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Die Tradierungen in der Sunnah (al-achbaar الأخبار)


al-achbaar ist Plural von al-chabar 1 الخبر.
Gewöhnlich werden die arabischen Ausdrücke in al-chabar الخبر und al-inschaa’ الإنشاء eingeteilt.
al-inschaa’ ist alles, das hinweist auf “amr أمر: Gebot bzw. Befehl”, “nahi نهي: Verbot”, “duaa’ دعاء: Bitte bzw. Bittgebet”, “su-aal سؤال: Frage”, “istifhaam استفهام: Interrogatives”, “nidaa’ نداء: Ausruf”, “taman-ni تمن: Wunsch”, “taradsch-dschi ترجي: Anflehen, bitten”ard عرض: Angebot”, “hadd حض: Aufforderung” oder “nafi نفي: Verneinung”.
al-inschaa’ als Ausdruck kann an sich im Gegensatz zu al-chabar weder als richtig noch als falsch bezeichnet werden.

Begriffsbestimmung von al-achbaar

al-chabar leitet sich linguistisch von al-chibaar الخبار, die weiche Erde ab.
Fachspezifisch ist al-chabar ein Ausdruck, der an sich als richtig oder falsch bezeichnet werden kann.
al-achbaar, die dem Gesandten Muhammad (sallal-laahu alaihi wa sallam) zugeschrieben werden, werden als Hadiithe bezeichnet.

Einteilung von al-chabaar

  • Die eindeutig Falschen: al-achbaar, die eindeutig als falsch gelten, werden entweder durch die Scharii’ah, durch die Erfahrung oder durch die Vernunft entlarvt, (z. B.: die so genannten erfundenen Hadiithe).
  • Die eindeutig Wahren: Zu den eindeutig wahren achbaar gehören z. B. die bewiesenen Sätze der Mathematik, Allaahs Dasein, Aussagen der Gesandten Allaahs und die Mutawaatir-Überlieferung1.
  • Die höchstwahrscheinlich Wahren: Zu den achbaar gehören ebenfalls solche, die der
    Kategorie der höchstwahrscheinlich Wahren (dhann-Kategorie) zugeschrieben werden, wie die Aahaad-Überlieferungen. Diese Hadiithe, die als Aahaad-Überlieferung gelten, müssen beim Handeln berücksichtigt werden, wenn sie makellos (sahiih) sind.
  • Bedingungen zur Berücksichtigung einer Aahaad-Überlieferung
    a) Bedingungen, über die Konsens unter den Gelehrten herrscht:

Bedingungen bezüglich des Tradenten:
– Die tradierende Person muss Muslim sein. Sollte sie etwas zu einer Zeit gehört haben, bevor sie den Islam angenommen hat, und dies erst nach ihrem Bekenntnis zum Islam überliefert haben, dann wird diese Überlieferung von der Mehrheit der Gelehrten akzeptiert.

– Die tradierende Person muss die Geschlechtsreife erreicht haben. Sollte sie etwas zu der Zeit, als sie noch Kind war, gehört und erst nach dem Erreichen der Geschlechtsreife überliefert haben, dann wird diese Überlieferung von der Mehrheit der Gelehrten akzeptiert.

– Die tradierende Person muss zurechnungsfähig sein.

– Die tradierende Person muss adl عدل sein. Die adaalah عدالة muss nachgewiesen werden. Sie stellt einen Wert dar, dessen Berücksichtigung die tradierende Person dazu führt, die Schweren Sünden (al-kabaair 2 الكبائر) zu meiden, die Kleinen Sünden (as-saghaair 3 الصغائر) möglichst zu unterlassen und anständig zu sein.
Damit werden die Überlieferungen von Personen zurückgewiesen, die kabaair begehen, saghaair vollziehen, die auf niederträchtiges Verhalten hinweisen (wie das Stehlen von materiell unbedeutenden Dingen wie ein Stück Brot, ein Ei, usw.) oder sich in einer Art und Weise verhalten, die ihrer nicht würdig ist und sich nicht gehört.

– Die tradierende Person muss mindestens eine gute Aufnahme- und Wiedergabefähigkeit (daabit ضابط) haben.

Bedingungen bezüglich des Tradierten:

– Die Überlieferungskette muss lückenlos sein (it-tisaalus-sand إتصال السند).

– Die Überlieferung darf keiner Überlieferung widersprechen, die von Vertrauenswürdigeren tradiert wurde (adamusch-schudhuudh عدم الشذوذ).

– Die Überlieferung darf keine versteckten Fehler beinhalten (‘adamul-illatil-qaadihah عدم العلة القادحة).

a) Bedingungen, über die kein Konsens unter den Gelehrten herrscht:

– Imaam Malik stellt die Bedingung, dass die Aahaad-Überlieferung nur dann akzeptiert werden kann, wenn sie nicht dem widerspricht, nach dem in Al-madiinah gehandelt wurde.

– Die Hanafiten stellen drei Bedingungen, um eine Aahaad-Überliefer-ung zu berücksichtigen:
a.) Die Überlieferung darf sich nicht mit etwas befassen, das unter den Menschen weit verbreitet ist und unter dessen Auswirkungen die meisten von ihnen leiden, da dies normalerweise als Mutawaatir-Überlieferung tradiert werden muss.
Mit dieser Begründung weisen die Hanafiten z. B. den Hadiith bezüg-lich der Berührung des männlichen Glieds als Annullierungsgrund der rituellen Gebetswaschung zurück.
b.)Die tradierende Person darf nicht gegen die Bestimmungen des von ihr überlieferten Hadiith handeln.
Mit dieser Begründung weisen die Hanafiten den Hadiith bezüglich der siebenmaligen Waschung eines Topfes, nachdem er von einem Hund geleckt wurde zurück, da der Tradent des Hadiith Abu-hurairah (radial-laahu ‘anh) nur dreimaliges Waschen verlangt hat, als er selbst danach gefragt wurde.
c.) Die Überlieferung darf den Analogieschluss (al-qiyaas) nicht widersprechen.

Bemerkung:

Die Aahaad-Überlieferungen bezüglich des Verborgenen (al-ghaib الغيب), wie die Peinigung und die Glückseligkeit im Grab etc., werden in Al-‘aqiidah berücksichtigt. Doch wer diese anzweifelt bzw. zurückweist, wird nicht als kaafir bezeichnet.
Bei unbegründeter Ablehnung solcher Hadiithe wird die ablehnende Person als Faasiq bezeichnet.

 

Notes:

  1. Ausführliche Darstellung der Hadiith-Wissenschaft: siehe Band 9 der Islamologischen Enzyklopädie – ’Uluumul-hadiith, Einführung in die Hadiith-Wissenschaft.
  2. al-kabaair (Singular kabiirah كبيرة) sind alle Verfehlungen, für die es in den Scharii’ah-Texten eine nachdrückliche Androhung mit Peinigung gibt.
  3. as-saghaair (Singular saghiirah صغيرة) sind die Verfehlungen, die keine kabiirah darstellen.