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Aufzeichnung der Hadiithe z. Z. der Sahaabah und der Taabi’uun


Auch zur Zeit der Sahaabah war die Niederschrift der Hadiithe nicht unumstritten. Zu dieser Thematik liegen folgende Fakten vor:

  • Aus Sorge, dass der Quraan mit der Sunnah und den Hadiithen vermischt werden könnte oder dass die Muslime sich mehr mit der Sunnah und den Hadiithen als mit dem Quraan beschäftigen könnten, vertraten die Sahaabah in Bezug auf die Verschriftlichung der Hadiithe verschiedene Meinungen:
    • Manche Sahaabah äußerten ihre Abneigung dazu, wie Abu-bakr, Zaid Bnu-thaabit, Ibnu-‘abbaas, Abu-sa’iid Al-chudriy, ‘Abdul-laah Bnu-‘umar (radial-laahu ‘anhum).
    • Andere Sahaabah bekundeten manchmal ihre Ablehnung und manchmal ihre Zustimmung, wie ‘Umar Bnul-chattaab, ‘Aliy Bnu-abi-taalib, Anas Bnu-maalik, ‘Aaischah Bintu-abi-bakr, Abu-hurairah, ‘Abdul-laah Bnu-mas’uud (radial-laahu ‘anhum).

Der Gelehrte Al-chatiib Al-baghdaadiy erklärte diese Meinungsunterschiede wie folgt:
“Die Abneigung gegenüber der Verschriftlichung zu Beginn der Zeit der ersten Generation beruhte darauf, damit nichts der Schrift Allaahs gleichgestellt wird bzw. damit man nicht durch die Beschäftigung mit etwas Anderem vom Quraan abgelenkt wird. Das Verbot der Verwendung der alten Schriften erfolgte, da man in diesen Schriften das Wahre nicht vom Unwahren und das Richtige nicht vom Falschen unterscheiden konnte, und weil der Quraan sie ersetzte und aufhob. Das Verbot zur Verschriftlichung des Wissens zu Beginn des Islam beruhte darauf, dass es zu dieser Zeit wenige Fiqh-Gelehrte und solche gab, die zwischen dem Quraan und Nicht-Quraan unterscheiden konnten, da viele der Wüstenaraber noch keine Einsicht in den Islam hatten und von den wissenden Gelehrten nicht lernten. So war es nicht auszuschließen, dass sie alle Schriften, die sie finden, zum Quraan hinzufügen und denken, dass ihr Inhalt Worte des Allgnädigen wären.” 1

  • Zusätzlich zu den o. g. Beispielen von existierenden Schriften zur Zeit des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) ist es belegt, dass der zweite Chaliifah ‘Umar Bnul-chattaab (radial-laahu ‘anh) zu Beginn seiner Amtszeit die Absicht hatte, die Sunnah und die Hadiithe zu sammeln. Doch rückte er wenig später von dieser Absicht wieder ab, weil er befürchtete, dass die Muslime immer noch Hadiithe mit dem Quraan vermischen bzw. verwechseln könnten. 2 Dieses Vorhaben beweist klar seine Überzeugung, dass die Niederschrift der Sunnah und der Hadiithe erlaubt und notwendig war.
  • Bekannt sind ebenfalls Schriften mit Sunnah-Inhalten des vierten Chaliifah ‘Aliy Bnu-abi-taalib, von dem Sahaabiy Sa’d Bnu-‘ubaadah سعد بن عبادة (gest. 15/636), von der Sahaabiyyah Asmaa’ Bintu-‘umais أسماء بنت عميس (gest. 38/658) und von dem Sahaabiy Abu-hurairah (radial-laahu ‘anhum).
  • Die Einstellung zur Ablehnung der Verschriftlichung der Hadiithe gab es auch bei etlichen Taabi’uun. Doch mit der Zeit setzte sich unter ihnen die Meinung durch, welche die Aufzeichnung der Sunnah und der Hadiithe favorisierte.
    Von manchen Taabi’uun wurde überliefert, dass sie die Hadiithe aufschrieben, bis sie diese auswendig gelernt hatten und diese danach ausradierten, wie Imaam Sufyaan Ath-thauriy سفيان الثوري (gest. 161/ 778), Ham-maad Bnu-salamah حماد بن سلمة (gest. 167/784), Chaalid Al-hadh-dhaa’ خالد الحذّاء (gest. 141/758).
  • ‘Abdul-‘aziiz Bnu-marwaan عبد العزيز بن مروان (gest. 85/704), der Statthalter von Ägypten war der erste Taabi’iy und politische Führer, der einen anderen Taabi’iy aus Hims in Syrien كثير بن مرة الحضرمي (Kathiir Bnu-mur-rah Al-hadramiy) damit beauftragte, die Hadiithe des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) schriftlich zu sammeln.
  • Der Chaliifah ‘Umar Bnu-‘abdil-‘aziiz Bnu-marwaan (gest. 101/720) entschied sich, die Sunnah schriftlich sammeln zu lassen, nachdem der Grund für die Ablehnung ihrer Niederschrift nicht mehr gegeben war. Ein weiteres Argument für ihn war, dass aufgrund der sozialen und politischen Entwicklung des Islam mit der Erfindung und Verfälschung von Hadiithen begonnen wurde.
    Deshalb beauftragte ‘Umar Bnu-‘abdil-‘aziiz den Hadiith-Gelehrten, Muhammad Bnu-‘amr Bnu-hazm محمد بن عمرو بن حزم (gest. 117/735), der sein Statthalter in Al-madiinah war, dieses Projekt umzusetzen. Er befahl ihm dabei ausdrücklich, die von seiner Tante ‘Amrah Bintu-‘abdir-rahmaan عمرة بنت عبد الرحمن (gest. 98/717) überlieferten Hadiithe zu berücksichtigen, da diese Taabi’iyyah von der Ehefrau des Gesandten ‘Aaischah (radial-laahu ‘anha) viele Hadiithe kannte. Er gab außerdem Anweisung Al-qaasim Bnu-muhammad Bnu-abi-bakr (37/657 – 107/725), einen der bekannten so genannten sieben Fiqh-Gelehrten aus Al-madiinah, zu konsultieren, der ebenfalls bei seiner Tante ‘Aaischah (radial-laahu ‘anha) Hadiithe gelernt hatte.
    Außerdem beauftragte ‘Umar Bnu-‘abdil-‘aziiz den großen Hadiith-Gelehrten Ibnu-schihaab Al-zuhriy إبن شهاب الزهري (gest. 124/742), die Sunnah und die Hadiithe systematisch zu sammeln und aufzuschreiben. Anschließend wurde das Aufgeschriebene vervielfacht und zu den Verantwortlichen in den verschiedenen Ländern geschickt.
    So gilt ‘Umar Bnu-‘abdil-‘aziiz als der erste, der die Sunnah aufschreiben ließ, und Ibnu-schihaab Al-zuhriy als der erste, der dies systematisch machte. 3
  • Aus dieser Zeit stammt auch “As-sahiifatussahiihah الصحيفة الصحيحة das makellose Schriftblatt” von Ham-maam Bnu-munab-bih (40/ 660 – 101/719) 4. Dieses Schriftblatt mit 138 Hadiithen wurde von Imaam Ahmad Bnu-hanbal komplett in seinem Musnad-Werk überliefert. Den Inhalt seiner Aufzeichnung hatte Ham-maam direkt von Abu-hurairah (gest. 58/678) (radial-laahu ‘anh) gehört.
    Der bekannte indische Gelehrte محمد حميد الله Prof. Dr. Muhammad Hamiidul-laah (1326/1908 – 1423/ 2002), fand sowohl in Berlin als auch in Damaskus zwei identische Manuskripte dieser Sahiifah 5.
    Damit ist dieses Schriftstück ein weiterer Beleg dafür, das die Muslime mit der Aufzeichnung der Hadiithe lange vor der Sammlung durch den Chaliifah ‘Umar Bnu-‘abdil-‘aziiz begonnen haben.
  • Imaam جعفر الصادق Dscha’far As-saadiq (80/699 – 148/765) besaß Aufzeichnungen von der Sunnah und von Hadiithen, ebenso hatte Imaam زيد بن علي Zaid Bnu-‘aliy (80/699 – 122/740) Al-madschmuu’ المجموع, in dem er sowohl Hadiithe als auch Fatwas niederschrieb.
  • Im zweiten Jahrhundert etablierte sich dann die systematisierte wissen-schaftliche Aufzeichnung der Sunnah. Die Hadiith-Gelehrten haben danach begonnen, die Texte nach Themen zu erfassen und zu sortieren. Sie haben ihre Hadiith-Werke “musannafمصنف das Zusammengetragene”, “dschaami’ جامع das Sammelnde” oder “madschmuu’ مجموع das  Gesammelte” genannt.
    Die wichtigsten dieser Hadiith-Gelehrten waren 6:
    – in Makkah: ‘Abdul-malik Bnu-‘abdil-‘aziiz Bnu-dschuraih Al-basriy عبد الملك بن عبد العزيزبن جُرَيح البصري (gest. 150/767)- in Al-madiinah: Maalik Bnu-anas (93/712 – 179/795), Muhammad Bnu-ishaaq محمد بن إسحاق (gest. 151/768) und Muhammad Bnu-‘abdir-rahmaan Bnu-abi-dhi’b (80/699 – 158/775).- in Al-basrah: Ar-rabii’ Bnu-subaih الربيع بن صبيح (gest. 160/777), Ham-maad Bnu-salamah حماد بن سلمة (gest. 167/784), Sa’iid Bnu-abi-‘aruubah سعيد بن أبي عَروبة (gest. 156/773).- in Al-kuufah: Sufyaan Ath-thauriy (97/716 -161/778).- im Jemen: معمر بن راشد Mu’am-mar Bnu-raaschid (95/714 – 153/770).

    – im Libanon: عبد الرحمن بن عمرو الأوزاعي ‘Abdur-rahmaan Bnu-‘amr Al-auzaa’iy (88/707 – 157/774).

    – in Ägypten: عبد الله بن وهب ‘Abdul-laah Bnu-wahab (125/743 – 197/813).

    – in Churaasaan: ‘Abdul-laah Bnul-mubaarak (118/736 – 181/797).

    – in Waasit (Irak): Huschaim Bnu-baschiir (104/722 – 183/799).

    – in Ar-ray (Iran): Dschariir Bnu-‘abdil-hamiid (110/728 – 188/804).
  • Imaam عامر الشعبي ‘Aamir Asch-scha’biy  (19/640 – 103/722) war der erste Taabi’iy und Gelehrte, der alle Hadiithe, die ein Thema behandelten, in einem eigenen Kapitel bzw. unter einer Überschrift zusammenfasste und ordnete.
  • Die Musannaf-, Madschmuu’- bzw. Dschaami’-Sammlungen enthielten sowohl die Hadiithe des Gesandten (sallal-laahu ‘alaihi wa sallam) als auch die Fatwas der Sahaabah und der Taabi’uun. Später wurden Al-masaaniid المسانيد (Singular Musnadمسند ) verfasst, in denen keine Fatwas der Sahaabah und der Taabi’uun mehr vorkamen, sondern nur noch die Hadiithe. Die wichtigsten Hadiith-Gelehrten, die Musnad-Werke verfassten, sind:
    • أبو داود سليمان بن الجارود الطيالسي Abu-daawuud Sulaimaan Bnul-dschaaruud At-tayaalisiy (133/751 – 204/819), er war der erste Gelehrte, der ein Musnad-Werk verfasste.
    • Asad Bnu-muusa Al-umawiy أسد بن موسى الأموي (gest. 212/827) verfasste in Ägypten sein Musnad-Werk.
    • ‘Ubaidul-laah Bnu-muusa Al-‘absiy عبيد الله بن موسى العبسي (gest. 213/ 828).
    • Yahya Bnu-‘abdil-hamiid يحيى بن عبد الحميد (gest. 228/843) war der erste Hadiith-Gelehrte, der ein Musnad in Al-kuufah verfasste.
    • Imaam أحمد بن حنبل Ahmad Bnu-hanbal (164/781 – 241/855), der das umfangreichste und bekannteste Musnad-Werk verfasste, Imaam إسحاق بن راهويه Ishaaq Bnu-raahawaih (161/778
      – 238/852) und عثمان بن أبي شيبة ‘Uthmaan Bnu-abi-schaibah (156/773 – 239/853).
      Diese Imaame haben die Hadiithe mit deren Sanad dokumentiert und sich bemüht, die Mauduu’-Hadiithe (die erlogenen Hadiithe) aufzudecken und zu verwerfen.
  • Nach den o. g. Gelehrten folgten Hadiith-Gelehrte, die es sich zur Aufgabe machten, nur die SahiihHadiithe (die makellosen Hadiithe) zusammenzutragen und zu veröffentlichen. So entstanden mit ihnen die Sahiih-Werke. Die wichtigsten Verfasser von Werken mit SahiihHadiithen sind folgende Gelehrte:
  • Imaam أبوعبد الله محمد بن إسماعيل البخاري Abu-‘abdil-laah Muhammad Bnu-ismaa’iil Al-buchaariy (194/810 – 256/870).
  • Imaam مسلم بن الحجاج القشيري Muslim Bnul-hadsch-dschaadsch Al-quschairiy (204/819 – 261/875).
  • Imaam أبو داود سليمان بن الأشعث السجستاني Abu-daawuud Sulaimaan Bnul-asch’ath As-sidschistaaniy (202/818 – 275/888).
  • Imaam أبو عيسى محمد بن عيسى بن سورة الترمذي Abu-‘iisaa Muhammad Bnu-‘iisa Bnu-suurah At-tirmidhiy (209/824 – 279/892).
  • Imaam أحمد بن شعيب الخراساني النسائي Ahamd Bnu-schu’aib Al-yhuraasaaniy An-nasaaiy (215/830 – 303/916).
  • Imaam عبد الله بن محمد بن يزيد بن عبد الله بن ماجه القزويني ‘Abdul-laah Bnu-muhammad Bnu-yaziid Bnu-‘abdil-laah Bnu-maadschah Al-qazwiiniy (207/822 –273/886).

Imaam علي بن عبد الله المديني ‘Aliy Bnu-‘abdil-laah Al-madiiniy (161/778 – 234/849), Verfasser vieler Bücher über die Hadiithe und Hadiith-Disziplinen kommentierte diese Entwicklung wie folgt:
“Das Wissen über den Isnaad (das Versehen mit Überlieferungsketten) wurde maßgeblich von sechs Gelehrten geprägt: In Al-madiinah von Ibnu-schihaab, in Makkah von ‘Amr Bnu-diinaar عمرو بن دينار, in Al-basrah von Qataadah Bnu-di’aamah As-saduusiy قتادة بن دعامة السدوسي und Yahya Bnu-abi-kathiir, in Al-kuufah von ‘Amr Bnu-‘abdil-laah As-sabi’iyعمرو بن عبد الله السبيعي und Sulaimaan Bnu-mihraan Al-a’masch سليمان بن مهران الأعمش , dann wurde ihr Wissen an die Verfasser der jeweiligen Bücher weitergegeben.” 7

 

Notes:

  1. Taqyidul-’ilm تقيد العلم von Imaam Al-chatiibul-baghdaadiy الخطيب البغدادي
  2. Siehe dazu „dschaami’u bayaanil-’ilmi wa fadlih جامع بيان العلم وفضله“ von dem Gelehrten ابن عبد البر القرطبي Ibnu-’abdil-barr Al-qurtubiy  (368/979 – 463/1071).
  3. Siehe dazu „dschaami’u bayaanil-’ilmi wa fadlih جامع بيان العلم وفضله“ von dem Gelehrten ابن عبد البر القرطبي Ibnu-’abdil-barr Al-qurtubiy (368/979 – 463/1071), das Werk des Hadiith-Gelehrten الحسن الرَّامَهُرْمُزِيّ Al-hasan Ar-raamahurmuziy (265/879 – 360/971) „al-muhaddithul-faasil bainar-raawi wal-waa’i المحدث الفاصل بين الراوي والواعي“ und Fat-hul-baari فتح الباري.
  4. Siehe „at-tabaqaat الطبقات“ von dem Gelehrten Muhammad Bnu-sa’d محمد بن سعد (168/784 – 230/ 892).
  5. ’uluumul-hadiith wa mus-talahuh علوم الحديث ومصطلحه von Prof. Dr. Subhii Assaalih (1343/1925 – 1407/1986)
  6. al-muhaddithul-faasil bainar-raawi wal-waa‘i المحدث الفاصل بين الراوي والواعي“
  7. al-muhaddithul-faasil bainar-raawi wal-waa‘i المحدث الفاصل بين الراوي والواعي“