.
.

.

Selim I. (918-926/1512–1520)


Die Auseinandersetzung mit dem Safawidenreich wurde 1514 von Selim I. im Rahmen einer Neubetrachtung der geopolitischen Lage begonnen: während früherer Jahre der osmanischen Gebietsvergrößerung waren zuerst die turkmenischen konkurrierenden Fürsten ausgeschaltet, ihre ehemaligen Gebiete in das osmanische Reichsgebiet integriert worden. Doch mittlerweile bestanden im Inneren des osmanischen Reiches erhebliche geistige Spannungen, weil in den Städten eine eher scharii’ah-gemäße, sunnitisch-hanafitische Gelehrtenschaft mit ihren Anhängern existierte und als staatsstützend gesehen wurde. Doch im Nordosten blieben die meisten Turkmenenstämme verschiedenen extrem-schiitischen Vorstellungen verbunden, die sich von den Ghulat-Gruppen des 10. Jhs bis zu den Qizilbasch verfolgen lassen und die – gerade in der Anfangszeit der Safawiden – auch noch ganz offen von der Inkarnation Gottes in der Person des Schaah sprachen. Während sich die Safawiden im Rahmen ihrer eigenen Staatsgründung offiziell von derartigen Vorstellungen abwandten, den Herrscher als neuen Mahdi sahen und teilweise das anerkannte 12er schiitische Bekenntnis wählten, taten das die meisten nomadisierenden Turkmenen nicht, aus denen sich traditionell die Qizilbasch rekrutierten.

Somit misstraute Selim I. den auf osmanischem Gebiet verbliebenen Turkmenen und begann eine konsequente Vertreibung, die mehr als 100.000 Menschen dieser Stämme vernichtete oder ins iranische Exil trieb. Das so entstandene Niemandsland wurde im Norden Azerbaidschans zum neuen Kriegsschauplatz: während die Safawiden gerade im Osten ihres Reiches mit den Usbeken kämpften und die meisten ihrer Truppen dort gebunden waren, besiegte Selim I. mit ca. 150.000 Mann einschließlich starker Artillerie die nur ca. 47.000 Mann starke Armee (mehrheitlich Reiter) unter Ismaa’iil Schaah in der Schlacht von Tschaldiran. Dieses Ereignis hatte weitreichende Folgen: weite Teile Iraks und einige Gebiete Westirans kamen unter osmanische Herrschaft, und die Safawidenherrscher mussten ihren Quasi-Unfehlbarkeitsanspruch als schiitische Mahdi-Wiederkehr im Licht dieser Niederlage aufgeben. Dadurch traten die schiitischen Gelehrten stärker in den Vordergrund, wie parallel auch die sunnitischen im osmanischen Reich, und die osmanisch-safawidischen Kriege gewannen zunehmend eine verhängnisvolle religiöse Deutung.

Auf eine nur kurze Eroberung von Täbris im Anschluss an die Schlacht von Tschaldiran folgte in einem fortgesetzten Feldzug 1516 die Eroberung Diyarbakirs (was zur Aufnahme der meisten sunnitisch-kurdischen Stammesführer führte) und die Einnahme von Ostanatolien.

Der Sieg über die Mamluken wurde eingeleitet durch die Schlacht bei Mardsch Daabiq (1516) und Ridaniyya (1517), wodurch die Osmanen endgültig Syrien und Ägypten in ihr Reich eingliederten und ein inoffizielles Ende des Mamlukenreiches erreichten (offiziell blieb es als abhängiges Schattenreich bis zur französischen Invasion in Ägypten bestehen).

Um sich den Zugang und die Schutzfunktion über die Stätten von Makkah und Al-madiinah zu sichern, wurde der Schariif von Makkah unterworfen. Mit Übergabe der ererbten Gegenstände aus dem Besitz des Propheten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) durch Nachkommen der letzten Abbasiden an Selim I. im Jahre 1517 konnte dieser somit den Titel des Chaliifah beanspruchen.