Zu diesem Thema übermittelt der Quraan drei verschiedene Aussagen in drei unterschiedlichen Aayaat:

شَهۡرُ رَمَضَانَ ٱلَّذِيٓ أُنزِلَ فِيهِ ٱلۡقُرۡءَانُ هُدٗى لِّلنَّاسِ وَبَيِّنَٰتٖ مِّنَ ٱلۡهُدَىٰ وَٱلۡفُرۡقَانِۚ فَمَن شَهِدَ مِنكُمُ ٱلشَّهۡرَ فَلۡيَصُمۡهُۖ وَمَن كَانَ مَرِيضًا أَوۡ عَلَىٰ سَفَرٖ فَعِدَّةٞ مِّنۡ أَيَّامٍ أُخَرَۗ يُرِيدُ ٱللَّهُ بِكُمُ ٱلۡيُسۡرَ وَلَا يُرِيدُ بِكُمُ ٱلۡعُسۡرَ وَلِتُكۡمِلُواْ ٱلۡعِدَّةَ وَلِتُكَبِّرُواْ ٱللَّهَ عَلَىٰ مَا هَدَىٰكُمۡ وَلَعَلَّكُمۡ تَشۡكُرُونَ ١٨٥

Es ist der Monat Ramadan, in dem der Quraan hinabgesandt wurde als Rechtleitung für die Menschen und als deutliches Zeichen von der Rechtleitung und den Unterscheidungsrichtlinien ¹. Wer von euch diesen Monat erlebt, so soll er darin fasten! Wer krank oder auf Reisen war, (fastet) an anderen Tagen die gleiche Anzahl. Allaah will für euch Erleichterung; und Er will für euch keine Erschwernis! (Er gebot es euch), damit ihr die Anzahl (der Fastentage) vervollständigt, Allaah mit Takbiir ² für das rühmt, was Er euch an Rechtleitung zukommen ließ, und ihr euch dankbar erweist. ³

إِنَّآ أَنزَلۡنَٰهُ فِي لَيۡلَةِ ٱلۡقَدۡرِ ١

Wir sandten ihn in der Nacht von Al-qadr hinab! ⁴

إِنَّآ أَنزَلۡنَٰهُ فِي لَيۡلَةٖ مُّبَٰرَكَةٍۚ إِنَّا كُنَّا مُنذِرِينَ ٣

Wir sandten sie in einer Nacht voller Segen ⁵ hinab – Wir waren Warnende! ⁶

Nach diesen vordergründig nicht übereinstimmenden Aayaat scheint es, als ob ein Widerspruch zwischen dem Quraan-Inhalt und dem reellen Leben des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) bestünde, weil die Hinabsendung des Quraan in einem Zeitraum von 23 Jahren erfolgte und nicht auf einmal. Hierzu gibt es mehrere Erklärungsmöglichkeiten:

• Der Sahaabiy und Quraan-Exeget Ibnu-‘abbaas (radial-laahu ‘anh) und die große Mehrheit der muslimischen Gelehrten vertreten diesbezüglich folgende Interpretation: Diese Aayaat besagen, dass der Quraan zunächst auf einmal zu Baitul-‘izzah بيت العزة im untersten Himmel hinabgesandt wurde. Später wurde er (stückweise) innerhalb von 23 Jahren dem Gesandten Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) durch Dschibriil (‘alaihis-salaam) durch wahy zuteil.
• Imaam Asch-scha’biy (gest. 109/727) einer der ältesten Lehrer von Imaam Abu-haniifah vertritt folgende Interpretation: Mit diesen drei Aayaat wird der Beginn der Hinabsendung des Quraan deklariert. So begann seine Hinabsendung in Lailatul-qadr ليلة القدر  im Ramadan und sie ist eine Nacht voller Segen, dann wurde er danach stückweise hinabgesandt. Nach dieser Meinung hat der Quraan nur eine Hinabsendung, nämlich die stückweise Hinabsendung. Und der Quraan bestätigt dies.

وَقُرۡءَانٗا فَرَقۡنَٰهُ لِتَقۡرَأَهُۥ عَلَى ٱلنَّاسِ عَلَىٰ مُكۡثٖ وَنَزَّلۡنَٰهُ تَنزِيلٗا ١٠٦

Es ist ein Quraan, den Wir in Teilen einteilten, damit du ihn den Menschen in Gemächlichkeit rezitierst. Wir sandten ihn doch nach und nach hinab. ⁷

• Eine dritte Meinung besagt: Der Quraan wurde in 23 Lailatul-qadr zum untersten Himmel hinabgesandt. Wobei jedes Mal das hinabgesandt wurde, was dem Gesandten Muhammad (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) im kommenden Jahr stückweise als wahy zuteil werden sollte. Diese Meinung vertreten manche Quraan-Exegeten wie Muqaatil Bnu-sulaimaan (gest. 150/767) und Imaam Al-fachr Ar-raaziy (544/1149 – 606/1209) aus der Selbsturteilsfindung (Idschtihad اجتهاد) heraus, jedoch ohne direkte Belege.