.
.

.

Indien


Frühgeschichte

Beziehungen von Muslimen zu Indien in der Epoche der Raaschiduun, der Umayyaden und frühen Abbasiden

Die ersten Beziehungen von Muslimen nach Indien folgten bekannten Wegen, nämlich dem Überseehandel. Seit spätantiker Zeit hatten persische Seeleute den Weg nach Indien unternommen, und nach der Islamisierung Arabiens und der persischen Region unternahmen – nach manchen Quellen seit der Zeit von ‘Uthmaan Bnu-‘affaan (radial-laahu ‘anh) – auch arabische Händler aus Sohar in Oman oder Aden im Jemen die Reise über den Indischen Ozean. Dieser Handel verband die Arabische Halbinsel und das Rote Meer, Iran und den persisch-arabischen Golf, Ostafrika und die Indische Westküste samt allen vor gelagerten Inseln einschließlich Sri Lanka (v. den Muslimen Serendib genannt) und bildete den “Dreieckshandel im Indischen Ozean”: Weihrauch und Pferde aus Arabien, Gewürze, Stoffe und Edelsteine aus Indien, Rohgold, bestes vorverarbeitetes Eisen und spezielle Feinhölzer aus Afrika bildeten das Rückgrat dieser Beziehungen.

Bereits im 2. Jh./8. Jh. hatte sich dieser Handel durch verbesserte Schiffs- und Navigationstechnik bis nach Indochina, Indonesien und der malaiischen Welt und zuletzt nach Südchina ausgedehnt. Die Namen der muslimischen Kaufleute, damals bereits oft aus Indien (aus Sind, Gujerat, Multan) stammend, erscheinen in dieser Zeit auf Grabsteinen in Aceh/West -Indonesien, sowie in offiziellen Kaufmannslisten von Kanton/ Südchina.

Ein zweiter Zugangsweg des Islam in den ersten vier Jahrhunderten der Hidschrah war der Aufbruch von Familien und Clans aus dem Jemen, speziell Hadramaut (Hadramaut), die sich nach Indien und weiter nach Südostasien aufmachten, sowie omanische Kaufleute und Seefahrer, die seit der frühen Abbasidenzeit (bis spätestens zur Regierung von Al-ma’muun um 204/820) feste Niederlassungen in den meisten Hafenstädten der Indischen Westküste besaßen, wo sie während der Monsunzeit die Hälfte des Jahres verbrachten, um dann mit den umschwingenden Winden der zweiten Jahreshälfte wieder nach Oman zurückzusegeln. Die meisten regionalen Hindu-Fürsten gewährten den Händler-Enklaven eigene interne Verwaltung gegen entsprechende Steuern und Handelsabgaben, vor allem, weil auch die indischen Staaten auf bestimmte Waren aus der islamischen Sphäre angewiesen waren. Hieraus entwickelte sich ein System, was teils bis weit in die britische Kolonialzeit Bestand haben sollte, indem bestimmte Handelsarten und somit eingegrenzte Handelsformen speziell auf konkrete religiöse oder ethnische Händlergruppen bezogen und beschränkt wurden 1. Einheiratung in indische Familien scheint zu dieser Zeit in den isolierten Hafenvierteln noch nicht die Rolle gespielt zu haben wie etwa in Sind, wo man spätestens seit dem 12. Jh. schon vermehrt von teils indisch-stämmigen, muslimischen Handelsfamilien ausgeht. Allgemein blieb auch in den nördlichen Provinzen der muslimische Bevölkerungsanteil gering (bis ins 12. Jh. machte er in Nordindien, unter Beachtung von Angaben muslimischer zeitgenössischer Quellen, etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus).

Der dritte Zugangsweg war der der Gebietserweiterung. Die ersten diesbezüglichen Ansätze waren mehrere Strafexpeditionen noch zu umayyadischer Chilaafah-Zeit (um ca. 91/710), als ein Schiff mit muslimischen Waisenkindern, in den Irak zurückgeschickt vom damaligen Herrscher von Sri Lanka, in der Höhe des Golfs von Bengalen von Piraten aus Sind (Nordwestindien) gekapert und entführt wurde. Trotz der Aufforderungen der irakischen umayyadischen Statthalter weigerte sich der Raja (indische Fürst) von Sind, die Piraten zu bestrafen oder Schiff und Gefangene zurückzugeben. Daher schickte der Statthalter zwei Kriegsexpeditionen nach Sind, die aber scheiterten; erst eine dritte unter dem Befehl von Muhammad Bnu-qaasim, Schwiegersohn des irakischen Statthalters, siegte und nahm in der Folge die gesamte angehörige Provinz Sind bis um die Stadt Multan ein. Obwohl Muhammad Bnu-qaasim – wie auch andere erfolgreiche Generäle jener Zeit – zurückberufen und auf Befehl des Chaliifah hingerichtet wurde, konnte besonders nach 106/725 dieser muslimische Einflussbereich auf die Halbinsel von Kathiawar, Nord-Gujerat und Süd-Rajastan ausgedehnt werden. Hier aber stoppte der Vormarsch der umayyadischen Truppen, weil die angrenzenden hinduistisch-indischen Fürstentümer militärisch und verwaltungsmäßig zu stark und zu gut organisiert waren. So wird von dem muslimischen Historiker Al-mas’uudiy, der um 302/915 Indien besuchte, die Truppenstärke der nordindischen Fürsten von Rashtrakuta und der von Gurjara-Pratihara mit mehreren hunderttausend Mann angegeben; von den damaligen muslimischen Gelehrten, welche die indische Region kannten, wurden die Rashtrakuta-Herrscher an Reichtum und Macht verglichen mit dem Chaliifah in Baghdaad, dem Kaiser von China und dem Kaiser von Byzanz.

Konsolidierung in der Frühzeit der Muslime in Indien

Verwaltungstechnisch und hinsichtlich der Staatsloyalität waren die ersten Muslime in der Provinz Sind und Multan direkt dem Chaliifah in Damaskus bzw. in Baghdaad unterstellt; auch wurden Richter und Gelehrte immer aus den arabisch-persischen Regionen – besonders aber aus Jemen und Oman – nach Indien und nach Asien, in die Städte von Sind bzw. die Händlerviertel der indischen Ostküste entsandt.

Dieser Zustand änderte sich, als im Jahr 257/871 eingewanderte arabische Fürsten in der neugegründeten Stadt Mansura (Provinz Sind) sowie in Multan (Provinz Panjab) unabhängige Dynastien gründeten und diese beiden indischen Provinzen dem abbasidischen Einfluss entzogen wurden.

Interessanterweise schufen diese beiden ersten Dynastien mehrere Vorbilder zu den späteren gesellschaftlichen Verhaltensmustern: Hindus wurden – obwohl sie Polytheisten waren – der praktischen Lösung wegen wie Ahlul-kitaab mit einer Dschizyah belegt, denn sie bildeten die Bevölkerungsmehrheit. Im Privatrahmen wurde ihnen dementsprechend auch Religionsfreiheit zugestanden. Eine besondere Lösung fanden die muslimischen Herrscher in Multan, wo sie den dort bestehenden berühmten Tempel des Sonnengottes als Faustpfand hüteten, mit dessen Zerstörung sie im Angriffsfall dem Reich von Gurjara-Pratihara drohten.

So entstand eine vergleichsweise ruhige Phase der gegenseitigen Gewöhnung von Hindus und Muslimen aneinander, die bis zum Jahr 390/1000 andauerte.

Hinsichtlich der religiösen Ausrichtung ist bekannt, dass die Provinz Sind weitestgehend der sunnitisch-schafiitischen Ausrichtung folgte (wie auch die Mehrheit der damaligen Iraner und Jemeniten), während die Herrscher und Teile der muslimischen Bevölkerung von Multan sich bis zum 4. Jh./10. Jh. der schiitisch-ismailitischen Richtung anschlossen.

Die Ghaznawiden und die großen Indienfeldzüge (366-582/977-1186)

Beginn der zentralasiatischen Reiterarmeen

Der erste größere Einschnitt in den Beziehungen der muslimischen und hinduistisch -indischen Reiche waren die Feldzüge und Gebietserweiterungen der Ghaznawiden, einer turkstämmigen Dynastie, deren Stammvater Sabuktekin (gest. 387/997) aus dem heutigen Kasakhstan stammte, als 12jähriger versklavt wurde und als Militärsklave in den Dienst von Alp Tigin trat. Alp Tigin vertrat als Feldherr die Interessen der persischen Samaniden-Dynastie. Doch machte sich Alp Tigin bald von seinen Lehensherren de facto im Osten des Samanidenreiches (etwa im Gebiet des heutigen Afghanistans) unabhängig. Sabuktekin wurde von Alp Tigin zum General erhoben, heiratete eine Tochter Alp Tigins und folgte seinem Schwiegervater 366/977 als Statthalter der Samaniden (und Begründer seines eigene Reiches) nach.

In den Jahren 368/979 und 377/988 unternahm Sebuktekin mehrere Feldzüge nach Indien, die ersten ihrer Art. Sie richteten sich gegen die Hindufürsten der Hindushahi, deren König Djaypal (965-1001) Sebuktekin besiegte, dann aber gegen Tribut und die Überlassung einiger Festungen in Nordindien wieder freiließ.

Die Feldzüge richteten sich oft gegen berühmte Tempelstädte der Hindus, was sowohl religiöse als auch finanzielle Anreize durch die gewaltigen Tempelschätze bot. In dieser Zeit bemühten sich aber auch einige muslimische Gelehrte, allen voran der Universalgelehrte Al-bairuuniy, der zum Hof von Mahmuud von Ghaznah gehörte und die Feldzüge als Augenzeuge begleitete, mehr von Indien und seiner Geschichte und Kultur zu erfahren. So erlernte Al-bairuuniy als einer der ersten persisch-stämmigen Muslime Sanskrit und unterhielt sich mit brahmanischen Gelehrten. Das Ergebnis – das Indienwerk von Al-bairuuniy – ist bis heute eine der wenigen Quellen zur frühindischen Sozial- und Kulturgeschichte. Zu dieser Zeit hatte sich Sebuktekin ausdrücklich dem sunnitischen Islam zugewandt, wodurch er sich in Gegnerschaft zu den schiitischen Buyiden im Westen seines Gebietes einerseits und den Hinduherrschern im Süden andererseits befand. Dennoch waren die meisten Feldzüge der frühen Ghaznawiden Beutezüge, was daran kenntlich wird, dass kein eingenommenes Gebiet südlich des Indus gehalten wurde – im Gegensatz zu anderen muslimischen Dynastien in Indien waren die Ghaznawiden daran nicht interessiert, ihr Focus lag im altpersischen Kulturbereich.

384/994 wurde das Samanidenreich durch Aufstände und Thronfolgestreitigkeiten geschwächt, woraus Sebuktekin und sein Sohn Mahmuud (reg. 388-421/998–1030) viel Nutzen zogen, indem sie sich weitere Gebiete des ostsamanidischen Reiches aneigneten. Zur Hauptstadt machten sie Ghaznah (heute Ost-Afghanistan), das durch den erbeuteten Reichtum und einem für damalige Verhältnisse großem Münzaufkommen bald zu einer bedeutenden Handelsstadt wurde.

Mahmuud von Ghaznah, Sohn des Sebuktekin, übernahm 388/998 die Herrschaft. Nachdem der letzte offizielle Samanidenherrscher, Abdulmalik II., 389/999 stürzte und die Samaniden als Dynastie vergingen, war Mahmuud nicht mehr von einem Lehensherren abhängig; er übernahm die turkmenischen Militärtruppen, die persische Sprache und Literatur, die Verwaltungsform der Samaniden und eiferte den zeitgenössischen Dynastieherrschern der Abbasidenepoche darin nach, Gelehrte und Künstler an seinen Hof zu ziehen.

Bedeutend waren seine Gebietserweiterungen; so unternahm er insgesamt 17 große Feldzüge nach Indien und konnte durch diese Erfolge seine Macht so festigen, dass er von dem abbasidischen Chaliifah Al-qaadiru Bil-laah als Regionalherrscher anerkannt und zum ersten Mal in der islamischen Geschichte ein Herrscher offiziell den Titel “Sultaan” führte. Als bei Mahmuuds Tod 421/1030 das Ghaznawidenreich geschwächt wurde (sein hartes, gewaltsames Regime war bei der gesamten Bevölkerung verhasst), umfasste das Gesamtgebiet neben großen Teilen Ostpersiens und Afghanistans auch Gebiete in Nordindien, noch über die alten Provinzen Sind und Makran hinaus. Dennoch blieb der Fluss Indus weiterhin die wichtigste Markierung, bis wohin starke muslimische Einflussgebiete reichten.

Das Erfolgsrezept der Feldzüge der Ghaznawiden waren die schnellen Reiterarmeen nach zentralasiatischem Vorbild, die sich – zusammen mit taktisch besser geteilten Einheiten – gegen die langsamen traditionellen Truppen der indischen Fürsten (Elefanten und Infanterie) durchsetzten. Ein weiterer wichtiger Punkt war die Zerstrittenheit der indischen Fürsten in Nordindien, sowie religiös-kulturelle Verhaltensvorschriften der Kshatriya (der Hindu Kriegerkaste). Doch bereits Mahmuud und die frühen Ghaznawiden wurden auch von Indien geprägt, da auch sie in manchen Fällen Kriegelefanten in ihren persischen Feldzügen einsetzten und fähige hinduistische Feldherren und Taktiker in ihre Armee aufnahmen. Neben den turkmenischen Reitern setzten die Ghaznawiden – ähnlich wie die Fatimiden in Ägypten – sehr verschiedene Truppen ein, so auch die berühmten persischen Axtkämpfer aus Dailam und arabische Truppen nach irakisch-abbasidischem Muster, bald erweitert durch indische Truppen (etwa Elefanten-Einheiten und Belagerungsfachleute).

Die Ghaznawidenherrscher nach Mahmuud von Ghaznah nutzten die Einnahme des Gebiets Pandjab und verbreiteten und förderten hier und allgemein in Nordindien (Sind und Makran) bewusst die Islamisierung der Bevölkerung.

Der finanzielle Aufwand zum Militär der Ghaznawiden wurde durch ein Lehensystem ähnlich dem Iqta’-System in Syrien und dem Timar-System in Anatolien gedeckt; doch für die Pferde war das mittelindische Klima sehr ungünstig, und die Weidemöglichkeiten für oft mehr als 20.000 Pferde im Staatsdienst konnten nur in den steppenähnlichen Grasgebieten in Nordindien und Afghanistan gefunden werden, weshalb die auf Pferdenutzung gegründeten Reiche auf indischem Boden entweder in Nordindien ihr Regierungszentrum halten oder Pferde aus Arabien und Persien importieren mussten.

Als sich das Interesse der Ghaznawiden unter Mas’uud I., dem Sohn von Mahmuud I., deutlich nach Indien hin verlagerte, wurde die Stadt Lahore zur zweiten Residenz der Dynastie neben der weiterhin verbleibenden alten Hauptstadt Ghaznah.

Zudem hatten die späten Ghaznawiden (und alle späteren muslimischen Dynastien in Indien) das Problem, dass die Lehensinhaber meist abhängige einheimische Hindu-Adlige und intrigante muslimische Höflinge waren, die die Erträge unterschlugen und die Armeetruppen zugunsten einer pompösen Verschwendung verringerten. Ersetzte man hingegen die Lehensvergabe durch Direktsold, drohte ein Staatsbankrott, Aufruhr durch zu hohe (oft durch Mittelsmänner weitergegebene) Besteuerung der einfachen Bevölkerung und somit Instabilität der Herrschaft. Erst den Mogulherrschern gelang es durch eine besondere Politik gegenüber den Bevölkerungs- und Religionsgruppen, durch eine ausgeklügelte Finanzpolitik und eine spezielle Rechnungsführung, hier eine stabile Balance zu finden.

Die Ghuriden (Al-ghuriyyuun) (500-612/1107-1215)

Die Abstammung des Fürstenhauses von Ghor (Al-ghuur) wird auf die Familie von Schanzab zurückgeführt. Diese wahrscheinlich turkmenische Stammesgruppe war erst vor weniger als hundert Jahren zum Islam konvertiert und diente den Ghaznawiden seit 462/1070 als Lehensnehmer und Statthalter. Von ca. 500/1107 an unterstanden sie aber den Seldschukenherrschern und betrachteten die Ghaznawiden als gleichberechtigte Rivalen. 508/1151 konnte der Ghoride ‘Alaa-ud-diin Husain II. Ghaznah erobern und zerstören; die letzten Ghaznawiden wurden in ihrer Herrschaft auf den Panjab und die zweite Hauptstadt Lahore beschränkt.

Auf ihrem Höhepunkt der Macht wurde das Reichsgebiet von den Ghuriden 568/ 1173 in eine Doppelregentschaft und zwei unterschiedliche dynastische Linien aufgeteilt: im Westen/Ostiran herrschte Ghiyaathd-diin Muhammad (mit der Hauptstadt Firuzkuh), im nordöstlichen Teil (in Ghaznah) regierte sein jüngerer Bruder Mu’izzud-diin Muhammad. Ghiyaathud-diin konzentrierte sich auf die Auseinandersetzung mit den Rivalen der Ghuriden, den Chwarezm-Schaahs, eroberte Chorasan und blieb ein ausdrücklicher Verbündeter der Abbasiden; Mu’izzud-diin hingegen nutzte die günstige strategische Position, um in Indien Gebiete einzunehmen. Der letzte Herrscher der Gesamtdynastie der Ghaznawiden, Chusrau Maalik, der den Thron usurpiert hatte, wurde schnell von Muhammad von Ghor 582/1186 entmachtet. Muhammad nahm direkt danach die Tradition der indischen Feldzüge auf und konnte 588/1192 über den Rajputen Prithvirajas III. siegen, 595/1199 über das buddhistische Fürstentum von Nalanda und 598/1202 die Sena-Dynastie in Bengalen unterwerfen. Somit reichte seine Herrschaft einschließlich etlicher Gebiete im heutigen Afghanistan von Küste zu Küste, von Sind bis Bengalen, im Süden bis zum Gebiet des Dekkan in Mittelindien (und entsprach damit in etwa schon dem frühen Mogulreich ca. 400 Jahre später).

Ganz in der Tradition der Ghaznawiden (und indirekt der Samaniden) förderten auch die Ghuriden in ihrem Herrschaftsgebiet persische Kunst und Literatur, wie auch die späteren muslimischen Herrscher Indiens immer einen kulturellen Bezug sowohl zu einheimisch-indischen als auch persischen Kulturelementen beibehielten.

612/1215 wurde der letzte Ghuridenherrscher getötet; doch als unabhängiges Fürstentum bestanden die Ghuriden nur bis 602/1206, da zu diesem Zeitpunkt das Sultanat von Delhi ihren Platz einnahm.

Das Sultanat von Delhi (602-962/1206-1555)

Durch den Aufstieg der Stadt Delhi und der mit ihr verbundenen Dynastien entstand ein besonderer Begriff, der zu Legitimierung diente: das Sultanat (Saltanah) von Delhi, das seinerseits von dem abbasidischen Chaliifah anerkannt worden war. Insgesamt umfasste diese Sultanatsepoche sieben Einzeldynastien, von denen aber nur die ersten drei über einen Zeitraum länger als 50 Jahre bestanden:

  • (indische) Mamluken-Dynastie (602-689/1206–1290); turkmenisch-stämmig.
  • Khilji-Dynastie (Khalji-Dynastie) (689-720/1290–1320); turkmenisch-stämmig
  • Tughluq-Dynastie (720-816/1320–1413); turkmenisch-stämmig.
  • Lodi-Dynastie (816-817/1413–1414); Paschtunen.
  • Sayyid-Dynastie (817-855/1414–1451); Araber.
  • Lodi-Dynastie (855-932/1451–1526); Paschtunen.
  • Suri-Dynastie (947-962/1540–1555); Paschtunen.

Die indische Mamluken-Dynastie (602-689/1206–1290)

In Westindien hatte der General Qutbud-diin Aybak viel für seinen Lehensherrn, Muhammad von Ghor, erreicht, indem er in der Schlacht von Thaneswar 1192 einen bedeutenden Sieg über die nordindischen Hindu-Fürsten errang, bis 1202 die Festungsstädte von Gwalior, Ajmer und Anhilwara eroberte und in dem umgebenden Gebiet dieser Städte als Gouverneur für Mu’izzud-diin von Ghor tätig war.

Doch die Ghuriden im Iran wurden 1206 unter die Herrschaft der Chwarezm-Schaahs gebracht (und 1215 ganz vernichtet), während im Osten im gleichen Jahr Mu’izzud-diin (der ohne Nachkommen war) ermordet wurde und der Oberbefehlshaber seiner Leibgarde in Ghaznah eine eigene Kleindynastie gründete. Qutbud-diin Aybak war mit einer anderen Situation konfrontiert, da die Festungsstädte von Gwalior und Ranthambor von Hindufürsten zurück erobert wurden. Um die muslimische Herrschaft in Indien halten zu können und dauerhaft zu machen, setzte er sich zunächst in der Region von Lahore fest und begründete noch 1206 das “Emirat von Delhi”, da er ja keinen Lehensherrn mehr hatte; kurze Zeit später verlegte er seine Residenz nach Delhi. Allerdings nannte sich Qutbud-diin noch nicht “Sultaan”, da er hierzu keine Legitimation durch den abbasidischen Chaliifah erhalten hatte. Zeitgleich errichtete ein anderer ehemaliger Ghuriden-General, Muhammad Bakhtiar Khalji, eine eigene Herrschaft in Ostindien (im Gebiet von Bihar und Bengalen), aus der später die Khalji-Dynastie hervorgehen sollte, und auch der Statthalter der Ghuriden im Panjab, Kabacha, erklärte seine Selbstständigkeit.

Qutbud-diin gelang es, seinen Einfluss in Delhi und dem von ihm kontrollierten Teil Indiens auch mit Bauten und Infrastruktur zu festigen; doch bereits 1210 verunglückte er tödlich beim Polospiel. Da er keine erwachsenen Nachkommen hinterließ und die Nachfolger weder in Delhi, noch kurz darauf im Panjab oder in Bengalen von den dortigen Adligen akzeptiert wurden, erhielt der Offizier Iltutmisch 1211 von den verbliebenen militärischen Führern die Einladung, in Delhi die Herrschaft anzutreten. 1229 nahm Iltutmisch, einen geschickten Schachzug vor, indem er seine Herrschaft durch den abbasidischen Chaliifah legitimieren und sich zum “Sultaan” ernennen ließ (erst ab diese Zeit kann man von dem ‚Sultanat von Delhi’ sprechen).

Das frühe Sultanat von Delhi stützte sich weitgehend auf Militäreinheiten (speziell Reiterkorps), die in den großen Festungen wie Delhi, Gwalior, Ajmer, Kannauj usw. stationiert waren. In der Verwaltung hingegen mussten sich die Sultaane von Delhi oft auf regionale Hindu-Adlige stützen, weil die Zahl der Muslime in Indien noch viel zu gering war, um alle notwendigen Posten mit ihnen zu besetzen. Die eigentliche Herrschaft wurde aber geprägt durch brutale Methoden der Steuereintreibung, wodurch immerwährend Aufstände die Stabilität des Reiches bedrohten; zusätzlich waren in der Zeit von Iltutmisch sowohl die muslimischen Statthalter als auch die abhängigen Hindufürsten oft illoyal und bewirkten innere Kämpfe.

Die Gebiete, die nach 1202 an die Rajputen und andere Hindufürsten im Norden und Nordosten verlorengegangen waren, konnten nach und nach von 1214 bis 1234 durch Iltutmisch wieder zurück gewonnen werden. Allerdings setzten sich einige mongolische Stammesführer nach 1221 im äußersten Norden Indiens fest und stell-ten eine untergründige Gefahr dar, weil sie die Vorboten einer größeren mongoli-schen Invasion zu sein schienen.

Nach Iltutmischs Tod folgte ihm seine Tochter Raziyyah (1236-1240) als Regentin nach – was in den hinduindisch regierten Reichen durchaus vorkam und hier wohl als Vorbild diente – darauf seine Söhne Firoz (1236), Bahram (1240-42), Mas’uud (1242-46) und Mahmuud (1246-66); doch diese Zeit wechselnder Herrscher war von bürgerkriegsähnlichen Zuständen und totalem Chaos im Staatswesen geprägt.

Dann übernahm Balban (1266-87), ein ehemaliger Sklave und zugleich Schwiegersohn Iltutmischs die Herrschaft; seine Art zu regieren war hart und zielstrebig, so dass er innerhalb von 4 Jahren seine Position gefestigt hatte und die eindringenden Mongolen ab 1270 aus Indien weitgehend zurückdrängen konnte. Doch erst einem seiner Feldherren, Muhammad (zugleich sein Sohn), gelang 1270 die endgültige Zerstörung aller mongolischen Stützpunkte. 1287 starb Balban und hinterließ – wie schon seine Vorgänger – ein instabiles Staatswesen, das ohne Oberhaupt leicht erobert werden konnte. Dies geschah folgerichtig durch die Vertreter der Khalji-Sippe, welche bis zu diesem Zeitpunkt in Bengalen verortet waren und nun die bedeutendsten Regenten in Nordindien darstellten.

Die Khalji-Dynastie (1290–1320)

Dschalaalud-diin Khalji, der Begründer der Dynastie, nahm 1291 die Provinzen der ehemaligen indischen Mamluken problemlos ein. Seine Herrschaft gründete sich zwar auch weitgehend auf Reiterkrieger, aber er integrierte mehr als seine Vorgänger auch von ihm abhängige indische Kleinfürsten mit ihren Männern und ihrer Verwaltung in sein Herrschaftssystem.

1297 ermordete ihn sein Neffe, ‘Alaa-du-diin Khalji (gest. 1316), der innerhalb weniger Jahre zum bedeutendsten Herrscher des Delhi-Sultanats wurde und aus dessen Anerkennung auch er als “Sultaan” von den Abbasiden anerkannt wurde.

1300 gelang es ihm, Indien gegen einen Mongolenangriff unter Hülagü Khan zu verteidigen und die Mongolen endgültig bis 1306 aus Indien zu vertreiben, mit rabiaten Mitteln und bewusst eingesetzten Abschreckungsmaßnahmen (so ließ er mongolische Gefangene zu Tausenden von Elefanten zertrampeln).

Unter seiner Herrschaft wurde Zentralindien zum muslimischen Einflussgebiet hinzugewonnen (1295 Devagiri, 1297 Gujerat, 1301 Ranthambhor, 1303 Chitor); dadurch erstreckte sich das Delhi-Sultanat zu Ende seiner Regierungszeit über ein etwa so großes Gebiet wie 250 Jahre später zur Zeit des Mogulkaisers Akbar.

Doch als gewichtiger Mangel machte sich bemerkbar, dass das Reich der Khalji nicht zentralisiert geordnet war; das Einkommen der Beamten und Offiziere konnte meist nur durch Beute gesichert werden, was zur ungerechten und extensiven Be-steuerung und Bedrückung der Gesamtbevölkerung führte.

Der bedeutendste Heerführer von ‘Alaa-ud-diin Khalji war Maalik Kafur, ein ehemaliger Hindu-Sklave aus Gujerat, der vor allem erfolgreiche Expeditionen gegen die großen Hindureiche im Süden Indiens durchführte, aber letztlich keine neuen Gebiete dazu gewann.

In dieser Zeit entstand eine Gegenbewegung der Hindufürsten in Rajastan einerseits und teils auch im Süden bezüglich des Einsatzes von Kavallerie: der Kakatiya-Herrscher von Warangal, im Gebiet des heutigen Andhra Pradesh, gründete den ersten Hindu-Kavalleriestaat, der sich in einigen Punkten von den bislang bekannten muslimischen Reichen absetzte: es gab dort keine Militärsklaven, sondern es entstand aus den alten Kriegerkasten ein neuer Militäradel, die Schicht der Nayaks (Kavalleriehauptleute), welche aber auch mit Lehen ausgestattet waren (wie die entsprechenden Kommandeure der Delhi-Truppen); jeder Nayak erhielt eine eigene Festungsbastion der Hauptstadt zugewiesen, wodurch eine neue Version des Samantachakra (“Kreis der Nachbarn”) geschaffen wurde. Dieses System setzte sich insbesondere in den Festungsgürteln von Rajastan durch.

Zwar wurde der Herrscher von Warangal von Maalik Kafur besiegt, aber als abhängiger Lokalherrscher wieder von ‘Alaa-ud-diin eingesetzt, da er erkannte, dass dieser neue Zusammenschluss der zahlenmäßig überlegenen Hindu-Armeen ihm nur über Bündnisse und Abkommen ein Überleben sicherte. In diesem Sinne werden von ihm auch Dispute mit muslimischen Gelehrten überliefert, in denen er ihren Tadel zurückweist und ihnen erläutert, er müsse sich mit den Hindufürsten arrangieren und auch diverse Hindutempel erhalten, weil sonst die Existenz der muslimischen Gebiete in Indien nicht garantiert werden könne. Hier zeigte sich zum ersten Mal der Zwang der Realpolitik, der sich auch gegen religiöse Vorbehalte durchsetzte.

1311 versucht Ala-uddin, die Korruption durch Zentralisierung der Steuer einzudämmen; tatsächlich bessert sich die Lage kurzfristig. Rebellionen wurden zeitgleich durch massive militärische Drohung im Keim erstickt, zur gerechteren Steuerfestlegung wurde eine erste Landvermessung in bestimmten Gebieten vorgenommen.

Um die verschiedenen Verwaltungsaufgaben vermehrt durch Muslime vorzunehmen, mussten die dazu geeigneten Personengruppen in der Armee vergrößert werden (wie bei den Mamluken wurden alle Machtpositionen im Staat zunächst durch militärische Ränge definiert). Um einen drohenden Bankrott der Staatskasse zu vermeiden, verringerte er einerseits den Bar-Sold, aber gewährte Vergünstigungen anderer Art als lehensähnliche Naturalzuweisungen. Um der Außenbedrohung durch die Mongolen und gegnerische Hindufürsten standhalten zu können, wurde das Heer auf eine schon damals immense Größe erweitert (nach vielen Quellen bis zu einer halben Million Menschen), was aus einem hohen Steueraufkommen finanziert wurde (von der Landbevölkerung wurde teilweise 50% des Besitzes als Steuer eingezogen). Die bisherigen Lehen hingegen wurden vom Staat eingezogen, um von dort direkte Einkünfte ohne veruntreuende Mittler zu gewinnen.

Auch versuchte er – wie manche zeitgenössischen Herrscher im mamlukischen Ägypten – Nahrungspreise und bestimmte Grundwarenpreise festzusetzen, um Wucherentwicklungen vorzubeugen. Zugleich wurde Privatleuten untersagt, dass Gold in ihrer Hand verblieb. Die Goldwerte wurden ihnen gegen andere Werte ausgetauscht; dadurch erlangte der Staat erhebliche Mengen des Edelmetalls.

Ein anderer Aspekt, der auch nach der Khalji-Dynastie bis zu Beginn der Mogulzeit weitergeführt wurde, war die strenge staatliche Kontrolle der Aufgabenträger; ein effektiver Nachrichten- und Geheimdienst lieferte umgehend entsprechende Berichte über alle bedeutenden Vorkommnisse an den Diwaan (hier: den Staatsrat), sodass die indischen Staaten des Delhi-Sultanats als die bestinformiertesten der damaligen Welt gelten konnten.

In diesem Zusammenhang wird Ala-uddin auch positiv angerechnet, dass er Alkohol- und Drogengenuss untersagte und wirkungsvoll bestrafte.

Die von ‘Alaa-du-diin angestrebten Reformen konnten in der Khalji-Zeit noch nicht wirksam umgesetzt werden: die Lehensreform wurde schon während der Regierungszeit von ‘Alaa-du-diin geschwächt durch die Neigung, die Lehen und die mit ihm verbundenen Personen (Bauern, Leibeigene usw.) an bestimmte Würdenträger zu vererben, und der Soldzwang durch die vielen Beamten führte – beim Tod ‘Alaa-du-diins 1316 – zur leeren Staatskasse. Innerhalb von vier Jahren lösten sich darauf drei schwache Herrscher ab, und so ergriff der erfolgreiche Gouverneur Ghiyaathud-diin Tughluq 1320 die Herrschaft und löschte die Khalji-Dynastie aus.

Die Tughluq-Dynastie (1320-1388)

Ghiyaathud-diin Tughluq war zunächst bemüht, bestimmte Missstände zu beseitigen, und ergriff daher 1320 die Herrschaft in Delhi. In den 5 Jahren seiner Regentschaft senkte er die immense Steuerlast der Bevölkerung und förderte die Landwirtschaft, da er erkannt hatte, dass ohne die Bevölkerung auf seiner Seite zu haben die Macht immer von wenigen, missgünstigen Generälen abhing. Auch war er der Bildung und Kunst gewogen, da er seinem Sohn eine gute Ausbildung zukommen ließ.

Doch tatsächlich verlor Ghiyaathud-diin sein Leben durch die Intrige seines Sohnes, Muhammad (1325–1351), der ihn unter einem Vorwand in einen präparierten Pavillon lockte und diesen über dem Vater einstürzen ließ. Muhammad Bnu-tughluq erobert viele hinduistische Reiche in Südindien, war aber in anderer Hinsicht nicht realistisch eingestellt: so ließ er ohne Bedenken die anerkannte Silberwährung durch Kupferwährung ersetzen. Silber war selten und musste importiert werden, Kupfer war im Land zu finden, und bald war jeder mittlere Haushalt in Indien eine Falschmünzerwerkstatt und die Inflation immens.

1327 verlegte er seine Residenz nach Daulatabad (nahe des späteren Aurangabad, zentraler gelegen als Delhi) und entvölkerte die Stadt gewaltsam, kehrte aber nach wenigen Jahren wieder nach Delhi zurück, da Daulabad ohne schwere Kanonen (damals noch nicht vorhanden) verwundbarer war als später zu Aurangzebs Zeit und gegen die feindlichen Reiche der Umgegend nicht zu halten war. Die Bevölkerung wurde durch die Rückkehr nach Delhi – die zweimalige Umsiedlung – dezimiert.

Seine Freigiebigkeit einerseits und sein brutaler Größenwahn, der Tausende das Leben kostete, wurden schon damals mit Entsetzen aufgenommen und dokumentiert. Das Reich zerfiel in verschiedene Gebiete, der Süden des Reichsgebietes fiel sogar ganz fort.

Sein Nachfolger und Neffe Firoz Schaah (1351-1388) übernahm friedlich die Herrschaft, doch seine Macht blieb auf Nordindien beschränkt. Nach dem Tod von Firoz Schaah stritten sich schwache Thronprätendenten um die verbleibende, geringe Macht, bis 1398 Timur Lenk Delhi angriff, es ausraubte und die Bevölkerung stark dezimierte, und so führte die Uneinigkeit das Delhi-Sultanat in den Untergang.

Die verbliebenen Statthalter aus der Tughluq-Epoche gründeten nun kleinere Regionalfürstentümer, mussten sich aber mit erstarkten hinduistischen Kleinreichen auseinandersetzen.


Die kleineren Nachfolgedynastien nach dem Delhi-Sultanat

Als Muhammad Bnu-tughluq Daulatabad wieder aufgab, füllten nicht Hindu-Herrscher das Vakuum, sondern ein Abenteurer namens Zafar Khan, der sich Bahman Shah nannte, 1345 Delhi eroberte und das Bahmani-Sultanat gründete, dann aber seine Hauptstadt von Delhi nach Gulbarga im nördlichen Hochland des Dekkan (Nähe des heutigen Karnataka) verlegte. Später wurde die Hauptstadt des Bahmani-Sultanats weiter nördlich verlegt nach Bidar (etwa zwischen Gulbarga und Haidarabad). Durch Einfluss der Safawiden nahmen die Bahmani- Sultaane die schiitische Ausrichtung und persische Kultur an, aber auch Gegnerschaft zu den späteren (sunnitischen) Fürsten von Delhi, insbesondere auch zu den Moguln.

Der Höhepunkt der Bahmani- Sultaane wurde unter dem fähigen Minister Mahmuud Gawan (reg. 1461-1481) erreicht. Er eroberte das südliche Indien außer dem Reich Vijayanagar; trotzdem wurde er 1481 aufgrund von Hofintrigen hingerichtet. Dadurch zerfiel das Bahmani-Sultanat in mehrere Klein-Sultanate, wobei die ehemaligen Gouverneure zu selbständigen Kleinherrschern aufstiegen. Ein wichtiger Grund dafür war, dass das Bahmani-Sultanat insgesamt zu heterogen und zu rasch gewachsen war, um zu einer zentralistischen Einheit zusammenzuwachsen zu können.

Vier neue Sultanate entstanden:

1. Bijapur

2. Ahmednagar

3. Golkonda

4. Bidar (Rumpfstaat des früheren Bahmani-Sultanats) – Staat der Barid Shahis (behaupten Legitimität der Bahmani zu halten)

Bijapur und Golkonda entwickelten sich zu den prächtigsten und mächtigsten dieser Sultanate (dort entstand das Mausoleum des Sultaans Muhammad ‘Aadil Schaah, erbaut 1659, Gol Gumbaz genannt, der größte Kuppelbau der damaligen Welt; oder z. B. die Festung der Sultaane von Golkonda).

Diese Fürstentümer standen – ungeachtet ihrer Gegnerschaft zu den muslimischen Herrschern im Norden – auch in Auseinandersetzung mit den verbliebenen Hindureichen; man nannte diese Lage die “Gegnerschaft der vier Nachbarn”: 2 Muslim-Reiche (namentlich Bijapur und Golkonda) standen gegen 2 Hindu-Reiche (Vijaya-nagar und Orissa). Orissa (im Nordosten der Bahmani-Gebiete) hatte die meisten natürlichen Vorkommen von Elefanten, daher Beiname des Herrschers von Orissa “Gajapati” (Herr der Elefanten), während Vijayanagar (im Süden des Dekkan) über finanzielle Ressourcen verfügte.

Exkurs: Veränderung der Hindu-Reiche

Durch Verringerung des Interventionspotentials des Delhi-Sultanats entstanden – parallel zum Zusammenbruch des alten Delhi-Sultanats und dem Aufbruch der Dekkan-Sultanate – verschiedene Hindu-Reiche, die sich (besonders das von Vijay-anagar) völlig auf die Kavalleriestrategie der Nordreiche umstellten; einer der bedeutendsten Herrscher von Vijayanagar, Krishnadevaraja (regierte 1509-1529), bezeichnete sich einmal als “Hindu-Sultaan”, weil er selbst diese große Ähnlichkeit mit den muslimischen Sultaanen in Nordindien sah.

Die Großmoguln

Der bedeutende Schlüssel zum Erfolg der Moguln war der schlachtentscheidende Einsatz der Feldartillerie, auf Lafetten gelagert, beweglich und von Pferden, Ochsen und Elefanten gezogen. Hier besteht eine große Ähnlichkeit mit den Armeen des osmanischen Sultaans Selim I. Yavuz.

Die Schlacht, die den Moguln unter Babur den Sieg über die letzten Sultaane von Delhi bescherte, war die große Schlacht von Panipat (in der Nähe Alt-Delhis), wo Babur mit seinen Kanonen, seinen Schützenkompanien (Tufank) und ihrer geschickten taktischen Verwendung das zahlenmäßig weit überlegene Heer von Delhi besiegte.

Der Begründer Babur

Zaahirud-diin Muhammad Babur war ein Nachkomme Timur Lenks; geboren 1483 stammte er ursprünglich aus dem Gebiet von Ferghana, östlich von Samarqand. In Streitigkeiten um die Nachfolge innerhalb seines Clans hatte er 1497 (mit nur 14 J.) mit seinen Truppen Samarqand angegriffen und besetzt, konnte es aber nicht halten, weil er nicht genug Rückhalt bei seinen Verwandten (vor allen seinen Onkeln, die Heerführer waren) hatte. 1501 musste er – von den Usbeken nach Westen vertrieben – den Safawidenschaah Ismaa’iil um Hilfe bitten. Nach einem kurzen Sieg und der Einnahme von Samarqand 1511 richteten aber die persischen Hilfstruppen ein Massaker in der Stadt an, sodass die Bewohner der Region sich gegen Babur wandten und er sich nach Kabul in Afghanistan zurückziehen musste. Er nahm dort seinen Stützpunkt ein, und da er nach den früheren Eroberungen Timurs auch Nordindien als sein ihm zustehendes Erbe betrachtete, unternahm er einen Feldzug dorthin. Schon im Vorfeld hatten einige Statthalter in Indien mit ihm Verhandlungen aufgenommen, weil sich der damalige Herrscher von Delhi, Ibraahiim Lodi, durch seine Härte auch Gegner in den eigenen Reihen geschaffen hatte.

Babur entwickelte bereits in Afghanistan eine neue Form der Kriegsführung, angeregt durch die defensive Schlachttaktik der Osmanen, der gerade neu aufgekommene Einsatz leichter beweglicher Feldkanonen, Luntenschloßgewehren und der genau darauf abgestimmte Einsatz der bewährten Reiterei. So stellte er sich auf dem Schlachtfeld von Panipat seinen Gegnern nicht, ohne das Gelände vorher gesehen und seinen Plan darauf abgestimmt zu haben.

Als ihm dort im April 1526 die Armee des Sultanats von Delhi – mitsamt dem Herrscher Ibraahiim Lodi mit fast 10fach größerer Mannstärke gegenübertrat, besaß Babur, im Gegensatz zu seinen Gegnern, die ca. 1000 Kriegselefanten einsetzten, kaum eine Handvoll dieser Tiere, sondern neben seiner Reiterei hauptsächlich Feldgeschütze. Ein osmanischer Kanonengießer stand in seinen Diensten, der ihm vor Ort bestimmte Geschütze gießen konnte. In der Schlacht von Panipat (so berichtet Babur in seiner Autobiografie) verwendete er die Reiterei, um die Delhi-Elefanten auf die Kanonen und Musketenschützen zuzutreiben. In der Panik, die nach den ersten Treffern bei den Elefanten folgte, geriet das Heer des Sultaans von Delhi in rettungslose Verwirrung, und Babur nahm anschließend direkt Delhi ein. Die dortige Kriegsbeute wurde zum Aufbau einer neuen Artillerie-Einheit verwendet, die dann mit Spezialbooten den Ganges flussabwärts transportiert wurde. So konnte er mit seiner Methode auch den Fürsten von Bengalen besiegen, später auch den Fürsten von Mewar, Rana Sanga, sowie viele Rajputenfürsten.

Die meisten indischen Herrscher kannten zu dieser Zeit zwar schon Kanonen, doch meist handelte es sich um schwerere, ausrangierte Festungskanonen, und sie setzten sie daher nur symbolisch oder nicht taktisch sinnvoll ein. Aus diesem Grunde hatte Babur die leichtere und bessere Ausrüstung und konnte seine Schlachten auch mit wenigen Kerntruppen gewinnen. Tatsächlich wurde die Herstellung und Weiterentwicklung guter Kanonen von den Moguln seit Baburs Zeit als Staatsgeheimnis bewahrt und auch später nicht an die verbündeten Rajputenfürsten weitergegeben.

Nachdem die Kontrolle über Delhi sicher war, kam Baburs Sohn Humayun von Kabul nach Delhi, wo sich Babur – mittlerweile schwer erkrankt – aufhielt, und dort wurde auch Humayun todkrank. Darauf gelobte Babur Allaah, er werde sein Leben gern hingeben, wenn sein Sohn Humayun am Leben bliebe. Babur starb kurz darauf, und Humayun trat zunächst die Nachfolge der Moguln in Indien an.

Humayun und die Übergangszeit

1537 erkannte der Afghanenfürst Scher Schaah die momentane Schwäche Humayuns, der sich auf einem Feldzug befand, konnte Delhi einnehmen und durch einen Überraschungsangriff 1539 Humayun vertreiben. Nach einem weiteren Putschversuch seitens eines Bruders Humayuns, Hindal, kam es 1540 zur Schlacht bei Kannauj, durch die Humayun alles verlor und ins Exil nach Persien zu dem berühmten Safawidenherrscher Schaah Tahmasp ziehen musste, um dort Zuflucht zu suchen. Humayuns Sohn Akbar wuchs währenddessen in Kabul bei Humayuns Bruder auf.

Humayun wagte den Gegenangriff mit persischer Hilfe und konnte 1545 nach dem Tod von Scher Schaah dessen schwachen Nachfolger Kamran – seinen Bruder – besiegen. Dadurch, dass Sher Schaah eine gründliche Bodenreform durchgesetzt und das Münzwesen wieder auf einen guten und sicheren Stand gebracht hatte, konnten die Moguln mit Humayun darauf aufbauen und eine stabile Finanz- und Steuerpolitik entwickeln. 1556 starb Humayun durch einen Unfall (Sturz auf der Treppe seiner Bibliothek), und sein Sohn Akbar folgt ihm 13jährig nach.

Akbar, der bemerkenswerte Großmogul

Zunächst wurde Akbar durch Regenten im Staatsrat vertreten, doch diese Vertreter zeigen kaum besondere Fähigkeiten. In dieser kritischen Lage versuchte 1556 Hemu, ein hinduistischer Feldherr, der als erster Minister für einen Nachfolger von Scher Schaah tätig gewesen war, Akbar zu beseitigen und selbst als Fürst eines neuen Hindu-Fürstentums aufzutreten; doch bei dem Umsturzversuch starb Hemu nach der zweiten Schlacht von Panipat (1557) durch die Hand von Akbar, der den verwundeten Gefangenen eigenhändig enthauptete.

Wie schon sein Vater und Großvater war Akbar sehr intelligent, doch im Gegensatz zu Babur und Humayun, die sehr belesene Literaten und Buchliebhaber gewesen waren, konnte Akbar weder lesen noch schreiben (nach manchen modernen Theorien war er evtl. Legastheniker). Doch seine Merkfähigkeit glich diesen Mangel aus. Berühmt wurde er schon in seiner Jugend wegen seiner Fähigkeit tiefgründige Gespräche über religiöse Themen mit Angehörigen anderer Religionen zu führen. So ließ er einen Pavillon errichten, der auf vier Säulen gelagert und nach außen offen war, wo er Intellektuelle und muslimische Gelehrte zur Diskussion versammelte. In der darunter befindlichen Halle hielten sich Zuhörer auf, die sich mit Fragen beteiligen konnten. Akbar saß im Zentrum des Pavillons und nahm alle Informationen auf. So heißt es, dass er bereits als junger Mann einen weit größeren Wissens- und Erfahrungshorizont besaß als die meisten seiner Zeitgenossen.

Zugleich besaß er Realitätssinn und war ein sehr begabter Feldherr; nach Gebietsgewinnen in Gujerat (1574) und Bengalen (1576) und der Beseitigung der letzten Suridenherrscher, zu denen Scher Schaah gehörte, hatte er seine Herrschaft gefestigt. Durch seinen Zugewinn an Gebiet und Geldbesitz wurde er zum umworbenen Herrscher, und die persischen Safawiden und die Usbeken versuchten, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Doch Akbar besaß bemerkenswerte diplomatische Fähigkeiten, die er dazu nutzte, mit Persern und Usbeken zugleich Freundschaftsabkommen zu schließen, wodurch die Nordgrenze sicher wurde und er das Reich aufbauen konnte.

In seiner Innenpolitik beachtete Akbar mehrere Aspekte: er versuchte erfolgreich, auch auf die hinduistischen Fürsten Indiens in seinem Reichsgebiet zuzugehen und ließ Vertreter der großen Rajputendynastien an seinen Residenzen verbleiben. Andererseits mischte er sich grundsätzlich nicht in die inneren Angelegenheiten der Rajputen ein, solange sie sich nicht direkt oder indirekt (Verweigerung von Zamin-Abgaben, Nichtstellung von Mansab-Kavallerie, nicht genehmigte Eheverbindungen oder offen gelegte Bündnisse) gegen ihn wandten.

Die Verwaltungsreform von Akbar

Zwei parallele Systeme wurden eingesetzt:

  • Mansab (Inhaber Mansabdar), und
  • Zamin (Inhaber Zamindar)

Das Mansab als Lehen war passiv (es versorgte die Lehensträger, nicht den Staat), das Zamin war aktiv (das heißt, es ergab Direktertrag an den Staat).

Das Mansab-System besaß eine normierte Messhöhe = eine feste Anzahl an zu stellenden Kavalleristen = fester Erntebetrag = fester Lohnbezug. Es war zudem die Grundlage für alle Beamten und Offiziere des Reiches sowie für alle von Staat unterstützten Personen (einschließlich der Leibzofen der Prinzessinnen, Hofmaler und Hofmusiker).

Drei Faktoren charakterisierten das Mansab:

  • Die eigentliche Landzuteilung (Jagir) mit entsprechendem Ertrag = Sollzahl der Reiter = Steuerschlüssel.
  • Die sogenannten Nennzahlen zur konkreten Mansab-Größe; die Ränge der zivilen und der militärischen Verwaltung wurden detailliert in ihnen ausgedrückt. Dies waren 100er, 500er, usw. bis zum 7000er Rang (Wesire).
  • Jede Ernennung zu einer höheren Mansab-Stufe erzwang eine Versetzung; so sollte verhindert werden, dass Würdenträger eine Hausmacht gegen den Herrscher bilden konnten).

Zur Landeinschätzung wurden in den ersten 10 Jahren von Akbars Herrschaft alle Lehen eingezogen, direkt vom Staat verwaltet, dann die Kennzahlen geprüft und normiert und danach mit leichten Adaptionen bis zum Ende des Mogulreiches beibehalten. Allgemein entwickelte das Mogulreich sehr genaue Registraturmethoden mit mehrfachen Kontrollen, wahrscheinlich wegen der schon vor den Mogulen vorherrschenden unglaublichen Korruption und Ausplünderung der Bevölkerung (dies geschah übrigens religionsunabhängig).

Das Zamin-System ergab sich aus dem Fortbestehen bestimmter Landbesitzformen, etwa Landbesitz aus früheren Anrechten vor Gründung des Mogulreiches, bzw. Schenkungen in früheren Dynastien (etwa wenn ein Großgrundbesitzer aus der Khalji-Tradition Land besaß, oder ein Hindufürst der Rajputen mit seinem traditio-nellen Festungsland, usw.).

Die Grundsteuerpflicht wurde, oft ermäßigt, auf Ertragsland bezogen, auf Grundlage einer Steuer-Landbemessung (Zabt) oder einer Landschätzung (Nasaq).

Zur Festlegung der jeweiligen Zamin-Besteuerung wurden die natürlichen Grunderträge eines Bezirks beachtet (Bodenart, Monsun-Regenfälle etc.), aber auch Erfahrungswerte mit jährlichen Schwankung (durch Trockenheit bzw. Flut).

Da die meisten Zamin-Besitzer aber potentielle Gegner der Moguln waren und die Mogulherrscher nicht die Fehler der Khalji wiederholen wollten, durch übermäßige Besteuerung die Bevölkerung auszuplündern, erfolgte seit Akbar eine realpolitische Verrechnung der einzufordernden Steueraufkommen: auch wenn veranlagter Betrag (Jama’) und reale Einnahme (Hasil) nur selten ganz und gar übereinstimmten, wurden daraus keine gewaltsamen Konsequenzen abgeleitet.

Das Einkommen aus einem Mansab bestand zunächst in Naturalien, Grundsteuer aus Zamin wurde immer direkt in Silbermünzen bezahlt. Daher brauchten die Moguln ein gutes Münzwesen; dem trugen sie Rechnung, indem sie Silber in guter Reinheit und unter Staatsaufsicht prägten. Es gab keine Experimente wie zur Zeit der Tughluq-Herrscher, als man praktisch zur Kupfermünzen-Fälschung aufrief.

Die staatliche Silbermünze wurde nur einmal jährlich ausgegeben und in Umlauf gebracht, der Silberwert entsprach auch 1:1 den Münzwerten. Hatte jemand Silber gehortet und wollte es in staatlich kontrollierte Gegenwerte (etwa bestimmte Edelsteine oder Gold) umsetzen, wurde bei Bezahlung mit alten Silbermünzen ein Abschlag berechnet, um das Horten unattraktiv zu machen. Indien besaß keine Silberbergwerke, musste Silber importieren (daher auch europäische Handelsstationen) und so konnte die Silbermenge im Land nicht beliebig erhöht werden. Im Alltag dienten Silberbarren als Grundeinheiten, die gegen geringes Entgelt in der Hauptstadt in Silbermünzen (sogenannte Silber-Rupien) getauscht werden konnten.

Staatlich kontrollierte Bereiche (zumindest teilweise) waren bestimmte Edelsteinarten, der Pferdehandel und Landbesitz. So war es untergeordneten Fürsten nicht erlaubt, ihren herrscherlichen Landbesitz ohne Erlaubnis des Großmoguls mit dem eines anderen Herrschers zu vereinigen (diese Politik wurde adaptiert bis in die britische Kolonialzeit beibehalten, indem eine Heiratsverbindung zweier Fürstenhäuser der Rajputen die Zustimmung des britischen Residenten in Indien benötigte).

Die Kultur- und Religionspolitik Akbars

Wie auch schon Babur und Humayun vor ihm galt Akbar als sehr gebildeter und kultivierter Herrscher. Auch er pflegte Bibliotheken zu errichten, Dichter und Musiker an seinem Hof zu versammeln und zu fördern, bedeutende Bauwerke und gewaltige architektonische Projekte zu verwirklichen.

Gerade die indo-persische Kalligraphie entwickelte sich zu einer Höhe, die mit zeitgleichen Kunstanstrengungen in Persien oder dem Osmanischen Reich vergleichbar war. Auch war die offizielle Hofsprache bei den Großmoguln stets Persisch, während zwischen den einfachen Menschen Hindi oder Regionalsprachen mit persisch-arabischen Einzelbegriffen verwendet wurden.

Schon vor Babur gehörte eine umfassende Ausbildung im Reiten, Polospiel, Bogenschießen, Kalligraphie und Dichtung zum Programm hochstehender Fürstenfamilien, und auch die Mogulherrscher machten hier keine Ausnahme. Unter Akbar aber gelang es ihnen zum ersten Mal, bewusst auch traditionell indische Elemente einzubeziehen: in der Architektur, der Kleidung, aber auch in der Verwendung von Hofelefanten, zahmen Jagd-Geparden, philosophisch-religiösen Disputen.

Die Beziehung zu den muslimischen Gelehrten war im Mogulreich unter Akbar zwiespältig. Zu Beginn seiner Herrschaft präsentierte sich Akbar weitgehend als jemand, der den Islam vertrat, aber nicht demonstrativ vorlebte. Im Verlauf seiner Regentschaft wandelte er sich zunehmend zu einem eher freidenkerischen Herrscher, der in seinen berühmten Disputen zwischen Muslimen, Hindus, Christen, Buddhisten und Jains bemüht war, möglichst viele Ansichten zu hören und scharfsinnige Argumentationen hervorzubringen, aber ohne selbst als Herrscher eine klare Pro- oder Contra-Stellung einzunehmen.

Auch die realpolitisch kluge Aussetzung der Dschizya, die bis dato von den hinduistischen Untertanen gefordert worden war, brachte ihm Loyalität der Hindus, aber wachsende Kritik der Muslime ein, ja sogar die Gegnerschaft etlicher muslimischer Gelehrter, die sich jedoch hüteten, dies als Regierungskritik zu äußern.

Offenen Widerspruch erntete Akbar von muslimischer Seite aber, als er – in typisch- vorislamischer indischer Fürstentradition – einen eigenen religiösen Kult gründete, den er “Din-e ilaahi” (die göttliche Religion) nannte und in der letztlich das einzig Konkrete die herausgehobene Stellung des Herrschers wichtig war, und zu dem nur einige, auserwählte Persönlichkeiten bei Hof gehörten.

Trotz seiner bemerkenswerten Erfolge, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu einem friedlichen Zusammenleben zu bringen, lieferte er aber seinen Gegnern hervorragende Gründe, gegen ihn zu opponieren, und dies tat sein Sohn Selim, der ihn 1605 absetzte und unter dem Herrschernamen Jahangir den Thron bestieg.

Jahangir (1605-1627)

Jahangir gilt nicht als ein bedeutender Mogulherrscher. Doch er war sich durchaus bewusst, dass er eine Stütze in seiner Herrschaft benötigte und setzte durch den Einfluss seiner Ehefrau, Nuur Jahaan, seinen Schwiegervater, I’timaad-daulah, als ersten Minister (Waziirul-wuzaraa’) ein.

Zu Jahangirs Zeit traten bedeutende kulturelle Veränderungen ein, da Nuur Jahaan, aus Persien stammte und ihrem Wunsch gemäß die persische Sprache und Dichtung mehr als bisher gefördert wurde. Zugleich verschoben sich die Gewichte der Einflussgruppen bei Hof: die turkmenische Hofgruppe wurde zurückgedrängt, die persische erhoben, und die indische gewann nur in bestimmten Bereichen noch Bedeutung (etwa in den Außenbeziehungen zu den Rajputen).

Seit Jahangirs Zeit wurde das Persische zur alleinigen Hofsprache der Moguln, sowohl in der Verwaltung, als auch in der Literatur. In der Umgangssprache drangen nun neben arabischen Fachbegriffen auch persische Begriffe ein, und es entwickelte sich auf der Grundlage des Hindi mit den geschilderten Veränderungen das Urdu (wobei aus dem indischen Kulturbereich ganze Literatur- und Dichtungsgattungen volkstümlicher Art umgesetzt wurden).

Allgemein sorgte Jahangir für wesentliche Verbesserungen in der Erb- und Steuer-rechtssprechung, um Last von der Bevölkerung zu nehmen; außerdem ist seine Herrschaft als eine Zeit relativen Friedens zu bezeichnen. Auch die Nachfolge regelte Jahangir schon im Voraus, indem er seinen Sohn Churram – der später als Schaah Jahan regierte – schon als Kind in der Öffentlichkeit bevorzugte und als Thronfolger präsentierte.

In den letzten Regierungsjahren Jahangirs – ab 1623 – versuchte Nuur Jahaan, den schon aufstrebenden Churram zu entmachten, und stützte sich dabei auf die Mithilfe des persischen Schaah ‘Abbaas I. (1571-1629). Churram zog mit eigenen, ihm treuen Truppen in den Dekkan, Nuur Jahaan schickte einen großen Teil der Delhi-Truppen hinterher, und so wurde der Norden (auch Süd-Afghanistan, was den Moguln gehörte) entblößt. ‘Abbaas I. nahm Kandahar und die umgebende Provinz ein. Da schlug sich nach dem Tod Jahangirs 1627 der damalige Waziir Asaf Chan auf Churrams Seite, entmachtete Nuur Jahaan und verhalf 1627 Churram als Schaah Jahan, den Thron zu besteigen.

Schaah Jahan (1627-1658)

Jahangirs Sohn, Schaah Jahan, gilt neben Akbar als einer der bedeutendsten Mogule. Schon vor seinem Machtantritt hatte er seinem Vater als General gedient, und versuchte, die Stammgegend seiner Vorfahren in Ferghana zurückzuerobern, doch scheiterte er dabei so gründlich, dass weder er noch spätere Herrscher der Moguln ihre Anstrengung auf Gebiete außerhalb Indiens konzentrierten.

Er entfaltete eine rege Bautätigkeit, von der das Mausoleum des Taj Mahal das Gewaltigste ist, doch auch das Rote Fort in Alt-Delhi geht auf ihn zurück. Seine Herrschaft wirkt durch Prunkentfaltung einerseits und relativen Frieden andererseits als ein Höhepunkt der Mogulherrschaft. Auch hat Schaah Jahan sicherlich mehr als irgendein anderer Förderer seiner Epoche für die Entwicklung von Kunst, Sprache und Architektur der Muslime in Indien hinterlassen. Nach dem Tod seiner Ehefrau Mumtaz Mahal ließ er in einem monumentalen Projekt ein Mausoleum in weißem Marmor errichten, das Taj Mahal. Ursprünglich soll geplant gewesen sein, auch für Schaah Jahan exakt dasselbe Bauwerk in schwarzem Marmor benachbart zu bauen. Die Kosten waren allerdings schon für das Taj Mahal so hoch und die Passivität Schaah Jahans in der Staatsführung so erheblich, dass sein Sohn Aurangzeb ihn stürzte und im Fort von Agra gefangen hielt.

Außenpolitisch entwickelte sich das Safawidenreich zu einer größer werdenden Bedrohung, da es sich gegen die ausdrücklich sunnitischen Moguln wandte und sich mittlerweile mit den ebenfalls 12er schiitischen Dekkan-Sultanaten verbündet hatte.

Aus dieser Gesamtsituation lässt sich erklären, dass nun der persische Kultureinfluss an Schaah Jahans Hof nachließ und der einheimisch-indische zunahm. Zugleich gewannen die sunnitischen Gelehrten vermehrt Zugang bei Hof und in den breiten Kreisen der gebildeten Bevölkerung der Städte, was die spätere kraftvolle Haltung Aurangzebs erklärt, der sich in seinen Entscheidungen ausdrücklich auf die landesweite Unterstützung der Gelehrten stützen konnte.

Als 1657 Schaah Jahan schwer erkrankte und seine vier Söhne um die Nachfolge kämpften, riefen sich Schaah Shuja – Statthalter von Bengalen – und Muraad Baksh – Statthalter von Gujarat – jeweils zum Großmogul aus, um ihren ältesten Bruder Dara Shikoh an der Machtergreifung zu hindern. Aus den Kämpfen ging Aurangzeb als letzter erfolgreich hervor, nachdem er seinen Bruder Dara Shikoh 1658 in der Nähe von Agra in einer Schlacht besiegte und ihn sowie Muraad Bakhsch hinrichten ließ, um einen weiteren Bürgerkrieg zu vermeiden. Schaah Shuja floh ins Exil nach Arakaan (einem Reich, südlich von Bengalen gelegen), wo er verstarb.

Aurangzeb (1658-1707)

Persönlich war Aurangzeb – im Gegensatz zu vielen anderen Herrschern – sehr gottesfürchtig und richtete sein Leben nach den Scharii’ah-Grundsätzen aus; so verzichtete er auf übermäßigen Luxus und förderte die muslimischen Gelehrten.
Andererseits erschöpften die Feldzüge, die er gegen gegnerische Fürstentümer des Südens führte, die Staatskasse und brachte ihn dazu, das gut ausgewogene System von Mansab und Zamin auszuhöhlen. Indem die unterworfenen Fürsten zu Mansabdar-Leuten hohen Ranges ernannt wurden, aber keine Truppen oder sonstige Abgaben stellten (das südliche Hochland brachte keine hohen Steueraufkommen ein), waren die Steuern nur theoretisch und fehlten de facto, doch Verwaltungskosten und stationierte Mogultruppen kosteten real.

Der innere Frieden wurde erschüttert, als Aurangzeb 1689 die von Akbar 1564 aufgehobene Dschizyah-Steuer den Hindus wieder auferlegte. In demselben Jahr wurde auch der (Wieder-)Aufbau von Tempeln und Andachtsstätten der Hindus, Sikhs, Buddhisten und Jains verboten, und vor kurzem erbaute Hindutempel wurden wieder zerstört. Als die Mogultruppen 1679 das Rajputen-Fürstentum Marwar besetzten und einnahmen, das nach dem Tod des letzten dortigen Herrschers keinen Nachfolger hatte, führte das zur höchsten Verunsicherung und Verschlechterung in den Beziehungen der Rajputen zu den Mogulen – angesichts großer und erfahrener Rajputen-Truppenteile innerhalb der Mogularmee. Um 1660 brach ein Aufstand los, den die Fürsten der Marathen trugen; die leichte Reiterei und eine bewegliche Guerillataktik setzte sich bald im Dekkan und im Hochland erfolgreich gegen die schwerfällige Mogularmee durch. Aurangzeb und seine Berater hielten diese militärischen Aktionen für so gering, dass sie keinerlei ernsthaften Schritte dagegen unternahmen.

1664 gelang es Shivaji mit den Marathen, den Haupthafen der Moguln, Surat, einzunehmen und zu plündern; der Prestigeverlust und der finanzielle und außen-politische Schaden war erheblich (z. B. weil durch Surat Silber importiert wurde). Eine große Truppe wurde von Delhi aus gegen die Marathen in Marsch gesetzt, Shivaji besiegt und in Delhi inhaftiert. Nach kurzer Zeit ließ Aurangzeb Shivaji wieder frei, wobei Shivajis Sohn als Geisel am Hof der Mogulen verblieb und Shivaji in den Rang eines 500er Mansabdar versetzt wurde. Nach seiner Rückkehr in den Süden setzte Shivaji seine Revolte fort und ließ sich 1674 in aller religiöser Form durch die Brahmanen zum Hindukönig erheben. Sein Ziel war es, ein neues starkes Hindureich gegen das muslimische Mogulreich zu gründen. Sein Sohn Sambhaji folgte ihm 1680 als Herrscher der Marathen nach. Als Akbar ein Sohn Aurangzebs, sich 1689 gegen den Vater erheben wollte, zu Sambhaji und anderen Marathenfürsten in den Süden flüchtete, setzte Aurangzeb ihm in einer großen militärischen Expedition nach. Akbar musste nach Persien flüchten, und die Marathen wurden besiegt, Sambhaji gefangen und hingerichtet. Doch damit wurde das Marathenreich nur zerteilt, die Regionalherrscher setzten ihren Kampf gegen die Moguln fort. Daher beschloss Aurangzeb, seine Hauptstadt von Delhi nach Aurangabad zu verlegen, ähnlich wie sich in der Tughluq-Epoche unter Muhammad Bnu-tughluq (gest. 1351) eine solche Veränderung negativ ausgewirkt hatte, geschah es längerfristig auch zu Aurangzebs Zeit.

Unmittelbar hatte die Hauptstadtverlegung aber Erfolg: die letzten Klein-Sultanate im Dekkan-Hochland, die aus dem Bahmani-Sultanat hervorgegangen waren, wurden von Aurangzeb eingenommen (1684 Golkonda, 1686 Bidar und Bijapur).

In seiner Zeit als Herrscher dehnte Aurangzeb insgesamt betrachtet das Gebiet der Moguln bis über den ganzen indischen Subkontinent aus, mit Ausnahme der Malabarküste und der Region südlich des Flusses Kaver. Aber durch die übermäßige Ausdehnung wurde die Kontrolle der vielen oft nur symbolisch unterworfenen Fürstentümer sehr aufwändig und kostspielig. Zudem misstraute Aurangzeb den meisten seiner Generäle und konnte nur durch seine eigene Persönlichkeit das Reich noch zusammenhalten. Gegen Ende seiner Herrschaft hatte aber die Autorität der Moguln im Norden ihres Reiches spürbar nachgelassen, was sowohl Aufstände der Jats (um Delhi und Agra) und der Sikhs (im Panjab) sowie Unruhe bei den Rajputen hervorrief. Grund waren auch hohe Zusatzsteuern, die wegen der Kriegsführung erhoben wurden und das Reich weiter innerlich schwächten. Als Aurangzeb 1707 verstarb, begann dementsprechend rasch der Niedergang des Mogulreiches.

Die meisten großen Gouverneure machten sich selbständig. Das bedeutendste Ereig-nis war die Reaktion des Großwaziirs der Moguln Muhammad Asaf Jah I, “Nizaamul-mulk”, der die Thronstreitigkeiten unter den Nachfolgern Aurangzebs nicht tolerierte und sich 1724 in Mittelindien (Dekkan) als Begründer der Nizaam-Dynastie zum Herrscher erklärte. Dadurch besaß er drei Viertel der militärischen Einheiten (weil Aurangzeb die meisten Truppen aus Delhi nach Mittelindien verlegt hatte) und ein Drittel des früheren Staatsaufkommens, und von diesem Zeitpunkt an waren die letzten Mogulherrscher in Delhi nur noch ein Schatten der früheren Macht und den europäischen und persisch-afghanischen Angriffen fast schutzlos ausgeliefert.

Als der persische Eroberer Nadir Schaah 1739 die Schwäche der Moguln erkannte, schlug er das Mogulheer bei Delhi und richtete unter der Zivilbevölkerung ein gewaltiges Massaker an; gleichzeitig nahm er sämtliche erreichbaren Reichtümer der Stadt mit, unter anderem auch den traditionellen Thron der Mogulherrscher, den Pfauenthron, der fortan von den persischen Schaahs verwendet wurde. Damit begann die endgültige Auflösung des Mogulreiches, wobei sich afghanische Heere in den Nordprovinzen aufhielten und wiederum 1757 Delhi plünderten, während sich die Marathen zuvor nach Malwa und Gujerat hin auf Kosten des Mogulgebietes ausgedehnt hatten.

Die Epoche nach Aurangzeb: Beginn der europäischen Kolonialzeit

Zwischen 1700 und 1750 gab es zwar einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung in Indien, verbunden mit hohen Silber-Importen und erfolgreichen Exporten an Tuchen, Seide und Edelsteinen, doch zugleich stiegen die neureichen Kaufmannsfamilien in den diversen Hauptstädten auf und verhalfen den Regionalfürsten zu einer de facto Unabhängigkeit von den Moguln. Die Verwaltung und die Militärstruktur wurde überall kopiert, Söldner je nach dem prallen Geldbeutel angeworben, und so fügte sich die neu in Indien angekommene “East India Company” der Briten gut ins Bild. Diese Gesellschaft konnte und wollte zunächst nicht militärisch handeln. Sie begann als Handelsgesellschaft, kontrollierte aber zunehmend Verwaltung, Rechtssprechung und Steuerpolitik und trat später als politischer Akteur zwischen den konkurrierenden Fürstentümern auf. Ursprünglich war sie nicht im Auftrag der britischen Regierung unterwegs. Vielmehr erhielten sie in Bengalen einige Faktoreien, die sie befestigten und mit angeworbenen einheimischen Söldnern füllten, die von britischen Offizieren weiter nach modernen europäischen Mustern ausgebildet wurden. Zunächst wurde die weltweite britisch-französische Auseinandersetzung auf Indien übertragen, als sogar noch vor Aurangzebs Tod (1707) britische Truppen in der Schlacht von Wandiwash 1664 die neu gegründete französische Indiengesellschaft schlugen und Frankreich keinen Einfluss mehr in Indien gewann.

Nachdem die Statthalter der nun schwächeren Mogulherrscher quasi selbständig waren, verhandelte die East India Company zunächst mit dem Nawab (Statthalter) von Bengalen, um mit dem Anschein der Legitimität als Kompensation für Geschäfte Steuern und Abgaben einzutreiben, in Wirklichkeit aber die Bevölkerung auszuplündern und mit Söldnertruppen Staatseigentum zu rauben. Als dem noch jungen und unerfahrenen Nawab von Bengalen und Kalkutta, Siraadschud-daulah, das deutlich wurde, griff er die East India Company und ihre Truppen an und es kam 1757 zur Schlacht von Plassey, in der Robert Clive, beauftragter Offizier der East India Company, den Nawab vernichtend schlug. Die Schlacht wurde durch Verrat gewonnen, da der Minister des Nawab, Mir Jaffar, während der Schlacht mit seinen Truppen zu Clive überging. Mir Jaffar wurde neuer Nawab, von der East India Company gestützt, doch noch wollte das britische Parlament keine offizielle Landnahme, weil der damalige britische König, George III., absolutistische Neigung zeigte und das Parlament mit den Einkünften aus Bengalen ausgeschaltet hätte.

In dieser Lage wurde 1761 zwischen den verbündeten Kleinfürsten der noch mächtigen Marathen und dem afghanischen Eroberer Ahmad Schaah Durrani bei Panipat vor Delhi eine große Feldschlacht ausgetragen, bei der die Truppe von Durrani besiegt wurde. Doch Durrani zog sich trotzdem nach Afghanistan zurück, während in Mittelindien nun ein Machtvakuum bestand, das die Briten sofort ausfüllten.

Die 4. Schlacht war die von Baksar in Bihar 1764, wo die vereinten Armeen der Großmoguln und die Truppen des neuen Nawab von Bengalen, Mir Qasim, den Briten gegenüberstanden. Die Briten gewannen, der geschlagene Großmogul bot der East India Company das Recht der Diwaani (Steuereinnahme) an, und so entstand das erste Mal – im Auftrag einer Handelsgesellschaft – eine britische Territorialmacht in Indien.

Mittlerweile hatten sich die Briten mit dem Nizam von Haydarabad gegen andere Fürsten in Mittelindien verbündet, und ein Fürstentum nach dem anderen fiel. Die letzten Fürstentümer, die den Briten Widerstand entgegensetzten, waren Haydar Ali, der 1761 dem Maharadscha von Mysore die Herrschaft entrissen hatte und sich mit französischer Ausbilderhilfe eine Armee mit europäischer Ausbildung zugelegt hatte. Noch 1769 besiegte er die verbündeten Armeen des Nizam und die Briten, und nach seinem Tod folgte Sultaan Tipu diesem Vorbild. Nach 3 weiteren Kriegen wurde er aber von den Briten 1799 endgültig besiegt und getötet. Die Fürsten in Radschastan hatten sich – ähnlich wie schon mit den Moguln – auch mit den Briten geeinigt und verblieben formal in ihren Städten und Festungen. Nur die Marathenfürsten und die Sikhs im Panjab blieben zuletzt als ernsthafte Gegner der Briten übrig. Während die Briten mit den Fürsten von Gwalior, Baroda und Indore Friedensverträge schlossen, wurden die letzten Marathen-Statthalter (Peshwas) erst 1818 besiegt.

Der Führer der Sikhs, Maharaja Ranjit Singh, war der letzte Armeeführer gegen die Briten: er nahm amerikanische Armeeoffiziere in seinen Dienst und modernisierte seine gesamte Armee; erst nach seinem Tod unter seinen schwächeren Nachfolgern konnte dieser letzte militärische Widerstand 1839 durch britische Spezialtruppen gebrochen werden. Zugleich veränderte sich die Art der britischen Herrschaft: 1813 verlor die East India Company ihr Handelsmonopol seitens der Britischen Regierung; 1833 verbot man ihr generell, in Indien zu handeln. Reguläre britische Armeeoffiziere übernahmen die vorgefertigten Strukturen mit britischen Befehlshabern und indischen Soldaten, während ungefähr zeitgleich britische Verwaltungsbeamte, Richter und auch Grundbesitzer in Indien erschienen und die eigentliche Kolonisierung begann.

Britische Kolonialherrschaft (1858-1947)

Zur Zeit der ersten europäischen Offiziere um 1750 waren in Indien nur erfahrene Männer mit den indischen Söldnern beschäftigt gewesen und hatten straff organisierte Privatarmeen im Auftrag der East India Company aufgebaut. Doch nachdem immer mehr unerfahrene junge Offiziere nach Indien kamen, die weder Verständnis noch Interesse für indisches Denken aufbrachten, entstanden Spannungen und Unzufriedenheit unter den britischen Hilfstruppen, die mittlerweile Hindus, Sikhs, Muslime und Gurkhas und viele andere Untergruppen umfassten.

Seit 1852 hatte es zunehmend ernsthafte Probleme zwischen indischen Truppen und Söldnern in Nordindien (der sog. “Bengalischen Armee”) und europäisch-britischen Offizieren gegeben, ausgelöst durch Kastenvorschriften und religiös und national begründete Vorbehalte. Kein Inder konnte weiter als bis zum Rang eines Unteroffiziers oder Feldwebels aufsteigen; außerdem führte man in Indien 1857 ein neues Gewehr ein, dessen Patronenhülsen mit tierischem Fett eingeölt waren. Muslime und Hindus verweigerten den Dienst damit (wegen der jeweiligen Reinheitsgebote und Tabus waren sowohl Schweinefett als auch Rinderfett inakzeptabel). Dies führte neben dem vorhandenen Misstrauen und unsensiblen Anordnungen zu dem großen Aufstand von 1857 (dem sog. “Sepoy-Aufstand”). Als die Kompanie in der nordindischen Garnison von Meerut die Annahme dieser Patronen verweigerte, ließ der zuständige britische Offizier alle Verweigerer in Ketten legen. In der folgenden Nacht töteten die verbliebenen Soldaten alle europäischen Offiziere und begaben sich nach Delhi zum mittlerweile alten amtierenden Großmogul, Bahadur Schaah II. (reg. 1838-1858), um ihn aufzufordern, die Führung des Aufstandes zu übernehmen, was er nur gezwungenermaßen tat. Zwar hatten die meuternden Soldaten landesweit Sympathie (und speziell in Nordindien, wo unbarmherzige britische Steuer- und Schuldpolitik Bauern verarmen und indische, einheimische Grundbesitzer vertreiben ließ), aber es fehlte an erfahrenen Führungskräften, die der damalige Mogul auch nicht mehr besaß. Dennoch hatte sich der Aufstand so weit ausgebreitet, dass überall Offiziere und auch viele europäische Zivilisten getötet wurden und chaotische Zustände herrschten. Durch zwei Umstände wurde dieser Aufstand niedergeschlagen und die britische Herrschaft bewahrt: erstens konnten durch die Nachrichtentechnik (Telegraphenleitungen waren gerade fertig gestellt worden) die nötigen Anweisungen und Planungen erfolgen; zweitens hassten die in der britischen Indien-Armee dienenden Sikhs die “Bengalische Armee”, weil diese unter britischem Befehl die Truppen der letzten Sikh-Kontingente geschlagen hatte, und halfen neben anderen Einheiten den Briten (weswegen sie nach der Niederschlagung des Aufstandes 1858 bevorzugte Stellungen bei der britischen Armee und Verwaltung erhielten).

Die Schicht der Intellektuellen, Adligen und Fürsten hatten sich während des Aufstandes neutral verhalten. Daher stützten sich die Briten bis zum Ende der Kolonialzeit vorwiegend auf diese gesellschaftlichen Gruppen und beließen sie weitgehend in ihren gewohnten Rollen (was dem “indirekt rule” der Briten weltweit entsprach).

Das britisch-indische Kaiserreich

1858 wurde nach Beendigung des Sepoy-Aufstandes der letzte Mogul, Bahadur Schaah II., von einem britischen Militärgericht wegen Mitschuld an dem Aufstand zum Exil in Rangun (britische Kolonie Birma) verurteilt, wo er 1862 starb. Mit dem Niedergang des Moghul-Reiches nahm der britsche Einfluss zu. Andere Konkurrenten, wie Frankreich und Portugal wurden weitgehend verdrängt.

1858 übernahm Britannien unter Königin Viktoria alle Territorien der Moguln sowie der East India Company und gründete die neue Kronkolonie “British India”, die auch “Indian Empire” genannt wurde und nicht nur das heutige Indien umfasste, sondern auch Pakistan und Bangladesch. Innerhalb des britischen Weltreiches war dies die größte Kolonie und übertraf die Einwohnerzahl des Mutterlandes um ein Vielfaches. 1876 wurde Königin Victoria zur Kaiserin von Indien ausgerufen. (in Anspielung auf das frühere Reich der Großmoguln).

Die Briten passten sich in mancher Hinsicht an das neue Kolonialland an. Königin Viktoria etwa erlernte von einem indischen Privatlehrer Hindi, und viele Einrichtungen wie etwa der “Darbar” (eine spezielle Audienz, die die Mogulherrscher praktiziert hatten), wurde seit 1877 verschiedentlich von den britischen Residenten in Indien bzw. dem britischen Vizekönig durchgeführt. Wie in anderen Gebieten war die britische Vorgehensweise auch hier, einen Teil der traditionellen Herrschaftssysteme äußerlich intakt und muslimische und hinduistische Maharadschas in Amt und Würden zu lassen. Die einheimischen Fürsten herrschten über ein Drittel des Landes, während zwei Drittel der britischen Krone unterstanden. Die Fiktion einer kontinuierlichen Herrschaft durch die Einheimischen sollte die Massen abhalten, sich gegen die ausländische Einflussnahme zur Wehr zu setzen. Trotz aller interessierten Europäer in Indien entstand eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, sodass Inder kaum in den höheren Beamtendienst gelangen konnten oder überhaupt als Gleichberechtigte wahrgenommen wurden, auch nicht, wenn indische wohlhabende Familien ihre Kinder nach Großbritannien zum Studium oder Ausbildung schickten. Dadurch wurde der Weg zum indischen Nationalismus geebnet.

Kampf um Unabhängigkeit

Die britische Herrschaft beendete eine mehrere Jahrhunderte dauernde Phase muslimischer Vorherrschaft in Indien. Dabei war die Durchdringung des Landes durch den Islam sehr unterschiedlich. Während große Teile im Norden und Nordwesten eine überwiegend muslimische Bevölkerung aufwiesen, herrschten in anderen Regionen Jahrhunderte lang muslimische Herrscher über eine hinduistische Mehrheit. Im Laufe der immer stärker werdenden antikolonialistischen Nationalbewegung mussten sich die Muslime auch mit der Gestaltung eines zukünftigen Indien auseinandersetzen. Die bekannteste Figur des gewaltlosen Widerstands war der Hindu Mahatma Gandhi, der ein einheitliches Vorgehen von Hindus und Muslimen anstrebte. Zu Anfang arbeiteten Muslime und Hindus, die beiden größten Religionsgemein-schaften des Landes im 1885 gegründeten “Indischen Nationalkongress” (All-India-National Congress) zusammen. Die innere Entfremdung zwischen beiden Gemein-schaften war aber nicht mehr abzuwenden, vor allem weil es auf muslimischer Seite Befürchtungen gab, in einem unabhängigen Indien als Minderheit marginalisiert zu werden. Die sich verschlechternden Beziehungen führten 1906 zur Etablierung einer eigenen Organisation der Muslime, der “Muslimliga”.

Tatsächlich entwickelten sich nach 1885 drei verschiedene Bewegungen, welche die Geschichte des indischen Subkontinents prägen sollten:

a) eine radikal hinduistische Richtung, die von einem rein hinduistisch regierten Indien träumte und von einer Beseitigung der muslimischen Spuren in Indien.

b) eine eher nationalistisch-kulturelle Bewegung (charakterisiert in Mahatma Gandhi und der späteren Party of Congress), die sämtlichen ethnischen und religiösen Gruppen Ansprechpartner sein wollte, und

c) eine konsequente muslimische Partei (charakterisiert durch den Politiker Jinnah), die nur in einem mehrheitlich von Muslimen besiedelten Reststaat in Nord- und Ostindien eine Überlebenschance für die muslimische Identität sah.

Die immer lauter werdenden Rufe nach Unabhängigkeit konnten von Großbritannien schwer ignoriert werden. Im 1.Weltkrieg erließ die britische Regierung eine Absichtserklärung, Indien schrittweise in die Unabhängigkeit zu entlassen. Offensichtlich bemühte man sich in diesem Krieg, in dem Großbritannien an allen Fronten kämpfte, einen möglichen Konfliktherd propagandistisch einzudämmen. Kriegsgegner war nämlich das mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündete Osmanische Reich, das die Muslime Indiens auf seine Seite zu ziehen bestrebt war.

Teilung Indiens und Zerfall Pakistans

Nach der Unabhängigkeit 1947 wurde das Land in das mehrheitlich hinduistische Indien und das muslimische Pakistan geteilt. Dadurch entstand auf pakistanischer Seite eine gewagte Konstellation, da auch große Teile des im Osten Indiens gelegenen Bengalen eine muslimische Mehrheit hatten. Diese Teile wurden als Ost-pakistan bezeichnet und von Karatschi aus (bis 1959 Hauptstadt) regiert, obwohl zwischen beiden Landesteilen keine Landverbindung und eine Entfernung von mehreren Tausenden Kilometern lag.

Die Lage geriet bei der Teilung des Landes außer Kontrolle. Auch wenn vorgesehen war, dass die jeweiligen Minderheiten weiter in ihrer angestammten Heimat bleiben konnten, so sie nicht auswandern wollten, kam es aufgrund von Terrorakten (bis zu 1 Mio. Tote) zu zahlreichen unkontrollierten Wanderungsbewegungen, die auf ca. 14 Mio. Menschen geschätzt werden! Muslime flohen nach Pakistan (die Mehrheit in den Westteil, weniger in den Ostteil) und Hindus und Sikhs flohen nach Indien. Westpakistan erhielt damit eine fast vollständige muslimische Bevölkerung, während in Ostpakistan 10 % Hindus verblieben.

Ein weiterer Konfliktpunkt ergab sich aus der Bestimmung, dass für die Zuordnung der einzelnen Landesteile nicht nur die jeweilige Bevölkerungsmehrheit eine Rolle spielte, sondern in manchen Gebieten auch die Entscheidung des jeweiligen Herrschers. Obwohl Kaschmir im Grenzgebiet zwischen (West-)Pakistan und Indien eine muslimische Mehrheit hatte, wollte der hinduistische Herrscher den Anschluss an Pakistan verhindern. In der Folge brach um diese Region 1947 ein erster Krieg zwischen den zwei neuen Staaten aus. Dabei fiel ein Teil an Pakistan, der größere blieb als Provinz indisch besetzt, was bis heute unverändert blieb. Es folgten weitere Kaschmir-Kriege, die ihre Brisanz dadurch gewannen, dass beide Staaten sich ab den 70er Jahren nuklear bewaffnen; eine Entscheidung konnte jedoch nicht erreicht werden.

Die Gründung Pakistans wurde unter den islamischen Bewegungen der Welt mit euphorischen Hoffnungen verbunden. Nicht nur, dass eine sichere Heimstadt für die Muslime Indiens geschaffen werden sollte, man erwartete auch, dass sich das Land zum Modell für eine islamische Gesellschaft und die Verwirklichung islamischer Werte entwickeln würde. Doch genau an dieser Forderung zerbrach Pakistan. In beiden Landesteilen lebten unterschiedliche Ethnien. Im Ostteil des Landes hauptsächlich Bengalen, die mit dem Bengalischen über eine entwickelte Literatursprache verfügten. Im Westteil lebte eine Reihe von einheimischen Ethnien (Pandschabis, Sindhis, Paschtunen, Belutschen), zusätzlich zu den politisch einflussreichen “Muhaadschir” – den Flüchtlingen aus Indien, welche sich vor allem des Urdu bedienten, der wichtigsten und prestigereichsten muslimischen Literatursprache Indiens. Urdu wurde als Staatssprache für beide Teile des Landes eingeführt, unter Missachtung der Tatsache, dass es im bengalischen Teil nicht die gleiche Anerkennung genoss. In der Folge nahm die Entfremdung zwischen beiden Landesteilen zu. Der Osten warf dem westlichen Landesteil zu, ihn zu bevormunden und Urdu als Instrument der Unterdrückung zu gebrauchen. Es kam zu bewaffneten Konflikten, die sich schließlich zu einem regelrechten Krieg auswuchsen. Nach mehreren Millionen Toten machte sich der Ostteil unter dem Namen Bangladesch 1971 selbstständig.

Von den in Indien verbliebenen Muslimen wurde die Teilung des Landes nach der Unabhängigkeit stark kritisiert. Ohne die Teilung und die demographischen Verluste durch die Auswanderung wären die Muslime in Indien wahrscheinlich nicht so weit marginalisiert worden, wie es in der Folge geschah. Insgesamt beträgt die Zahl der Muslime Indiens offiziell 13% 2. Durch die Zunahme rechtsnationalistischer Tendenzen im Hinduismus (ein neuzeitliches bis dato ungekanntes Phänomen) wurden muslimische Rechte eingeschränkt. Mit dem Argument, die indischen Muslime hätten ihren Staat Pakistan (bzw. Bangladesch), in den sie auswandern könnten oder sie sollten sich an ihre hinduistische Umgebung anpassen, wurde ein weiterer Schritt unternommen, die Muslime als Fremdkörper in Indien zu diskreditieren.

Notes:

  1. Siehe hierzu etwa die Rolle der Parsen als Spezialhändler und Handelsdynastien im heutigen Indien.
  2. Nachdem Indien die Milliarden-Grenze überschritten hat, bedeutet das mindestens 130 Mio. Muslime. In einem ungeteilten Indien ergäbe dies nahezu ein Drittel Muslime und in absoluten Zahlen die weltweit größte muslimische Gemeinschaft. Die Behauptung, der Islam hätte trotz jahrhunderte langer Herrschaft in Indien keinen Erfolg erlangt, muss also relativiert werden.