Die Usuul-Gelehrten haben die Handlungen des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) je nach Relevanz für die Ableitung von Scharii’ah-Geboten in verschiedenen Kategorien eingeteilt:
- Handlungen, die auf seine menschliche Natur und Veranlagung zurückzuführen sind (wie sitzen, gehen, stehen, schlafen, essen, etc.) (af’aalul-dschibil-lah أفعال الجبلة):
– Nach der Mehrheit der Gelehrten deutet das Vollbringen dieser Handlungen nur daraufhin, dass sie mubaah (Kann-Handlung) sind.
Viele der Sahaabah haben den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) auch in diesem Bereich aufgrund ihrer großen Liebe zu ihm und nicht aufgrund der Verpflichtetheit dazu nachgeahmt.
– Handlungen in diesem Bereich, die der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) auf bestimmte Art und Weise ständig wiederholt hat, wie das Trinken in drei Schlucken und nicht auf einmal, weisen darauf hin, dass diese zur Manduub-Kategorie als Soll-Handlung gehören. - Handlungen, die sowohl auf die menschliche Natur als auch auf die Scharii’ah zurückführbar sind (wie das Reiten bei der Haddsch, Benutzung eines Weges beim Hinweg zum ‘Iid-Gebet und eines anderen bei der Rückkehr). Diese Handlungen werden von der Mehrheit der Gelehrten als manduub (Soll-Handlung) bewertet.
- Handlungen, die nur den Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) persönlich betrafen, wie das rituelle Fasten
über mehrere Tage ohne Unterbrechung, das Heiraten von mehr als vier Frauen. Diese Handlungen dürfen nicht nachgeahmt werden. - Handlungen, die zur Erläuterung oder zur Einstufung und Kategorisierung eines Scharii’ah-Gebots dienten:
– Handlungen, die ein Scharii’ah-Gebot erläutern, müssen befolgt werden, wie die Erläuterung des rituellen Gebets bzw. die Haddsch-Riten.
– Handlungen, die al-mudschmal (das nicht aufklärbare mehrdeutige Ausdruck) erläutern und aufklären, müssen entsprechend ihrer Kategorie berücksichtigt werden (z. B.: Verrichtung der fünf rituellen Gebete ist waadschib (Muss-Handlung), da sie ein mudschmal erklärt haben, das als waadschib einzustufen ist; Verrichtung des rituellen Gebets bei Sonnen- und Mondfinsternis ist manduub, usw.). - Handlungen, die keine der o. g. Merkmale aufweisen:
Diese Handlungen werden ihrer Kategorie entsprechend befolgt, wenn diese feststellbar sind.
Feststellung der Kategorie einer Handlung des Gesandten
Ob eine Handlung des Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) als waadschib, manduub, etc. ist, wird wie folgt festgestellt:
– durch eine Aussage, welche auf die Kategorie hinweist;
– durch den Vergleich mit anderen Handlungen des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) bekannter Kategorisierung;
– durch die Feststellung, dass diese Handlungen im Zusammenhang mit einer Aayah bekannter Kategorisierung steht.
I) Feststellung der waadschib-Handlung bzw. -Kategorie
Die waadschib-Handlungen werden durch verschiedene Wege festgestellt, insbesondere:
– durch ein Zeichen, das nur im Zusammenhang mit al-waadschib (Soll-Kategorie) vorkommt (z. B.: al-adhaan الأذان, der Ruf zum rituellen Gebet wird nur für die Pflicht- bzw. waadschib-Gebete und nicht für Sunnah-Gebete gesprochen);
– durch Übereinstimmung mit einem Gelübde;
– dadurch, dass die Handlung verboten wäre, wenn sie keine waadschib-Handlung darstellte (al-chitaan الختان: Beschneiden des Jungen wäre als Körperverletzung zu verbieten, wenn die Sunnah es nicht ausdrücklich empfohlen hätte; gleiches gilt für die Huduud-Strafen).
II) Feststellung der manduub-Handlung bzw. -Kategorie
Die manduub-Handlungen werden durch verschiedene Wege festgestellt:
– durch das Fehlen des Zeichen der waadschib-Handlung, obwohl die Handlung Gehorsam Allaah (ta’aala) gegenüber darstellt;
– die Handlung ist qadaa’ (Nachholen) für eine manduub-Handlung;
– dadurch, dass er (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) eine Handlung, die er für längere Zeit vollzog, ohne Abrogation (nas-ch) unterlässt;
alles, was der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) vollziehen wollte und dennoch unterlassen hatte, vollziehen die Muslime auch nicht.
Inkonsistenz zwischen Aussagen und Handlungen des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) (at-ta’aarud التعارض)
at-ta’aarud bezeichnet zwei Aussagen bzw. Handlungen bzw. eine Aussage und eine Handlung, die sich gegenseitig widersprechen. In Bezug auf die Aussagen und Handlungen des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) wird Folgendes unterschieden:
– wenn zwei unterschiedliche Handlungen zu unterschiedlichen Zeiten stattfanden, dann liegt darin kein Widerspruch (z. B. Fasten an einem Tag und nicht fasten an einem anderen Tag);
– wenn zwei Handlungen sich widersprechen, wobei die eine Handlung aufgrund eines Beleges wiederholt werden muss, dann gilt die zweite Handlung als naasich ناسخ (abrogierend) oder muchas-sis مخصص (einschränkend bzw. bestimmend).
– wenn eine Aussage und eine Handlung sich gegenseitig widersprechen, dann kommt je nachdem tachsiis oder nas-ch zustande.