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Die islamischen Reiche in Westafrika


Die Rolle des Reiches Ghana

Die Anfänge des Reiches von Ghana lagen im 5. Jh., als Angehörige der Soninke die wichtigen Handelspunkte entlang des Niger kontrollierten und ihre Hauptstadt gründeten, die mit ihrem späteren Doppelnamen Kumbi-Saleh hieß (200 km nördlich des heutigen Bamako). Dieses Reich basierte ausschließlich auf dem Transsahara-Handel, wobei auch Waren aus Arabien und Ägypten eingeführt wurden (wie etwa Schwerter und Pferde). Die Herrscher behielten den traditionellen Ahnenkult bei, förderten aber die Ansiedlung von muslimischen Händlern, da sie den Handel wirkungsvoll kontrollieren wollten. Dazu ließen sie – parallel zur Königsstadt – eine zweite, muslimische Stadt bauen (“Saleh” genannt, im Gegensatz zum älteren Kumbi), die auch von Richtern und Fuqahaa’ aus Nordafrika mitbestimmt wurde.

Die Herrschaft wurde von den Königen von Ghana direkt, auf Bezug zum Ahnenkult, aufrechterhalten, weswegen auch das Hofzeremoniell Wert auf quasi-göttliche, rituelle Überhöhung des Herrschers legte; eine ausgeprägte Verwaltung bestand damals wohl noch nicht. Die Islamisierung wurde daher geduldet, aber keineswegs gefördert, und bis zum Untergang des alten Ghana trat kein Herrscher dieses Reiches zum Islam über. Im Jahre 468/1076 eroberten die Almuraabituun Ghana und zerstörten Kumbi-Saleh, wobei die muslimischen Ansässigen in nahe gelegene Orte flohen, aber in der Region blieben. In das Machtvakuum trat nach einer Phase regionaler Zwischenherrscher das Reich von Mali.

Das Reich Mali

Eine Gruppe der Malinke, aus der Region von Tekrur (westlich des alten Ghana) nahmen 1230 Kumbi ein und begründeten unter dem charismatischen König Sundiata Keita (ca. 1260) mit der neuen Hauptstadt Niani das Reich Mali, nachdem Sundiata sich gegen viele starke Gegner als Oberhaupt der gesamten ehemaligen Region von Ghana durchgesetzt hatte. Er behielt den traditionellen Königstitel “Mansa” auch nach seinem Übertritt zum Islam und erhielt durch die wieder angesiedelten muslimischen Gelehrten eine Voraussetzung, die in Nordafrika üblichen Verwaltungsformen zur Straffung seiner Herrschaft zu nutzen. Aus diesen Anfängen und der Wiederbelebung des Goldhandels erhielt das Reich von Mali sowohl Stabilität und weitere Ausbreitung, als auch erhebliche Wirtschaftskraft. Interessanterweise galt Gold in Mali zu jener Zeit als Schmuck und Zwischenwert im Handel, war aber nicht Mittel zu gesellschaftlichem Reichtum (Prestige verliehen best. Kleidungsstoffe und ritualisiert eingesetzte Währungen wie best. Muscheln). Dennoch wurde Goldbesitz unter strenge Staatsaufsicht gestellt, um dadurch an die gewünschten Luxuswaren (etwa indische Stoffe, berberische Pferde und fränkische Schwerter) zu kommen.

Unter Mansa Musa I. (1312 bis 1337) erreichte das Reich Mali seinen Zenith; der Transsahara-Handel hatte seine größte Ausdehnung erhalten und warf immense Gewinne ab, bis der Ruf des sagenhaften Königs von Mali sogar Europa erreichte. Da die Herrschaft ganz gesichert war, konnte Mansa Musa 1324/25 seine weltberühmte Haddsch antreten. Dabei gab er gerade in Ägypten soviel Gold aus, dass der Goldwert in Ägypten und den angrenzenden Regionen auf Jahre hinaus nur noch 25% des Vorjahreswertes hatte.

Mansa Musa sorgte für beispielhafte Gerechtigkeit, die in den Sitzungen (entsprechend den auch sonst in der islamischen Welt gebräuchlichen Mazâlim) unmittelbar zugunsten des Geschädigten umgesetzt wurde. Zugleich ließ er aus der arabischen Region (wohl aus Ägypten) Architekten nach Niani kommen und förderte die Einrichtung von Moscheen und Madrasa-Lehrinstituten sowie die Ansiedlung von Gelehrten aus Nordafrika. Dies trug sehr bald Früchte, da schon Ibnu-battuutah unter der Herrschaft seines Nachfolgers Mansa Sulaiman (1337-1340) feststellte, dass alle Einwohner von Niani als rechtschaffene Muslime bezeichnet werden konnten, regelmäßig alle Gebete verrichtet wurden und die gesamte Erscheinung der Stadt nach damaligen arabischen Begriffen sehr kultiviert, geschmückt und sauber war.

Auch stiegen in dieser Epoche die Stadtstaaten von Gao und Djenne auf, wurde Timbuktu gegründet und entwickelte sich zu einem Zentrum des Wissens und einem Ort der Bibliotheken. Schon wenige Jahre nach ihrem Aufstieg betrug nach Chronisten die Bücherzahl mehr als zehntausend Bände, zumal der Ankauf und die Anfertigung von Büchern zum Staatsauftrag gemacht wurde. Auch ließ man meisterhaft geschriebene Masaahif aus Nordafrika und Ägypten einführen; als Fiqh-Schulen setzte sich schon bald die malikiitische Schule durch.

Unter den nachfolgenden Herrschern blieb Mali stabil und verbreitete seine Herrschaftsgebiete vor allem durch Bündnis- und Heiratspolitik; dennoch unterlag es dem aufstrebenden Reich der Songhay, das sich militärisch als geschickter erwies.

Das Reich der Songhay

Usprünglich waren die Songhay Vasallen des Malireiches; der Stadtstaat Gao war bis 1375 die Keimzelle ihres erstarkenden Herrschaftsgebietes geworden. Im Jahr 1400 nahmen die Songhay die Hauptstadt von Mali ein und konnten unter der Führung des Songhay-Herrschers Sonni ‘Ali (1465–1492) das gesamte Gebiet des Sahel einnehmen. Sein Nachfolger, Askia Muhammad Ture (1493-1528), schloss die Ausbreitung des Songhay-Reiches ab, indem er alle ehemaligen Mali-Vasallen bis zum Atlantik unterwarf, und zusätzlich auch die Haussa-Staaten wie Kano einnahm.

Zwar traten die Herrscher der Songhay schnell zum Islam über, nicht aber die Masse der Songhay-Bevölkerung, und die Herrscher drängten darauf, die ursprünglichen Ahnenkulte auch auf dem Land zu bewahren.

Das brachte ihnen bei den Gelehrten keinen guten Ruf ein, genauso wenig wie die brutale Einnahme der damals als Gelehrtenzentrum geschätzten Stadt Timbuktu, bei der viele Einwohner umkamen.

Im Gegensatz zu ihren Vorgängern stützten sich die Herrscher der Songhay auf die traditionelle Bauernschicht der verbündeten Stammesclans, die man nicht zum Islam drängen wollte, und auf eine Berufsarmee, die bald um eine Flussflotte auf dem Niger erweitert wurde. Verwaltungsmäßig übertrafen die Songhay die Mali-Herrscher durch neue Hierarchien bei den Provinzverwaltern. Um ein klares Zeichen zum Islam zu setzen, begab sich Askia Muhammad 1497 auf die Haddsch und stützte auch den Wiederaufbau der zerstörten Städte.

Insgesamt war das Songhay-Reich zwar von Thronrevolten gekennzeichnet, blieb aber dank der effektiven Provinzverwaltung stabil. Dennoch machten sich die gewaltsamen Herrscherumstürze in einer Schwäche der Außenpolitik bemerkbar. So traten die Songhay den ersten Anzeichen einer marokkanischen Invasion nicht entgegen, etwa als 1556 die Sa’di-Herrscher von Marokko die für den Transsahara-Handel wichtigen Salzsalinen besetzten. Die Songhay-Herrscher waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, während die Sa’di-Herrscher den Zugang zu den Gold-quellen gewinnen wollten.

Schließlich beauftragte der Herrscher Ahmad Al-mansuur (1578-1603) eine Truppe von 5.000 Mann (mehrheitlich ehem. europäische Kriegsgefangene und Söldner), gut mit Feuerwaffen und Ausrüstung versehen, in den Süden zu ziehen und das Gebiet der Songhay einzunehmen. Nördlich der Stadt Gao kam es zur Entscheidungsschlacht mit dem ca. 50.000 Mann starken Heer der Songhay, die aber weder Feuerwaffen noch Feldgeschütze besaßen und hoffnungslos unterlagen. Die Städte des Songhay-Reiches wurden besetzt, Timbuktu von einem Gouverneur in Marokkos Dienst geleitet; doch die schwierige Verbindung in den Norden und die Isolierung der Besatzer in den wenigen Städten, ihre Trennung von den einheimischen Gebildeten führte dazu, dass 1660 alle marokkanischen Soldaten und Verwaltungsbeamte abgezogen wurden, nachdem schon 1612 keine reale Herrschaft in der Niger-Region mehr ausgeübt wurde.

Mit dieser Besatzung und der Zerstörung der gewachsenen Strukturen in den Handelswegen endete einerseits der Goldhandel (der auch vor den marokkanischen Söldnern geheim gehalten wurde), wie auch die Herrschaft der Songhay-Dynastie.

Darauf stiegen als letzte Regionalmacht die Haussa-Stadtstaaten auf, doch diese verstanden sich als reine Handelsstädte und überließen weite Teile des ehemaligen Ghana, Mali und Songhay kleineren Herrschern und Ortsfürsten.

Die Haussa-Staaten

Diese Staaten waren ein Bund von sieben Städten, die ältesten bereits im 10. Jh. gegründet: Daura (älteste der Städte, gegr. vor ca. 990, Heimat des legendären Begründers Bagayjidda,), Kano (ursprünglich Dala, eigentliche Hauptstadt, gegr. 998), Gobir und Rano (beide ca. 1000 gegr.), Biram (gegr. ca. 1100), Zazzau (gegr. ca. 1200) und schließlich Katsina (gegr. ca. 1400). Diese Städte gingen aus kleinen Ansiedlungen hervor, die schon etwa drei Jahrhunderte früher nachweisbar sind. Aus der Linie des Stammvaters Bayajidda kam der erste fassbare Haussa-Herrscher von Kano wie Bagauda (999-1063). In der Zeit des 5. Königs, Tsaraki (1136-1194), ist die Entwicklung der Dörfer zu Städten abgeschlossen.

Ob und wie sehr die Islamisierung in dieser Zeit geschehen war, ist nicht zu sagen; doch die Haussa-Händler hatten stets einen Anteil am Transsahara-Handel, so wie überhaupt die Haussa-Städte in das Handelsnetz einbezogen waren. Doch erst unter Muhammad Rumfa (1469-1499) wurde die Islamisierung gerade unter den Oberhäuptern der Stadt Kano vorangetragen. Seit dieser Zeit wurde die Haussa-Sprache zur wichtigsten Sprache der westafrikanischen Muslime, mehr noch als die Sprachen der Malinke (Staatsvolk von Mali) oder der Songhay-Sprache. Tatsächlich wurde auch die Haussa-Sprache seit dem 16.Jh. neben Arabisch auch in arabischen Buchstaben (mit Sonderzeichen) geschrieben, ähnlich wie in Ostafrika das Swahili, und es entstand eine eigenständige afrikanische Literatur in Haussa (wie auch in Swahili). Seit der Zeit nach dem Ende der marokkanischen Besetzung und der damit einhergehenden Abschwächung der Rolle von Timbuktu übernahmen die Herrscher der Haussa-Städte die Rolle von Emiren, so wie auch ihre Städte nun Emirate genannt wurden und ein ausgewiesen islamisiertes Bild erhielten. Auch wanderten zu dieser Zeit viele Gelehrte etwa der Fulani in die Haussa-Staaten ein und verbreiteten verschiedene Wissensbereiche.

Das Reich Kanem-Bornu

Der Beginn des Reiches von Kanem-Bornu liegt weit vor der Islamisierung im 10. Jh. Verschiedenen antiken Autoren gemäß existierte genau im Gebiet um den Tschad-See ein Reich namens Agysimba (zit. n. Ptolemäus, 2. Jh.). Spätere arabische Chronisten berichteten über das erste Großreich der Region am Tschad-See unter dem Namen “Kanem”, um ca. 700 von der Stammesgruppe der Zaghawa begründet, unter der Führung der Duguwa-Dynastie.

Um ca. 1050 kamen die ersten Wellen von arabischen Beduinen (etwa die Banu Sulaim) sowie Berber-Clans in das Gebiet des Tschad-Sees, sowie auch einige Händler, und der Islam wurde bei den Einheimischen bekannt.

Die ersten Muslime unter den Herrschenden waren den Chroniken der Duguwa nach eine Frau namens Hawa’ und der Herrscher ‘Abdul-dschaliil (1064–1068), wobei letzterer der 11. Herrscher in der genealogischen Abfolge der Duguwa war. Der traditionelle Königstitel “Mai” wurde seit den ersten Zaghawa-Königen getragen und verband über 1000 Jahre lang alle Herrscher Kanem-Bornus miteinander. Im Gegensatz dazu wurde der Würdetitel “Magumi” am Ende der Duguwa-Dynastie aufgegeben, da er einen “vergöttlichten König” kennzeichnete.

Um 1085 hatte der Islam sich unter den Fürsten der Zaghawa weit etabliert, und ein adliger namens Hummay (1068-1090) stürzte um 1068 den letzten Herrscher der Duguwa-Dynastie, Mai Selma, und gründete selbst eine neue Herrscherlinie. Die Duguwa existierten als Nobilität weiter . Mit der so beginnenden Sayfuwa-Dynastie beginnt die gezielte Förderung des Islam in der Bevölkerung von Kanem. Der Islam als gesellschaftliche und politische Organisationsform wurde von den Sayfuwa direkt aus der Region der nordafrikanischen Staaten, sowie aus Ägypten und der arabischen Halbinsel bezogen, während die Duguwa eine interne Opposition darstellten, die sich stärker an der älteren, animistischen Tradition ausrichtete.

Bis ca. zum Jahr 1200 herrschten die Sayfawa nicht nur über das ursprüngliche Gebiet von Kanem, sondern hatten ihren Einfluss auch über die westlichen Gebiete wie Bornu erweitert; im Osten endete das Reich an den Grenzen der (meist feind-lichen) Haussa-Staaten. Charakteristisch war gerade in Kanem, dass der König viel im Reich herumreiste, dynastische Heiraten und Verträge schloss, und Tribute einforderte. Besondere Rollen spielten die ethnischen Gruppen der So (einer Volksgruppe, die schon vor Gründung des Reiches beim Tschad-See gelebt hatte), und den Bulala (Nomaden, die zugleich kriegerisch wie auch mit umherziehenden Berbergruppen verknüpft waren).

Unter dem Herrscher Dunama Dabbalemi (ca. 1221-1259) erreichte Kanem-Bornu (wie es jetzt hieß) den Höhepunkt seiner Macht; dank damals fortschrittlichen Truppen (schwer gepanzerten Reitern und mit Schutzdecken ausgerüsteten Kriegs-pferden) konnte sich die Armee von Kanem-Bornu gegen die umliegenden Widersacher durchsetzen.

Der Herrscher stand in diplomatischem Austausch mit Nordafrika und Ägypten, hatte die Reichsgrenzen bis in die Fezzan-Region (Libyen) und die direkte Umgegend von Kano (heute Nigeria) ausgedehnt, nach Süden hin bis zu den Adamawa-Grasebenen (heute Kamerun). Entscheidend für die Stabilität war die Loyalität der verbündeten Clans und Ethnien, wodurch die Herrscher sich etwa der Organisation der Haddsch widmen konnten. Dunama Dabbalemi wollte den Islam ernsthaft zu der entscheidenden Kraft in Kanem-Bornu machen, weshalb er in Ägypten durch entsprechende Gesandtschaften ein Hospiz (zugleich Unterkunft und Krankenhaus) für Haddsch-Pilger aus Kanem-Bornu bauen ließ, den Handel mit Nordafrika und Ägypten stärkte und polytheistische Praktiken unterdrücken ließ. In diesem Zusammenhang ließ er auch das altüberlieferte Symbol der Herrscher von Kanem, das “Mune” (ein Ritualschrein), welches ihre besondere Stellung verkörperte, aufbrechen, was von vielen seiner Untertanen noch als Sakrileg aufgefasst wurde. Daher wandten sich etliche der Kanem-Clans der Sayfuwa und viele tributpflichtige Völker von Dabbalemi ab.

Unter seinen Söhnen spaltete sich in den folgenden Intrigen die Sayfuwa-Dynastie in zwei konkurrierende Zweige. Darauf wurde Kanem schwach und von schlecht regierenden, schnell abwechselnden Herrschern geführt, während der Reichsteil Bornu Rückzug der Sayfuwa-Stärke blieb.

1376 gelang es den Bulala, die letzten Sayfuwa-Herrscher aus ihrer Hauptstadt Njimi zu vertreiben; der Sayfuwa-Herrscher ‘Umar Ibnu-idriis (1376-1381) zog sich darauf mit den Kanuri (dem zahlenmäßig größten Einzelvolk von Kanem) westlich des Tschad-Sees zurück, wobei ein Teil zu einer nomadisierenden Lebensweise zurückkehrte, andere beim Aufbau den verbliebenen Teilreiches Bornu mitwirkten. In dieser Situation entstand ein Konflikt zwischen den Nachkommen der auf Umar folgenden Herrscher, der erst durch ‘Ali Gaji (1455-1478) gelöst wurde, indem er alle Widersacher entmachten bzw. hinrichten ließ. Um seine Herrschaft zu sichern, ließ er um 1460 eine neue Hauptstadt errichten (Ngazargamu).

Nach einigen erfolglosen Kriegszügen unter verschiedenen Herrschern der Sayfuwa von Bornu konnte Idris Alauma (1564-1596) Kanem von den Bulala-Regenten zurückgewinnen. Dieser auch in anderen Staatsbereichen erfolgreiche und herausragende Herrscher war persönlich ein gottesfürchtiger Muslim und ließ überall im Land Moscheen errichten und die Gelehrten fördern. Er begab sich selbst auf die Haddsch und errichtete Unterkünfte für Pilger aus Kanem und Bornu. Zugleich baute er stabile diplomatische Beziehungen zum osmanischen Reich auf, das ihn mit modernen Waffen und militärischen Ausbildern versorgte.

Militärisch bestanden in Idriis Alaumas Epoche ständige Auseinandersetzungen mit den Haussa-Staaten, den Tuareg-Stämmen, den Tubu-Nomaden und den Bulala. Seine Armee war mit verschiedenen Gattungen ausgerüstet: schwere gepanzerte Pferde, Kamele, Boote und Seeleute sowie Musketiere.

Die Armee und die Zivilverwaltung wurden unter seiner Herrschaft erneuert. Zum Zeichen seiner diplomatischen Bedeutung wurde während seiner Regierungszeit eine 200köpfige osmanische Delegation in seiner Hauptstadt empfangen.

Ein weiteres Merkmal seiner Herrschaft war die von vielen Augenzeugen bemerkte Sicherheit. Ein ihm zugeschriebenes Wort lautete, er wolle alle Wege so sicher machen, dass eine allein reisende, in Gold gekleidete Frau niemand anderen als ALLAAH fürchten müsse.

Die Grundlage für die damals wohlhabende Staatskasse von Kanem-Bornu war der Handel. Im Gegensatz zu anderen westafrikanischen Reichen verfügte Kanem-Bornu nicht über Gold, aber über gute Zisternen, Brunnen- und Oasensysteme, die von spezialisierten Oasenbewohnern instand gehalten wurden und einen kontinuierlichen Karawanenhandel von der Ostküste bzw. Nordafrika und Libyen her bis zu den im Westen gelegenen Stadtstaaten Gao, Timbuktu und Djenne garantierten.

Der ernsthafteste Einschnitt in der Geschichte Kanem-Bornus nach Idris Alauma war hervorgerufen durch den Fulani-Dschihaad des Usman dan Fodio. Nach Eroberung der Haussa-Staaten 1804 griffen Usmans Truppen auch Bornu an und wurden nur durch die bewaffnete Hilfe des in Libyen geborenen Gelehrten Al-amiin Al-kanemi (1776-1837) gerettet. Dieser aber übernahm de facto die Herrschaft, und sein Sohn Umar (1837-1881) gründete offiziell die Shehu-Dynastie von Bornu. Nach einem vergeblichen Versuch der Sayfuwa, Umar 1846 zu entmachten, wurde jeder Angehörige der Sayfuwa, der nicht aus der Hauptstadt floh, hingerichtet. Doch schon 1893 eroberte der arabisch-stämmige Raabih Ibnu-adlal-laah (1845-1900) – ein der Mahdi-Bewegung nahestehender Anführer – im Rahmen einer Eroberungskampagne Ost-Sudan und schließlich auch Bornu, vertrieb oder tötete alle Angehörigen der Shehu-Dynastie und errichtete ein eigenes Regime, das durch Grausamkeit auffiel. Da Frankreich im Tschad koloniale Interessen hatte und Rabihs Herrschaft als störend empfand, wurde Rabih am 22. April 1900 in der Schlacht von Kousséri durch die Franzosen geschlagen und starb. Das ehemalige Kanem-Bornu wurde 1901 unter den Kolonialmächten Frankreich, Großbritannien und Deutschland aufgeteilt.

Die “Chilaafah von Sokoto”

Das Volk der Fulani war ursprünglich ein reines Hirtenvolk, das in den Grasebenen Westafrikas umherzog. Mit dem aufkommenden Islam entwickelte sich jedoch seit dem 13.Jh. in den Haussa-Städten eine Gelehrtenschicht, die auch durch ihre Volksguppe (die Nomadenkrieger der Fulani) gestützt wurde und zunehmend an Macht gewann. Ein Gelehrter namens Usman dan Fodio (1754–1817) geriet durch Intrigen in den Herrscherkreisen der Haussa-Fürsten von Gobir in die Auseinandersetzung um die Nachfolge und vertrat die Meinung, die bestehenden Herrscherhäuser seien der heidnischen Tradition mehr verhaftet als dem Islam. So verkündete er seinen Anhängern, dass die Fulani (und die verbündeten Haussa) einen Dschihaad gegen die betreffenden Stadtstaaten führen würden.

In relativ kurzer Zeit (ca. 1802 -1810) wurde unter ihm als ausgerufenem “Chaliifah” eine lose Gruppe von Staatsgebieten in Westafrika zur “Chilaafah” geformt. Diese Expansion reichte vom heutigen Burkina-Faso bis zum heutigen Kamerun, wurde im Osten durch das Reich von Kanem-Bornu gestoppt, im Süden durch die Regenwald-Region, weil Dan Fodios Truppen meist beritten kämpften. Jedoch wurde das Gebiet nicht vollständig beherrscht, sondern Dan Fodio konnte über Anhänger nur die wichtigsten Städte und Orte kontrollieren. Die neuen Gebiete – genauso wie die traditionellen Haussa-Staaten – wurden als Emirate verstanden und verwaltet. 1815 dankte Usman dan Fodio zugunsten seines Sohnes, Muhammad Bello (1815–1837), ab, der als neue Hauptstadt einen Ort gründete, der Sokoto benannt wurde. Seitdem hieß dieses Herrschaftsgebiet die “Chilaafah von Sokoto”.

Im Verlauf seines Bestehens wandelte sich die Chilaafah von Sokoto in einen Gelehrtenstaat, der zudem einen immer stärkeren Haussa-Charakter annahm, weil dieses Volk gegenüber den Fulani in der Mehrheit war, aber dem Gedanken der Chilaafah von Sokoto positiv gegenüberstand. Nach dem Tod von Muhammad Bello wurde die Fulani-Sprache offiziell von der Haussa-Sprache in der Chilaafah ersetzt. Durch eine militärisch gesicherte Friedenszeit konnten sich die Haussa-Staaten – nun zwangsweise gemeinsam stehend – auch wirtschaftlich weiterentwickeln; unter der Oberherrschaft der Chilaafah bestanden Emire in den verschiedenen Städten, wobei sich Kano letztlich sehr hervortat.

1903 wurden Sokoto und Kano von Franzosen und Briten eingenommen, die Herrschaftsgebiete der ehemaligen Chilaafah zwischen beiden Kolonialmächten aufgeteilt. Dennoch beließen die Briten das Emiratssystem als Pro-Forma-Herrschaft, wodurch es bis in die Neuzeit in den Haussa-Städten fortbestand.

Auch die Nachkommen von Usman dan Fodio blieben als formale “Sultaane von Sokoto” bestehen.