.
.

.

Süleyman I. Kanuni (der Gesetzgeber o. der Prächtige) (926-74/1520–66)


Die Zeit von Süleyman wird beherrscht durch drei Expansionsrichtungen: zu Lande nahezu ausschließlich die Auseinandersetzung mit Ungarn-Serbien sowie dem Habsburgerreich (Westen), untergeordnet einige Auseinandersetzungen mit den Safawiden (Osten); zur See die Gebietserweiterungen sowohl durch Einnahme der Mittelmeerinseln als auch der westlichen Mittelmeerküste (Seegebiete). Den Auftakt der Feldzüge bildete 1521 die Kapitulation der ungarischen Grenzfestung Belgrad nach zweimonatiger Belagerung; Belgrad spielte immer eine Hauptrolle, weil diese Festung die stärkste der gesamten Region war und den Abschluss einer Verteidigungslinie bildete, die beim Habsburgerreich endete. Dementsprechend war diese Festung noch 1456 siegreich aus der damaligen osmanischen ersten Belagerung hervorgegangen. Der nichtsahnenden geringen Festungsbesatzung von ca. 700 Mann hatte Süleyman nun bewusst eine starke Truppe von ca. 40-50.000 entgegengeschickt, was von osmanischer Seite nur durch die logistische Überlegenheit möglich war.

Da die damaligen europäischen Heere entweder dem mitteleuropäischen Lehens-dienst folgten – also nur knapp einen Monat im Jahr reinen Kriegsdienst leisten mussten – oder teure Söldnerheere waren, konnte der ungarische König nur unter großen Schwierigkeiten ca. 26.000 Mann sammeln, die Hälfte davon gepanzerte Reiter. Die osmanischen Truppen hingegen hatten durch die Einnahme von Belgrad gute logistische Verbindungen, konnten große Truppen eigenständig unterbringen und versorgen und daher ohne Zeitdruck ca. 80.000 Mann (einschließlich Vasallen und Hilfstruppen) ins Feld führen.

In der 1526 folgenden Schlacht von Mohács traten ungarische und habsburgische Truppen dem osmanischen Heer entgegen. Da die osmanischen Truppen ermüdet waren, ließen sich die Ungarn zu fehlgeplanten Angriffen auf die gut mit Feuerwaffen und Artillerie bestückten Janitscharen verleiten und wurden zurückgeschlagen. Nach nicht einmal 2 Stunden der Schlacht waren auf ungarischer Seite fast alle Infanteristen und ca. 4000 Reiter gefallen, sowie ca. 30 Fürsten und Befehlshaber. Der ungarische König Ludwig II. kam auf der Flucht vom Schlachtfeld in einem Bach durch Verfolger ums Leben. Dadurch stand Süleyman das ungarische Gebiet offen, das zu ca. 40% osmanisch besetzt wurde. In der Folge wurde Ungarn dreigeteilt: Habsburger im Westen, Osmanen im Süden, und kleine Fürstentümer (u.a. Siebenbürgen) halbabhängig von den Osmanen im Osten. Durch den Tod des kinderlosen ungarischen Königs beanspruchte der habsburgische Kaiser, der Schwager jenes letzten ungarischen Herrschers, die Krone und Herrschaft über Ungarn, und so entstand eine neue, direkte Konfrontation mit den Habsburgern.

1529 erfolgte – eben in diesem neuen osmanisch-habsburgischen Krieg – die erste Belagerung Wiens, die aber von Süleyman abgebrochen wurde – wahrscheinlich nicht von außen erzwungen, sondern aus der Einsicht, dass keine ausreichende Verteidigung im Falle der Einnahme möglich gewesen wäre. Ebenso übte Süleyman 1532 kluge Zurückhaltung und drang nicht auf habsburgisches Gebiet vor, als der habsburgische Kaiser mit den protestantischen Reichsfürsten Frieden schloss (Nürnberger Reichsfrieden) und sich somit ganz mit den Osmanen beschäftigte. 1533 schlossen die beiden Reiche einen Friedensvertrag, aber bereits 1537 kam es zu neuen Auseinandersetzungen zwischen Ferdinand I. von Ungarn (abhängig von Habsburg) und den Osmanen. Schon 1538 schlugen die Osmanen die Truppen Ferdinands I., und daher wurde 1541 fast ganz Ungarn mit der Einnahme von Buda sowie Slowenien und Kroatien osmanisch. 1547 wurde ein Friedensvertrag mit dem Habsburger Kaiserreich geschlossen; dieses wurde für die folgenden Jahre dem osmanischen Reich tributpflichtig (mit 30.000 Golddukaten jährlich). Außerdem unternahmen die Osmanen mit dem nun interessierten König Frankreichs erste Vertragsunterhandlungen, denn Frankreich befand sich in Konfrontation mit den Habsburgern, war an konkreten Schritten besonders in Sizilien interessiert und wollte eine See-Allianz mit den Osmanen erreichen.

Zwischen 1534-36 erfolgten im Osten größere Feldzüge in das iranisch-irakische Gebiet, wobei kurzfristig von den Osmanen auch die bedeutende iranische Stadt Täbris eingenommen, aber schon ein Jahr später – auch durch starken Widerstand der Stadtbevölkerung – verloren wurde. Erfolgreicher war die Einnahme von Bagdaad, der die Angliederung bedeutender Gebiete des Irak folgte und mit der Errichtung einer neuen Großprovinz abgeschlossen wurde.

Die Ausweitung der osmanischen Seemacht

Die Entwicklungen zur See verliefen hingegen äußerst schnell und erfolgreich: Eine Expansion geschah im westlichen Mittelmeerraum, gegen die Spanier gerichtet, die sich in Nordafrika festsetzten. Eine zweite Stoßrichtung war gegen die Venezianer sowie Malteserritter gerichtet, die die Seefahrtsbewegungen der Osmanen (auch in wirtschaftlicher Hinsicht) zu zerschneiden drohten. Eine dritte Ausrichtung der Osmanen richtete sich zum Indischen Ozean hin, da sich die Osmanen den erstarkenden Portugiesen entgegenstellen wollten.

1522 war der Auftakt: es gelang der osmanischen Marine, das von den Johannitern besetzte Rhodos einzunehmen. Die Johanniter mussten sich zurückziehen und nahmen stattdessen in Malta ihr neues Hauptquartier (daher wurde dieser Ordensteil der Johanniter später in “Malteser-Orden” ungenannt).

Um sich im westlichen Mittelmeer zu behaupten, verfolgten die Osmanen zwei Strategien: erstens Seebündnisse mit Frankreich (und später auch England und Holland), die die osmanische Position gegen Spanien und das Habsburgerreich stärken sollte; zweitens Einnahme wichtiger westlich gelegener Seehäfen und ihre Kontrolle durch Korsaren, die – im damals international akzeptierten Sinne – einen offiziellen Kaperbrief der Hohen Pforte erhielten und auf Befehl sich auch an größeren Seekriegsexpeditionen beteiligen mussten.

Die osmanischen Expansionen im westlichen Mittelmeer

1532 wurde Westalgerien (Tlemcen) – bislang ein unabhängiger Korsarenstützpunkt – tributpflichtig und der Hauptstadt von Algier angegliedert. Zeitgleich bot der französische König – der den Habsburgern aufgrund Besitzstreitigkeiten in Sizilien feindlich gegenüberstand – den Osmanen ein marine-militärisches Bündnis an.

Neben verschiedenen Expeditionen unter Führung des berühmten Korsaren Hayreddin Barbarossa überwinterten die französische und osmanische Flotte 1533/4 vor Toulon – ein Auftakt zu längeren, positiven Bündnissen der Osmanen mit Frankreich, die erst mit dem Fall des Königreiches durch die französische Revolution und Napoleon Bonapartes Angriff auf Ägypten endete.

1543 führte die Zusammenarbeit zwischen den osmanischen Korsaren und der französischen Flotte zur Einnahme der südfranzösischen Stadt Nizza. Durch das daraus resultierende Abkommen (Frankreich befand sich seinerzeit mit dem spanisch-habsburgischen Reich im Kriegszustand) wurde 1551 die Eroberung von Tripolis (Libyen) aus spanischer Hand möglich. 1552 war der Höhepunkt der osmanischen Konsolidierung in Westarabien erreicht, als der Beylerbeyi (Großgouverneur) von Algier bis Touggourt und Ourgla im Inneren Westafrikas vorstoßen konnte.

Die osmanisch-venezianische Auseinandersetzung im zentralen Mittelmeer

Zwischen 1537 und 1541 erstreckte sich der erste ernsthafte Krieg des Osmanischen Reiches mit Venedig, bei dem es um die Kontrolle des östlichen und zentralen Mittelmeeres ging. Es bestand bei der osmanischen Admiralität und der Hohen Pforte die Hoffnung, auf diese Weise zugleich die westarabischen osmanisch kontrollierten Küsten in eine Hoheitszone mit dem östlichen Mittelmeer einbinden zu können. 1538 wurde dementsprechend die Flotte des in Algier operierenden Korsaren Hayreddin Barbarossa mit den aus der Ägäis kommenden Flotten vereinigt. So erreichten die Osmanen einen entscheidenden Seesieg gegen die Flotte des venezianischen Admirals Andrea Doria bei Preveza und begründeten den lange andauernden Ruf der Unbesiegbarkeit der osmanischen Seekräfte.

1546 wurden etliche Unternehmungen zur See gegen spanische Stützpunkte in Nordafrika unternommen, und 1547 konnten die Osmanen sich gegen portugiesische Anstrengungen im Jemen festsetzen.

1565 wurde die erste große Belagerung von Malta durchgeführt, um den dort ansässigen Johanniterorden an weiterem Machtgewinn im zentralen Mittelmeer und dem Überfall auf muslimische Handelsschiffe zu hindern, allerdings ohne wirklichen Erfolg. Ein großer Schritt zur osmanischen See-Hegemonie war die Einnahme Zyperns 1570 von den Venezianern. Dieser Verlust beendete de facto die venezianische Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer, die seit der Gebietsaufteilung von byzantinischen Seegebieten nach dem vierten Kreuzzug 1204 bestand.

Die osmanischen Bestrebungen im indischen Ozean

Um sich den aufstrebenden Bemühungen der Portugiesen entgegenzustellen, die den Indischen Ozean kontrollieren wollten, muslimische Städte in Ostafrika zerstörten und in Indien Handelsniederlassungen gründeten, unternahm die osmanische Flotte zwischen 1538 und 1566 einige Expeditionen: 1538 wurden portugiesische Stützpunkte in Gujerat belagert, 1541 die indische Hafenniederlassung der Portugiesen in Diu (Provinz von Sind). Diesem Auftakt folgten 1552 auf Befehl der Hohen Pforte große Expeditionen im Indischen Ozean, die zwar zur Kontrolle des Roten Meeres und der südarabischen Meeresregion führten, aber den Indischen Ozean nicht auf Dauer einbinden konnten, auch aufgrund des Mangels an geeigneten Langstreckenschiffen. Dennoch blieb die osmanische Seepolitik bis zum Ende der Regierung von Selim II. den Überseeentwicklungen sehr aufgeschlossen.

1553–55 dauerte der Krieg mit Iran an; erfolgreiche Gebietserweiterungen im nord-östlichen Gebiet Ostafrikas führten zur Einrichtung des Beylerbeylik Abessinien.

Schon über 70 Jahre alt, brach Süleyman 1566 zu einem abermaligen Heereszug gegen Ungarn auf, starb während der Belagerung der Stadt Szigetvár am 5.9.1566.