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Unerlässliche Bedingungen des Ehevertrags (schuruutul-’aqd)


Die Vertragsform (Angebot und Annahme) der Eheschließung

Die Vertragsform ist ein Rukn nach allen Fiqh-Schulen. Deshalb gilt eine Eheschließung erst nach der Willenserklärung beider Vertragsparteien, wobei die eine Partei dies durch das Angebot und die andere durch die Annahme mit eindeutigen Worten bekunden.
Auf das Angebot des Waliy (Idschaab إيجاب) muss unmittelbar danach die Annahme durch den Bräutigam (Qabuul قبول ) erfolgen, sonst ist die Willenserklärung anfechtbar 1.

Der Ehevertrag weist folgende Besonderheiten im Vergleich zu anderen Verträgen auf:

  • Nach der Mehrheit der Fiqh-Gelehrten wird der Vertrag nicht durch die Braut selbst als Vertragspartnerin, sondern durch ihren Bevoll-mächtigten (Waliy) abgeschlossen.
  • Der Bräutigam verpflichtet sich mit der Eheschließung zur Aushändigung einer Brautgabe (Mahr) an die Ehepartnerin.

Die Ehefrau und der Ehemann

Die Ehepartner sind ein Rukn bei der Eheschließung nach allen Fiqh-Schulen, außer bei den Hanafiten, die sie als unerlässliche Voraussetz-ung (Schart) bewerten. Die Ehepartner müssen Folgendes erfüllen:

  • Beide Ehepartner müssen namentlich und persönlich bekannt sein.
  •  Der Ehepartner darf nicht aus dem Mahaarim-Kreis stammen, da hier ein Ehehindernis vorliegt.
  • Keiner der Ehepartner darf sich im Ihraam-Zustand bei einer Haddsch- oder ‘Umrah-Pilgerfahrt befinden. Imaam Abu-haniifah sieht von dieser Bedingung ab, da nach der Überlieferung des Gefährten Ibnu-‘abbaas (radial-laahu ‘anh) der Gesandte seine Frau Maimuunah (radial-laahu ‘anha) während des Ihraam heiratete. Doch alle anderen Fiqh-Gelehrten weisen diesen Hadiith ab, da Maimuunah (radial-laahu ‘anha) selbst überlieferte, dass sie den Gesandten nach dem Ihraam heiratete.
  • Die Ehefrau darf nicht verheiratet sein oder sich in der Eheauflösungsfrist befinden.
  • Beide Ehepartner müssen der Eheschließung freiwillig und ohne Zwang zustimmen und dies dem Vertragspartner bekunden.

عَنْ خَنْسَاءَ بِنْتِ خِذَامٍ الْأَنْصَارِيَّةِ ‏‏أَنَّ أَبَاهَا زَوَّجَهَا‏ ‏وَهْيَ ثَيِّبٌ فَكَرِهَتْ ذَلِكَ فَأَتَتْ رَسُولَ اللَّهِ ‏ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏فَرَدَّ نِكَاحَهُ.

“Chansaa Bintu-chidhaam Al-ansaariyah berichtete, dass ihr Vater sie verheiratete, nachdem sie schon einmal verheiratet gewesen war. Sie lehnte dies jedoch ab. Dann beschwerte sie sich beim Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam), daraufhin erklärte er die Ehe für nichtig.” (B)

  • Das jeweilige Geschlecht, die Weiblichkeit der Braut und die Männlichkeit des Bräutigams, müssen zweifelsfrei feststehen.
  • Die Vertragspartner, sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau resp. ihr Bevollmächtigter bzw. Waliy, müssen voll geschäftsfähig sein in Bezug auf sich selbst und auf die Vertretung anderer.

Der Waliy

Waliy bedeutet linguistisch im Zusammenhang der Ehe: “Interessenvertreter, Unterstützer, Beistand, Bevollmächtigter”.
Waliy als Terminus technicus in Bezug auf die Ehe ist: “eine Person, die entweder Vater, Bevollmächtigter vom Vater bzw. vom Vormund (Wasiy وصي), Blutsverwandter als ‘Asabah 2 عصبة , Sorgepflichtiger (Kafiil كفيل) oder Staatsvertreter (Sultaan سلطان) ist, ohne deren Anwesenheit der Ehevertrag nichtig ist.”
Die Anwesenheit des Waliy beim Abschluss des Ehevertrags ist ein Rukn nach Imaam Asch-schaafi’iy und Imaam Maalik. Ihre Meinung belegen sie wie folgt:

وَإِذَا طَلَّقۡتُمُ ٱلنِّسَآءَ فَبَلَغۡنَ أَجَلَهُنَّ فَلَا تَعۡضُلُوهُنَّ أَن يَنكِحۡنَ أَزۡوَٰجَهُنَّ إِذَا تَرَٰضَوۡاْ بَيۡنَهُم بِٱلۡمَعۡرُوفِۗ

“Wenn ihr von den Ehefrauen die Scheidung vollzogen habt und sie sich dem Ende ihrer Wartezeit nähern, dann hindert sie nicht daran, ihre Männer wieder zu heiraten, wenn sie sich nach dem Üblichen aussöhnten.” 3

Der Hinabsendungsanlass dieser Aayah war nach dem Bericht des Gefährten Ma’qil Bnu-yasaar (radial-lahu ‘anh) wie folgt:

زَوَّجْتُ أُخْتًا لِي مِنْ ‏رَجُلٍ ‏فَطَلَّقَهَا حَتَّى إِذَا انْقَضَتْ عِدَّتُهَا جَاءَ يَخْطُبُهَا فَقُلْتُ لَهُ زَوَّجْتُكَ وَفَرَشْتُكَ وَأَكْرَمْتُكَ فَطَلَّقْتَهَا ثُمَّ جِئْتَ تَخْطُبُهَا لَا وَاللَّهِ لَا تَعُودُ إِلَيْكَ أَبَدًا وَكَانَ رَجُلًا لَا بَأْسَ بِهِ وَكَانَتْ الْمَرْأَةُ تُرِيدُ أَنْ تَرْجِعَ إِلَيْهِ فَأَنْزَلَ اللَّهُ هَذِهِ الْآيَةَ ‏‏فَقُلْتُ الْآنَ أَفْعَلُ يَا رَسُولَ اللَّهِ.

“Ich verheiratete meine Schwester mit einem Mann, der sich wenig später von ihr schied. Als ihre Eheauflösungsfrist vorüber war, kam er und hielt wieder um sie an. Ich sagte: “Ich habe sie mit dir verheiratet und habe dich ehrenvoll behandelt, dann hast du dich von ihr scheiden lassen, dann kommst du und hältst wieder um sie an? Nein, bei Allaah! Niemals wird sie wieder deine Frau werden!” Allerdings war er ein untadeliger Mann und meine Schwester wollte wieder zu ihm zurück. Dann sandte Allaah diese Aayah hinab, daraufhin sagte ich: “Jetzt lasse es zu, Gesandter Allaahs!” (B)

Aus dem Hinabsendungsanlass wird ersichtlich, dass eine Frau an einer Heirat gehindert werden kann, was die Schlussfolgerung zulässt, dass sie sich nicht eigenmächtig vermählen kann. In diesem Fall wurde die Frau von ihrem Bruder, als ihr Waliy, zunächst an der Heirat gehindert. Erst sein Einverständnis ermöglichte ihre erneute Wiedervermählung mit ihr-em Geschiedenen. Daraus wird die Notwendigkeit des Waliy beim Ehevertrag abgeleitet. Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

لَا نِكَاحَ إِلَّا بِوَلِيٍّ

“Keine Eheschließung (Nikaah) gilt ohne Waliy.” (T, AH, A, I)

 أَيُّمَا امْرَأَةٍ نَكَحَتْ بِغَيْرِ إِذْنِ وَلِيِّهَا فَنِكَاحُهَا بَاطِلٌ فَنِكَاحُهَا بَاطِلٌ فَنِكَاحُهَا بَاطِلٌ فَإِنْ دَخَلَ بِهَا فَلَهَا الْمَهْرُ بِمَا اسْتَحَلَّ مِنْ فَرْجِهَا.

“Jede Frau, die ohne Erlaubnis ihres Waliy heiratet, deren Eheschließung ist nichtig, deren Eheschließung ist nichtig, deren Eheschließung ist nichtig. Sollte der Ehemann mit ihr intim geworden sein, dann gehört ihr die Brautgabe deshalb, weil er mit ihr intim wurde.” (T, I, A, AH)

 

لَا تُزَوِّجُ الْمَرْأَةُ الْمَرْأَةَ وَلَا تُزَوِّجُ الْمَرْأَةُ نَفْسَهَا فَإِنَّ الزَّانِيَةَ هِيَ الَّتِي تُزَوِّجُ نَفْسَهَا

“Die Frau schließt den Ehevertrag für die Frau nicht ab. Auch schließt die Frau den Ehevertrag für sich selbst nicht ab. Denn die UnzuchtTreibende ist diejenige, die für sich selbst den Ehevertrag abschließt!” (I)

Es ist ebenfalls überliefert, dass ‘Umar (radial-laahu ‘anh) eine Eheschließung für ungültig erklärte und den Ehemann dafür sanktionierte, weil dieser die Frau ohne Anwesenheit eines Waliy heiratete.
Imaam Abu-haniifah empfiehlt unbedingt zwar die Anwesenheit und die Zustimmung des Waliy bei der Eheschließung, bewertet sie jedoch weder als Rukn, noch als Schart für die gültige Eheschließung mit einer zurechnungsfähigen geschlechtsreifen Frau. Er belegt seine Meinung unter anderem mit folgenden Aayaat:

فَإِن طَلَّقَهَا فَلَا تَحِلُّ لَهُۥ مِنۢ بَعۡدُ حَتَّىٰ تَنكِحَ زَوۡجًا غَيۡرَهُۥۗ فَإِن طَلَّقَهَا فَلَا جُنَاحَ عَلَيۡهِمَآ أَن يَتَرَاجَعَآ إِن ظَنَّآ أَن يُقِيمَا حُدُودَ ٱللَّهِۗ وَتِلۡكَ حُدُودُ ٱللَّهِ يُبَيِّنُهَا لِقَوۡمٖ يَعۡلَمُونَ ٢٣٠

“Sollte er von ihr dann (zum dritten Mal) die Scheidung vollzogen haben, so wird sie für ihn danach nicht mehr erlaubt, bis sie einen anderen Ehemann heiratet. Sollte dieser (danach) von ihr die Scheidung vollzogen haben, dann ist es für beide keine Verfehlung, wenn beide wieder heiraten, wenn beide glauben, sie könnten nun Allaahs Richtlinien einhalten. Diese sind Allaahs Richtlinien, Er erläutert sie für Leute, die wissen.” 4

Imaam Abu-haniifah leitet aus dieser Aayah ab, dass eine Frau die Eheschließung nicht eigenmächtig vornehmen soll. Sollte sie sich jedoch eigenmächtig vermählen wollen, so soll sie nicht daran gehindert werden. Nach dieser Interpretation liefert die Aayah keinen eindeutigen Hinweis auf die zwingende Notwendigkeit der Anwesenheit des Waliy.

وَإِذَا طَلَّقۡتُمُ ٱلنِّسَآءَ فَبَلَغۡنَ أَجَلَهُنَّ فَلَا تَعۡضُلُوهُنَّ أَن يَنكِحۡنَ أَزۡوَٰجَهُنَّ إِذَا تَرَٰضَوۡاْ بَيۡنَهُم بِٱلۡمَعۡرُوفِۗ

“Wenn ihr von den Ehefrauen die Scheidung vollzogen habt und sie sich dem Ende ihrer Wartezeit nähern, dann hindert sie nicht daran, ihre Männer wieder zu heiraten, wenn sie sich nach dem Üblichen aussöhnten.” 5


فَإِذَا بَلَغۡنَ أَجَلَهُنَّ فَلَا جُنَاحَ عَلَيۡكُمۡ فِيمَا فَعَلۡنَ فِيٓ أَنفُسِهِنَّ بِٱلۡمَعۡرُوفِۗ

“Wenn sie ihre Wartezeit beendet haben, dann ist es für euch keine Verfehlung in dem, was sie mit sich selbst machen, nach dem Üblichen.” 6

Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte diesbezüglich:

الأيِّمُ أحقُّ بنفسها من وليِّها.

“Eine nicht verheiratete Frau hat (in der Wahl des Ehepartners) mehr Recht als ihr Waliy.” (T, A)

Nach dem arabischen Wortlaut steht die Bezeichnung Al-aiyim für eine unverheiratete Frau, entweder weil sie Witwe oder noch Jungfrau ist.
Der Hadiith von ‘Aischah (radial-laahu ‘anha): “keine Eheschließung gilt ohne Waliy” wird von den Hanafiten zurückgewiesen, weil von ‘Aischah selbst berichtet wird, dass sie ihre Nichte Hafsah ohne Anwesenheit ihres Waliy mit Mundhir Bnuz-zubair verheiratete.
Dieser o. g. Hadiith von ‘Aischah (radial-laahu ‘anha) wird dahingehend interpretiert, dass der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) damit ausdrücken wollte, dass der Ehevertrag zwar ohne Anwesenheit des Waliy weiterhin seine Gültigkeit besitzt, aber der Vertrag sicherer wäre, wenn zusätzlich noch diese Bedingung erfüllt worden wäre. Vergleichbar mit einer Person, welche die rituelle Gebetswaschung für die Verrichtung mehrerer Gebete vollzieht. Die verrichteten rituellen Gebete sind zwar gültig, wären aber besser durchgeführt, wenn für jedes rituelle Gebet die rituelle Gebetswaschung erneut vollzogen worden wäre. Somit impliziert der Hadiith nicht die Ungültigkeit des Ehevertrages.
Auch gemäß der Logik ist die Anwesenheit eines Waliy beim Abschluss des Ehevertrags keine Muss-Handlung, da eine Frau, die voll geschäftsfähig ist, alle Arten von Kaufverträgen abschließen und frei über ihr Ver-mögen verfügen darf. So ist es logisch, dass eine Frau auch über sich selbst verfügen und ihren Ehevertrag selbst abschließen kann. Die Funktion des Waliy besteht lediglich darin, zu vermeiden, dass sie einen nicht-ebenbürtigen Mann heiratet und dass dadurch mehr Sicherheit für sie garantiert wird.
Der Waliy muss bei der Eheschließung einer Muslimah ein geschlechtsreifer, zurechnungsfähiger, vertrauenswürdiger und redlicher (‘adl عدل) Muslim sein, der sich nicht im Ihraam-Zustand befindet. Nach Imaam Abu-haniifah kann die Waliy-Funktion auch eine Frau ausüben. Er räumt auch dem unredlichen Waliy das Recht ein, gegen die Eheschließung zu klagen, wenn die Frau einen Nicht-Ebenbürtigen heiratet. Ein Muslim kann nach allen Fiqh-Schulen kein Waliy für eine Nicht-Muslimah sein.

 

Der vorrangig befugte Waliy einer Braut nach den Hanafiten ist der Reihe nach:

  • Der Sohn, der Sohnessohn, usw. in absteigender Linie
  • Der Vater, der Großvater, usw. in aufsteigender Linie
  • Der Bruder, der Halbbruder väterlicherseits und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Bruder des Vaters, der Halbbruder des Vaters und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Staatsvertreter bzw. der Richter

Imaam Abu-haniifah vertritt die Meinung, dass beim Fehlen der ‘Asabah die Kognaten 7 die Waliy-Funktion übernehmen, und zwar zunächst die leibliche Mutter, dann die Großmutter väterlicherseits, dann die Großmutter mütterlicherseits, dann die leibliche Tochter, dann die Tochter des Sohnes, dann der Großvater mütterlicherseits, dann die Onkel mütterlicherseits, dann die Tanten mütterlicherseits. Erst wenn kein Verwandter verfügbar ist, übernimmt der Vertreter des Staates diese Funktion.

 

Der vorrangig befugte Waliy einer Braut nach den Maalikiten ist der Reihe nach:

  • Der Sohn, der Sohnessohn, usw. in absteigender Linie
  • Der Vater
  • Der Bruder, der Halbbruder väterlicherseits und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Großvater väterlicherseits
  • Der Bruder des Vaters, der Halbbruder des Vaters und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Urgroßvater väterlicherseits
  • Derjenige, der die Frau als Kind betreute (Kafiil).
  • Der Staatsvertreter bzw. der Richter
  • Jeder Muslim, wenn keiner der o. g. vorhanden ist.

 

Der vorrangig befugte Waliy einer Braut nach den Schaafi’iten ist der Reihe nach:

  • Der Vater
  • Der Großvater väterlicherseits in aufsteigender Linie
  • Der Bruder, der Halbbruder väterlicherseits und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Bruder des Vaters, der Halbbruder des Vaters und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Staatsvertreter bzw. der Richter

 

Der vorrangig befugte Waliy einer Braut nach den Hanbaliten ist der Reihe nach:

  • Der Vater, dann der Großvater väterlicherseits in aufsteigender Linie
  • Der Sohn, der Sohnessohn, usw. in absteigender Linie
  • Der Bruder, der Halbbruder väterlicherseits und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Bruder des Vaters, der Halbbruder des Vaters und ihre Kinder in absteigender Linie
  • Der Staatsvertreter bzw. der Richter

Die Trauzeugen

Die Anwesenheit der Trauzeugen bei der Eheschließung ist ein Rukn nach den Schaafi’iten und ein Schart nach den Hanafiten und Hanbaliten. Nach den Maalikiten ist die Anwesenheit der Trauzeugen nur eine empfohlene Handlung. Jedoch verpflichten sie zur Bekanntmachung der Eheschließung vor dem Intim-Sein beider Ehepartner, sonst gilt sie als Unzucht-Handlung (Zina) und nicht als Eheschließung.
Das Geheimhalten der Eheschließung macht sie ungültig, jedoch nicht nach Imaam Ahmad und nach der 12er-Schii’ah. Der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) sagte:

لَا نِكَاحَ إِلَّا بِوَلِيٍّ وشَاهِدَي عَدْلٍ.

“Keine Eheschließung (Nikaah) gilt ohne Waliy und ohne zwei redliche Zeugen (‘Adl-Zeugen).” (Ad-daaraqutniy und Ibnu-hibbaan)

Sinn der Bezeugung einer Eheschließung ist die Sicherstellung der Rechte der Frau und der in der Ehe gezeugten Kinder, sowie das Vermeiden von Missverständnissen und Unterstellungen in der Gesellschaft. Deshalb empfahl der Gesandte (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam), die Eheschließung öffentlich zu machen:

أَعْلِنُوا هَذَا النِّكَاحَ وَاجْعَلُوهُ فِي الْمَسَاجِدِ وَاضْرِبُوا عَلَيْهِ بِالدُّفُوفِ

“Gebt diese Heirat öffentlich bekannt, schließt sie in den Moscheen ab, und schlagt deswegen die Trommeln!” (T)

Die Trauzeugen müssen mindestens zwei geschlechtsreife, zurechnungsfähige, redliche, muslimische Männer sein. Nach Imaam Abu-haniifah gilt auch die Bezeugung durch einen Mann und zwei Frauen. Diese müssen Muslime sein, wenn beide Ehepartner Muslime sind. Wenn die Ehefrau jedoch Christin bzw. Jüdin ist, dann akzeptiert er die Bezeugung durch Christen und Juden. Imaam Asch-schaafi’iy verlangt zusätzlich, dass die Zeugen weder blind, noch taub sind.

Die Brautgabe (as-sadaaq الصداق, al-mahr المهر)

Begriffsbestimmung

Linguistisch leitet sich assadaaq von “assidq, die Wahrhaftigkeit” ab. Dieser Begriff wird verwendet, weil der Ehemann mit der Eheschließung seine Wahrhaftigkeit und Ernsthaftigkeit zum Ausdruck bringen will.
Fachspezifisch bezeichnet Assadaaq: “die Verpflichtung des Ehemannes, einen Vermögenswert an die Ehefrau aufgrund des Zustandekommens einer Eheschließung auszuhändigen”.
Die Brautgabe gilt somit als zwingende von Allaah (ta’aala) auferlegte Erfordernis einer Eheschließung. Sie gilt als Geschenk an die Frau anlässlich der Eheschließung. In diesem Zusammenhang gelten die Begriffe: Mahr, Sadaaq, Sadaqah صدقة , Nihlah نحلة , ‘Uqrعقر  , Fariidah فريضة , Taul طول, Adschr أجر , Nikaah نكاح, Hibaa  حباء als Synonyme.

Verschiedene Aspekte zur Brautgabe

  • Der Anspruch auf die volle Höhe der vereinbarten Brautgabe wird mit dem Ehevollzug fällig, d. h. nachdem die Ehepartner miteinander den Beischlaf vollzogen haben.

فَمَا ٱسۡتَمۡتَعۡتُم بِهِۦ مِنۡهُنَّ فَ‍َٔاتُوهُنَّ أُجُورَهُنَّ فَرِيضَةٗۚ

“Wen ihr von ihnen heiratet, so gebt ihnen ihre Morgengabe – eine Pflichtgabe.” 8


وَءَاتُواْ ٱلنِّسَآءَ صَدُقَٰتِهِنَّ نِحۡلَةٗۚ

“Gebt 9 den Frauen ihre Morgengabe als Geschenk 10.” 11

Beim Tod des Ehemannes hat die Frau ebenfalls Anspruch auf die volle Brautgabe unabhängig davon, ob der Beischlaf zuvor vollzogen wurde oder nicht. Die Gelehrten berufen sich hierbei auf den Konsensus der Sahabah, der ersten Generation nach dem Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam).

  • Die Hälfte der vereinbarten Brautgabe erhält die Ehefrau, wenn eine Eheschließung zustande kommt, aber noch vor dem Ehevollzug die Auflösung der Ehe erfolgte.

وَإِن طَلَّقۡتُمُوهُنَّ مِن قَبۡلِ أَن تَمَسُّوهُنَّ وَقَدۡ فَرَضۡتُمۡ لَهُنَّ فَرِيضَةٗ فَنِصۡفُ مَا فَرَضۡتُمۡ إِلَّآ أَن يَعۡفُونَ أَوۡ يَعۡفُوَاْ ٱلَّذِي بِيَدِهِۦ عُقۡدَةُ ٱلنِّكَاحِۚ وَأَن تَعۡفُوٓاْ أَقۡرَبُ لِلتَّقۡوَىٰۚ وَلَا تَنسَوُاْ ٱلۡفَضۡلَ بَيۡنَكُمۡۚ إِنَّ ٱللَّهَ بِمَا تَعۡمَلُونَ بَصِيرٌ ٢٣٧

“Wenn ihr von ihnen die Scheidung vollzogen habt, bevor ihr sie intim berührt und während ihr ihnen bereits eine Pflichtgabe zugesprochen habt, dann (erhalten sie) die Hälfte dessen, was ihr zugesprochen habt, es sei denn, sie verzichten oder derjenige verzichtet, der über den Ehevertrag verfügt 12.” 13

  • Der Anspruch auf die Brautgabe erlischt vollständig, wenn die Ehefrau ihrerseits die Eheauflösung ohne scharii’ah-konforme Gründe vollzieht.
  • Der Vermögenswert der Brautgabe kann finanzieller oder anderer Natur sein. Dafür ist weder eine Ober- noch eine Untergrenze festgelegt.

وَأُحِلَّ لَكُم مَّا وَرَآءَ ذَٰلِكُمۡ أَن تَبۡتَغُواْ بِأَمۡوَٰلِكُم مُّحۡصِنِينَ غَيۡرَ مُسَٰفِحِينَۚ

“Euch wurden alle anderen (Frauengruppen) für erlaubt (zum Heiraten) erklärt, damit ihr mit eurem Vermögen (das Heiraten) anstrebt als Ehemänner und nicht als Unzuchttreibende.” 14

Die Gelehrten haben eine Untergrenze im Wert von zehn Dirham (ca. 30g Silber) und ein Maximum von 500 Dirham (ca. 1485g Silber) als Sunnah-Handlung festgelegt. Die Untergrenze wurde gewählt, um Konsens mit den Hanafiten herzustellen, die dieses Minimum als verpflichtend betrachten. Die Obergrenze wurde gemäß dem Vorbild des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) gewählt, der bei seinen Töchtern und Ehefrauen nie über diesen Maximalwert hinausging.

  • Es entspricht der Sunnah, im Moment der Eheschließung die Höhe der Brautgabe ausdrücklich festzulegen. Sollte diese Höhe bei der Eheschließung nicht vereinbart worden sein, ist die Ehe trotzdem gültig. In diesem Fall treten die Regelungen des Mahrul-mithl مهر المثل ein.
  • Die Aushändigung der Brautgabe wird im Moment der Eheschließung zur Pflicht (Waadschib)
    und bindend für den Ehemann.
    Sahl Bnu-sa’d (radial-laahu ‘anh) berichtete:

‏كُنَّا عِنْدَ النَّبِيِّ‏ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏جُلُوسًا، فَجَاءَتْهُ امْرَأَةٌ تَعْرِضُ نَفْسَهَا عَلَيْهِ فَخَفَّضَ فِيهَا النَّظَرَ وَرَفَعَهُ فَلَمْ يُرِدْهَا. فَقَالَ رَجُلٌ مِنْ أَصْحَابِهِ: زَوِّجْنِيهَا يَا رَسُولَ اللَّهِ. قَالَ ‏أَعِنْدَكَ مِنْ شَيْءٍ؟ قَالَ: مَا عِنْدِي مِنْ شَيْءٍ. قَالَ: وَلَا خَاتَمٌ مِنْ حَدِيدٍ؟ قَالَ: وَلَا خَاتَمٌ مِنْ حَدِيدٍ، وَلَكِنْ أَشُقُّ بُرْدَتِي هَذِهِ فَأُعْطِيهَا النِّصْفَ وَآخُذُ النِّصْفَ. قَالَ: لَا! هَلْ مَعَكَ مِنْ الْقُرْآنِ شَيْءٌ؟ قَالَ: نَعَمْ. قَالَ: اذْهَبْ فَقَدْ زَوَّجْتُكَهَا بِمَا مَعَكَ مِنْ الْقُرْآنِ.

“Als wir beim Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) saßen, kam zu ihm eine Frau und bot sich ihm zur Ehe an. Er schaute sie sich an, aber wollte sie nicht heiraten. Einer seiner Gefährten sagte: “Verheirate sie mit mir, Gesandter Allaahs!” Er fragte ihn: “Hast du etwas, (was du ihr als Brautgabe geben kannst)!” Er sagte: “Ich habe nichts!”. Er fragte: “Auch keinen Ring aus Eisen?” Er erwiderte: “Auch keinen Ring aus Eisen, aber ich würde mein Gewand in zwei Teile schneiden und ihr die Hälfte geben und ich die Hälfte nehmen.” Er sagte: “Nein! Kennst du etwas aus dem Quran auswendig?” Er antwortete: “Ja!” Daraufhin sagte er: “Gehe (mit ihr), ich gebe sie dir zur Ehefrau mit dem, was du aus dem Quran auswendig kennst.” (B, M)

  • Die Brautgabe gilt als Eigentum der Ehefrau und ausschließlich sie alleine darf über dieses Vermögen verfügen.

وَإِنۡ أَرَدتُّمُ ٱسۡتِبۡدَالَ زَوۡجٖ مَّكَانَ زَوۡجٖ وَءَاتَيۡتُمۡ إِحۡدَىٰهُنَّ قِنطَارٗا فَلَا تَأۡخُذُواْ مِنۡهُ شَيۡ‍ًٔاۚ أَتَأۡخُذُونَهُۥ بُهۡتَٰنٗا وَإِثۡمٗا مُّبِينٗا ٢٠

“Wenn ihr eine Ehefrau anstelle einer (anderen) Ehefrau heiraten wollt und ihr einer von ihnen eine großzügige (Brautgabe) gegeben habt, dann nehmt ihnen davon nichts weg! Wollt ihr es (ihnen) etwa in betrügerischer und eindeutig verfehlter Weise wegnehmen?(!)” 15


وَءَاتُواْ ٱلنِّسَآءَ صَدُقَٰتِهِنَّ نِحۡلَةٗۚ فَإِن طِبۡنَ لَكُمۡ عَن شَيۡءٖ مِّنۡهُ نَفۡسٗا فَكُلُوهُ هَنِيٓ‍ٔٗا مَّرِيٓ‍ٔٗا ٤

“Gebt 16 den Frauen ihre Morgengabe als Geschenk 17. Sollten sie für euch auf etwas davon freiwillig verzichten, dann nehmt es als etwas Gutes Erlaubtes an.” 18

  • Der Zeitpunkt, an dem die Aushändigung der Brautgabe fällig wird, kann je nach Vereinbarung variieren. Die Aushändigung kann in Höhe des Gesamtbetrages noch vor Vollzug der Ehe erfolgen, sie kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Es kann z. B. vereinbart werden, dass ein bestimmter Teil sofort nach Eheschließung und der Rest erst zu einem späteren, genau festgelegten Zeitpunkt (Eheauflösung oder Tod) ausgehändigt wird. All diese Zahlungsmodalitäten sind im Sinne der Scharii’ah zulässig, solange beide Parteien hierüber eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben.
  • Die Brautgabe kann bei Eheschließung entweder bestimmt oder unbestimmt sein. Wenn sie nicht definitiv bestimmt wurde, gelten die Bestimmungen des mahrul-mithl (Brautgabe einer Ebenbürtigen).
  • Mahrul-mithl bezeichnet “einen nach lokalen Verhältnissen zu bestimmenden Vermögenswert, der einer Ehefrau in Ermangelung einer abgemachten Vereinbarung über die Höhe der Brautgabe während der Eheschließung oder aus anderen rechtlichen Gründen geleistet wird”. Es wird also eine gemäß den jeweiligen Verhältnissen ermittelte Brautgabe gezahlt. Die Betragshöhe wird bestimmt nach den Familienverhältnissen und den persönlichen Qualitäten der Frau. Dabei werden zum Vergleich in einer festgelegten Reihenfolge zuerst die weiblichen verheirateten Familienmitglieder herangezogen, die von der väterlichen Linie
    abstammen, die ‘Asabah: die leiblichen Schwestern, die Schwestern väterlicherseits, die Töchter des Bruders, die Tanten väterlicherseits. Die bei diesen Frauen vereinbarte Brautgabe gilt als bestimmend für die Festlegung der Brautgabe bei dieser Ehefrau, insofern sie bezüglich der Qualitäten mit diesen ebenbürtig ist. Wenn diese Familienglieder nicht existieren oder bis dato noch nicht verheiratet waren, wird die Höhe der Brautgabe nach den weiblichen Familienmitgliedern bestimmt, die von der mütterlichen Linie
    ab-stammen, die Kognaten (Dhawul-arhaam) wie die Mutter, Großmutter, Tanten mütterlicherseits, die Töchter der Schwester. Wenn auch diese Familienmitglieder nicht existieren oder noch nicht verheiratet waren, wird die Höhe der Brautgabe durch die Brautgabe der verheirateten Frauen bestimmt, die in derselben Stadt leben und die bezüglich der Qualitäten denselben Rang einnehmen. Hierbei werden insbesondere persönliche Merkmale wie Alter, Reife, Schönheit, Frömmigkeit, Bildung, Ausbildung etc. berücksichtigt.

‏عَنْ ‏ ‏ابْنِ مَسْعُودٍ ‏‏أَنَّهُ سُئِلَ عَنْ رَجُلٍ تَزَوَّجَ امْرَأَةً وَلَمْ ‏ ‏يَفْرِضْ ‏لَهَا ‏صَدَاقًا ‏وَلَمْ يَدْخُلْ بِهَا حَتَّى مَاتَ فَقَالَ ‏ابْنُ مَسْعُودٍ لَهَا مِثْلُ ‏صَدَاقِ ‏نِسَائِهَا لَا ‏وَكْسَ ‏وَلَا ‏شَطَطَ ‏وَعَلَيْهَا الْعِدَّةُ وَلَهَا الْمِيرَاثُ فَقَامَ ‏‏مَعْقِلُ بْنُ سِنَانٍ الْأَشْجَعِيُّ ‏ ‏فَقَالَ ‏قَضَى رَسُولُ اللَّهِ ‏صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ‏ ‏فِي ‏بِرْوَعَ بِنْتِ وَاشِقٍ ‏‏امْرَأَةٍ مِنَّا مِثْلَ الَّذِي قَضَيْتَ فَفَرِحَ بِهَا ‏‏ابْنُ مَسْعُودٍ.

“‘Abdullaah Bnu-mas’uud berichtete, dass er über einen Mann gefragt wurde, der eine Frau heiratete, ohne für sie eine Brautgabe zu nennen und mit ihr intim zu werden, bis er starb. Ibnu-mas’uud entschied: “Ihr steht ähnliches wie die Brautgabe ihrer verwandten Frauen zu, ohne Unter- oder Übertreibung. Sie hat die Eheauflösungsfrist zu achten, und ihr steht auch der Erbanteil zu”. Ma’qil Bnu-sinaan Al-aschdscha’iy stand daraufhin auf und sagte: “Der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) urteilte bei Birwa’ Bintu-waaschiq, einer Frau von unserem Stamm, wie du es entschieden hast”. Ibnu-mas’uud war dann hocherfreut darüber.” (T, A)

Mahrul-mithl (Brautgabe einer Ebenbürtigen) wird fällig (waadschib) in folgenden Fällen:

  • Ein Ehevertrag wird geschlossen, der unerlässliche Voraussetzungen (Schuruut) nicht erfüllt (z. B. Fehlen von Trauzeugen oder eines Waliy). Dieser Vertrag gilt als nichtig. Der Ehemann verpflichtet sich im Moment des Ehevollzuges zur Zahlung des Mahrul-mithl und die Ehe gilt als annulliert. Erfolgt die Eheauflösung noch vor dem Beischlaf gibt es für beide Ehepartner keine weiteren Verpflichtungen, denn ein Faasid-Vertrag wird als nicht geschlossen betrachtet.
  • Eine Ehe wird ohne vorherige Vereinbarung über die Höhe der Brautgabe aufgelöst oder zwischen beiden Ehepartnern besteht Uneinigkeit über die vereinbarte Höhe der Brautgabe.
  • Eine Brautgabe wurde im Moment der Eheschließung vereinbart, aber die Vereinbarungen stehen wesensmäßig im Widerspruch zur Natur der Brautgabe. Aus diesem Grunde gelten die Vereinbarungen als nichtig und ziehen keine rechtlichen Konsequenzen nach sich. Beispiele: Der Vermögenswert wurde aus einer Haraam-Quelle bezogen, z. B. aus Riba-Geschäften. Oder die festgelegte Brautgabe befindet sich nicht im rechtmäßigen Eigentum des Ehemannes, z. B. der Vermögenswert wurde unrechtmäßig angeeignet. Oder ein Waliy verheiratet eine Frau mit einer vereinbarten Brautgabe, deren Gegenwert unter der Grenze des Mahrul-mithl liegt, ohne hierfür die ausdrückliche Zustimmung der Frau einzuholen. Oder im Ehevertrag wird vereinbart, einen Teilbetrag der Brautgabe an ein Familienmitglied der Ehefrau abzuführen, z. B. an den Vater der Braut.

Diese Eheverträge sind gültig, aber die nicht scharii’ah-konformen Vereinbarungen sind nichtig und die Frau erhält Mahrul-mithl.

Kategorisierung der Bedingungen der Eheschließung

Beim Ehevertrag gibt es, wie bei jedem Vertrag, Bedingungen und Vor-aussetzungen, bei deren komplettem Fehlen bzw. beim Fehlen einer dieser Bedingungen der Ehevertrag nichtig wird.

Die Fiqh-Gelehrten unterscheiden zwischen:

  • Schuruutul-in’iqaad شروط الانعقاد:
    Bedingungen bzw. Voraussetzungen, die bei den unabdingbaren bzw. unerlässlichen Pflichtteilen (Arkaan) des Ehevertrags vorliegen müssen, damit der Ehevertrag zustande kommen kann.
  • Schuruutussihhahشروط الصحة:
    Bedingungen bzw. Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit der Ehevertrag die scharii’ah-konformen Folgen bewirkt und als Sahiih-Vertrag gelten kann.
    Bei Nicht-Sahiih-Verträgen unterscheiden die Fiqh-Gelehrten zwischen Baatil-Verträgen, die nichtig sind und keinerlei scharii’ah-konforme Folgen bewirken (wie die Ehe mit einer noch verheirateten Frau), und Faasid-Verträgen, die ausschließlich bei den Hanafiten manche der scharii’ah-konformen Folgen bewirken (wie Ehe ohne Zeugen, s. o.).
  • Schuruutun-nafaadh شروط النفاذ :
    Bedingungen bzw. Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit der Ehevertrag wirksam wird.
  • Schuruutul-luzuum شروط اللزوم :
    Bedingungen bzw. Voraussetzungen, die den Ehevertrag für beide Vertragsparteien verbindlich machen.

Bedingungen des Zustandekommens des Ehevertrags

(Schuruutul-in’iqaad شروط الانعقاد)

– Die Vertragspartner müssen voll geschäftsfähig sein.

– Das weibliche Geschlecht der Braut muss eindeutig sein.

– Es dürfen keine uneingeschränkten Ehehindernisse bzw. -verbote zwischen den Ehepartnern bestehen.

– Gültigkeit der Vertragsform: Die Annahme muss dem vorgetragenen Angebot entsprechen und in der gleichen Vertragssitzung ohne Verzögerung erfolgen.

Bedingungen der Scharii’ah-Konformität der Eheschließung

(Schuruutussihhah شروط الصحة)

– Es dürfen keine eingeschränkten Ehehindernisse bzw. -verbote zwischen den Ehepartnern bestehen.

– Die Vertragsform darf keine Einschränkung in Bezug auf die Zeit der Ehe beinhalten.

– Die Anwesenheit der Trauzeugen, mit ihren Bedingungen (s. o.)

– Es darf keinerlei Zwang auf die Ehepartner ausgeübt werden.

– Die eindeutige Identifizierung der Eheparter

– Weder die Ehepartner, noch der Waliy dürfen sich im Ihraam-Zustand befinden.

– Vereinbarung einer Brautgabe

– Keine Vereinbarung zur Geheimhaltung der Eheschließung

– Keiner der Ehepartner darf todkrank sein, nur nach den Maalikiten.

– Anwesenheit des Waliy

Bedingungen der Wirksamkeit der Eheschließung

(Schuruutun-nafaadh شروط النفاذ)

– Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner

– Der Ehemann als Vertragspartner darf nach den Maalikiten kein Safiih سفيه sein (jemand, der mit seinem Vermögen nicht umgehen kann bzw. sehr verschwenderisch damit umgeht). Nach den Schaafi’iten und Hanbaliten steht diese Bedingung im Zusammenhang mit den Beding-ungen der Scharii’ah-Konformität der Eheschließung, da der Vormund des Safiih diese annullieren kann.

– Sollte der Waliy im Ehevertrag zu einer entfernteren Rangordnung gehören, wobei ein Waliy aus näherer Rangordnung anwesend ist, dann wird der Ehevertrag nach den Hanafiten erst wirksam, wenn der nähere Waliy dem Vertrag ebenfalls zustimmt. Nach den Schaafi’iten und Hanbaliten steht diese Bedingung im Zusammenhang der Beding-ungen der Scharii’ah-Konformität des Eheschließung.

– Der Bevollmächtigte darf dem Inhalt seiner Vollmacht nicht widersprechen, sonst ist der Vertrag ohne Zustimmung des/r Vollmachtgeber/in nicht wirksam.

– Sollte einer der Vertragspartner den Ehevertrag ohne Vollmacht abschließen, dann ist dieser Vertrag ohne Zustimmung des Betroffenen nicht wirksam nach den Hanafiten und Maalikiten. Die Schaafi’iten und Hanbaliten erklären einen derartigen Vertrag für nichtig.

Bedingungen der Verbindlichkeit der Eheschließung

(Schuruutul-luzuum شروط اللزوم)

– Bei der Verheiratung eines unter Vormundschaft Stehenden darf der Waliy nach Imaam Abu-haniifah nur der Vater oder der Großvater sein.

– Die Ebenbürtigkeit des Ehemannes, insbesondere wenn die Frau sich selbst und ohne Waliy verheiratet.

– Die Brautgabe muss nach Imaam Abu-haniifah bei Frauen, die sich selbst ohne Waliy verheiraten, mindestens Mahrul-mithl betragen.

– Der Ehemann darf nicht impotent sein.

 

Notes:

  1. Beispielsweise spricht der Waliy folgende Worte: „Ich verheirate dich x in Gehorsam Allaah (ta’aala) gegenüber und entsprechend der Sunnah Seines Gesandten mit y, Tochter von z, unter der Aushändigung der vereinbarten Brautgabe und mit ihrer Erlaubnis!“ Die Antwort des Bräutigams lautet dann: „Ich willige ein!“
  2. Verwandter väterlicherseits. Siehe Kapitel „Das Erben“.
  3. Quraan (2:232), aus dieser Aayah leiten die Gelehrten die Verpflichtung der Anwesenheit des Waliy beim Abschluss des Ehevertrags ab.
  4. Quraan (2:230)
  5. Quraan (2:232), aus dieser Aayah leiten die Gelehrten die Verpflichtung der Anwesenheit des Waliy beim Abschluss des Ehevertrags ab.
  6. Quraan (2:234)
  7. Kognat: Blutsverwandter mütterlicherseits
  8. Quraan (4:24)
  9. Hier können sowohl die Ehemänner als auch die Väter bzw. die Bevollmächtigten der Ehefrauen angesprochen sein.
  10. Ursprünglich: „Nihlah“. Nihlah bedeutet „Geschenk“ aber auch „Pflichtabgabe“ oder „Gebot“.
  11. Quraan (4:4)
  12. D. h. der Ehemann
  13. Quraan (2:237)
  14. Quraan (4:24)
  15. Quraan (4:20)
  16. Hier können sowohl die Ehemänner als auch die Väter bzw. die Bevollmächtigten der Ehefrauen angesprochen sein.
  17. Ursprünglich: „Nihlah“. Nihlah bedeutet „Geschenk“ aber auch „Pflichtabgabe“ oder „Gebot“.
  18. Quraan (4:4)