱلۡمُشۡرِكِينَ حَيۡثُ وَجَدتُّمُوهُمۡ وَخُذُوهُمۡ وَٱحۡصُرُوهُمۡ وَٱقۡعُدُواْ لَهُمۡ كُلَّ مَرۡصَدٖۚ فَإِن تَابُواْ وَأَقَامُواْ ٱلصَّلَوٰةَ وَءَاتَوُاْ ٱلزَّكَوٰةَ فَخَلُّواْ سَبِيلَهُمۡۚ إِنَّ ٱللَّهَ غَفُورٞ رَّحِيمٞ ٥

Wenn jedoch die geschützten Monate 43 vergangen sind, dann tötet die (vertragsbrüchigen) Polytheisten 44, überall wo ihr sie antrefft, nehmt sie gefangen, belagert sie und überwacht sie! Wenn sie jedoch bereut, das rituelle Gebet ordnungsgemäß verrichtet und die Zakaah entrichtet haben, dann lasst von ihnen ab! Gewiss, Allaah ist allvergebend, allgnädig. 45

Diese Aayah beinhaltet die Aufforderung “dann tötet die Polytheisten“; wäre dieser Ausdruck ‘aam, hieße dies, dass die Muslime verpflichtet waren und sind, alle Polytheisten zu töten. Doch andere Aayaat und Hadiithe stellen klar, dass mit Polytheisten in dieser Aayah nur diejenigen arabischen Götzenanbeter gemeint waren, die entweder keinen Friedensvertrag mit dem Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) hatten oder kein Asyl bei den Muslimen begehrten. Andere Polytheisten, die keine Götzenanbeter waren, wie die Polytheisten unter den Juden und Christen, waren von vornherein nicht gemeint und nicht betroffen. 46

D) al-muchassis المُخَصِّص (der Einschränkende)

at-tachsiis wird durch al-muchassis, den Einschränkenden, bewirkt. Dieser al-muchassis ist entweder abhängig oder unabhängig:

  • al-muchassis, der abhängig ist.
    Darunter versteht man al-muchassis, der von al-‘aam abhängt und ohne al-‘aam bedeutungslos ist. Er wird in vier Kategorien eingeteilt:
    al-istithnaa’ الإستثناء (die Ausnahme)
    al-istithnaa’ ist die Ausnahme aus Ausdrücken durch die Präpositionen: illa إلا, ghair غير, siwaسوى , sawaa’ سواء , chala خلا , ‘ada عدا , haaschaa حاشا , maa chala ما خلا , maa ‘ada ما عدا , laisa ليس , la yakuun لا يكون .
    Die Ausnahme muss vom gleichen Redner [mit Ausnahme des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam)] und im gleichen Gespräch erfolgen. Weiterhin darf die Ausnahme nicht alle Glieder ausschließen, sonst bleibt sie ohne Bedeutung (z. B.: Ich mag die Kinder, außer allen Kindern).
    Das Ausgenommene muss zur gleichen Art dessen gehören, von dem die Ausnahme gemacht wird (z. B.: “Alle Männer kamen, außer dem Esel” Hier gilt keine Ausnahme).

    Beispiel für eine richtige Ausnahme:
    “Alle Kinder haben ihren eigenen Religionsunterricht in Hessen, außer den Muslimischen”.
    Nach der Mehrheit der Gelehrten (al-dschumhuur) gilt die Ausnahme aus einer Verneinung als Bejahung und umgekehrt (z. B.: “Es gibt keine Gottheit außer Allaah”, es bedeutet nicht nur, dass “Allaah” eine Ausnahme von “es gibt keine Gottheit” darstellt, sondern auch dass “Allaah” die Gottheit ist).
    Wenn eine Satzreihe in einer koordinierenden Konjunktion (‘atf عطف) mit “und bzw. auch” z. B. steht und daraus eine Ausnahme erfolgt, dann gilt diese Ausnahme nach Meinung von al-dschumhuur aus allen Sätzen und nicht nur aus dem letzten Satz, wie Imaam Abu-haniifah diesen Fall bewertet.

    Beispiel:

وَٱلَّذِينَ يَرۡمُونَ ٱلۡمُحۡصَنَٰتِ ثُمَّ لَمۡ يَأۡتُواْ بِأَرۡبَعَةِ شُهَدَآءَ فَٱجۡلِدُوهُمۡ ثَمَٰنِينَ جَلۡدَةٗ وَلَا تَقۡبَلُواْ لَهُمۡ شَهَٰدَةً أَبَدٗاۚ وَأُوْلَٰٓئِكَ هُمُ ٱلۡفَٰسِقُونَ ٤ إِلَّا ٱلَّذِينَ تَابُواْ مِنۢ بَعۡدِ ذَٰلِكَ وَأَصۡلَحُواْ فَإِنَّ ٱللَّهَ غَفُورٞ رَّحِيمٞ ٥

Diejenigen, die den keuschen Frauen Unzucht vorwerfen und dann dafür keine vier Augenzeugen bringen, diese sollt ihr mit achtzig Peitschenschlägen peitschen und ihr Zeugnis niemals gelten lassen. Diese sind die wirklichen Übertreter. (5) Ausgenommen davon sind diejenigen, die danach bereuen und Gutes tun. Allaah ist gewiss allvergebend, allgnädig. 47

Die Ausnahme “ausgenommen davon sind diejenigen, die danach bereuen..” erfolgte nach drei miteinander konjungierten Sätzen: Im ersten Satz ist die Aufforderung zur Bestrafung, im zweiten Satz ist die Aufforderung zur Nicht-Annahme des Zeugnisses und im dritten Satz werden solche Verleumder als Faasiq (Frevler) bezeichnet.
Wenn sich die Ausnahme nun auf alle drei Sätze bezieht, dann gibt es nach der Reue keine Bestrafung, keine Bezeichnung als Faasiq und deren Zeugnis wird wieder angenommen. Diese Meinung vertreten al-dschumhuur (Man wird aber dennoch bestraft aufgrund eines anderen Scharii’ah-Belegs aus der Sunnah).
Sollte sich jedoch die Ausnahme nur auf den letzten Satz beziehen, dann werden diese Verleumder nach der Reue nicht mehr als Faasiq bezeichnet, doch sie müssen dennoch bestraft werden und ihr Zeugnis wird für immer nicht mehr angenommen. Diese Meinung vertritt Imaam Abu-haniifah.

asch-schart الشرط (die Bedingung)
asch-schart ist das, dessen Abwesenheit das mit ihm zusammenhängende Scharii’ah-Gebot annulliert, während seine Anwesenheit an sich keinerlei Auswirkung weder auf das Zustandekommen, noch auf die Annullierung dieses Scharii’ah-Gebots hat, und es ist kein Teil 48 der zu erfolgenden Handlung.
Bei allen schart-Typen (gemäß der Vernunft wie “das Leben als Bedingung für die Aneignung vom Wissen”, gemäß der Scharii’ah wie “Gebetswaschung als Bedingung für das rituelle Gebet”, gemäß der Gewohnheit wie “die Leiter als Bedingung zum Steigen auf das Dach” und gemäß der Sprache wie “wenn die Seminarteilnehmer kommen, dann grüße sie”) wird nur der sprachliche Typ mit tachsiis belegt. In unserem Beispiel werden ausschließlich solche Seminarteilnehmer gegrüßt, die gekommen sind.
asch-schart als muchassis muss im gleichen Gespräch genannt werden und bezieht sich ebenfalls auf alle konjungierenden Sätze, genauso wie bei al-istithnaa’.

– assifah الصفة (das Attribut)
Dieser Typ wirkt wie bei al-istithnaa’, er muss im gleichen Gespräch genannt werden und bezieht sich auf alle konjungierenden Sätze.

Beispiel:
Man sagt: Ehre die fleißigen Studenten.

Mit Zustandsausdrücken und adverbialer Bestimmung der Zeit oder des Ortes kann tachsiis erfolgen.

Beispiele:

– Es wird ihm, wenn nicht in Not geraten, nicht geholfen.

– Prüfe die Studenten heute nicht.

– Schimpfe mit niemanden bei Al-haramm (bei der Ka’bah).

– al-ghaayah الغاية (das Ende)
Mit al-ghaayah wird das Erreichen eines festgelegten Endes bezeichnet. Dies erfolgt entweder mit (ila إلى: bis zu) oder (hatta حتى: bis).

Beispiele:

ثُمَّ أَتِمُّواْ ٱلصِّيَامَ إِلَى ٱلَّيۡلِۚ

(..) dann vollendet das rituelle Fasten bis zur Nacht! 49

Ÿوَلَا تَقۡرَبُوهُنَّ حَتَّىٰ يَطۡهُرۡنَۖ

(..) und vollzieht mit ihnen keinen Geschlechtsverkehr, bis sie sich rituell reinigen. 50

Darunter versteht man al-muchassis, der von al-‘aam unabhängig ist, wobei der Erwähnung von al-‘aam, den er einschränken wird, nicht bedarf. Dieser Typ von al-muchassis wird in drei Kategorien eingeteilt:

at-tachsiis durch die Vernunft

Beispiele:
a) “Allaah ist der Schöpfer allen Seins”, die Vernunft schließt notwendigerweise aus, dass Er sich selbst erschuf.
b) “Die Menschen sollen Haddsch vollziehen”, die Vernunft schließt z. B. die Kinder aus, da sie nicht in der Lage sind, solche Gebote zu vollziehen.

at-tachsiis durch die Sinne

Beispiel:
“Der Wind zerstörte alles”, durch die Sinne erkennt man, dass der Wind z. B. den Himmel nicht zerstörte.

at-tachsiis durch das Überlieferte

Sollte ein chaas-Ausdruck einem ‘aam-Ausdruck widersprechen, dann wird der chaas-Ausdruck berücksichtigt.
.) tachsiis von Aayaat durch andere Aayaat, von Aayaat durch Mutawaatir-Sunnah und von Aayaat durch idschmaa’ wird akzeptiert.

Beispiele:

وَٱلۡمُطَلَّقَٰتُ يَتَرَبَّصۡنَ بِأَنفُسِهِنَّ ثَلَٰثَةَ قُرُوٓءٖۚ

Die geschiedenen Frauen warten mit sich drei Menstruationen 51 ab. 52

Diese Aayah wurde mit tachsiis durch folgende Aayah belegt:

وَأُوْلَٰتُ ٱلۡأَحۡمَالِ أَجَلُهُنَّ أَن يَضَعۡنَ حَمۡلَهُنَّۚ

Für die Schwangeren, so endet deren Frist, wenn sie entbunden haben. 53

يَٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوٓاْ إِذَا نُودِيَ لِلصَّلَوٰةِ مِن يَوۡمِ ٱلۡجُمُعَةِ فَٱسۡعَوۡاْ إِلَىٰ ذِكۡرِ ٱللَّهِ وَذَرُواْ ٱلۡبَيۡعَۚ ذَٰلِكُمۡ خَيۡرٞ لَّكُمۡ إِن كُنتُمۡ تَعۡلَمُونَ ٩

Ihr, die den Iimaan verinnerlicht habt! Wenn zum Freitagsgebet gerufen wird, dann strebt zum Gedenken Allaahs und lasst vom Geschäftsbetrieb ab. Das ist besser für euch, würdet ihr es wissen. 54

Es ist idschmaa’, dass die Frauen zum Freitagsgebet nicht verpflichtet werden, obwohl sie zu denjenigen gehören, die den Iimaan verinnerlicht habt.

.)  at-tachsiis von Aayaat und Mutawaatir-Sunnah durch die Aahaad-Sunnah werden von der Mehrheit der Gelehrten angewendet. Die Hanafiten lehnen diese jedoch ab, da das dem Tradierungsweg nach eindeutig Gesicherte (qat‘iy) nicht durch das dem Tradierungsweg nach nicht eindeutig Gesicherte (dhanniy) eingeschränkt werden darf. Doch auch nach ihnen belegen alle Aahaad-Überlieferungen, über deren Anwendung idschmaa’ besteht, die Aayaat und die Mutawaatir-Sunnah mit tachsiis wie in diesem Beispiel 1.

Beispiel 1:
Der Gesandte Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

وَلَا وَصِيَّةَ لِوَارِثٍ

“Es gilt kein Testament für den Erben.” (B, AH)

Dieser Hadiith belegte mit tachsiis folgende Aayah:

كُتِبَ عَلَيۡكُمۡ إِذَا حَضَرَ أَحَدَكُمُ ٱلۡمَوۡتُ إِن تَرَكَ خَيۡرًا ٱلۡوَصِيَّةُ لِلۡوَٰلِدَيۡنِ وَٱلۡأَقۡرَبِينَ بِٱلۡمَعۡرُوفِۖ حَقًّا عَلَى ٱلۡمُتَّقِينَ ١٨٠

Euch wurde geboten – wenn der Tod bei einem von euch zugegen wird, wenn er Gut hinterlässt, das Vermächtnis für die Eltern und die Nahverwandten nach dem Üblichen; es ist eine Pflicht für die Ehrfürchtigen. 55

Beispiel 2:
Der Gesandte Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

لَا يَرِثُ الْمُؤْمِنُ الْكَافِرَ وَلَا يَرِثُ الْكَافِرُ الْمُؤْمِنَ

Der Muslim beerbt den Nicht-Muslim (kaafir) nicht und der Nicht-Muslim (kaafir) beerbt den Muslim nicht.” 56 (B, M)

Dieser Hadiith belegte mit tachsiis folgende Aayah:

يُوصِيكُمُ ٱللَّهُ فِيٓ أَوۡلَٰدِكُمۡۖ لِلذَّكَرِ مِثۡلُ حَظِّ ٱلۡأُنثَيَيۡنِۚ فَإِن كُنَّ نِسَآءٗ فَوۡقَ ٱثۡنَتَيۡنِ فَلَهُنَّ ثُلُثَا مَا تَرَكَۖ وَإِن كَانَتۡ وَٰحِدَةٗ فَلَهَا ٱلنِّصۡفُۚ وَلِأَبَوَيۡهِ لِكُلِّ وَٰحِدٖ مِّنۡهُمَا ٱلسُّدُسُ مِمَّا تَرَكَ إِن كَانَ لَهُۥ وَلَدٞۚ فَإِن لَّمۡ يَكُن لَّهُۥ وَلَدٞ وَوَرِثَهُۥٓ أَبَوَاهُ فَلِأُمِّهِ ٱلثُّلُثُۚ فَإِن كَانَ لَهُۥٓ إِخۡوَةٞ فَلِأُمِّهِ ٱلسُّدُسُۚ مِنۢ بَعۡدِ وَصِيَّةٖ يُوصِي بِهَآ أَوۡ دَيۡنٍۗ ءَابَآؤُكُمۡ وَأَبۡنَآؤُكُمۡ لَا تَدۡرُونَ أَيُّهُمۡ أَقۡرَبُ لَكُمۡ نَفۡعٗاۚ فَرِيضَةٗ مِّنَ ٱللَّهِۗ إِنَّ ٱللَّهَ كَانَ عَلِيمًا حَكِيمٗا ١١

Allaah gebietet euch hinsichtlich eurer Kinder, dem Kind männlichen Geschlechts das Gleiche (an Erbteilen) zu geben wie zwei Kindern weiblichen Geschlechts. Sollten sie zwei Töchter und mehr sein, so bekommen sie Zweidrittel dessen, was man hinterlassen hat. Sollte es sich nur um eine einzige Tochter handeln, so bekommt sie die Hälfte. Für seine Eltern, jedes Elternteil bekommt ein Sechstel dessen, was man hinterlassen hat, wenn man Kinder hat. Wenn man jedoch keine Kinder hat und (nur) seine Eltern ihn beerben, dann bekommt seine Mutter das Drittel. Wenn er Geschwister hat, dann bekommt seine Mutter das Sechstel nach (der Vollstreckung) des Testaments, das man hinterlegt hat, und nach (der Begleichung) der Schulden. – Eure Eltern und eure Kinder, ihr wisst nicht, welche von ihnen euch am ehesten nützen. – Dies ist ein Gebot von Allaah. Gewiss, Allaah bleibt allwissend, allweise. 57

.) at-tachsiis von Aayaat und Mutawaatir-Sunnah durch den Analogieschluss (qiyaas) wird bei einem eindeutigen qiyaas (qat‘iy) akzeptiert. Bei einem nicht eindeutigen qiyaas (dhanniy) gibt es die gleiche Meinungsverschiedenheit wie bei dem vorher erwähnten Typ.

Beispiel:
Die Halbierung der Strafe für männliche Sklaven bei Unzucht (zina) durch qiyaas nach der Aayah (4:25), wo die Strafe für weibliche Sklavinnen beim gleichen Vergehen im Vergleich zu den Freien halbiert wurde.

.) at-tachsiis von Sunnah durch die Sunnah und die Aayaat

Beispiele:
a) Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte: “Was vom Lebendigen abgeschnitten wird, gilt als Verendetes”, dies wird mit tachsiis belegt durch die Aayah (16:80), wo es heißt: “Auch aus ihrer Wolle, ihren Fellen und ihren Haaren (machte Er für euch) Ausstattung und Utensilien bis zu einer bestimmten Zeit”.
b) Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte: “Von dem, was der Himmel bewässerte, gibt es ein Zehntel Zakaah”. Dieser Hadiith wurde mit tachsiis belegt durch einen anderen Hadiith: “Unter fünf ausuq (ca. 120 kg) ist keine Zakaah zu entrichten”.

.) at-tachsiis von al-mantuuq durch al-mafhuum trotz der Tatsache, dass al-mafhuum schwächer als al-mantuuq ist.

Beispiel:
Der Hadiith: “Allaah erschuf das Wasser als tahuur (rein und reinigend), das durch nichts nadschis wird, außer durch etwas, das seinen Geschmack, seine Farbe oder seinen Geruch änderte”

wurde mit tachsiis belegt durch al-mafhuum vom Hadiith:
“Wenn die Wassermenge zwei qullah 58 ist, dann wird sie von chabath 59 nicht beeinträchtigt”.

.) at-tachsiis durch das Handeln und Bestätigen des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) ist nach der Mehrheit der Gelehrten möglich.

Beispiel:
Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) hat das rituelle Fasten über mehrere Tage ohne Unterbrechung für die Muslime verboten aber selbst vollzogen.

.) Ein chaas-Pronomen belegt al-‘aam nicht mit tachsiis

Beispiel:

وَٱلۡمُطَلَّقَٰتُ يَتَرَبَّصۡنَ بِأَنفُسِهِنَّ ثَلَٰثَةَ قُرُوٓءٖۚ وَلَا يَحِلُّ لَهُنَّ أَن يَكۡتُمۡنَ مَا خَلَقَ ٱللَّهُ فِيٓ أَرۡحَامِهِنَّ إِن كُنَّ يُؤۡمِنَّ بِٱللَّهِ وَٱلۡيَوۡمِ ٱلۡأٓخِرِۚ وَبُعُولَتُهُنَّ أَحَقُّ بِرَدِّهِنَّ فِي ذَٰلِكَ إِنۡ أَرَادُوٓاْ إِصۡلَٰحٗاۚ وَلَهُنَّ مِثۡلُ ٱلَّذِي عَلَيۡهِنَّ بِٱلۡمَعۡرُوفِۚ وَلِلرِّجَالِ عَلَيۡهِنَّ دَرَجَةٞۗ وَٱللَّهُ عَزِيزٌ حَكِيمٌ ٢٢٨

Die geschiedenen Frauen warten mit sich drei Menstruationen ab 60. Es ist nicht erlaubt, für sie zu verschweigen, was Allaah in ihren Gebärmüttern erschuf, sollten sie den Iimaan an Allaah und den Jüngsten Tag verinnerlicht haben. Ihre Ehemänner haben das Vorrecht, die Scheidung von ihnen während der Wartezeit rückgängig zu machen, wenn sie Aussöhnung wünschen. Den Ehefrauen steht (den Ehemännern gegenüber) Gleiches zu, wie es ihnen obliegt nach dem Üblichen, und den Ehemännern steht ihnen gegenüber eine Zusätzlichkeit zu. Allaah ist allwürdig, allweise. 61

“Die geschiedenen Frauen” ist ein ‘aam-Ausdruck und umfasst sowohl die baain 62 البائن als die radsch’iyyah 63 رجعية “Ihre Ehemänner haben das Vorrecht, die Scheidung von ihnen während der Wartezeit rückgängig zu machen” dieser Ausdruck ist chaas, da er nur die radsch’iyyah betrifft. Nach der Mehrheit der Gelehrten wird al-‘aam hier nicht mit tachsiis belegt.

.) at-tachsiis durch die Fatwa (Selbsturteilsfindung des Gelehrten) oder das Handeln des tradierenden Sahaabiy

Wenn ein Tradent etwas überliefert, was ‘aam ist, aber eine Meinung vertritt, die dieses mit tachsiis belegt, dann wird al-‘aam nach der Mehrheit der Gelehrten trotzdem nicht mit diesem tachsiis belegt, da seine Meinung vielleicht nur der Selbsturteilsfindung entstammte.
Die Hanafiten und die Hanbaliten lassen diesen Typ von tachsiis zu.

Beispiel:
Der Sahaabiy Ibnu-‘abbaas überliefert über den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam): “Wer seinen diin (den Islam) wechselt, den bestraft ihr mit dem Tode.”

Doch er selbst vertrat die Meinung, dass dies nicht die Frauen betrifft, obwohl “wer” ein ‘aam-Ausdruck ist und sowohl Männer als auch Frauen betrifft.

Wenn ein Glied von al-‘aam für sich alleine mit dem Scharii’ah-Gebot des al-‘aam belegt wird, dann wird al-‘aam damit nicht mit tachsiis belegt.

Beispiel:
Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

أَيُّمَا إِهَابٍ دُبِغَ فَقَدْ طَهُرَ

Jede Tierhaut, die gegerbt wurde, wird damit taahir (rituell rein). (T)

“Jede Tierhaut” ist ein ‘aam-Ausdruck und umfasst die Haut jeglichen Tieres. Dieser Ausdruck wird nicht mit tachsiis bezogen auf die Schafshäute belegt, auch wenn der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) bei einem verendeten Schaf vorbeiging und sagte: “Würdet ihr seine Haut nehmen und gerben und davon profitieren?” Sie sagten: “Es ist verendet” Er sagte: “Nur sein Verzehr ist für haraam erklärt worden”.

Wenn eine ‘aam-Antwort auf eine chaas-Frage gegeben wird, dann ist maßgeblich die ‘aam-Antwort und nicht die chaas-Frage. Vergleichbar damit ist eine Aayah mit einer ‘aam-Formulierung, obwohl ihr Hinabsendungsanlass spezifisch ist.

Bemerkung:
Konjunktionale Beziehung zwischen al-‘aam und al-chaas:
Wenn ein ‘aam-Ausdruck mit einem chaas-Ausdruck in einer konjunktionalen Beziehung steht, z. B. durch “و: und bzw. auch”, dann bewahrt nach der Mehrheit der Gelehrten jeder Ausdruck seinen Zustand und wird vom anderen nicht beeinflusst.

Beispiel:
Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

لَا يُقْتَلُ مُسْلِمٌ بِكَافِرٍ وَلَا ذُو عَهْدٍ فِي عَهْدِهِ .

“Kein Muslim wird (als Vergeltung für den Mord) an einem kaafir mit dem Tode bestraft, auch nicht derjenige, der über einen Sicherheitsvertrag verfügt, solange sein Vertrag gilt”. (AH)

Der erste Satz ist ‘aam, d. h., ein Muslim wird nicht mit der Todesstrafe bestraft als Vergeltung für den Mord an einem dhimmiy 64 ذمي oder an einem harbiy 65 حربي.
Der zweite Satz ist chaas, da diese Person durch idschmaa’ für den Mord an einem dhimmiy mit der Todesstrafe bestraft wird. So bedeutet dieser Hadiith nach Meinung von der Mehrheit der Gelehrten:
“Der Muslim wird für den Mord an einem kaafir, ob dhimmiy oder harbiy, nicht mit dem Tode bestraft, und derjenige, der über einen Sicherheitsvertrag verfügt, solange sein Vertrag gilt, wird nicht mit dem Tode für den Mord an einem harbiy bestraft.”
Imaam Abu-haniifah belegt den ersten Satz aufgrund der Konjunktion mit dem zweiten Satz mit tachsiis, so bedeutet der Hadiith nach ihm:
“Der Muslim wird für den Mord an einem harbiy nicht getötet, und derjenige, der über einen Sicherheitsvertrag verfügt, solange sein Vertrag gilt, wird nicht für den Mord an einem harbiy getötet.”
So gilt nach Imaam Abu-haniifah, dass der Muslim für den Mord an einem dhimmiy als Vergeltung mit der Todesstrafe bestraft wird.

Notes:

  1. Quraan (3:109)
  2. Quraan (17:32)
  3. Quraan (3:185)
  4. Quraan (15:30)
  5. Quraan (9:124)
  6. Quraan (17:110)
  7. Quraan (4:123)
  8. Quraan (36:52)
  9. Quraan (13:15)
  10. Quraan (2:197)
  11. Quraan (16:96)
  12. Quraan (51:31)
  13. Quraan (67:25)
  14. Quraan (16:27)
  15. Quraan (4:78)
  16. Quraan (2:144)
  17. Quraan (5:3)
  18. Quraan (103:2-3)
  19. Quraan (33:35)
  20. Quraan (49:11)
  21.    In den meisten Übersetzungen der Bedeutungen des Quraan berücksichtigen die Übersetzer diesen Aspekt nicht und übersetzen den Begriff qaum nicht so, wie die Quraanwissenschaft es erfordert:

    Bubenheim: „O die ihr glaubt, die einen sollen nicht über die anderen spotten, vielleicht sind eben diese besser als sie. Auch sollen nicht Frauen über andere Frauen (spotten), vielleicht sind eben diese besser als sie.“

    Henning (Ditib-Ausgabe): „O ihr, die ihr glaubt! Lasset nicht die einen über die andern spotten, die vielleicht besser sind als sie. Auch mögen nicht Frauen andre Frauen verspotten, die vielleicht besser sind als sie.“

    Henning (Hofmann-Ausgabe): „O ihr, die ihr glaubt! Kein Volk soll über ein anderes spotten – viel­leicht sind sie besser als sie -, auch Frauen nicht über andere Frauen – vielleicht sind sie besser als sie.“

    Ahmad v. Denffer: „Ihr, die glauben, es sollen sich keine Leute über andere Leute lustig machen, es kann sein, dass sie besser sind als sie, und keine Frauen über andere Frauen, es kann sein, dass sie besser sind als sie.“

    Rassoul: „O ihr, die ihr glaubt! Laßt nicht eine Schar über die andere spotten, vielleicht sind diese besser als jene; noch (lasset) Frauen über (andere) Frauen (spotten), vielleicht sind diese besser als jene.“

  22. Damit sind nur solche Ammen gemeint, die ein Kind gestillt haben, während es jünger als zwei Jahre ist. Es muss von ihr mindestens einmal (nach Imaam Abu-haniifah) bzw. fünfmal (nach den meisten anderen Gelehrten) satt gestillt worden sein.
  23. Diese Stieftöchter sind für die Ehe ebenfalls verboten, auch wenn sie nicht im eigenen Haushalt leben.
  24. Das bedeutet, dass man die Tochter einer Frau, mit der man einen Ehevertrag abgeschlossen hat, nur dann heiraten darf, wenn man sich von dieser Frau geschieden hat, bevor man mit ihr intim wurde. Für die Schwiegermutter gilt dies nicht. Ein Muslim darf die Mutter einer Frau nicht mehr heiraten, nachdem er mit ihr einen Ehevertrag abgeschlossen hat. Hier spielt es keine Rolle, ob er mit dieser Frau intim war bzw. wird oder nicht.
  25. Quraan (4:23)
  26. Quraan (58:7)
  27. Quraan (10:44)
  28. Quraan (3:173)
  29. Quraan (4:54)
  30. Quraan (4:54)
  31. Quraan (26:224-227)
  32. Quraan (2:228)
  33. Ursprünglich: „’iddah“, es ist die Wartezeit nach Inkrafttreten der Scheidung. In dieser Zeit sind weder Verlobung noch Heirat erlaubt.
  34. Quraan (33:49)
  35. Quraan (2:221)
  36. Hier sind die Speisen gemeint, die für Muslime als halaal gelten. Manche Quraan-Exegeten ver­stehen darunter insbesondere das Fleisch von Tieren, die durch Schriftbesitzer geschächtet werden.
  37. Quraan (5:5)
  38. Al-’araayah-Geschäft ist ein Tauschgeschäft von getrockneten Datteln gegen die gleiche Menge noch nicht geernteter Datteln.
  39. wasaq ist ein Gewichtsmaß und entspricht ca. 24 kg.
  40. Quraan (17:23)
  41. qullah macht ca. 100 Liter aus.
  42. chabath ist die nadschaasah, d. h. die rituelle Unreinheit.
  43. Ursprünglich: Die Haraam-Monate sind die Mondkalendermonate: 1., 7., 11. und 12. Monat.
  44. Diese Stelle kann auch so verstanden werden: „verwehrt ihnen den Zugang zur Ka’bah!“
  45. Quraan (9:5)
  46. In den meisten Übersetzungen der Bedeutungen des Quraan berücksichtigen die Übersetzer diesen wichtigen Aspekt jedoch nicht und übersetzen missverständlich in allgemeingültiger Form:

    Bubenheim: „Wenn nun die Schutzmonate abgelaufen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, ergreift sie, belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf!“.

    Henning (Ditib-Ausgabe): „Sind die heiligen Monate verflossen, so erschlagt die Götzendiener, wo ihr sie findet, und packet sie und belagert sie und lauert ihnen in jedem Hinterhalt auf.“

    Henning (Hofmann-Ausgabe): „Sind die geschützten Monate aber verflossen, dann tötet die Götzen­diener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf.“

    Ahmad v. Denffer: „Und wenn die heiligen Monate verstrichen sind, so tötet die Mitgötterge­benden, wo ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen in jedem Hinterhalt auf,“

    Rassoul: „Und wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf.“

  47. Quraan (24:4-5)
  48. Damit ist asch-schart anders als ar-rukn الركن, das zu den Pflichtteilen des Gebots gehört.
  49. Quraan (2:187)
  50. Quraan (2:222)
  51. Es kann auch sein: „die blutungsfreie Zeit zwischen zwei Menstruationen, also die Nicht-Menst­ruationszeit“.
  52. Quraan (2:228)
  53. Quraan (65:4)
  54. Quraan (62:9)
  55. Quraan (2:180)
  56. Gemeint ist mit diesem Ausschluss aus der Erbschaft, dass sie keine Pflichtanteile im Vermögen des anderen haben. Man darf jedoch Nicht-Muslime im Testament bedenken, dann können sie über diesen Weg erben.
  57. Quraan (4:11)
  58. qullah macht ca. 100 Liter aus.
  59. chabath ist die nadschaasah, d. h. die rituelle Unreinheit.
  60. Es kann auch sein: „die blutungsfreie Zeit zwischen zwei Menstruationen, also die Nicht-Menst­ruationszeit“.
  61. Quraan (2:228)
  62. baain ist die Bezeichnung für eine Frau, die zum dritten Mal vom gleichen Mann geschieden wurde. Diese darf diesen Mann erst dann wieder heiraten, nachdem sie einen anderen Mann heiratete und von ihm wieder geschieden wurde.
  63. radsch’iyyah ist die Bezeichnung für eine Frau, die zum ersten bzw. zum zweiten Mal geschieden wurde. Sie kann während der Wartezeit mit ihrem Mann ohne Weiteres die Ehe fortsetzen.
  64. Dhimmiy ist ein Nicht-Muslim, der im islamischen Staat lebt und Sicherheit für Leib, Leben und Besitz genießt.
  65. harbiy ist ein feindlicher Nicht-Muslim.