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Regel hinsichtlich des Hinabsendungsanlasses


In Bezug auf die Aayaat mit Hinabsendungsanlässen und ihre Anwendung hat die Mehrheit der Gelehrten folgende Regel entwickelt:
Maßgeblich bei einer Aayah ist ihre Allgemeinformulierung und nicht der dazugehörige Hinabsendungsanlass“.

Erläuterung der Regel:

  • Wenn das Hinabgesandte mit dem Anlass in seiner Allgemeinformulierung (‘aam-Charakter) übereinstimmt, wird es als allgemeingültig (‘aam) verwendet.
    Beispiel:

šوَيَسۡ‍َٔلُونَكَ عَنِ ٱلۡمَحِيضِۖ قُلۡ هُوَ أَذٗى فَٱعۡتَزِلُواْ ٱلنِّسَآءَ فِي ٱلۡمَحِيضِ وَلَا تَقۡرَبُوهُنَّ حَتَّىٰ يَطۡهُرۡنَۖ فَإِذَا تَطَهَّرۡنَ فَأۡتُوهُنَّ مِنۡ حَيۡثُ أَمَرَكُمُ ٱللَّهُۚ إِنَّ ٱللَّهَ يُحِبُّ ٱلتَّوَّٰبِينَ وَيُحِبُّ ٱلۡمُتَطَهِّرِينَ ٢٢٢

Sie fragen dich nach der Menstruation. Sag: ‚Sie ist eine Beschwerlichkeit, so enthaltet euch (des Geschlechtsverkehrs mit den) Ehefrauen während der Menstruation, und vollzieht mit ihnen keinen Geschlechtsverkehr, bis sie sich rituell reinigen. Wenn sie sich rituell gereinigt haben, dann verkehrt mit ihnen da, wo Allaah es euch gebot.’ Gewiss, Allaah liebt die stets Reumütigen und die sich rituell Reinigenden. 1

Anas Bnu-maalik (radial-laahu ‘anh) sagte: “Die Juden pflegten, wenn ihre Frauen ihre Menstruation hatten, sie von der gemeinsamen Wohnung zu entfernen, mit ihr nicht mehr gemeinsam zu essen, zu trinken oder sich mit ihr im gleichen Zimmer aufzuhalten. Dann wurde Allaahs Gesandter (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) danach gefragt. Dann sandte Allaah (ta’aala) diese Aayah hinab. Dann sagte der Gesandte Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam):
جَامِعُوهُنَّ فِي الْبُيُوتِ وَاصْنَعُوا كُلَّ شَيْءٍ غَيْرَ النِّكَاحِ, bleibt mit ihnen zusammen in euren Wohnungen und macht alles andere wie gewöhnlich außer dem Geschlechtsverkehr.” (M)

  • Wenn das Hinabgesandte mit dem Anlass in seiner Einschränkung (chaas-Charakter) übereinstimmt, wird es als eingeschränkt (chaas) aufgefasst und dementsprechend verwendet.
    Beispiel:

وَسَيُجَنَّبُهَا ٱلۡأَتۡقَى ١٧ ٱلَّذِي يُؤۡتِي مَالَهُۥ يَتَزَكَّىٰ ١٨ وَمَا لِأَحَدٍ عِندَهُۥ مِن نِّعۡمَةٖ تُجۡزَىٰٓ ١٩ إِلَّا ٱبۡتِغَآءَ وَجۡهِ رَبِّهِ ٱلۡأَعۡلَىٰ ٢٠ وَلَسَوۡفَ يَرۡضَىٰ ٢١

Von ihm wird der Ehrfürchtigste 2 ferngehalten, (18) der sein Vermögen spendet und sich rein hält. (19) Niemand hat bei ihm eine Wohltat, die er zu vergelten hat. (20) (Er tat es) nur im Streben nach seinem allhöchsten Herrn. (21) Und er wird sicher zufrieden sein! 3

Diese Aayaat betreffen nach allen Quraan-Exegeten Abu-bakr Assiddiiq (radial-laahu ‘anh).

  • Wenn der Anlass etwas Besonderes (chaas) darstellt und die Aayah anschließend allgemein formuliert (‘aam) hinabgesandt wurde, dann gibt es dazu verschiedene Meinungen:
    – Meinung der Mehrheit der Gelehrten (al-dschumhuur):
    Die große Mehrheit der Gelehrten vertritt die Meinung, dass bei der Interpretation der Aayaat die Allgemeinformulierung und nicht der spezifische Anlass berücksichtigt werden soll. So leitet man die Scharii’ah-Norm aus der Allgemeinformulierung ab und nicht aus dem besonderen Anlass, da die Scharii’ah-Norm abgeleitet aus einer Allgemeinformulierung, zusätzlich zum Betroffenen durch den besonderen Anlass, auch alles andere umfasst, das ihm ähnelt.
    Beispiel:

وَٱلَّذِينَ يَرۡمُونَ أَزۡوَٰجَهُمۡ وَلَمۡ يَكُن لَّهُمۡ شُهَدَآءُ إِلَّآ أَنفُسُهُمۡ فَشَهَٰدَةُ أَحَدِهِمۡ أَرۡبَعُ شَهَٰدَٰتِۢ بِٱللَّهِ إِنَّهُۥ لَمِنَ ٱلصَّٰدِقِينَ ٦ وَٱلۡخَٰمِسَةُ أَنَّ لَعۡنَتَ ٱللَّهِ عَلَيۡهِ إِن كَانَ مِنَ ٱلۡكَٰذِبِينَ ٧ وَيَدۡرَؤُاْ عَنۡهَا ٱلۡعَذَابَ أَن تَشۡهَدَ أَرۡبَعَ شَهَٰدَٰتِۢ بِٱللَّهِ إِنَّهُۥ لَمِنَ ٱلۡكَٰذِبِينَ ٨ وَٱلۡخَٰمِسَةَ أَنَّ غَضَبَ ٱللَّهِ عَلَيۡهَآ إِن كَانَ مِنَ ٱلصَّٰدِقِينَ ٩

Für diejenigen, die ihren Ehepartnern Unzucht vorwerfen und dafür keine Zeugen außer sich selbst haben, ist das Zeugnis eines von ihnen vier Bezeugungen bei Allaah: ‚Gewiss, er ist von den Wahrhaftigen!’ (7) Und die fünfte Bezeugung ist: ‚Allaahs Fluch laste auf ihm, sollte er von den Lügnern sein!’ (8) Die Bestrafung hält von ihr fern, dass sie vier Bezeugungen bei Allaah bezeugt: ‚Gewiss, er ist von den Lügnern!’ (9) Und die fünfte Bezeugung ist: ‚Allaah zürne ihr, sollte er von den Wahrhaftigen sein!’ 4

Imaam Al-buchaariy und andere Hadiith-Gelehrten haben über Ibnu-‘abbaas (radial-laahu ‘anhuma) tradiert, dass er sagte, dass Hilaal Bnu-umaiyah seiner Ehefrau im Beisein des Gesandten Allaahs (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) Unzucht (Zina) mit Schariik Bnu-sah-maa’ vorgeworfen hat. Dann sagte ihm der Prophet (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam): “Her mit deinem Beleg! Sonst wirst du mit der Auspeitsch-Strafe bestraft.” Er erwiderte daraufhin: “Allaahs Gesandter! Wenn einer von uns einen Mann bei seiner Frau findet, soll er etwa weggehen, um den Beleg (Zeugen) dafür zu suchen?” Doch Allaahs Gesandter hörte nicht auf zu sagen: “Her mit deinem Beleg! Sonst wirst du mit der Auspeitsch-Strafe bestraft.” Dann sagte Hilaal: “Bei Dem, Der dich mit der Wahrheit entsandt hat, bin ich wahrhaftig und Allaah (ta’aala) wird gewiss etwas hinabsenden, das meinen Rücken vor der Strafe schützt.” Dann kam Dschibriil und sandte ihm diese Aayah hinab.”
So umfasst die Scharii’ah-Norm in dieser Aayah abgeleitet aus der Allgemeinformulierung alles andere, das darauf übertragen werden kann.

– Meinung einer Minderheit der Gelehrten:
Einige wenige Gelehrten vertreten die Meinung, dass “maßgeblich bei der Ableitung der Scharii’ah-Normen der dazugehörige spezielle Anlass ist und nicht die Allgemeinformulierung der Aayah”. So benötigen sie zusätzlich noch andere Belege, um für ähnliche Fälle einen Analogieschluss (Qiyaas) anzuwenden.

Notes:

  1. Quraan (2:222)
  2. Ursprünglich: „al-atqa“, der am meisten taqwa hat.
  3. Quraan (92:17-21)
  4. Quraan (24:6-9)